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Die Abenteuer der Oktjabnna (POchożdeniia Oktiabrmv)

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Kapitel 3. Pic Tbeaterstflcke and Filme der FEKS ה

3.2. Die Filme

3.2.1. Die Abenteuer der Oktjabnna (POchożdeniia Oktiabrmv)

Das erste Film drehbuch der FEKS zu "Edisons Frau" wurde nicht umgesetzt. Zu dieser Zeit zerfiel die ursprüngliche Gruppe der FEKS.

Ju tke vič ging zu Foregger nach Moskau, Kapier kehrte in die Ukraine zurück. K ry ż ic k ij hatte sich von der Gruppe schon früher getrennt und auch der C low n Serż verließ m it seinem Zirkus Petrograd.'10 Kozincev und Trauberg blieben als einzige zurück. Überzeugt davon, daß der Film die richtige Kunstform für sie sei, schrieben sie ein neues Drehbuch m it dem Titel

"Die Abenteuer der Oktjabrina" ("Pochoidenija Oktjabriny"). Dieses reichten

309 Gregor/ fonalas ( 1962). S. 117.

•M ״ GE. S. 43.

sie am 5. Mai 1924 bei Sevzapkino ein, wo es auch angenommen wurde. Die Leitung der Inszenierung wurde allerdings dem Regisseur Boris V ita l’evič C ajkovskij übertragen, sodaß Kozincev und Trauberg die Position von Regieassistenten innehatten. Diese Situation änderte sich jedoch schon bald nach Beginn der Dreharbeiten. Die schwindelerregende Höhe bei den Außenaufnahmen auf den Dächern von Petrograd, veranlaßte C ajkovskij dazu, sich von den Dreharbeiten zurückzuziehen und den beiden jungen Regisseuren das Feld zu überlassen.'11

"D ie Abenteuer der O ktjabrina" ist die Fortsetzung der fèksschen Theaterarbeit m it den technischen M itte ln des Films. Ohne Hemmungen haben sie hier alle Möglichkeiten ausprobiert, die der Film zu dieser Zeit bot:

Trickfilm aufnahm en, Beschleunigung. Verlangsamung. Frosch- und Vogel- perspektive, R ücklauf und M ontagetricks. Der F ilm hat keine klare Handlungslinie, sondern folgt noch dem im Manifest geforderten Prinzip des

"Hazard".

Die Oktjabrina verfolgt vor der Kulisse Petrograds den NEP-Mann und den kapitalistischen Bösewicht K ulidž Kerzonovič Puankare (der Name entstand in Anlehnung an den damaligen Präsidenten der USA, Coolidge. den Außenminister Großbritanniens. С urzon, und den Ministerpräsidenten Frank- reichs. Poincaré), die bei einem Bankraub eine Kasse m it 10.000.000 Goldrubel gestohlen haben. Die Handlung wird jedoch ständig unterbrochen von Werbe- oder Agitationsaufrufen. A ls der NEP-Mann von der Höhe der Isaakskathedrale die blühende sozialistische Stadt sieht und die Hoffnung auf ein Erstehen des Kapitalismus aufgeben muß. w ill er sich an seinen eigenen Hosenträgern erhängen. Diese reißen jedoch und es folgt die Einblendung:

"Da sehen Sie, was es heißt, seine Hosenträger nicht bei L S P O '12 zu kaufen!". Da werden Menschen aus dem Flugzeug geworfen, weil sie nicht M itglieder in der ,,Gesellschaft der Freunde der L u ftflo tte " sind, oder ein Kamel weigert sich, seine Reiter zu tragen, weil diese nicht die Kekse einer bestimmten Firma essen. "W erbung w ird von den Féksy als Kunst des Unsinnigen verstanden. A u f diesem Prinzip ist die ,O ktja brina ' a u f- g e b a u t . "י יי So stellt der gesamte F ilm ein bewegtes W erbe- oder

1 |י Vgl. Vuj>lclM ( I^JO). S. 15; souic: Trauberg ( 1976), S. 27.

LSPO - Lcm ngradskij S o ju / p o trc b u c l's k ic h o b $ ć c 4 \. L e n in g ra d o U nion der Vcrtncbsgcscl I schal len.

Bulgakov a ( 1990). S. M

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Agitationsplakat im Stil der "Rosta-Fenster" dar. Doch auch dieser Film ist.

wie die ihm vorangegangenen Theaterstücke, die praktische Umsetzung des Manifestes "Ekscentrizm ". Kozincev und Trauberg blieben ihren darin gestellten Forderungen treu, indem sie einen film ischen "Cancan auf dem Strang der Lo g ik und des gesunden Menschenverstandes"■'14 inszenierten.

Auch den "Abenteuern der Oktjabrina" fehlt jegliches Pathos, jeglicher Kult.

Ebenso w ie die Theaterstücke der FEKS w ird auch dieser F ilm durch konsequente Parodierung der Handlung von der spielerischen Einstellung seiner Regisseure zur Ideologie, zur Kunst und dem Ideal als solchem bestimmt.

Der Film erhielt damals und in späteren Jahren fast ausschließlich negative K r itik und auch K ozincev und Trauberg selbst betrachten ihn als Jugendsünde. A u f das Publikum der zwanziger Jahre muß er m it seinen ungewohnten Perspektiven, seiner rasenden Geschwindigkeit und durch das Fehlen des Sujets verwirrend gewirkt haben. Daß er auch später n ich t po sitive r bedacht wurde, mag daran liegen, daß dieser F ilm wenig Angriffsfläche für wissenschaftliche F ilm k ritik bietet und man ihn nicht als das gelten ließ, was er darstellt: ein Experiment m it F ilm m itteln auf der Grundlage exzentrischer Parodie. Ein anderer Grund fü r die Ablehnung dieses Filmes liegt zweifellos auch in den Werbe* und Agitationsaufrufen, die auf parodistische A rt und Weise je g lich e M anipulation des Menschen k ritis ie re n , sei es durch Reklame oder ideologischen Zw ang zum Konformismus. Die positivste ־ und wie m ir scheint treffendste - K ritik zu den "Abenteuern der Oktjabtina" schrieb Jurij Tynjanov 1929:

"Dieser kleine, ich weiß nicht wo und wie gedrehte Film gehört nicht zu den hohen Filmgenres. Die bescheidensten Szenen, die ich m ir gemerkt habe ־ da waren wohl Leute, die Uber Dächer radeln. Die ,Abenteuer* sind eine zügellose Sammlung aller Tricks, deren sich ftlm hungrige Regisseure bemächtigen konnten. Und trotzdem haben die FEKSe recht, wenn sie ihre ,Abenteuer' lieben. Sic sind nicht bei den monu- mentalen 'Epopöen' in die Lehre gegangen, sondern beim elementar ,Komischen', wo noch die Spuren des Film s als einer Erfindung vorhanden sind. Elemente des Films, die es erlauben, ohne überflüssige Schüchternheit und Achtung zu beobachten, zu probieren, anzupacken, was ehrerbietigere, aber weniger aufgeschlossene Leute als Tabu betrachten: Das Wesen des Films als Kunst. Hier erwarben die FEKSe das.

was bis heute ihr wertvollster Zug ist: Freiheit des Genres.

314 K o /in c tn / K n lit s k ij/ Trauberg/ J u ik c \1ć ( 1922). S. 5.

U nverbindlichkeit der Traditionen, die Fähigkeit gegen- sätzliche Sachen zu sehen.315״

Der nächste FEKS *Film "M iśka gegen Judenić" ähnelte in vielem den

"Abenteuern der Oktjabrina". Es handelte sich um eine Episode aus dem Bürgerkrieg, die in Form von Zirkusnummem dargestellt war. Der weiß- gard isti sc he General Judenić wurde von einem Zirkusclow n in Generals- uniform m it angeklebtem Chaplin-Bart verkörpert. Sein Stab wurde dar- gestellt durch einen langen Zaun, auf den "Judenićs Stab" geschrieben war.

A ls der Zeitungsjunge Miśka zu dem Stab vordringt, zieht er sich ebenfalls eine Generalsuniform und einen Schnurrbart an. Sein dressierter Bär (auch Miśka genannt) schlägt alle, die zum General wollen, so auf den K opf, daß sie bewußtlos liegenbleiben. Es beginnt eine Verfolgungsjagd w ie in den amerikanischen Keystone-Komödien.

Von allen Biographen der FEKS ist dieser Film nur mit wenigen Worten erwähnt worden, wegen seiner Nähe zu den "Abenteuern der O ktjabrina".

Diese Slapstick-Komödie vor revolutionärem Hintergrund spielt zwar keine w ichtige Rolle in der Entw icklung der FEKS. ist aber ein interessantes Beispiel für die Anwendung des Zirkusprinzips auf Politik und Ideologie.

1924 eröffneten Kozincev und Trauberg auch die Schauspieler-Werkstatt der FEKS, nachdem sie zu der Überzeugung gekommen waren, daß ein Rimschauspieler eine besondere Ausbildung für den R im brauche.

Aus den vielen Bewerbern fü r diese Werkstatt wählten sie etwa acht bis zehn aus. die dann auch in den nächsten Jahren die feste Schauspielertruppe der FEKS bilden sollten.

Ä h n lic h w ie Kule$ov legten auch K ozincev und T ra u b e rg den Schwerpunkt auf die körperliche Ausbildung des Schauspielers und unter- richteten ihre Schüler in Akrobatik. Fechten, Boxen und anderen Sportarten.

Die Beherrschung des Körpers und der M im ik war das oberste Z ie l, so daß auch Emotionen und der innere Zustand eines Menschen durch äußerliche Körpersignale dargestellt werden konnten und nicht "durchlebt" werden sollten.

Daß es außer den Studios von Kuleśov und der FEKS noch eine weitere Schule fü r Schauspielerausbildung gab. die m it den gleichen Methoden arbeitete lind sich К Й М (Kinoeksperim ental'naja masterskaja = F ilm ­

' 1י T \n ja n o \. *Uber FLK S ' In. M ic rju ( ІУК7), S. 4.ѴЧ

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experimentelle Werkstatt) nannte, zeigt, welch großen Einfluß Mejerchol'ds Biomechanik gerade auf den Film hatte.

Die Schauspielschüler der FEKS konnten ihre Kenntnisse zum ersten Mal in dem F ilm "Das Teufelsrad" ("C e rtovo K o le s o \ 1926) praktisch anwenden.