• Keine Ergebnisse gefunden

1. Einleitung

1.2 Die pathologische Geburt

In diesem Kapitel werden Szenarien beschrieben, die zu einer pathologischen Geburt führen können. Aufgrund der Komplexität der Thematik und im Hinblick auf die vorliegende Fragestellung der durchgeführten Studie wird nur auf solche Szenarien eingegangen, bei denen eine vaginal-operative Entbindung theoretisch möglich wäre.

Die beiden häufigsten Indikationen für eine vaginal-operative Entbindung sind die fetale Beeinträchtigung und der protrahierte Geburtsvorgang (43). Wenn eine Geburt länger dauert als unter normalen Umständen (vgl. Kap.1.1.4) wird diese als protrahierte Geburt bezeichnet. Der Grund dafür kann entweder eine verlängerte Eröffnungsperiode und/oder eine verlängerte Austreibungsperiode sein und im schlimmsten Fall im Geburtsstillstand enden, sodass ein sekundärer Kaiserschnitt oder eine vaginal-operative Entbindung notwendig werden kann.

Ursachen für eine protrahierte Geburt sind beispielsweise eine Wehenschwäche, geburtsmechanische Schwierigkeiten oder Anomalien am maternalen Geburtskanal (44).

1.2.1 Maternale Ursachen

Die maternalen Ursachen für eine protrahierte Geburt sind sehr vielfältig. Eine vorhandene Beckendystokie beschreibt eine Abweichung von der normalen weiblichen Beckenform (vgl.

Kap.1.1.1) und kann zu einem relativen Missverhältnis mit dem kindlichen Kopf führen. Durch die heutzutage regelhafte Vitamin D-Prophylaxe sind das Krankheitsbild der Rachitis und damit verbundene geburtshilfliche Probleme und Beckenanomalien seltener geworden (31).

Ein weiterer Grund für eine verlängerte Geburt können fehlerhafte oder ausbleibende Wehen sein. Dabei wird zwischen hypo- und hypertoner Dysfunktion unterschieden. Bei der hypotonen Dysfunktion ist der Ablauf der Wehen regelrecht, jedoch der Druck, den sie erzeugen, nicht ausreichend hoch. Grundlage dessen kann primär ein fehlgebildeter Uterus oder eine Uterusüberdehnung sein. Stellt sich aber aufgrund einer protrahierten Geburt eine Wehenschwäche ein, wird diese als sekundäre Wehenschwäche bezeichnet. Zumeist hilft eine Oxytocingabe um den Wehendruck zu erhöhen. Eine hypertone Dysfunktion kann (gerade bei protrahierten Verläufen) unter der Geburt durch Oxytocingabe entstehen und ist vor allem ein Zustand asynchroner Wehentätigkeit (44). Die Cervixdystokie führt zu einer Geburtsverzögerung, da sich der Gebärmutterhals in diesem Fall nicht ausreichend dilatieren lässt. Die Gründe dafür sind mehrheitlich Spasmen am Muttermund oder unteren Uterinsegment. Jedoch können auch Narben durch vorausgegangen zervikale Operationen zu einer Cervixdystokie führen (31).

1.2.2 Fetale Ursachen

Es gibt eine Reihe fetaler Ursachen, die den physiologischen Geburtsablauf beeinträchtigen können und meistens in einem Geburtsstillstand enden. Lageanomalien (das Abweichen von der vorderen Hinterhauptslage) des Kindes im Uterus sind eines der häufigsten Probleme die auftreten können.

Neben den Lageanomalien können auch Haltungs- oder Einstellungsanomalien den normalen Geburtsfortschritt behindern. Abweichend von der regelrechten Hinterhauptslage sind als Haltungsanomalien vor allem eine Überstreckung des Kopfes (Deflexionshaltung) und die zu frühe, bereits am Beckeneingang eintretende Beugung des kindlichen Kopfes in die Roederer-Kopfhaltung zu nennen. Eine Deflexionshaltung des Kopfes vergrößert den Durchmesser des vorangehenden Kopfes (45). Je nach Stärke der Kopfneigung spricht man von einer hinteren Hinterhauptslage, Vorderhauptslage, Stirnlage oder im extremsten Fall von einer Gesichtslage.

Bei allen 4 Anomalien ist eine vaginale Entbindung möglich, es sei denn die Gesichtslage ist mentoposterior ausgerichtet (46). Einstellungsanomalien sind durch ein eigentlich unüblich führendes Teil im Geburtskanal charakterisiert. Dieses ist nicht wie normalerweise das Hinterhaupt, sondern ein anderer Teil des kindlichen Kopfes (31).

1.2.3 Nachgeburtsperiode und Verletzungen

Postpartale Blutungen sind von großer Bedeutung für die Gebärende, da sie primär (bis 24 Stunden postpartal) und auch noch sekundär auftreten können. Da es sehr schwierig ist den absoluten Blutverlust bei und nach einer Geburt eindeutig zu bemessen, spielen vor allem eine Veränderung der klinischen Vitalitätsparameter wie Tachykardie, Hypotonie und Oligurie eine entscheidende Rolle (45). Ein vermehrter peripartaler Blutverlust ist nach WHO-Definition festgelegt als ein peripartaler Blutverlust bei Mengen über 500 ml bei einer vaginalen Entbindung und bei Mengen über 1000 ml bei einer durchgeführten Sectio caesarea (47). Eine Uterusatonie ist in ca. 75 % der Fälle ursächlich für postpartale Blutungen, die oft Folge von fetaler Makrosomie, Polyhydramnion, Mehrlingsgeburt und/oder einem protrahierten Geburtsverlauf mit Uterusüberdehnung und fehlender Uteruskompression ist (48). Neben der Schockbekämpfung (49) muss in einer derartigen geburtshilflichen Situation die Plazenta wiederholt auf ihre Vollständigkeit überprüft werden. Im Falle von Plazentaresten im Uterus wird ein manuelles Nachtasten unumgänglich. Medikamentös kommen, wenn notwendig, Kontraktionsmittel wie Oxytocin und Prostaglandine zum Einsatz. Des Weiteren nutzen Geburtshelfer in einer solchen Situation kompressionsfördernde Maßnahmen wie manuelle Handgriffe (beispielsweise den

„Crede-Handgriff“) (50) oder eine Eisblase (51). Etwaige Blutungsquellen aus Geburtsverletzungen müssen zum Schutz der Mutter operativ versorgt werden. Bei einer Uterusatonie mit Blutung und Versagen aller anderen Maßnahmen ist die Ultima Ratio eine Hysterektomie (50). Eine postpartale Anämie ist zumeist auf eine Kombination aus einem vorbestehendem Eisenmangel und einem vermehrten Blutverlust unter/nach der Geburt zurückzuführen (52). Bei länger persistierenden Blutungen können sich lebensbedrohliche Koagulopathien entwickeln (45).

Durch die starken Kräfte, die unter der Geburt auf alle zu passierenden Strukturen einwirken, können Verletzungen entstehen. Abschürfungen und Risse von Damm, Scheide und Cervix können die Folge sein und müssen nach der Geburt unter Lokalanästhesie versorgt werden.

Dammrisse werden je nach Tiefe des Risses in die Grade 1 bis 4 eingeteilt (51). Höhergradige Dammrisse (dritten oder vierten Grades) sind Risikofaktoren für eine Beckenbodendysfunktion

(53) und somit auch für eine persistierende Harn- (54) und/oder Stuhlinkontinenz (54,55), da bei diesen Verletzungen die Muskelschichten der Sphinktermuskulatur und eventuell auch des Rektums mitbetroffen sind (45). Blutende Scheiden- und Zervixrisse werden immer versorgt, ansonsten muss individuell über die Notwendigkeit einer Naht beraten werden (50).

Eine Plazentalösungsstörung wird auch als Plazentaretention beschrieben. Ursächlich ist entweder eine sekundäre Wehenschwäche, eine Störung in der Plazentabildung oder Plazentaeinnistung. Dabei unterscheidet man drei Formen. Zum einen die Plazenta accreta, die nur oberflächlich mit dem Myometrium verwachsen ist und zum anderen die Plazenta increta, die tief, aber nicht bis zur Serosa verwachsen ist. Reicht die Infiltration bis in die Wand der Harnblase, nennt man diesen Zustand eine Plazenta percreta. Implantationsstörungen werden gehäuft an einem vorbeschädigten Uterus gefunden, so zum Beispiel nach einer Uterusoperation oder mehrfacher Kürettage und nach Entzündungen. Löst sich die Plazenta durch Zug an der Nabelschnur nicht von der Uteruswand, kann eine manuelle Plazentalösung mit nachfolgender Kürettage erforderlich werden (45).

1.3 Operative Entbindung