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Auch aus arbeitsmarktpolitischer Sicht kommt der beruflichen Weiterbildung eine hohe Be-deutung als Integrationsinstrument zu. Durch Weiterbildung soll ein hoher Beschäftigungs-stand erzielt sowie Arbeitslosigkeit vermieden werden (Faulstich 2008: 651). Die Ergebnisse von Studien zur Wirkung von Weiterbildung sind jedoch ambivalent. Einerseits erweisen sich Maßnahmen häufig als „Warteschleife“ und tragen nicht zur Arbeitsmarktintegration von Ar-beitslosen bei (Faulstich 2008: 651). Andererseits zeigt sich, dass Weiterbildung das Arbeits-losigkeitsrisiko verringert und dazu beiträgt, eine neue Beschäftigung zu finden (Bern-hard/Kruppe 2012; Dieckhoff 2007). Insgesamt stellt sich jedoch die Frage, warum eine (kon-tinuierliche) Weiterbildung aus individueller, ökonomischer und gesellschaftlicher Sicht not-wendig ist. Insbesondere der technologische und damit zusammenhängende qualifikatorische Wandel, die demographische Entwicklung und der drohende Fachkräftemangel werden zur Begründung herangezogen (Fitzenberger/Speckesser 2004: 2ff.; Hubert/Wolf 2007: 474; Le-ven et al. 2013: 82).

Qualifikationsstrukturwandel

In Deutschland hat ein Trend zur Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft stattgefunden.

1995 waren 62 Prozent der Erwerbstätigen in Dienstleistungsberufen beschäftigt, 2010 waren es bereits 71 Prozent (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2012: 22). Aufgrund des Strukturwandels, des technologischen Fortschritts und der Internationalisierung von Wirt-schaft und GesellWirt-schaft verändern sich Tätigkeitsfelder und infolgedessen auch die Anforde-rungsprofile der Arbeitskräfte (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2012: 22). So ver-schiebt sich die Qualifikationsstruktur der Arbeitsnachfrage zugunsten von besser ausgebilde-ten Arbeitnehmern (Fitzenberger/Speckesser 2004: 3). Des Weiteren ist der Anteil der Er-werbstätigen mit Hochschulabschluss von 8 Prozent im Jahr 1978 auf 16 Prozent im Jahr 2010 gestiegen (Wolter 2011: 25f.). In Wissens- und Informationsberufen beispielsweise liegt der Anteil der hochqualifizierten Beschäftigten bei 66 Prozent (Autorengruppe Bildungsbe-richterstattung 2012: 22). Demzufolge wird der hohe Stellenwert von Weiterbildung in der öffentlichen und politischen Diskussion mit dem Trend zu einer höher qualifizierten Gesell-schaft begründet (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2012: 42; Wolter 2011: 25). Der strukturelle Wandel führt dazu, dass sich durch die Zunahme der Beschäftigung im Dienst-leistungssektor auch der Weiterbildungsbedarf in diesem Bereich ausweitet. Folglich kann es

1.1 Die Bedeutung beruflicher Weiterbildung 3 zu einer Anpassung der erforderlichen Kompetenzen und Weiterbildungsformen kommen. Im Zuge der Zunahme von Dienstleistungsberufen gewinnen beispielsweise soziale Kompeten-zen an Bedeutung (FitKompeten-zenberger/Speckesser 2004: 3).

Des Weiteren haben sich die Funktionen insbesondere von betrieblicher Weiterbildung verschoben. In den 1980er- und 1990er-Jahren diente Weiterbildung der Anpassung an tech-nische Innovationen. Im Mittelpunkt steht nunmehr die „Flexibilitätserhöhung bei organisato-rischen Innovationen, d.h. Veränderungen im Arbeitsablauf und des Managements“ (Faulstich 2008: 663f.). Arbeitgeber bevorzugen flexible und lernbereite Arbeitnehmer, die verstärkt Eigenverantwortung für ihre berufliche Kompetenzentwicklung übernehmen (Kirpal 2005:

33). Aufgrund von betrieblichen Reorganisationsprozessen in den 1990er-Jahren postulieren Voß und Pongratz (1998) einen Wandel der Arbeitskraft, aus dem sich ein neuer Typus, der Arbeitskraftunternehmer, herausbildet. Dieser zeichnet sich durch Selbstkontrolle hinsichtlich der Ausführung von Arbeitsaufgaben, Selbstökonomisierung im Sinne einer Effizienzorientie-rung des Handelns und SelbstrationalisieEffizienzorientie-rung aus. Das individuelle Arbeitsvermögen muss verstärkt durch Selbstvermarktung angeboten und verkauft werden. Neben den im Studium vermittelten Fachkenntnissen und Praxiserfahrungen ist demnach auch von Bedeutung, ob die Hochschulabsolventen Fähigkeiten zu Selbstmarketing, Selbstmanagement und Selbstbehaup-tung im Beschäftigungssystem erworben haben (Schindler 2004: 8). Weiterbildungsinvestiti-onen stellen dabei eine Möglichkeit dar, das individuelle Arbeitsvermögen zu erhöhen und den zunehmenden Anforderungen an Qualifikationen und Flexibilität zu begegnen. Gerade Hochqualifizierte sind häufig in wissensintensiven Bereichen beschäftigt. Dies hat zur Folge, dass eine kontinuierliche Aktualisierung und Anpassung von Qualifikationen erforderlich wird. So zeigt sich gerade in akademischen Berufen ein hoher Weiterbildungsbedarf (Wolter 2011: 26). Insbesondere bei betrieblicher Weiterbildung ist der Bezug zu Arbeitsplatzanforde-rungen zentral und Arbeitgeber bevorzugen anwendungsbezogene, flexibel einsetzbare Kom-petenzen (Faulstich 2008: 681).

Demographische Entwicklung

Durch die Alterung der Bevölkerung und den Geburtenrückgang sinkt die Zahl der Erwerbstä-tigen (Allmendinger/Ebner 2006). Dies hat Auswirkungen auf die Personalgewinnung einer-seits und den Personalbestand anderereiner-seits. Die Angebotsverknappung von (jüngeren) Er-werbstätigen und die zunehmende Wissensanforderung im Beschäftigungssystem hat eine Verstärkung des Wettbewerbs um hochqualifizierte Arbeitskräfte zur Folge (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2010: 160ff.). Durch Weiterbildungsangebote haben Arbeitgeber die Möglichkeit, diese Arbeitnehmergruppe an das Unternehmen zu binden. Der demographi-sche Wandel beeinflusst wiederum die Ausweitung der Lebensarbeitszeit und damit den län-geren Verbleib von (älteren) Arbeitnehmern im Arbeitsmarkt, denen durch Weiterbildung eine Anpassung ihrer Qualifikationen an neue Arbeitsbedingungen und -aufgaben gelingen kann. Zugleich kann man beobachten, dass sich „angesichts knapper werdenden Nachwuchses und einer ‚aging society‘ eine Funktionsverlagerung von der Grundbildung zur Weiterbildung [vollzieht], weil Innovationen zukünftig weniger durch den Generationenaustausch als durch Weiterbildung und lebenslanges Lernen gewährleistet werden müssen“ (Wolter 2011: 26;

Erg. JK).

4 1 Einführung Durch den demographischen Wandel erhöht sich also der Weiterbildungsbedarf. Gleichzeitig nehmen die Anforderungen an die Qualifikationen der Arbeitskräfte zu. Diesen gewachsenen Anforderungen können Hochschulabsolventen1 in besonderer Weise begegnen, da sie einen hohen Humankapitalbestand aufweisen. Der zunehmende Bedarf nach qualifiziertem Personal führt zwar zum einen dazu, dass Hochschulabsolventen verstärkt auf dem Arbeitsmarkt nach-gefragt werden, zum anderen besteht aber auch für sie die Notwendigkeit, die Forderungen nach (eigenverantwortlicher) Kompetenzentwicklung und Flexibilität am Arbeitsmarkt zu erfüllen. Für Hochschulabsolventen kann es also wichtig sein, bereits kurze Zeit nach Ab-schluss des Studiums ihre Qualifikationen auf sich verändernde Arbeitsmarktanforderungen anzupassen. So klagen Arbeitgeber, dass deutsche Hochschulabsolventen – gerade im interna-tionalen Vergleich – nicht praxisnah ausgebildet seien. Die Studiendauer sei zu lang, das Al-ter bei Abschluss zu hoch und die Ausbildung erfolge zu berufsfern (Leuze/Strauß 2008).2 Allerdings kann der Erwerb von arbeitsmarktrelevanten Fähigkeiten und Kenntnissen auch im Rahmen von postgradualer Weiterbildung erfolgen. Gerade die ersten Erwerbsjahre sind von besonderer Bedeutung, da bereits an dieser frühen Stelle im Erwerbsverlauf wichtige Weichen für die spätere Karriere gestellt werden (Blossfeld 1989) und Weiterbildung die individuellen Einkommens- und Aufstiegschancen schon in dieser frühen Phase beeinflussen kann (Schömann/Becker 1998).

Auch wenn im Rahmen nationaler und internationaler bildungspolitischer Programme zur Aktivierung von un- und niedrigqualifizierten Personen zur Weiterbildungsteilnahme auf-gerufen wird (Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung 2001; Europäische Kommission 2001), zeigt sich, dass eher diejenigen Personen an Weiter-bildung teilnehmen, die bereits hoch gebildet sind (Bilger 2013: 31f.). Außerdem sind Hoch-schulabsolventen schon in den ersten Jahren nach Studienabschluss weiterbildungsaffin (Kerst/Schramm 2008: 167). Obwohl bisher kaum aussagekräftige Analysen zur (mittel- und langfristigen) Wirkung beruflicher Weiterbildung vorliegen, steht die Forderung nach konti-nuierlicher Weiterbildung im Raum. Hinsichtlich des Zugangs zu Weiterbildungsmaßnahmen wird in der soziologischen Ungleichheitsforschung vielfach festgestellt, dass ungleiche Chan-cen vorherrschen (u.a. Becker/Hecken 2009; Büchel/Pannenberg 2004; Hubert/Wolf 2007;

Offerhaus et al. 2010; Schiener 2006; Wilkens/Leber 2003). Selektionsmechanismen beim Zugang zu Weiterbildung führen anstelle einer „Kompensation von Bildungsdefiziten eher zur Akkumulation privilegierter Bildungs- und Beschäftigungschancen“ (Becker/Hecken 2009: 371; vgl. auch Büchel/Pannenberg 2004: 122; Schömann/Leschke 2008: 377). Die Wei-terbildungsteilnahme ist von einer Bildungs- und Altersselektivität gekennzeichnet. Ebenso

1 In der vorliegenden Arbeit wird auf eine geschlechtsspezifische Formulierung verzichtet, um die Lesbarkeit des Textes nicht einzuschränken. Sind inhaltliche Unterscheidungen zwischen Männern und Frauen notwendig, werden explizit weibliche beziehungsweise männliche Formulierungen verwendet.

2 Im Rahmen dieser Arbeit werden Diplom- und Magisterabsolventen untersucht. Ein früherer Berufseinstieg wird aber auch von Absolventen der reformierten Studiengänge nicht erzielt. Durch die hohen Übergangsquoten in das Masterstu-dium kann nicht von einer Verkürzung der (gesamten) Studienzeit gesprochen werden; an Universitäten nehmen 77 Pro-zent der Bachelorabsolventen ein Masterstudium auf, an den Fachhochschulen knapp mehr als die Hälfte (53 ProPro-zent) (Wehner/Wienert 2012:490). Den wenigen Bachelorabsolventen, die in den Arbeitsmarkt übergehen, gelingt der Berufs-einstieg jedoch ähnlich gut wie Diplomabsolventen (Briedis et al. 2011: 86).

1.1 Die Bedeutung beruflicher Weiterbildung 5 nimmt die Integration in das Erwerbsleben Einfluss darauf (Becker 1991; Schömann/Leschke 2008). So wird die Segmentierung in der Arbeitswelt durch Weiterbildung eher verstärkt als aufgehoben (Schömann/Leschke 2008: 377). Weiterbildung erhöht die Ungleichheit zwischen den Qualifikationsgruppen jedoch nur dann, wenn sich auch Effekte auf zentrale Dimensionen sozialer Ungleichheit nachweisen lassen (Schiener 2006; Wolter/Schiener 2009).

Für Hochschulabsolventen gilt, dass sie auf dem Arbeitsmarkt privilegiert sind (All-mendinger/Scheryer 2005). Sie haben häufig hohe berufliche Positionen inne und einen guten Zugang zu Weiterbildung. Allerdings stellt sich die Frage, ob sie von Weiterbildungsmaß-nahmen profitieren und ob sich infolgedessen Unterschiede im Einkommen und den Beschäf-tigungschancen verstärken. Zentraler Gegenstand dieser Arbeit ist die Analyse der Determi-nanten der Weiterbildungsteilnahme sowie die Analyse von Weiterbildungseffekten in den ersten Berufsjahren von Hochschulabsolventen. Wenn keine kausalen Effekte auf den berufli-chen Erfolg festgestellt werden können, dann verstärken sich durch Weiterbildung die Unter-schiede zwischen den verUnter-schiedenen Qualifikationsgruppen nicht.

Die bisherige Weiterbildungsforschung hat sich vor allem auf eine heterogene Popula-tion von Teilnehmern konzentriert. Die spezifische Gruppe der weiterbildungsaktiven Hoch-schulabsolventen wurde bisher kaum detailliert betrachtet (Ausnahmen stellen die Studien von Briedis und Rehn 2011, Strauß und Leuze 2013 sowie Willich et al. 2002 dar). Die vor-liegende Arbeit konzentriert sich auf die Untersuchung der Weiterbildungsaktivitäten von Hochschulabsolventen. Die Fokussierung auf eine Qualifikationsgruppe bietet einige Vortei-le: es handelt sich bei Hochschulabsolventen um eine homogene Gruppe. Eine starke Ähn-lichkeit ist dabei hinsichtlich der folgenden Merkmale gegeben:

− Hochschulabsolventen haben durch das Studium bereits hohes Humankapital akkumuliert,

− sie haben auf dem Arbeitsmarkt im Vergleich zu anderen Qualifikationsgruppen gute Be-schäftigungs- und Einkommenschancen (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2010:

10f.),

− sie weisen eine hohe Weiterbildungsaffinität auf (Kerst/Schramm 2008: 167; Leven et al.

2013: 76).

Außerdem kommen in vielen Studien zur Weiterbildungsteilnahme und ihren Effekten ledig-lich Querschnittsanalysen zum Einsatz, die den komplexen Zusammenhang zwischen Er-werbsverlauf und Weiterbildungsaktivitäten nur unzureichend beleuchten (u.a. Briedis/Rehn 2011; Hubert/Wolf 2007; Leuze/Strauß 2008; Neubäumer 2008; Offerhaus et al. 2010). Sie liefern Anhaltspunkte für die Determinanten und die Wirkung von Weiterbildung. Eine kausa-le Interpretation der Effekte von Weiterbildungsaktivitäten erfordert alkausa-lerdings die Anwen-dung adäquater methodischer Verfahren. Auch die Berücksichtigung von zeitinvarianten und zeitveränderlichen personenbezogenen Merkmalen sowie strukturellen-arbeitsplatzbezogenen Faktoren ist bei der Untersuchung von Weiterbildungsaktivitäten von Bedeutung.

Die zentrale Leistung der vorliegenden Arbeit ist es zu untersuchen, welche Faktoren den Zugang zu Weiterbildung beeinflussen und ob sich Erträge für die Gruppe der weiterbil-dungsaffinen Hochschulabsolventen nachweisen lassen.

Dabei erfordert die Beantwortung der Frage nach den Einflussfaktoren und der Wir-kung von Weiterbildung auf den beruflichen Erfolg von Hochschulabsolventen eine passende Datenbasis, die geeignete Indikatoren zur Messung der Quantität und Qualität von

Weiterbil-6 1 Einführung dungsaktivitäten sowie detaillierte Informationen zum Erwerbsverlauf bereitstellt. Am besten geeignet für die Analyse der Weiterbildungsteilnahme und -renditen sind Längsschnittdaten.

Diese Datenstruktur ermöglicht es, die zeitliche Abfolge von Ereignissen zu erfassen. Das Bayerische Absolventenpanel (BAP) stellt einen Datenbestand zur Verfügung, der umfangrei-che individuelle sowie erwerbs- und weiterbildungsbezogene Merkmale von Hochschulabsol-venten in den ersten Berufsjahren abfragt.

Des Weiteren müssen die geeigneten methodischen Verfahren gewählt werden, um Ursache-Wirkungs-Beziehungen aufdecken zu können. Damit wird zugleich eine weitere Leistung dieser Arbeit angesprochen: die Anwendung eines geeigneten methodischen Vorge-hens der Analyse der Weiterbildungsteilnahme und ihrer Wirkung. Verfahren der Panelanaly-se ermöglichen die Schätzung kausaler Effekte und helfen, ein zentrales Problem in der nicht-experimentellen Sozialforschung abzumildern: unbeobachtete Heterogenität (Halaby 2004:

508). Demnach bieten sich zur Analyse der Investitionen in Weiterbildung und ihrer Wirkung auf den beruflichen Erfolg von Hochschulabsolventen Panelmodelle an, welche unbeobachte-te individuelle Heunbeobachte-terogenität kontrollieren.