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D. Revision der Strukturfonds und deren Folgen für die Förderung 1994 - 1999

2. Entscheidungsprozeß bei der Revision der Strukturfonds

2.4. Die Beteiligung der Bundesländer am Revisionsverfahren

2.4.1. Das Bundesratsverfahren

Das innerstaatliche Entscheidungssystem der Bundesrepublik Deutschland bei europäischen Rechtsetzungsakten, welche die Kompetenzen der Bundesländer berühren, bindet die Bundesländer in ein Informations- und Konsultationssystem ein. Im Dezember 1987 als die Einheitliche Europäische Akte ratifiziert wurde, wurde das Bundesratsverfahren eingeführt, das die Beziehungen der Bundesregierung zu den Bundesländern über den Bundesrat verbindlich regelt. Das Bundesratsverfahren stellt die wesentliche Beteiligungsform der Bundesländer im innerstaatlichen Entscheidungsprozeß zu europäischen Rechtsetzungsvorhaben dar. Es regelt vor allem die Informationspflicht der Bundesregierung und die Möglichkeit einer Stellungnahme des Bundesrates zu europäischen Rechtsetzungsvorhaben, falls in den Rechtsetzungsvorhaben ganz oder in einigen Teilen ausschließlich Gesetzgebungsmaterien der Länder betroffen oder ihre wesentlichen Interessen berührt werden. Von dieser Stellungnahme kann die Bundesregierung nur aus unabweisbaren außen- und integrationspolitischen Gründen abweichen und muß diese Gründe mitteilen.

In den letzten Jahren hat der Bundesrat eine spezielle Infrastruktur eigens zur besseren Handhabung des Beteiligungsverfahrens aufgebaut. Hierzu gehört die Einrichtung einer Kammer für Vorlagen der Europäischen Gemeinschaften (EG-Kammer458) und eines Ausschusses für Fragen der Europäischen Gemeinschaften459. Die Beschlüsse der EG-Kammer sind denen des Bundesrates gleichgestellt, so daß eine Beschleunigung der Abgabe einer Stellungnahme bei eilbedürftigen oder vertraulichen Vorlagen erreicht werden kann. Weitere Formen der Länderkoordination sind Fachministerkonferenzen und die Arbeitskreise der Bundesländer. Bei wichtigen europäischen Gesetzen versuchen die Bundesländer auf diese Weise eine Vorab-Koordination der Dritten Ebene460 in der Bundesrepublik zu erreichen461.

457 Vgl. Marks (1996), S. 319f.

458 Die EG-Kammer (ein verkleinertes Beschlußorgan gegenüber dem Bundesratsplenum) trat am 14.09.1988 zu ihrer ersten Sitzung zusammen.

459 Vgl. Wiemers (1989).

Im Rahmen des Reformprozesses der europäischen Strukturfondspolitik übermittelten die betroffenen Bundesministerien auf Bundesebene unter der Federführung des Bundeswirtschaftsministeriums der EU-Kommission schon im Dezember 1991 ein

«Memorandum zur Überprüfung der EG-Strukturfondsverordnungen»462. Dort wurden die Ziele der Strukturfonds bestätigt, die Prinzipien von Subsidiarität und Partnerschaft betont und die Beteiligungssätze als zu hoch kritisiert. Die Bundesländer waren von der Bundesregierung nicht zu dem Meinungsbildungsprozeß über das Memorandum hinzugezogen worden.

Die Bundesregierung unterrichtete den Bundesrat Ende Februar 1992 über das Delors-II-Paket. Daraufhin gab der Bundesrat Anfang April 1992 eine Stellungnahme dazu ab463. Seine Forderungen waren die konsequente Anwendung des Subsidiaritätsprinzips und die Erhaltung der regionalspezifischen Instrumente zur Förderung von Forschung und technologischer Entwicklung. Mit dem Hinweis, daß die Mitgliedstaaten selbst für die erforderliche Verkehrsinfrastruktur verantwortlich wären, lehnte er die finanzielle Unterstützung transeuropäischer Netze von Seiten der EU ab464. Die Stellungnahmen des Βundesrates zu den Vorschlägen der Revision der Strukturfondsverordnungen wurden im Bundesrat unter Beteiligung der EG-Kammer, des EG-Ausschusses und der betroffenen Fachausschüsse des Bundesrates erarbeitet.

Als Anfang 1993 die EU-Kommission schließlich sechs Verordnungsvorschläge für die Neugestaltung der Strukturfonds vorlegte, erarbeitete der Bundesrat innerhalb sehr kurzer Zeit mittels seiner EG-Kammer eine detaillierte Stellungnahme.465 Diese besagte, daß die Ausweitung europäischer Finanzmittel kritisch zu überprüfen seien. Die europäischen Finanzmittel für die Bereiche Bildung und Kultur seien einzusparen, da diese Aufgabenbereiche auf nationaler und regionaler Ebene in befriedigender Weise geregelt werden könnten. Zudem forderte der Bundesrat die Bundesregierung auf, für

461 Vgl. Staeck (1997), S. 140-142.

462 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft (1991).

463 Vgl. Deutscher Bundesrat (1992b).

464 Vgl. Deutscher Bundesrat (1992b).

465 Aus der Stellungnahme des Bundesrates werden die Schwerpunkte, die Interessen und die Kritik der Bundesländer an den Struktufonds und an der Arbeit der Kommission deutlich.

die Sicherstellung einer nationalen und regionalen Strukturpolitik neben der europäischen Strukturpolitik zu sorgen.

Daraufhin folgten Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und dem Ministerrat.

In diesen Verhandlungen vertrat die Bundesregierung im Ministerrat die Position des Bundesrates zur Zufriedenheit der Bundesländer466.

Als Ergebnis kann festgehalten werden, daß bei der Revision der Strukturfonds die Verhandlungen auf Bundesländerebene getrennt von der Verhandlungsarena auf europäischer Ebene in einer Arena stattfanden. Hierbei stellte die Verhandlungsarena Bundesregierung – Bundesrat praktisch eine Unterarena zur Verhandlungsarena auf europäischer Ebene dar. Obgleich der Bundesrat frühzeitig seine Kernforderungen angemeldet hatte, waren seine Forderungen lediglich eine Reaktion auf die Mitteilung der Kommission und stellten keine selbstinitiierte Aktion dar. Dabei wußten die Bundesländer seit den Verhandlungen über das Delors-II-Paket, daß eine Revision der Strukturfonds bevorstand. Auf die anstehenden Verhandlungen hatten sie sich offensichtlich nicht ausreichend vorbereitet.

2.4.2. Direkte Einflußmöglichkeiten und «konspirativer Weg» nach Brüssel Neben diesem System der Partizipierung der Bundesländer gibt es generell noch eine Anzahl von direkten und indirekten Kontakten zu den europäischen Organen, mittels derer die Bundesländer versuchen können, im Vorfeld der Erarbeitung von Vorschlägen der EU-Kommission auf diese Einfluß zu nehmen. Die direkten Beteiligungsmöglichkeiten der Bundesländer reichen von institutionellen Kontakten (z.B. der Beobachter der Länder bei den Europäischen Gemeinschaften467) über offizielle Verbindungen ( z.B. die Präsenz von Ländervertretern in EU-Gremien468 oder die Verbindungsstelle zwischen dem Bundesrat und dem Europäischen Parlament469) bis hin zu inoffizieller Einflußnahme (z.B. die Länderbüros in Brüssel und die Direktkontakte der Länder zu europäischen Institutionen470).

466 Vgl. Staeck (1997), S. 140.

467 Vgl. Sauter (1989).

468 Vgl. Morawitz (1981).

469 Vgl. Jaspert (1982).

Bei der Revision der Strukturfondsverordnungen operierten insbesondere die Länderbüros und der Länderbeobachter auf der europäischen Ebene für die Bundesländer. Die Verbindungsbüros knüpften informelle Kontakte, um Einfluß auf die europäischen Entscheidungsprozesse auszuüben. Die Aufgabe des Länderbeobachters471 blieb innerhalb seiner institutionellen Funktionen auf das Weiterleiten von Informationen über den Bundesrat an die Länder beschränkt. Die Rolle der Länderbüros und des Länderbeobachters blieb während des Entscheidungsprozesses über die Verordnungen unbedeutend, da diese über zu wenig fachspezifisches Wissen verfügten und die Bundesländer über die offiziellen innerstaatlichen Beteiligungsverfahren oder direkt über die Kommission versuchten, Einfluß zu nehmen. Bei den europäischen Angelegenheiten wirkte die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Brüssel als Mittler zur Bundesebene.