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Die unternehmensrechtliche Going-Concern-Prämisse

3.2.1 „Fortführung des Unternehmens“

§ 201 Abs 2 Z 2 UGB besagt, dass bei der Bewertung im Zuge der Bilanzierung von der Fortführung des Unternehmens auszugehen ist.91 Dies gilt allerdings nur, solange dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gründe entgegenstehen. Diese Bestimmung ist wesentlicher Bestandteil der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchhaltung und Bilanzierung, unter deren Beachtung der Steuerberater den Jah-resabschluss zu erstellen hat. Eine fast gleichlautende Bestimmung findet sich in

§ 252 Abs 1 Z 2 dHGB. Bei der Bewertung ist von der Fortführung der Unterneh-menstätigkeit auszugehen, außer es sprechen rechtliche oder tatsächliche Gege-benheiten dagegen. Die Formulierung unterscheidet sich von jener im UGB dadurch, dass statt von „der Fortführung des Unternehmens“ von „der Fortführung der Unternehmenstätigkeit“ die Rede ist. Inhaltlich meinen die Bestimmungen dasselbe.92 Das Gesetz entstand im Zuge der Umsetzung der Bilanzrichtlinie RL 78/660/EWG, welche in Art 31 Abs 1 lit a den Mitgliedsstaaten vorschreibt, dass für die Bewertung der Posten im Jahresabschluss der Grundsatz der Fort-setzung der Unternehmenstätigkeit unterstellt werden muss. Dazu wurde das Rechnungslegungs-Gesetz93 erlassen und das Going-Concern-Prinzip wurde

90 § 268 Abs 3 dHGB spricht vom Nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag.

91 Der Grundsatz der Unternehmensfortführung ist auch im Steuerrecht in § 6 Z 1 EStG enthalten.

92 Urnik/Urtz in Straube, Unternehmensgesetzbuch II/RLG3 § 201 Rz 29 (Stand Juni 2011); Heben-streit/Neugschwandtner in Zib/Dellinger (Hrsg), Großkommentar zum UGB III/1 § 201 Rz 49 (2013).

93 BGBl 1990/475

erstmals explizit festgeschrieben. Davor gab es nur allgemeine Hinweise auf die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung und Bilanzierung.94

Der Zweck der Norm ist es, die Vermögensgegenstände und Schulden so in der Bilanz zu erfassen, wie sie ihrer Bestimmung nach im Unternehmen verwendet werden sollen.95 Die hier festgelegte Going-Concern-Prämisse wird in der Literatur als Ausfluss der dynamischen Bilanztheorie beschrieben.96 Das heißt, alle Auf-wendungen und Erträge werden der Periode zugerechnet, zu der sie wirtschaftlich gehören und in der Bilanz erfolgen entsprechende Anpassungen, beispielsweise Abschreibung von Anlagevermögen über die Nutzungsdauer oder die Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten. Die Bilanzierung zu Fortführungswerten stellt den Regelfall dar. So muss nach § 201 Abs 2 Z 2 UGB auch bewertet werden, es sei denn rechtliche oder tatsächliche Gründe sprächen dagegen.97

Praktisch ist es jedoch meist schwierig, den Zeitpunkt festzustellen, ab dem nicht mehr von der Fortführung des Unternehmens ausgegangen werden kann. Grund-sätzlich ist sowohl nach österreichischer98 als auch nach deutscher99 herrschender Lehre im Rahmen der Bilanzerstellung vom Unternehmer zu prüfen, ob entgegen-stehende Gründe vorliegen, immerhin ist die Bilanzierung Aufgabe der Unterneh-mensleitung.100 In der Kommentarliteratur zu § 201 UGB wird jedoch von keinem Autor darauf eingegangen, ob die Pflicht zur Prüfung der Fortführbarkeit mit dem Erstellungsauftrag an den Steuerberater übergeht. Zum Teil wird die Meinung ver-treten, dass nur dann zu prüfen sei, wenn konkrete Indizien gegen eine Fortfüh-rung sprechen.101

94 Die International Auditing Standards verlangen ebenfalls, dass der Jahresabschluss unter der Annahme der Unternehmensfortführung aufzustellen ist, zumindest solange, bis das Unternehmen liquidiert werden soll, der Betrieb eingestellt werden soll oder keine realistische andere Option zur Verfügung steht (Lukas/Zetter, Rechnungslegungsgesetz3 (2001) 321).

95 Konezny in Torggler (Hrsg), Unternehmensgesetzbuch § 201 Rz 12 (2013).

96 Fraberger/Petritz in Hirschler (Hrsg), Bilanzrecht – Einzelabschluss § 201 Rz 24 (2010); Heben-streit/Neugschwandtner in UGB III/1 § 201 Rz 51.

97 Fraberger/Petritz in Bilanzrecht § 201 Rz 26.

98 Hebenstreit/Neugschwandtner in UGB III/1 § 201 Rz 53; Konezny in UGB § 201 Rz 14; Hirsch-ler/Christian/Fraberger/Neugschwandtner/Petritz/Schiebel in Hirschler (Hrsg), Bilanzrecht – Einzel-abschluss § 201 Rz 27 (2010).

99 Winkeljohann/Büssow in Förschle/Schmidt/Grottel/Schubert/Winkeljohann (Hrsg) Beck’scher Bilanz-Kommentar9 § 252 Rz 10 (2014); Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch36 § 252 Rz 7 (2014).

100 Janssen, Überlegungen zum „Going concern concept“, WPg 1984, 342 (344).

101 Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen. Kommentar zum HGB, AktG, GmbHG, PublG nach den Vorschriften des Bilanzrichtlinien-Gesetzes I6 § 252 Rz 25 (1995).

3.2.2 Zeithorizont

Die Maßgeblichkeit der Going-Concern-Prämisse endet, wenn das Unternehmen nicht mehr fortgeführt werden darf oder kann.102 In § 201 Abs 2 Z 3 UGB ist das Stichtagsprinzip normiert, nach dem die Vermögensgegenstände und Schulden nach den Verhältnissen am Ende des Geschäftsjahres dargestellt werden müs-sen. Für die Beurteilung, ob der Unternehmensfortführung tatsächliche oder recht-liche Gründen entgegenstehen, ist der Bilanzstichtag maßgebrecht-licher Zeitpunkt.103 Werterhellende Umstände sind zu berücksichtigen.104

Die Berücksichtigung wertbegründender Umstände stellt aber eine Durchbrechung dieses Prinzips dar. In der Literatur werden dazu unterschiedliche Ansichten ver-treten. Winkeljohann/Büssow vertreten (in Anlehnung an Adler/Düring/Schmaltz) die Ansicht, dass wertbegründende Umstände, die erst nach dem Bilanzstichtag eintreten und die Fortführung des Unternehmens gefährden, bei einem noch nicht festgestellten Jahresabschluss ebenfalls noch berücksichtigt werden müssten.105 Das Abgehen von der Going-Concern-Bilanzierung bewirke tiefgreifende Verände-rungen des gesamten Jahresabschlusses. In der Regel wären die Ursachen für das Ende des Unternehmens bzw der Unternehmenstätigkeit bereits vor dem Bi-lanzstichtag latent vorhanden. Die wertbegründenden Umstände legten diese vor dem Stichtag latent bestehende Situation nach dem Stichtag lediglich offen und müssten somit berücksichtigt werden.106 Im Prüfungsstandard PS 270 des IWP wird sogar explizit formuliert, dass das Stichtagsprinzip nicht anzuwenden ist, wenn es um die Prüfung der Fortführung des Unternehmens geht.107 Diese An-sicht korreliert auch mit § 243 Abs 3 UGB. Im Lagebericht ist auf Vorgänge von besonderer Bedeutung, die nach dem Schluss des Geschäftsjahres aufgetreten sind, gesondert hinzuweisen. Würde man also im Lagebericht darauf hinweisen, dass Going-Concern nicht mehr gegeben sei, wäre die Bilanzierung zu Fortfüh-rungswerten nicht kohärent zum Lagebericht und falsch. Diese Ansicht ist strittig.

Wertbegründende Tatsachen bleiben nach Tiedchen jedenfalls

102 Lutter, Fortführung der Unternehmenstätigkeit in Leffson/Rückle/Großfeld (Hrsg), Handwörter-buch unbestimmter Rechtsbegriffe im Bilanzrecht des HGB (1986) 186.

103 Hebenstreit/Neugschwandtner in UGB III/1 § 201 Rz 53.

104 Fraberger/Petritz in Bilanzrecht § 201 Rz 27.

105 Winkeljohann/Büssow in Beck’scher Bilanz-Kommentar9 § 252 Rz 12.

106 Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung I6 § 252 Rz 26.

107 Schulze-Osterloh, Fortführungsprinzip und Stichtagsprinzip, DStR 2007, 1006 (1006).

tigt.108 Den Argumenten, die für die Berücksichtigung wertbegründender Ursachen ins Treffen geführt werden (beispielsweise die Gewinnausschüttung trotz bereits feststehender Gesellschaftsauflösung), sei entgegenzuhalten, dass es sich dabei um gesellschaftsrechtliche Probleme handle, die nicht auf Ebene des Jahresab-schlusses gelöst werden könnten.109 Dieser Ansicht ist zuzustimmen.

§ 82 Abs 5 GmbHG enthält eine Ausschüttungssperre. Der Bilanzgewinn darf dann nicht ausgeschüttet werden, wenn der Geschäftsführung oder dem Auf-sichtsrat vor der Beschlussfassung der Gesellschafter über den Jahresabschluss bekannt wird, dass der Vermögensstand der Gesellschaft nicht bloß vorüberge-hend geschmälert wurde. Dies kann sowohl durch eingetretene Verluste, als auch durch Wertminderungen geschehen sein. Es wird der Teil des Bilanzgewinns von der Verteilung ausgenommen, der dem erlittenen Verlust entspricht. Es bleibt so-mit bei der Grundregel, dass der Bilanzstichtag für die Wertansätze maßgeblich ist und bleibt.110

Neben dem maßgeblichen Beurteilungszeitraum ist die Frage zu beantworten, wie lange die Fortführung des Unternehmens bzw der Unternehmenstätigkeit nach dem Bilanzstichtag noch gegeben sein muss, um zu Fortführungswerten bilanzie-ren zu dürfen. Diese Frage ist eine Tatsachen- und keine Rechtsfrage.111 Im Ge-setz findet sich kein Hinweis auf den Zeitraum. Sowohl in der österreichischen als auch in der deutschen Kommentarliteratur wird ein mit hinreichender Sicherheit überschaubarer Zeitraum112 von ungefähr 12 Monaten nach dem Bilanzstichtag als angemessen angesehen.113 In der Praxis wird der maßgebliche Zeitraum von unterschiedlichen Faktoren abhängig sein und somit ist die Festlegung auf einen fixen Zeitraum kaum möglich.114 Auf internationaler Ebene, im Rahmen der Jah-resabschlusserstellung nach IFRS115, sind die International Accounting Standards (IAS) anwendbar. Die IAS 1116 nennen einen Zeitraum von 12 Monaten nach dem

108 Tiedchen in Hennrichs/Kleindiek/Watrin (Hrsg) Münchner Kommentar zum Bilanzrecht § 252 Rz 21 (2013).

109 Tiedchen in Bilanzrecht § 252 Rz 21.

110 Gellis, GmbH-Gesetz7 § 82 Rz 7 (2009).

111 Lutter in Handwörterbuch unbestimmter Rechtsbegriffe 186.

112 Urnik/Urtz in UGB II/RLG3 § 201 Rz 35.

113 Egger/Samer/Bertl, Jahresabschluss nach UGB I14, 50; Fraberger/Petritz in Bilanzrecht § 201 Rz 39; Hebenstreit/Neugschwandtner in UGB III/1 § 201 Rz 57; Adler/Düring/Schmaltz, Rech-nungslegung I6 § 252 Rz 24.

114 Winkeljohann/Büssow in Beck’scher Bilanz-Kommentar9 § 252 Rz 11.

115 International Financial Reporting Standards

116 International Accounting Standards 1, Presentation of Financial Statements

http://ec.europa.eu/internal_market/accounting/docs/consolidated/ias1_en.pdf (Stand: 01.06.2015)

Bilanzstichtag, für den das Management eine Einschätzung über die Angemes-senheit der Unternehmensfortführung abgeben muss. Dabei ist es nicht auf diesen Zeitraum beschränkt.117 Die international anerkannten Grundsätze zur Abschluss-prüfung nennen in den International Standards on Auditing ISA 570118 denselben Zeitraum.119

3.2.3 Folgen des Abgehens von der Going-Concern-Prämisse

Kommt man zum Schluss, dass der Jahresabschluss nicht mehr unter der Going-Concern-Prämisse aufgestellt werden kann, stellt sich die Frage wie stattdessen vorzugehen ist. Im Gesetz findet sich dazu keine explizite Anordnung. Aus den Bestimmungen des § 91 GmbHG und des § 211 AktG geht jedoch hervor, dass die Bewertungsvorschriften der §§ 201-211 UGB sowie die Gliederungsvorschrif-ten der §§ 224-230 UGB im Abwicklungszeitraum nicht anwendbar sind. Es ist lediglich die Generalklausel des § 222 UGB anwendbar, wonach der Jahresab-schluss binnen fünf Monaten nach Ende des Geschäftsjahres zu erstellen ist und gegebenenfalls ein Lagebericht und ein Corporate-Governance-Bericht erstellt werden müssen. Es bleiben also, mangels speziellerer Vorschriften, die allgemei-nen Bestimmungen des UGB anwendbar.120 Nach herrschender Lehre wird also im Fall der fehlenden Going-Concern-Prämisse der Jahresabschluss unter Zu-grundelegung von Zerschlagungswerten erstellt, das heißt sämtliche Vermögens-gegenstände werden zu Veräußerungswerten bilanziert. Die Höhe dieser Veräu-ßerungswerte hängt im Einzelfall davon ab, ob von der Fortführung des Betriebs als Teil oder als Ganzes ausgegangen wird oder ob die Einzelveräußerung der Vermögensgegenstände angestrebt wird.121 Passivseitig müssen dann auch die Kosten der Abwicklung des Unternehmens berücksichtigt werden, allenfalls vor-handene Abfertigungsrückstellungen werden in voller Höhe der fiktiven Abferti-gungen anzusetzen sein.122 Wird der Jahresabschluss trotz fehlender Vorausset-zungen dennoch unter Annahme der Going-Concern-Prämisse erstellt, muss ge-mäß § 222 Abs 2 UGB eine Angabe im Anhang erfolgen, in der dargelegt wird,

117 IAS 1, Rz 26.

118 International Standards on Auditing 570, Going concern

http://www.ifac.org/sites/default/files/downloads/a031-2010-iaasb-handbook-isa-570.pdf (Stand:

01.06.2015)

119 ISA 570 RZ 2, 13.

120 Hebenstreit/Neugschwandtner in UGB III/1 § 201 Rz 67.

121 Egger/Samer/Bertl, Jahresabschluss nach UGB I14, 52.

122 Egger/Samer/Bertl, Jahresabschluss nach UGB I14, 52.

warum der Jahresabschluss kein möglichst getreues Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage darstellt. Liegt zudem negatives Eigenkapital vor, muss gemäß

§ 225 Abs 1 UGB erläutert werden, ob auch eine Überschuldung im Sinne des Insolvenzrechts vorliegt. Gesellschaften, die einen Lagerbericht veröffentlichen müssen, müssen darin auch die Entwicklung des Unternehmens darstellen (§ 243 UGB).

Die Erstellung einer Bilanz die nicht unter der Annahme der Fortführung des Un-ternehmens erstellt wird, hätte in der Praxis weitreichende Folgen. Ein Unterneh-men das einen derartigen Jahresabschluss im FirUnterneh-menbuch offenlegt, setzt sich dem Risiko aus Gläubiger zu verunsichern oder aufzuschrecken und somit erst recht die Insolvenz heraufzubeschwören.

3.3 „Rechtliche und tatsächliche Gründe“

Solange nicht rechtliche oder tatsächliche Gründe dagegensprechen, ist von der Fortführung des Unternehmens auszugehen. Im UGB ist nicht näher geregelt, was genau unter rechtlichen und tatsächlichen Gründen zu verstehen ist, zusammen-fassend ist wohl die Gesamtsituation des Unternehmens als Anknüpfungspunkt heranzuziehen.123 Die Beurteilung der Fortführbarkeit kann unter Zuhilfenahme betriebswirtschaftlicher Methoden erfolgen. Dabei sind die Vermögenslage und die Aufwands- und Ertragslage des Unternehmens als Prognoseinstrumente zu be-rücksichtigen. Zudem gibt es Kennzahlen, die zur Prüfung der Going-Concern-Prämisse herangezogen werden können.124

Die Einteilung in rechtliche und tatsächliche Gründe ist nicht unbedingt notwen-dig,125 da die Folgen immer dieselben bleiben.126 Die Einteilung erfolgt auch in der Literatur nicht einheitlich.127 Hebenstreit/Neugschwandtner sehen eine Einteilung in rechtliche und tatsächliche Gründe sogar als vernachlässigbar an.128 Fraglich ist, warum im Wortlaut der Norm überhaupt rechtliche und tatsächliche Gründe ausdrücklich erwähnt werden. Rechtliche Gründe, die gegen die Unternehmens-fortführung sprechen, sind solche, die unzweifelhaft feststehen. Sie sind

123 Fraberger/Petritz in Bilanzrecht § 201 Rz 29.

124 Lutter in Handwörterbuch unbestimmter Rechtsbegriffe,186 f.

125 Fraberger/Petritz in Bilanzrecht § 201 Rz 29.

126 Hebenstreit/Neugschwandtner in UGB III/1 § 201 Rz 59.

127 Urnik/Urtz in UGB II/RLG3 § 201 Rz 32.

128 Hebenstreit/Neugschwandtner in UGB III/1 § 201 Rz 59.

lich und lassen gar keine andere Option zu, als die Fortführbarkeit des Unterneh-mens auszuschließen. Die tatsächlichen Gründe sind der jeweiligen Tatbestands-ebene zuzuordnen, das heißt, es sind äußerlich wahrnehmbare Zustände, die, je nach Ausgestaltung, unterschiedliche Rechtsfolgen auslösen. Sie stellen aber nur Indizien dar. Ob die Fortführbarkeit tatsächlich nicht mehr gegeben ist, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen.

3.3.1 Rechtliche Gründe

Die rechtlichen Gründe, die gegen die Fortführung des Unternehmens bzw der Unternehmenstätigkeit sprechen, sind vielfältig. Sie können grundsätzlich in drei Gruppen eingeteilt werden.

Die erste und gleichzeitig offensichtlichste Gruppe der rechtlichen Gründe im Sin-ne des § 201 Abs 2 Z 2 UGB ist die Insolvenz und in weiterer Folge der Konkurs.

Erfolgt schon die Ablehnung des Konkurses mangels kostendeckendem Vermö-gen, ist eine Bilanzierung unter der Going-Concern-Prämisse nicht mehr mög-lich.129 Bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bzw bei Konkurseröffnung ist in der Regel auch nicht mehr von der Fortführung des Unternehmens auszuge-hen.130 In bestimmten Fällen kann sich die Fortführung zur Abwicklung des Ver-fahrens über einen längeren Zeitraum erstrecken und der Masseverwalter erstellt unter Umständen den Jahresabschluss noch zu Fortführungswerten. Bei Zah-lungsunfähigkeit oder bei Überschuldung im Falle von Kapitalgesellschaften ist auch schon vor der gerichtlichen Eröffnung des Insolvenz- oder Konkursverfah-rens von der Going-Concern-Prämisse abzuweichen, wenn die Fortführbarkeit voraussichtlich nicht mehr gegeben ist.131

Als zweite Kategorie von Gründen müssen öffentlich-rechtliche Gründe genannt werden, die die Unternehmensweiterführung verhindern können. Hoheitliche An-ordnungen zur Betriebseinstellung oder beispielsweise Umwelt- oder sonstige

129 Konezny in UGB § 201 Rz 16, Urnik/Urtz in UGB II/RLG3 § 201 Rz 32, Fraberger/Petritz in Bi-lanzrecht § 201 Rz 30; Hebenstreit/Neugschwandtner in UGB III/1 § 201 Rz 60.

130 Konezny in UGB § 201 Rz 16, Fraberger/Petritz in Bilanzrecht § 201 Rz 30, Heben-streit/Neugschwandtner in UGB III/1 § 201 Rz 60, Urnik/Urtz in UGB II/RLG3 § 201 Rz 32, Eg-ger/Samer/Bertl, Jahresabschluss nach UGB I14, 52; Winkeljohann/Büssow in Beck’scher Bilanz-Kommentar9 § 252 Rz 16.

131 Fraberger/Petritz in Bilanzrecht § 201 Rz 30, Konezny in UGB § 201 Rz 16; Urnik/Urtz in UGB II/RLG3 § 201 Rz 32.

lagen für die Produktion können zum Ende der Unternehmenstätigkeit führen.132 Theoretisch können auch die Politik und die Gesetzgebung wesentliche negative Auswirkungen auf das Unternehmen haben und im Extremfall die Going-Concern-Prämisse unanwendbar machen.133

Auch privatrechtliche Gründe können verhindern, dass der Jahresabschluss unter Anwendung der Going-Concern-Prämisse erstellt wird. Oft bestehen Miet- und Pachtverträge oder Lizenz- und Patentvereinbarung, die wesentliche Vorausset-zung für die Unternehmenstätigkeit sind. Dies kann auch auf Konzessionen zutref-fen. Laufen solche Verträge aus, oder werden sie beendet, kann unter Umständen ein Abgehen von der Going-Concern-Prämisse notwendig sein.134 Gerichtsverfah-ren gegen das Unternehmen, die diesem Verpflichtungen auferlegen würden, die es nicht erfüllen könnte, fallen ebenfalls in diese Kategorie.135 Weiters ist definitiv nicht mehr zu Fortführungswerten zu bilanzieren, wenn die Gesellschaft aufgrund gesellschaftsvertraglicher Bestimmungen oder wegen eines Gerichtsurteils aufge-löst werden muss.136

3.3.2 Tatsächliche Gründe

Tatsächliche Gründe werden als solche definiert, die, wenn wirtschaftliche Schwie-rigkeiten auftauchen, die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens fragwürdig werden lassen und zur Insolvenz führen können.137

Besteht die konkrete Absicht, aus welchen Gründen auch immer, die Unterneh-menstätigkeit einzustellen bzw das Unternehmen zu liquidieren, ist jedenfalls von der Going-Concern-Prämisse abzugehen.138 In der Betriebswirtschaftslehre wur-den viele Kennzahlen entwickelt, die zur Iwur-dentifizierung von

132 Konezny in UGB § 201 Rz 16, Fraberger/Petritz in Bilanzrecht § 201 Rz 30; Egger/Samer/Bertl, Jahresabschluss nach UGB I14, 52.

133 Winkeljohann/Büssow in Beck’scher Bilanz-Kommentar9 § 252 Rz 15, Konezny in UGB § 201 Rz 16, Fraberger/Petritz in Bilanzrecht § 201 Rz 30; Egger/Samer/Bertl, Jahresabschluss nach UGB I14, 52.

134 Konezny in UGB § 201 Rz 16, Fraberger/Petritz in Bilanzrecht § 201 Rz 30, Heben-streit/Neugschwandtner in UGB III/1 § 201 Rz 60; Winkeljohann/Büssow in Beck’scher Bilanz-Kommentar9 § 252 Rz 16.

135 Winkeljohann/Büssow in Beck’scher Bilanz-Kommentar9 § 252 Rz 15; Egger/Samer/Bertl, Jah-resabschluss nach UGB I14, 52.

136 Konezny in UGB § 201 Rz 16, Fraberger/Petritz in Bilanzrecht § 201 Rz 30, Winkeljo-hann/Büssow in Beck’scher Bilanz-Kommentar9 § 252 Rz 16, Urnik/Urtz in UGB II/RLG3 § 201 Rz 32; Egger/Samer/Bertl, Jahresabschluss nach UGB I14, 52.

137 Ballwieser in Schmidt (Hrsg), Münchner Kommentar zum HGB3 § 252 Rz 11 (2013).

138 Urnik/Urtz in UGB II/RLG3 § 201 Rz 32, Konezny in UGB § 201 Rz 16, Fraberger/Petritz in Bi-lanzrecht § 201 Rz 30; Hebenstreit/Neugschwandtner in UGB III/1 § 201 Rz 60.

Problemen dienen. Wenn derartige finanzielle Schlüsselkennzahlen negativ sind, ist mittels Fortführungsprognose zu prüfen, ob weiterhin vom Fortbestand des Un-ternehmens ausgegangen werden kann.139 Eine solche Schlüsselkennzahl ist bei-spielsweise das Übersteigen des Umlaufvermögens durch kurzfristige Verbindlich-keiten.140 Die KWT formuliert in ihrem Leitfaden zum Erkennen von menskrisen auch bestimmte strategische Finanzentscheidungen des Unterneh-mens, die als betriebswirtschaftliche Krisenindikatoren herangezogen werden können. Problematisch kann es sein, wenn die Rechnungslegung, trotz hoher Au-ßenstandsdauer, verspätet erfolgt und zudem kein effizientes Mahnwesen besteht.

Kritisch ist auch der Einsatz von sale and lease back-Geschäften zu hinterfragen.

Indiz für eine kritische wirtschaftliche Situation ist auch, wenn Umlaufvermögen zur Besicherung von Forderungen herangezogen wird.141

Going-Concern ist auch dann gefährdet, wenn Gläubiger bei Fälligkeit nicht mehr bezahlt werden bzw wenn bereits wesentliche Kreditgeber oder Zulieferer wegge-fallen sind oder diese die Zahlungsbedingungen auf Zahlung bei Lieferung geän-dert haben.142 Zudem ist auch darauf zu achten, ob das Unternehmen bereits ver-geblich versuchte, kurzfristige Verbindlichkeiten abzulösen und zu erneuern.143 Nicht nur Lieferanten sind diese Betrachtung miteinzubeziehen, sondern auch das Verhältnis zu Banken ist zu untersuchen. Ein Indiz für die mangelnde Fortführbar-keit des Unternehmens kann sein, wenn das Bankkonto häufig überzogen wird bzw wenn bereits sämtliche Kreditlinien zur Gänze ausgeschöpft wurden. Oft geht mit dieser negativen Entwicklung die Kürzung der Kreditrahmen seitens der Bank einher.144 Auch die Tatsache, dass mittels kurzfristiger Kredite langfristige, teilwei-se schwer veräußerbare Vermögensgegenstände finanziert werden, spricht für gravierende finanzielle und strukturelle Probleme des Unternehmens.145 Als

139 Egger/Samer/Bertl, Jahresabschluss nach UGB I14, 52; Winkeljohann/Büssow in Beck’scher Bilanz-Kommentar9 § 252 Rz 15.

140 Konezny in UGB § 201 Rz 16; Fraberger/Petritz in Bilanzrecht § 201 Rz 30; Winkeljo-hann/Büssow in Beck’scher Bilanz-Kommentar9 § 252 Rz 15; Egger/Samer/Bertl, Jahresabschluss nach UGB I14, 52.

141 KFS/BW 5, Rz 8.

142 Konezny in UGB § 201 Rz 16; Fraberger/Petritz in Bilanzrecht § 201 Rz 30; Heben-streit/Neugschwandtner in UGB III/1 § 201 Rz 60; Urnik/Urtz in UGB II/RLG3 § 201 Rz 32; Winkel-johann/Büssow in Beck’scher Bilanz-Kommentar9 § 252 Rz 15; KFS/BW 5, Rz 8.

143 Ballwieser in HGB3 § 252 Rz 11.

144 Konezny in UGB § 201 Rz 16; Fraberger/Petritz in Bilanzrecht § 201 Rz 30; KFS/BW 5, Rz 8.

145 Konezny in UGB § 201 Rz 16; Fraberger/Petritz in Bilanzrecht § 201 Rz 30; Winkeljo-hann/Büssow in Beck’scher Bilanz-Kommentar9 § 252 Rz 15; Egger/Samer/Bertl, Jahresabschluss nach UGB I14, 52.

lematisch ist die Situation eines Unternehmens auch einzustufen, wenn für den Betrieb dringend benötigte Kredite fällig werden, ohne dass es realistisch er-scheint eine Verlängerung oder gleichwertigen Ersatz zu erhalten und das Unter-nehmen nicht dazu in der Lage ist, die vereinbarten Konditionen einzuhalten. Dies passiert vor allem dann, wenn die Bank den Kredit wegen überfälliger Zahlungen fällig stellt.146 Als weiterer tatsächlicher, der Weiterführung entgegenstehender Grund, wird in der Literatur auch der Einsatz von Finanzinstrumenten angeführt.

lematisch ist die Situation eines Unternehmens auch einzustufen, wenn für den Betrieb dringend benötigte Kredite fällig werden, ohne dass es realistisch er-scheint eine Verlängerung oder gleichwertigen Ersatz zu erhalten und das Unter-nehmen nicht dazu in der Lage ist, die vereinbarten Konditionen einzuhalten. Dies passiert vor allem dann, wenn die Bank den Kredit wegen überfälliger Zahlungen fällig stellt.146 Als weiterer tatsächlicher, der Weiterführung entgegenstehender Grund, wird in der Literatur auch der Einsatz von Finanzinstrumenten angeführt.