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Das folgende Kapitel stellt zentrale Einflussfaktoren der Weiterbildungsteilnahme, die im Rahmen dieser Arbeit untersucht werden, vor. Im ersten Abschnitt werden individuelle Merkmale, das Geschlecht und das Studienfach, hinsichtlich ihres Einflusses auf die Weiter-bildungsbeteiligung beschrieben. Daran anschließend wird die Bedeutung von Betriebs- und Stellenmerkmalen, die Betriebsgröße, der Sektor und die Art des Beschäftigungsverhältnisses, diskutiert.

Individuelle Merkmale Geschlecht

Hinsichtlich des Einflusses des Geschlechts auf die Weiterbildungspartizipation zeigt sich rein deskriptiv, dass Frauen insgesamt nicht im gleichen Umfang an Weiterbildungsmaßnah-men teilnehWeiterbildungsmaßnah-men wie Männer. Einerseits aufgrund von Selbstselektionsprozessen, andererseits durch Fremdselektion der Betriebe, die eher vollzeiterwerbstätige (männliche) Arbeitnehmer weiterbilden (Büchel/Pannenberg 2004: 96; Offerhaus et al. 2010: 350).34 Werden aber

34 Prozesse der Fremd- und Selbstselektion werden allerdings vom Angebot an und der Nachfrage nach Weiterbildung beeinflusst und sind meist nicht eindeutig identifizierbar. Beispielsweise könnten Frauen auch aufgrund ihrer häufigeren Teilzeitbeschäftigung weniger Weiterbildung nachfragen. Allerdings ist der Effekt des Geschlechts in multivariaten Mo-dellen nicht signifikant (u.a. Büchel/Pannenberg 2004; Offerhaus et al. 2010). Neben dem Geschlecht hat auch das Alter einer Person Einfluss auf ihre Weiterbildungsaktivitäten. Aus Sicht der Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist der Umfang

4.7 Determinanten der Weiterbildungsteilnahme 63 viduelle und strukturelle Merkmale kontrolliert, so finden sich keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen (Büchel/Pannenberg 2004; Hubert/Wolf 2007; Offerhaus et al. 2010;

siehe auch Kapitel 3.1). Die Situation von Hochqualifizierten gestaltet sich ähnlich. So stellen Willich et al. (2002) sowie Leuze und Strauß (2011) keine Differenzen zwischen Hochschul-absolventinnen und -absolventen hinsichtlich der Teilnahme an Weiterbildung fest. Allerdings sind Absolventinnen häufiger auf Eigeninitiative und -finanzierung angewiesen.

Aus Sicht der Humankapitaltheorie ist das Geschlecht für Weiterbildungsinvestitionen von Bedeutung, da Arbeitgeber vor allem bei weiblichen Arbeitskräften Erwerbsunterbre-chungen antizipieren. So erscheinen arbeitgeberseitige Humankapitalinvestitionen nicht ren-tabel, wenn Frauen eine kürzere Betriebszugehörigkeit oder geringere Karriereambitionen zugeschrieben wird (vgl. Becker/Hecken 2009: 368). Insgesamt weisen eher Frauen als Män-ner diskontinuierliche Erwerbsbiographien auf (Falk 2005, Ziefle 2004). Diese Unterbrechun-gen bedeuten aus humankapitaltheoretischer Perspektive Produktivitätseinbußen, die einen geringeren Lohn oder eine niedrigere Position mit geringeren Karriereaussichten zur Folge haben können (Gartner/Hinz 2009: 560). So kann die erwartete Erwerbsunterbrechung zu einer geringeren Bereitschaft der Arbeitgeber beitragen, in das weibliche Arbeitskräftepoten-tial zu investieren. Es kann also auch für Hochschulabsolventinnen angenommen werden, dass sie seltener vom Arbeitgeber in Bezug auf ihre Weiterbildungsinvestitionen unterstützt werden. Sie sollten daher häufiger an selbstfinanzierten Weiterbildungsmaßnahmen teilneh-men als Absolventen. Außerdem ist es für Frauen aufgrund der kürzeren Betriebszugehörig-keit in Folge von familienbedingten Erwerbsunterbrechungen rational, weniger in betriebs-spezifische Maßnahmen zu investieren (Fitzenberger/Speckesser 2004: 8). Betrachtet man die Situation nach der Familiengründung, so beeinflussen Kinder sowohl die Opportunitätskosten der Arbeitszeit als auch von Weiterbildungsaktivitäten (Fitzenberger/Prey 1999: 152).35 Für Frauen ist es daher weniger rational, an Weiterbildung teilzunehmen.

Gemäß der Signaling-Theorie ist das Geschlecht ein Signal, das nicht vom Individuum verändert werden kann. Aufgrund der unvollständigen Information und des Risikos von Fehl-allokationen auf dem Arbeitsmarkt greifen Arbeitgeber auf Indikatoren zurück. Folglich wird angenommen, dass Arbeitgeber wegen des zugeschriebenen Merkmals Geschlecht Frauen

der Humankapitalinvestitionen abhängig vom Zeitraum, in dem sie sich amortisieren können (Becker 1964; Hubert/Wolf 2007: 477). Aus individueller Perspektive sollten gemäß der Humankapitaltheorie Bildungsinvestitionen so früh wie möglich getätigt werden, denn mit zunehmendem Alter verkürzen sich die Amortisationszeiträume. Junge Personen ha-ben also einen größeren Anreiz als Ältere, in ihr Humankapital zu investieren, da sie die Erträge über einen längeren Zeitraum abschöpfen können (Becker 1962: 38; Büchel/Pannenberg 2004: 79). Da der Grenznutzen von Qualifikationen mit zunehmendem Alter abnimmt, zahlen sich Weiterbildungsmaßnahmen insbesondere in der frühen Erwerbsphase aus (Becker 1962: 15). Dies macht deutlich, warum Hochschulabsolventen nach Studienabschluss in hohem Maße an beruf-licher Weiterbildung partizipieren (Kerst/Schramm 2008: 167f.). Arbeitgeber wiederum sind dann bereit, Humankapi-talinvestitionen zu finanzieren, wenn die zur Verfügung stehende Lebensarbeitszeit der Arbeitnehmer ausreichend ist, um Produktivitätsgewinne aus den Weiterbildungsaktivitäten abzuschöpfen. Mit zunehmendem Alter der Beschäftigten sinkt daher die Bereitschaft der Arbeitgeber, in das Humankapital ihrer Arbeitskräfte zu investieren. Demgemäß zeigt sich häufig ein umgekehrt u-förmiger Zusammenhang zwischen Alter und Weiterbildungsbeteiligung (Becker 1991; Hu-bert/Wolf 2007; Offerhaus et al. 2010; Schiener 2006) Da die Hochschulabsolventen eine relativ altershomogene Gruppe darstellen, werden an dieser Stelle keine Annahmen hinsichtlich des Einflusses ihres Alters auf die Weiterbildungsteil-nahme getroffen.

35 In den Analysen liegt der Fokus auf dem Einfluss des Geschlechts und Studienfachs sowie von Betriebs- und Stellen-merkmalen auf die Weiterbildungsbeteiligung und berufliche Entwicklung. Die Wirkung von Kindern wird nicht geson-dert untersucht. Im Beobachtungszeitraum gründen 23 Prozent der Absolventen eine Familie.

64 4 Theoretischer Rahmen eine geringere Leistungsfähigkeit und -bereitschaft als Männern unterstellen. Sie sind daher eher bereit, in die Qualifikationen der männlichen Arbeitnehmer zu investieren, da sie in die-sem Fall von einer langfristigen Nutzung der Weiterbildungsinvestitionen ausgehen. Frauen haben daher weniger Zugangsmöglichkeiten zu (betriebsspezifischen) Weiterbildungsmaß-nahmen (vgl. Becker/Hecken 2009: 367; Wolter/Schiener 2009: 94).

Segmentationstheoretische Ansätze gehen wiederum davon aus, dass institutionelle Faktoren die Karriere- und Weiterbildungschancen strukturieren. Vor allem in internen Ar-beitsmärkten in Großbetrieben und im öffentlichen Dienst sind die Zugangsmöglichkeiten zu Weiterbildung gut. Absolventinnen und Absolventen sind hochqualifizierte Arbeitskräfte und daher hauptsächlich in internen Teilarbeitsmärkten mit guten Arbeitsbedingungen und Wei-terbildungsmöglichkeiten beschäftigt. Allerdings unterscheidet sich das Interesse der Arbeit-geber an der Bindung und Qualifizierung einer Arbeitskraft in Abhängigkeit ihrer Zugehörig-keit zu einer bestimmten Arbeitnehmergruppe. Dabei werden die Arbeitnehmer gefördert, von denen hohe Produktivität und eine längere Verweildauer im Betrieb erwartet wird. Demnach haben männliche Absolventen bessere Zugangschancen zu Weiterbildung als Absolventinnen (vgl. hierzu Becker/Hecken 2009: 368f.). An dieser Stelle werden keine Hypothesen zur Wir-kung individueller Merkmale abgeleitet, da das gewählte methodische Vorgehen es nicht er-möglicht, zeitkonstante Variablen zu kontrollieren (siehe Kapitel 5.4). Stattdessen werden nach Geschlecht und Fächergruppen getrennte Analysen durchgeführt, um den Zugang zu beruflicher Weiterbildung und die Bedeutung von Weiterbildungsaktivitäten in den ersten Berufsjahren zu untersuchen.

Studienfach

In Bezug auf den Zusammenhang zwischen der Teilnahme an Weiterbildung, dem Berufsein-stieg und dem frühen Berufserfolg von Hochschulabsolventen stellt sich die Frage, ob die Inhalte des Studiums auf die Arbeitsmarkterfordernisse abgestimmt sind. Der Übergang ver-läuft glatter, wenn die im Studium vermittelten Inhalte den Anforderungen auf dem Arbeits-markt entsprechen (Haak/Rasner 2009: 240). Außerdem haben Arbeitgeber bei praxisorien-tierten Studienfächern mehr Wissen über die Inhalte des Studiums, die erworbenen Kompe-tenzen und fachlichen Qualifikationen als bei Studienfächern mit geringem Praxisbezug. Sie können daher die Leistungsfähigkeit von Absolventen der harten Studienfächer besser ein-schätzen und erwarten höhere Produktivitätsvorteile. Die in weichen Studienfächern erworbe-nen Kompetenzen sind weniger berufsspezifisch und auf dem Arbeitsmarkt in geringerem Umfang verwertbar als die praxisbezogenen Qualifikationen aus harten Studienfächern. Ab-solventen der weniger arbeitsmarktbezogenen Fächer durchlaufen daher einen beruflichen Orientierungs- und Anpassungsprozess häufig erst nach dem Hochschulabschluss, wohinge-gen sich die Absolventen der stärker berufsbezowohinge-genen Fächer schon während des Studiums beruflich ausrichten (Falk et al. 2009: 111). Folglich hat das absolvierte Fach nicht nur Ein-fluss auf den Übergang vom Studium in den Beruf, sondern auch auf die Weiterbildungsteil-nahme und den frühen Arbeitsmarkterfolg. Absolventen harter Studienfächer steigen meist direkt im Anschluss an das Studium in den Arbeitsmarkt ein und haben im Rahmen ihrer ers-ten Erwerbstätigkeit oftmals Stellen inne, deren objektive Merkmale, wie vertragliche

Gestal-4.7 Determinanten der Weiterbildungsteilnahme 65 tung, Arbeitszeit oder berufliche Stellung, besser sind als bei Absolventen von weniger be-rufsbezogenen Studienfächern (Falk et al. 2009: 113).

Die Studienfachwahl wird wiederum vom Geschlecht der Studierenden beeinflusst, weshalb an dieser Stelle der Zusammenhang zwischen Geschlecht und der gewählten Fach-richtung diskutiert wird. Da Männer von einer kontinuierlichen Erwerbsbeteiligung ausgehen, studieren sie Fächer mit einer hohen Spezialisierung, in denen höhere Löhne erzielt werden können (Leuze/Strauß 2009: 265). Frauen dagegen wählen Studienfächer mit weniger Spezia-lisierung, damit sie auf dem Arbeitsmarkt flexibler sind. Die Studienfachwahl wird allerdings nicht nur durch monetäre Anreize beeinflusst. Auch die geschlechtsspezifische Sozialisation, der Einfluss von Peers und Studieninhalten sowie Lehrmethoden tragen zur Entstehung von Studienfachpräferenzen bei (Leuze/Strauß 2009: 266). So kann hinsichtlich der Studienfächer auch zwischen frauendominierten (Sozial-, Geistes- und Gesundheitswissenschaften) und männerdominierten Studienfächern (Ingenieur- und Naturwissenschaften) unterschieden wer-den. Zum Teil deckt sich diese Einteilung der frauen- und männerdominierten Studienfächer mit der Unterscheidung nach weichen und harten Fächergruppen. Aber auch zwischen Absol-venten und Absolventinnen des gleichen Studienfachs gibt es geschlechtsspezifische Unter-schiede hinsichtlich des Arbeitsmarkterfolgs. So gilt beispielsweise für männliche Absolven-ten, dass ein männerdominiertes Fach das Risiko von Arbeitslosigkeit in der familienintensi-ven Phase (d.h. in einem Alter von 30 bis 49 Jahren) minimiert (Leuze/Rusconi 2009a: 24).

Für Absolventinnen männerdominierter Fächer zeigt sich dieser Effekt dagegen nicht (Leu-ze/Rusconi 2009b: 15).

Aus humankapitaltheoretischer Sicht erwerben Absolventen im Rahmen des Studiums fach- und berufsspezifisches Humankapital. Dabei variiert die Berufsfeld- und Praxisorientie-rung der Hochschulausbildung in Abhängigkeit vom studierten Fach. Absolventen harter Stu-dienfächer, wie beispielsweise der Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaften, eignen sich im Laufe ihres Studiums mehr arbeitsmarktorientiertes Humankapital an als Absolventen der weichen Fächer, wie zum Beispiel der Geisteswissenschaften. Da es für Arbeitgeber rational ist, Absolventen der arbeitsmarktnah ausgebildeten Fächergruppen für sich zu gewinnen und an sich zu binden, sind sie bereit in die Qualifikationen dieser Gruppe zu investieren. Absol-venten harter Studienfächer sollten demnach aus humankapitaltheoretischer Sicht einen besse-ren Zugang zu Weiterbildung haben.

Nach der Signaling-Theorie ziehen Arbeitgeber den Studienabschluss als Signal für hohe Motivation und Leistungsbereitschaft heran. Allerdings herrscht bei Fächern mit gerin-gem Berufs- und Praxisbezug eine höhere Unsicherheit hinsichtlich der Produktivität der Be-werber. Absolventen der harten Studienfächer wird aufgrund der höheren Praxisorientierung eine größere Leistungsfähigkeit zugeschrieben als Geistes- und Sozialwissenschaftlern. Folg-lich haben auch gemäß der Signaling-Theorie Absolventen harter Studienfächer besseren Zu-gang zu Weiterbildungsmaßnahmen. Arbeitgeber können durch die Weiterbildungsinvestitio-nen die Unsicherheit hinsichtlich der Produktivität abbauen und die Leistungsfähigkeit der Absolventen erhöhen (vgl. Becker/Hecken 2009: 367).

Gemäß segmentationstheoretischen Ansätzen befinden sich Hochschulabsolventen aufgrund ihrer Qualifikationen vor allem in internen und berufsfachlichen Arbeitsmärkten.

Diese Arbeitsmärkte zeichnen sich durch gute Arbeitsbedingungen, Karriere- und

Weiterbil-66 4 Theoretischer Rahmen dungschancen aus (Doeringer/Piore 1971; Lutz/Sengenberger 1974). Dabei dient innerbe-triebliche Weiterbildung dazu, die Qualifikationen den Anforderungen des jeweiligen Be-triebs anzupassen (Becker/Hecken 2009: 369). Insbesondere die Absolventen(gruppen), von denen Arbeitgeber eine hohe Produktivität und lange Betriebszugehörigkeit erwarten, werden im Rahmen von Weiterbildungsmaßnahmen gefördert. Demnach rechnen Arbeitgeber mit einer Amortisation ihrer Weiterbildungsinvestitionen vor allem bei Absolventen der Wirt-schafts-, Ingenieur- und Naturwissenschaften (vgl. Maase und Sengenberger 1976 zur Amor-tisation von Humankapitalinvestitionen).

Im Kontext dieser Arbeit wird angenommen, dass Arbeitgeber bei Absolventen, die sich durch praxisrelevante Kompetenzen auszeichnen sowie diese in ihrer beruflichen Tätig-keit nutzen und auch produktivitätssteigernd einsetzen können, eher dazu bereit sind, die Kos-ten von Weiterbildungsmaßnahmen zu übernehmen. Aufgrund des diffusen Berufsbezugs der weichen Studienfächer können Arbeitgeber die Produktivität der Absolventen schlechter ein-schätzen und sind weniger bereit, Weiterbildungsmaßnahmen zu finanzieren. Absolventen von weichen Studienfächern werden demnach häufiger ihre Weiterbildungsaktivitäten selbst finanzieren, wohingegen die Absolventen harter Fächer generell häufiger an Weiterbildung und insbesondere an arbeitgeberfinanzierten Maßnahmen teilnehmen.

Betriebs- und Stellenmerkmale

Arbeitgeber wägen wie Individuen die Kosten-Nutzen-Relation von Humankapitalinvestitio-nen ab. Wie bereits beschrieben, ist es aus Sicht der Unternehmen rational, in die Weiterbil-dung eines Arbeitnehmers zu investieren, solange die erwarteten Produktivitätsgewinne die Aufwendungen übersteigen (Becker 1962, 1964). Die Investitionsbereitschaft der Arbeitgeber und Arbeitnehmer wird dabei von mehreren betriebs- und stellenbezogenen Faktoren beein-flusst, die im Folgenden näher betrachtet werden.

Sektor

Nach segmentationstheoretischen Ansätzen bestehen in primären Arbeitsmarktsegmenten des staatlichen und privatwirtschaftlichen Sektors bessere Weiterbildungschancen (Lutz/Sengen-berger 1974; Sengen(Lutz/Sengen-berger 1978). Dabei gilt der öffentliche Dienst als Prototyp betrieblicher Arbeitsmärkte (Sengenberger 1987; kritisch dazu Becker 1990). Einstiegsbarrieren (ports of entry) beschränken den Zugang, die Beschäftigung ist gesichert, es bestehen (auf Seniorität basierende) vorhersehbare Beförderungsstrukturen und Schutz vor Arbeitslosigkeit. Insbeson-dere hohe Positionen sind gegen die Konkurrenz durch den externen Arbeitsmarkt gesichert (Doeringer/Piore 1971). Zugleich sind die Beförderungs- und Entlohnungsstrukturen im öf-fentlichen Dienst unflexibler als in der Privatwirtschaft. Dagegen bietet die Privatwirtschaft weniger institutionalisierten Schutz für die berufliche Laufbahn, da ein höheres Arbeitslosig-keitsrisiko und ein höherer Wettbewerb herrscht (Leuze/Rusconi 2009b: 4). Gleichermaßen finden sich in beiden Sektoren unterschiedliche Gelegenheitsstrukturen beruflicher Weiterbil-dung. Im öffentlichen Dienst sind die Weiterbildungsverpflichtungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer tarifvertraglich geregelt und es gibt normierte Zugangsregelungen. So sind Be-amte verpflichtet, an Fortbildungen teilzunehmen und es besteht für staatliche Arbeitgeber

4.7 Determinanten der Weiterbildungsteilnahme 67 nach der Bundeslaufbahnverordnung eine Selbstverpflichtung zur Förderung der Fortbildung (Bundeslaufbahnverordnung 2009 Art. 47; Leistungslaufbahngesetz 2010 Art. 66 Abs. 2).

An dieser Stelle wird davon ausgegangen, dass die Weiterbildungsteilnahme in der Privatwirtschaft mit einem höheren Kostenausfall verbunden ist als im öffentlichen Dienst.

Der Arbeitsausfall und damit verbundene Produktivitätsverlust wiegt in der Privatwirtschaft durch die Gewinnorientierung schwerer als im öffentlichen Dienst. Demnach sollten die Zu-gangschancen zu Weiterbildung im öffentlichen Dienst größer sein als bei einer Beschäfti-gung in der Privatwirtschaft (vgl. auch Büchel/Pannenberg 2004: 90f; Kuckulenz 2007: 21).

Des Weiteren stellt sich die Frage, welche Kurse im jeweiligen Sektor absolviert werden.

Möglicherweise werden die Maßnahmen im öffentlichen Dienst aufgrund ihres reglementie-renden Charakters weniger motiviert besucht und könnten daher in geringerem Umfang pro-duktivitätssteigernd wirken. Im privatwirtschaftlichen Sektor müssen die Maßnahmen aus Arbeitgebersicht rentabel sein. Die Freistellung zur Teilnahme sollte sich ökonomisch rech-nen. Bei Erwerbstätigen in der Privatwirtschaft findet sich häufiger eine finanzielle Unterstüt-zung durch den Arbeitgeber (vgl. Büchel/Pannenberg 2004: 99f.) und damit ein größeres Inte-resse an betriebsspezifischen Weiterbildungsmaßnahmen. Dagegen wird angenommen, dass Beschäftigte im öffentlichen Dienst sowohl an allgemeinen, betriebsspezifischen als auch an gemischten Weiterbildungen teilnehmen.36

Neben den unterschiedlichen Zugangsmöglichkeiten zu Weiterbildung in den Sektoren kann ein Zusammenhang zwischen dem Geschlecht und der Platzierung auf dem Arbeits-markt festgestellt werden. Dabei führen die festen Laufbahngruppen dazu, dass Frauen im öffentlichen Dienst gleiche Beschäftigungs-, Weiterbildungs- und Einkommenschancen wie Männer haben sollten und es daher nicht zu einer geschlechtsspezifischen Diskriminierung kommen sollte (Becker 1990: 371; Schubert/Engelage 2010: 384). Beim Übergang in den Arbeitsmarkt findet eine horizontale Segregation statt und es herrschen für Absolventinnen und Absolventen „equal, but different career prospects“ (Leuze/Rusconi 2009b: 19). Zu Be-ginn des Berufslebens spielt demnach die Entscheidung, ob eine Beschäftigung im öffentli-chen Dienst oder in der Privatwirtschaft aufgenommen wird, eine zentrale Rolle für die weite-re berufliche Entwicklung. Nach Studienabschluss arbeiten Frauen häufiger im öffentlichen Dienst unabhängig von Studienfach, Hochschulabschluss und der familiären Situation (Leu-ze/Rusconi 2009a: 24). Dagegen nehmen männliche Absolventen dann eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst auf, wenn sie ein frauendominiertes Studienfach abgeschlossen haben (Leuze/Rusconi 2009a: 24). Männer wählen eher eine Beschäftigung in der Privatwirtschaft, in der sie höhere Einkommen und damit eine Maximierung ihrer Humankapitalinvestitionen erzielen können (Leuze/Rusconi 2009b: 7). Die in der Privatwirtschaft erzielbaren höheren Erträge könnten den geringeren institutionellen Schutz und die geforderte Bereitschaft zu Überstunden kompensieren (Leuze/Rusconi 2009a: 24). Hier stellt sich die Frage, welche Faktoren die geschlechtsspezifische Verteilung auf die Sektoren beeinflussen. Zum einen können privatwirtschaftliche Arbeitgeber seltener Frauen einstellen und zum anderen sowohl kinderlose Frauen als auch Mütter eine sichere Beschäftigung im öffentlichen Dienst

36 Im Rahmen dieser Arbeit werden drei Weiterbildungsformen differenziert: allgemeines, betriebsspezifisches und ge-mischtes Humankapital. Ausführlich dazu siehe Kapitel 5.3.

68 4 Theoretischer Rahmen zugen (Leuze/Rusconi 2009a: 24). Vor allem für Frauen mit kleinen Kindern sind die Ar-beitsbedingungen im öffentlichen Dienst attraktiver im Vergleich zur freien Wirtschaft, da dort die Beschäftigungschancen während familienintensiver Phasen größer sind. Zudem mi-nimieren die standardisierten und geschützten Strukturen die Risiken, die mit Erwerbsunter-brechungen oder einer Reduzierung der wöchentlichen Stundenzahl verbunden sind (Leu-ze/Rusconi 2009b: 7). Die anfängliche Ungleichverteilung der Geschlechter auf die Sektoren kann jedoch über den gesamten Erwerbsverlauf zu Ungleichheiten führen, wenn im öffentli-chen Dienst ein geringeres Einkommen erzielt wird und geringere Aufstiegschancen herr-schen als in der Privatwirtschaft (Leuze/Rusconi 2009b: 7). Des Weiteren scheinen die siche-ren Struktusiche-ren im öffentlichen Dienst keinen Einfluss auf die geschlechtsspezifische Arbeits-teilung zu haben (Leuze/Rusconi 2009b: 24). So zeigen sich geschlechtsspezifische Unter-schiede hinsichtlich der Erwerbsbeteiligung sobald eine familienintensive Phase auftritt. Ab-solventinnen ziehen sich zugunsten der Familie für eine gewisse Zeit vom Arbeitsmarkt zu-rück, bei Absolventen bleibt die Erwerbsbeteiligung auch in der Familiengründungsphase auf dem Niveau, das zum Zeitpunkt des Studienabschlusses erreicht wurde (Leuze/Rusconi 2009b: 19). Dies kann wiederum Einfluss auf die Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen haben.

Zusammengefasst wird davon ausgegangen, dass Absolventen, die im öffentlichen Dienst beschäftigt sind größere Zugangschancen zu Weiterbildung haben als Absolventen im privatwirtschaftlichen Sektor. Allerdings unterscheiden sich die Teilnahmemöglichkeiten an verschiedenen Weiterbildungsformen nach dem Sektor der Beschäftigung.

H1a Absolventen, die im öffentlichen Dienst beschäftigt sind, nehmen eher an Weiterbildung gesamt / selbstfinanzierter / allgemeiner / gemischter Weiterbildung teil als Absolventen in der Privatwirtschaft.37

H1b Absolventen, die in der Privatwirtschaft beschäftigt sind, nehmen eher an arbeitgeberfi-nanzierter / betriebsspezifischer Weiterbildung teil als Absolventen im öffentlichen Dienst.

Betriebsgröße

Die Teilnahme an Weiterbildung wird ebenfalls durch betriebliche Gelegenheitsstrukturen beeinflusst. Dazu zählen einerseits die zeitlichen und finanziellen Restriktionen der Betriebe, andererseits generell die Unterstützung durch den Arbeitgeber. Diese Faktoren unterscheiden sich nach Betriebsgröße. In kleinen Betrieben erfordert das Angebot von und die Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen hohen Organisationsaufwand. Es entstehen höhere Opportuni-tätskosten, da der Ausfall einer Arbeitskraft während der Maßnahme nur schwer ersetzt wer-den kann und mit hohen (Personal-)Kosten verbunwer-den ist (Bellmann/Leber 2005; Le-ber/Stegmaier 2013; Schömann/Becker 1995). In größeren Betrieben kommen dagegen häufig neue Technologien zum Einsatz und es besteht ein höherer Qualifikationsbedarf der Mitarbei-ter (Behringer 1999). Demgemäß kommen Analysen mit dem SOEP zu dem Ergebnis, dass die Weiterbildungswahrscheinlichkeit in großen Unternehmen signifikant höher ist als in kleineren und mittleren Betrieben (Offerhaus et al. 2010: 369). Aktuelle Studien mit dem

37 Mit Weiterbildung gesamt ist die Teilnahme an jeglicher Form von Weiterbildung gemeint.

4.7 Determinanten der Weiterbildungsteilnahme 69 IAB-Betriebspanel zeigen dagegen, dass die Betriebsgröße zwar starken Einfluss auf das Wei-terbildungsangebot hat, die Teilnahmequote sich allerdings nur geringfügig nach Betriebsgrö-ße unterscheidet (Leber/Stegmaier 2013: 15).38

Die Bereitschaft des Arbeitgebers, in die Qualifikationen seiner Arbeitskräfte zu in-vestieren und sie somit an sich zu binden, variiert nach Arbeitsmarktsegment. In unspezifi-schen Arbeitsmärkten herrscht ein geringes Interesse an einer längeren Bindung der Arbeit-nehmer. Somit sind die (arbeitgebergeförderten) Weiterbildungschancen in diesem Teilar-beitsmarkt gering. In betriebsinternen Arbeitsmärkten sind dagegen die Weiterbildungsange-bote und Zugangsmöglichkeiten am größten (Doeringer/Piore 1971; Lutz/Sengenberger 1974). Großbetriebe weisen häufig betriebsinterne Arbeitsmärkte auf. Die Betriebsbindung ist höher und damit sind die Weiterbildungsinvestitionen weniger riskant. Arbeitgeber können die Loyalität ihrer Arbeitskräfte durch hohe Qualifizierungs- und Aufstiegschancen honorie-ren. Gerade bei hochqualifizierten Arbeitskräften ist das beidseitige Interesse an einer lang-fristigen Arbeitsbeziehung hoch. Den Unternehmen entstehen hohe Transaktionskosten, wenn Absolventen bereits nach einer kurzen Beschäftigungsdauer das Arbeitsverhältnis beenden (Abraham/Prosch 2000). Absolventen, die im betriebsinternen Arbeitsmarktsegment bezie-hungsweise in einem Großbetrieb beschäftigt sind, sollten demnach hohe Weiterbildungs-chancen haben.

Hinsichtlich der Teilnahme an verschiedenen Weiterbildungsformen und der Be-triebsgröße werden folgende Zusammenhänge angenommen: aufgrund der erhöhten Abwan-derungsgefahr von Absolventen, die an allgemeiner Weiterbildung partizipiert haben, wird kaum in diese Weiterbildungsform in kleinen und mittleren Betrieben investiert. In Großbe-trieben sollte dagegen der Zugang zu jeglicher Weiterbildungsform gut sein. Um die

Hinsichtlich der Teilnahme an verschiedenen Weiterbildungsformen und der Be-triebsgröße werden folgende Zusammenhänge angenommen: aufgrund der erhöhten Abwan-derungsgefahr von Absolventen, die an allgemeiner Weiterbildung partizipiert haben, wird kaum in diese Weiterbildungsform in kleinen und mittleren Betrieben investiert. In Großbe-trieben sollte dagegen der Zugang zu jeglicher Weiterbildungsform gut sein. Um die