• Keine Ergebnisse gefunden

Die deutsche Hochhausdebatte – der Wolkenkratzer als Symbol der modernen

Im Dokument Stadt – Frau – Amerika (Seite 93-96)

Die deutsche Hochhausdebatte278 war ein weiterer wichtiger Bestandteil des Amerikanisierungsdiskurses der 20er-Jahre. Sie veranschaulicht das Streben Berlins nach dem Status einer modernen Weltstadt.

Die an der Debatte beteiligten Architekten plädierten für eine Einführung des Wol-kenkratzers in Deutschland, weil sie sich davon eine Lösung der Wohnungsnot versprachen wie auch ihren Wunsch nach einem neuen Bauen darin erfüllt sahen.

Berühmte Architekten wie Peter Behrens, Walter Gropius oder Mies van der Rohe diskutierten teilweise öffentlich – und mitunter auch im Berliner Tageblatt – über diese neue Bauweise und über die moderne Gestaltung Berlins. Die meisten Entwürfe, die 1922 beim Wettbewerb für die Gestaltung der Friedrichstraße eingereicht wurden, waren Hochhäuser, nach dem Vorbild US-amerikanischer Wolkenkratzer.

Den ersten prägenden Eindruck bei allen Besuchern New Yorks hinterließen die Freiheitsstatue und die Skyline von Manhattan. „Vorübergleitend an der Freiheits-statue und an dem panoramaartig an uns vorbeiziehenden Stadtbild mit seinen in

277 Kafka, Hans: Automobile, Automobile ...! Querschnitt durch einen Freitag. In: BT, 11.4.1928, MA.

278 Möhring, Bruno (Prof.): Turmhäuser in Berlin. In: BT, 27.3.1921, MA. Und: Stahl, Fritz:

Turmhaus Friedrichstraße. Die Ausstellung der Entwürfe. In: BT, 5.2.1922, MA. Und:

Landsberg, Max: Für das Turmhaus. In: BT, 29.3.1922, MA. Sowie: Anonym: Bau des ersten City-Wolkenkratzers. In: BT, 4.4.1928, AA.

der Sonne liegenden Wolkenkratzern ist der Dampfer am Morgen in die riesigen Hafenanlagen eingelaufen [...]“279, schrieb begeistert Franz Westermann über seine Ankunft in New York. Der Wolkenkratzer, dieses in den Himmel ragende Bauwerk war ein in Stein, Stahl und Glas graviertes Symbol der Macht und Stärke – und die Stadt New York repräsentierte beides. Der Wolkenkratzer wurde gleichzeitig zu einem beliebten Motiv in Kunst, Literatur und Werbung. Immer, wenn ein weltmännischer Charakter, Macht oder Erfolg dargestellt werden sollten, ver-wendete man den Wolkenkratzer als Gestaltungselement. Häufig tauchte er in Zeitungsreklame auf, sogar in Kaffeewerbung.

„Die Begeisterung nahm in den folgenden Jahren solche Ausmaße an, daß viele Zeitge-nossen sie als übersteigert und wirklichkeitsfremd empfanden und vom ‚Hochhausfieber’, der ‚Turmhausepidemie’ oder gar dem ‚Schrei nach dem Turmhaus’ sprachen. Das Hoch-haus, vor dem Krieg im wesentlichen als ein interessantes amerikanisches Kuriosum, gele-gentlich auch als Symbol eines menschenverachtendes Kapitalismus apostrophiert, schien plötzlich die Deutschen direkt anzugehen. Viele empfanden es nun als Symbol für den eigenen wirtschaftlichen Fortschritt, internationales Prestige und ein Ende von Wohnungsnot und Arbeitslosigkeit. Gleichzeitig etablierte sich das Motiv des Hochhauses in der Kunst und in vielen Bereichen der Alltagskultur der Weimarer Republik. Es tauchte in der Literatur, in Kinofilmen und Werbeanzeigen auf oder wurde als Kinderspielzeug vermarktet.“280

Das neue Bauen, dem der Weg geebnet wurde durch namhafte Architekten wie Peter Behrens oder Hermann Muthesius, machte es sich zur Aufgabe, „moderne Bauten für moderne Menschen“281 zu schaffen. Das Ziel dieser Architektur war es, Funktionalität und Schönheit zu verbinden, wofür neue Konzepte entwickelt und neue Materialien verwendet wurden.

„Glas und Stahl – hart, glatt, nüchtern – sind die Materialien scheinloser gesellschaftlicher Transparenz. [...] Alles Stilisierende ist den Großstädtern der 20er Jahre unerträglich; sie fordern das Unauffällige, Anonyme, das sich an der massenweisen Gestaltung gleicher Gebrauchsgegenstände schult.“282

So wurde beispielsweise bei der Raumplanung daran gedacht, dass eine völlig neue Konzeption und Ausstattung des Küchenraums die Haushaltsführung für Frauen erleichtern könne. Auch Junggeselle und Junggesellin, deren Anzahl stieg, wurden von den Architekten mit entsprechenden Wohnräumen bedacht. Trotz des

279 Vgl. Westermann, Franz: a. a. O., S. 17.

280 Neumann, Dietrich: „Die Wolkenkratzer kommen!“ Deutsche Hochhäuser der Zwanziger Jahre. Debatte, Projekte, Bauten. Friedrich Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft

Braunschweig / Wiesbaden, 1995, S. 11.

281 Nipperdey, Thomas: Wie das Bürgertum die Moderne fand. Reclam Berlin, 1998, S. 56.

282 Smuda, Manfred: a. a. O., S. 76.

oft beklagten Wohnungsmangels283 verbesserte sich in den 1920er-Jahren die Situation auf dem Wohnungsmarkt, und „Berlin wurde nach 1925 zu einem Zentrum des modernen Sieldungsbaus, in dem Bauhausarchitekten Wohnungen für die lohnabhängigen Massen entwarfen.“284

In der deutschen Diskussion um das Hochhaus gab es sowohl etliche Gegner wie auch Befürworter. Peter Behrens war überzeugt, dass Hochhäuser für Berlin uner-lässlich seien, um seinen Weltstadtcharakter zum Ausdruck bringen zu können:

„Wer Amerika kennt, weiß, dass das Hochhaus die allein zweckmäßige Bauart ist, die das Zentrum einer Weltstadt verlangt. Aus Gründen der Zweckmäßigkeit sollte man sich auch in Berlin schon längst zu dem durch das Hochhaus bestimmten Charakter der City, in der nicht der Kleinladen vorherrscht, sondern die Großorganisationen einschließt, entschlossen haben [...]. Ist Berlin eine Weltstadt, so sollte das nicht nur statistisch erwiesen werden können, sondern in seiner Gestalt zum Ausdruck kommen.“285

Erich Mendelsohn wiederum sprach sich in derselben Diskussion dagegen aus, Berlin ganz und gar in eine Wolkenkratzerstadt zu verwandeln. Er plädierte für den Bau von Hochhäusern mit europäischen Ausmaßen und nur an manchen Orten.286 Dass sich Berlin beim Hochhausbau an US-amerikanischen Vorbildern orientierte, davon zeugte z. B. auch der geplante Bau des „ersten City-Wolkenkratzers […]

Leipziger-Ecke-Friedrichstrasse“. Dabei handelte es sich um „ein riesiges, nach amerikanischem System eingerichtetes Geschäftsgebäude, ein für Berlin völlig neuartiges Turmhaus“287 – das allerdings nicht gebaut wurde. Ein tatsächlich reali-siertes Beispiel für die vom Turmhaus inspirierte Architektur stellte das 1929 er-öffnete Kaufhaus Karstadt am Hermannplatz dar, das auch im Detail stark an einen US-amerikanischen Wolkenkratzer erinnerte. „‚Wir haben den amerikanischen Traum verwirklicht’, hieß es vollmundig in einem anlässlich der Einweihungsfeier herausgegebenen Handbuch über die Architektur des Baus.“288

Die Gestaltung Berlins war eine besondere Herausforderung für Architekten, da sie architektonische Formen finden wollten, die den modernen Großstadtcharakter

283 Vgl. Tergit, Gabriele: Auf Wohnungssuche in Berlin. Keine Hausung. Am 1. April waren es 165 000 Unbehauste. In: BT, 1.5.1928, MA.

284 Häußermann, Hartmut: Wohnen in Berlin. Die Entwicklung sozialräumlicher Strukturen.

In: Rytlewski, Ralf; Süß, Werner: a. a. O., S. 485.

285 Behrens, Peter: In der Diskussion: Werden Wolkenkratzer werden? Die City muss in die Luft gehen. In: BT, 25.9.1928, MA.

286 Mendelsohn, Erich: In der Diskussion: Werden Wolkenkratzer werden? Die City muss in die Luft gehen. In: BT, 25.9.1928, MA.

287 Anonym: Bau des ersten City-Wolkenkratzers. Leipziger-Ecke-Friedrichstrasse. Das K. d.

W. wird aufgestockt. In: BT, 4.4.1928, AA.

288 McGee, Marc: Berlin 1925 – 1946 – 2000. Nicolaische Verlagsbuchhandlung Berlin, 2000, S. 183.

lins unterstreichen sollten. Gleichzeitig war es notwendig, der wachsenden Bevölke-rung entsprechenden Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Zwar wurde Berlin keine Wolkenkratzerstadt, doch diente sie als Experimentierfeld der modernen Architektur.

Im Dokument Stadt – Frau – Amerika (Seite 93-96)