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Nun soll hier nicht der Standpunkt vertreten werden, dass Forschung uber sozial- und wirtschaftswissenschaftliche oder psychologische Themen¨ erst dann m¨oglich ist, wenn alle entsprechenden Messmodelle, einschließ-lich der notwendigen Sch¨atz- und Testmethoden, zur Verf¨ugung stehen und der Nachweis erbracht ist, dass die jeweiligen Bedingungen erf¨ullt sind.

Stattdessen wird eine eher pragmatische Position eingenommen, wonach entsprechende Untersuchungen auch unter weniger strengen Voraussetzun-gen vorVoraussetzun-genommen werden k¨onnen, allerding unter verschiedenen Bedingun-gen. Dazu geh¨ort, dass die Interpretation der Ergebnisse nur eingeschr¨ankt m¨oglich ist, sich unter Umst¨anden nur auf die beobachteten Variablen be-zieht und, dass messtheoretische Fragen soweit wie m¨oglich ber¨ucksichtigt werden und das zugrundegelegte Messmodell falls m¨oglich angepasst wird wenn Erkenntnisse dies nahelegen (vgl. etwa Anderson, Basilevsky und Hum, 1983, S. 235 f.; Bartholomew, 1996, S. 9 f.). Gleichzeitig sei an die-ser Stelle aber die Wichtigkeit von Grundlagenforschung in diesem Bereich betont, denn sehr h¨aufig scheint in der empirischen Forschungspraxis allzu leichtfertig ¨uber messtheoretische Fragen hinweggegangen zu werden (z.B.

Blalock, 1982; Duncan, 1984).

finanzielle Mittel und ausreichendes Personal zur Verf¨ugung, dann k¨onnte diese Grundgesamtheit vollst¨andig erhoben werden. In diesem Fall einer so-genanntenTotalerhebung ist die Stichprobe mit der Grundgesamtheit iden-tisch. Im Allgemeinen ist dieses Vorgehen aber zu aufwendig und aus der Grundgesamtheit wird nach bestimmten Regeln eine Stichprobe, gezogen (Teilerhebung).

Aus einerendlichen oder unendlichen Grundgesamtheit kann auch nur ein Teil f¨ur die Entnahme einer Stichprobe konkret zur Verf¨ugung stehen.

So k¨onnte mit Aussagen, die etwa aufgrund einer sozialwissenschaftlichen Untersuchung gewonnen wurden, der Anspruch eines — unter bestimm-ten Bedingungen — allgemein g¨ultigen Zusammenhanges verbunden sein.

Die entsprechende, gr¨oßtenteils hypothetische Grundgesamtheit best¨unde in diesem Fall nicht nur aus allen tats¨achlich existierenden Menschen son-dern aus einer unendlichen Population von fiktiven Menschen, die bestimm-ten Anforderungen gen¨ugen. In diesem Fall handelt es sich bei den letzlich beobachteten Untersuchungseinheiten aus naheliegenden Gr¨unden immer um eine Stichprobe.

Eine hypothetische Grundgesamtheit ist eine Menge von fiktiven Ele-menten. Erst durch die Untersuchung selbst konkretisieren sich diejenigen Elemente, die im Rahmen der Stichprobenerhebung untersucht werden. Als Beispiel sei hier die Menge aller m¨oglichen M¨unzw¨urfe genannt. Ein Ele-ment aus dieser Menge konkretisiert sich in diesem Fall durch das Werfen einer M¨unze.

Wie auch immer die Grundgesamtheit definiert wird — die genann-ten Beispiele sind keineswegs ersch¨opfend — meist wird eine Stichprobe unter Verwendung eines bestimmten Verfahrens aus der interessierenden Grundgesamtheit entnommen. Wird die Stichprobe in einem bestimmten Sinne zuf¨allig (siehe unten) gezogen, dann sind wahrscheinlichkeitsbehaf-tete Aussagen ¨uber die Grundgesamtheit mit Hilfe statistischer Verfahren prinzipiell m¨oglich. In diesem Fall spielen, je nach statistischem Ansatz mit unterschiedlicher Gewichtung, Stichprobentheorie und Inferenzstatistik ei-ne zentrale Rolle. Faktoren, die die Entscheidung bez¨uglich des zu w¨ahlen-den Verfahrens beeinflussen sind dementsprechend neben rein praktischen Uberlegungen, wie finanzielle oder personelle Kapazit¨aten, auch die jeweils¨

vorliegende Grundgesamtheit sowie der gew¨ahlte statistische Ansatz.

2.3.2 Modell-basierter Ansatz

Aussagen ¨uber eine teilweise oder vollst¨andig hypothetische und sehr große oder unendliche Grundgesamtheit liegt meist ein sogenanntermodell-basierter Ansatz3 zugrunde. Ausgangspunkt ist hier oft ein in einem sehr weiten Sin-ne zu interpretierender Zufallsvorgang. Die Menge aller m¨oglichen Ergebnis-se oder Realisationen eines Zufallsvorganges wird als Ergebnis-oder Stich-probenraum beziehungsweise alsErgebnismenge, Teilmengen dieser Menge werden als (zuf¨allige) Ereignisse bezeichnet. Die Ereignisse selbst k¨onnen wieder zu einem Ereignissystem zusammengefasst werden. In der Wahr-scheinlichkeitstheorie beschr¨ankt man sich bei den Ereignissystemen wegen ihrer g¨unstigen Eigenschaften auf sogenannteσ-Algebren. Im Falle abz¨ahl-barer oder endlicher Ergebnisr¨aume kann die Menge aller Teilmengen, die Potenzmenge des Ergebnisraumes, die selbst eineσ-Algebra ist, betrachtet werden. Um zu verhindern, dass das Ereignissystem

”zu groß“ wird falls der Ergebnisraum gerade die Menge der reellen Zahlen ist, beschr¨ankt man sich auf die sogenannte Borel’sche σ-Algebra, die neben anderen Teilmen-gen auch s¨amtliche Intervalle enth¨alt. Das soTeilmen-genannte Wahrscheinlichkeits-maß, eine Mengenfunktion, ordnet jedem Element dieses Ereignissystems eine reelle Zahl, dessen Wahrscheinlichkeit, zu.

Daswahrscheinlichkeitstheoretische Modell eines Zufallsvorganges kann damit als Tripel, bestehend aus dem Ergebnisraum, der σ-Algebra und dem Wahrscheinlichkeitsmaß dargestellt werden. Dieses Tripel wird auch als Wahrscheinlichkeitsraum bezeichnet. Eine Zufallsvariable ist schließ-lich eine Funktion, die jedem Ergebnis des Zufallsvorgangs eine reelle Zahl zuordnet. Da das Wahrscheinlichkeitsmaß als Mengenfunktion

mathema-3Der Begriff modell-basiert wird, allerdings auch nicht einheitlich, im Allgemeinen nur im Zusammenhang mit und in Abgrenzung zu dem weiter unten kurz beschriebenen design-basierten Ansatz verwendet. Teilweise ist er dem ebenfalls weiter unten ange-sprochenen Superpopulationsansatz vorbehalten (z.B S¨arndal, Swensson und Wretman, 1992). F¨ur eine, ¨ahnlich wie in dieser Arbeit, breitere Verwendung des Begriffes siehe etwa Little (1982).

tisch umst¨andlich zu handhaben ist, geht man stattdessen von der soge-nannten Wahrscheinlichkeitsverteilung der Zufallsvariablen aus, die auch durch deren Verteilungsfunktion oder, bei diskreter Zufallsvariable, durch deren Wahrscheinlichkeitsfunktion beziehungsweise bei stetiger Zufallsva-riable durch derenWahrscheinlichkeitsdichtefunktion, kurzDichtefunktion, charakterisiert werden kann. Eine mehr oder weniger ausf¨uhrliche Einf¨uhrung beziehungsweise Darstellung von Maß- und Wahrscheinlichkeitstheorie fin-det man in vielen ¨okonometrischen Lehrb¨uchern beziehungsweise Lehr- und Taschenb¨uchern zur Statistik (z.B. Amemiya, 1985; Davidson und MacKin-non, 1993; Kn¨uppel, 2000; Lehmann und Casella, 1998). Grundlagenwerke sind etwa Billingsley (1995) oder Halmos (1950). Anzumerken ist, dass der geschilderte Ansatz der derzeit meist ¨ubliche, keineswegs aber der einzig m¨ogliche ist (z.B. R¨uger, 1999)

Die in einer Stichprobe beobachteten Werte werden nun als Resultate von Zufallsvorg¨angen und damit als Realisationen von Zufallsvariablen auf-gefasst. So kann etwa die zuf¨allige Ziehung eines Elementes aus einer Grund-gesamtheit, an dem ein oder auch mehrere Merkmale betrachtet werden, als ein solcher Zufallsvorgang aufgefasst und jede beobachtete Merkmals-auspr¨agung kann als Realisation einer Zufallsvariablen betrachtet werden.

Dasselbe gilt f¨ur Reaktionen von Untersuchungspersonen auf bestimmte Reize, etwa Fragen eines Fragebogens oder visuelle Reize in einem Expe-riment. Eine solche Stichprobe von Merkmalen wird auch als Zufallsstich-probe bezeichnet. Oft wird weiterhin davon ausgegangen, dass die ein- oder mehrdimensionalen Zufallsvariablen stochastisch unabh¨angig (unabh¨angige Stichprobe) und identisch verteilt sind. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Elemente alle unabh¨angig voneinander und mit gleicher Wahrscheinlichkeit aus derselben Grundgesamtheit gezogen werden. Fasst man das Ergebnis des”Aufeinanderprallens“ von Untersuchungspersonen und Reizen als Re-sultat eines Zufallsvorganges auf, so w¨are die Annahme unabh¨angig und identisch verteilter Zufallsvariablen dann gerechtfertigt, wenn die Unter-suchungspersonen als voneinander unabh¨angig betrachtet werden k¨onnen und sich im Hinblick auf die interessierenden Merkmale nicht unkontrol-liert systematisch voneinander und den Elementen der Grundgesamtheit unterscheiden. Eine Stichprobe mit festem Umfang, die diese Bedingungen

erf¨ullt, wird auch als einfache Zufallsstichprobe bezeichnet4. Die im Allg-meinen unbekannte Verteilung der Zufallsvariablen wird oft durch mehr oder weniger weitreichende Annahmen ersetzt. So wird etwa eine bestimm-te Verbestimm-teilung als bis auf bestimmbestimm-te Paramebestimm-ter, die dann zu sch¨atzen sind, bekannt angenommen. Allerdings soll diese Darstellung nicht dar¨uber hin-wegt¨auschen, dass in einigen Bereichen mit wesentlich weniger strengen Voraussetzungen gearbeitet wird. Ein Beispiel hierf¨ur sind etwa semi- be-ziehungsweise non-parametrische Sch¨atzverfahren (z.B. H¨ardle und Linton, 1994, und die weiter unten angegebene Literatur).

Typischerweise steht bei einem solchen modell-basierten Ansatz das Auswahlverfahren nicht im Vordergrund der Betrachtungen (z.B. Little, 1982) und oft wird etwas sorglos vorausgesetzt, dass die betrachtete Stich-probe als Resultat der Ziehung einer einfachen ZufallsstichStich-probe behandelt werden kann. So werden beispielsweise h¨aufig die jeweils verf¨ugbaren Ele-mente oder, in psychologischen Untersuchungen, sich freiwillig meldende Personen in die Stichprobe aufgenommen. Auf der anderen Seite ist wie bereits angedeutet, nicht unabh¨angig von der Fragestellung zu entschei-den, ob die Annahme einer einfachen Zufallsstichprobe plausibel ist oder nicht, denn im Zentrum der obigen Definition einer Zufallsstichprobe stehen nicht die Elemente selbst, sondern die an diesen erhobenen Merkmale oder Variablen. Dementsprechend kann dieselbe Stichprobe in Bezug auf eine Fragestellungen und Grundgesamtheit einmal — zumindest n¨aherungswei-se — als einfache Zufallsstichprobe aufgefasst werden, w¨ahrend dien¨aherungswei-se An-nahme in Bezug auf eine andere Fragestellung sehr fragw¨urdig ist. Besteht die Stichprobe etwa aus freiwilligen Studenten und Studentinnen, dann ist die Annahme dass es sich dabei um eine einfache Zufallsstichprobe aus einer hypothetischen Grundgesamtheit junger Erwachsener im Studenten-alter handelt einfacher zu rechtfertigen, wenn in einem Experiment Aspekte der Motorik untersucht werden sollen als wenn es in der Untersuchung etwa um Schichtzugeh¨origkeit oder Einkommensfragen geht.

Das Ziehen von Schl¨ussen bez¨uglich einer Grundgesamtheit ausgehend

4Allgemeiner spricht man dann von einer einfachen Zufallsstichprobe, wenn jede m¨ogli-che Stichprobe des gleim¨ogli-chen Umfangs dieselbe Auswahlwahrsm¨ogli-cheinlichkeit besitzt.

von einem modell-basierten Ansatz, bei dem ein wie oben beschriebenes, auf Annahmen beruhendes wahrscheinlichkeitstheoretisches Modell den Aus-gangspunkt bildet, wird auch alsmodell-basierte Inferenzbezeichnet (

” model-based inference“, z.B. Little, 1982; S¨arndal, Swensson und Wretman, 1992).

Aufbauend auf einem solchen Ansatz steht ein umfangreiches Instru-mentarium statistischer Techniken, Methoden und Modelle zur Verf¨ugung.

Mit Hilfe mathematischer Beweise werden, jeweils unter bestimmten Vor-aussetzungen, wahrscheinlichkeitsbehaftete Aussagen ¨uber die jeweils inter-essierende Grundgesamtheit begr¨undbar. Problematisch k¨onnen Aussagen dann sein, wenn diese Voraussetzungen als nicht erf¨ullt angesehen wer-den m¨ussen. Neben der bereits angesprochenen oft fragw¨urdigen Annahme des Vorliegens einer einfachen Zufallsstichprobe er¨offnet sich ein weiterer Problembereich durch die Frage, ob die jeweils n¨otigen Annahmen etwa bez¨uglich der Verteilung der Zufallsvariablen tats¨achlich erf¨ullt sind. Ist dies nicht der Fall, bedeutet das allerdings keineswegs notwendigerweise, dass Schlussfolgerungen v¨ollig unbrauchbar sind. So besch¨aftigen sich zahl-reiche Arbeiten mit den Konsequenzen von Fehlspezifikationen (z.B. Fahr-meir, 1990; Gourieroux, Montfort und Trognon, 1984a, 1984b; Huber, 1967;

Li und Duan, 1989; White, 1980, 1981, 1982). In anderen Arbeiten werden robuste Verfahren und statistische Modelle vorgeschlagen, die mit immer weniger strengen Annahmen auskommen (z.B. Davison und Hinkley, 1997;

Efron und Tibshirani, 1993; H¨ardle und Linton, 1994; Hastie und Tibshira-ni, 1990; Horovitz, 2001; Huber, 1981; Liang und Zeger, 1986; McCullagh und Nelder, 1990, Kap. 9; Tutz, G., 2000; Weisberg und Welsh, 1994). Sie-he zu letzterem TSie-hema auch Portnoy und He (2000) und die dort zitierte Literatur.

2.3.3 Design-basierter Ansatz

Aussagen ¨uber eine konkrete endliche Grundgesamtheit liegt h¨aufig ein design-basierter Ansatz zugrunde (siehe z.B. Hansen, Hurwitz und Ma-dow, 1953; Levy und Lemeshow, 1999; S¨arndal, Swensson und Wretman, 1992). Dabei werden die Auspr¨agungen der interessierenden Merkmale in der endlichen Population, anders als im modell-basierten Ansatz, als fest,

die Merkmale selbst also als Konstante betrachtet. Von Interesse sind meist Kennwerte wie Anteile, Summen oder Mittelwerte in der jeweiligen Grund-gesamtheit. Da im Allgemeinen eine Totalerhebung nicht m¨oglich ist, muss auch hier von einer Stichprobe auf die Grundgesamtheit geschlossen werden.

Dies ist wiederum dann begr¨undet m¨oglich, wenn es sich bei der Stich-probe um eine Zufallsstichprobe aus dieser Grundgesamtheit handelt. Im Mittelpunkt des design-basierten Ansatzes steht die Ziehung der Stichpro-be von Elementen aus der Grundgesamtheit. Ausgehend von einer konkre-ten, endlichen Grundgesamtheit liegt nach S¨arndal, Swensson und Wretman (1992, S. 8) eine Zufallsstichprobe dann vor, wenn die Menge aller Stich-proben, die mit einem bestimmten Plan zur Auswahl der Elemente theo-retisch m¨oglich sind, angegeben werden kann, wenn mit jeder m¨oglichen Stichprobe eine bekannte Ziehungswahrscheinlichkeit verkn¨upft ist, wenn unter dem gew¨ahlten Auswahlplan jedes Element der Grundgesamtheit ei-ne positive Ziehungswahrscheinlichkeit besitzt und wenn der eigentlichen Ziehung der Stichprobe ein Zufallsvorgang zugrunde liegt, unter dem sich jede m¨ogliche Stichprobe mit ihrer Ziehungswahrscheinlichkeit realisieren l¨asst. Eine konkret beobachtete Stichprobe kann damit als Realisation ei-ner entsprechenden Zufallsvariablen aufgefasst werden. Die Funktion, die jeder m¨oglichen Stichprobe unter dem gew¨ahlten Auswahlverfahren eine Ziehungswahrscheinlichkeit zuordnet und damit die Wahrscheinlichkeits-funktion der entsprechenden Zufallsvariablen bestimmt, wird auch als Zie-hungsdesignbezeichnet. Das Ziehungsdesign spielt eine zentrale Rolle, denn es legt die grundlegenden statistischen Eigenschaften der aus der Stichpro-be gewonnenen Zufallsgr¨oßen, wie Anteile, Summen oder Mittelwerte fest und erm¨oglicht damit begr¨undete wahrscheinlichkeitsbehaftete Aussagen uber die Grundgesamtheit. Eigenschaften der Sch¨atzer, wie Erwartungs-¨ wert, Varianz und Verteilung, beziehen sich jeweils auf die Variation aller unter einem gegebenen Ziehungsdesign m¨oglichen Stichproben und wer-den auch als design-basierte Eigenschaften, die Sch¨atzer selbst als design-basierte Sch¨atzer, bezeichnet. Diese Form der Inferenz, bei der die stocha-stische Komponente allein ¨uber die Ziehungswahrscheinlichkeiten ins Spiel kommt, wird auch als design-basierte Inferenz bezeichnet (

”design-based inference“ oder

”randomization inference“).

Liegen vor der eigentlichen Stichprobenziehung zus¨atzlich zu Merkma-len, die die Identifikation der Populationselemente erm¨oglichen, weitere In-formationen vor, dann k¨onnen diese auf verschiedene Weise genutzt werden um Sch¨atzer mit g¨unstigeren Eigenschaften zu erhalten. Eine M¨oglichkeit ist der sogenannte Regressionssch¨atzer, der unter Verwendung der Zusatz-informationen in Form von Hilfsvariablen h¨aufig eine pr¨azisere Sch¨atzung der interessierenden Kennwerte liefert. Eine solche Hilfsvariable ist, wenn es sich bei den Einheiten etwa um Stimmbezirke handelt, die Anzahl der Wahl-berechtigten in jedem Stimmbezirk. Mit den f¨ur ein Regressionsmodell ty-pischen Annahmen wird nun zus¨atzlich eine Modell-Komponente, n¨amlich die Annahme, dass es sich bei den interessierenden Variablen um Zufalls-variablen handelt, in den design-basierten Ansatz ¨ubernommen. Allerdings wird nicht davon ausgegangen, dass die Werte in der endlichen Populati-on tats¨achlich dem angenommenen Modell entsprechend erzeugt wurden sondern lediglich, dass dieses Modell eine gute Beschreibung der in der Grundgesamtheit vorliegenden Werte liefert. Dementsprechend beeinflusst die Richtigkeit der Annahme nicht die grundlegenden Eigenschaften des Sch¨atzers sondern lediglich dessen Pr¨azision im Sinne einer kleineren Vari-anz. Daher wird dieser Ansatz etwas umst¨andlich auch als modell-gest¨utz-ter, design-basierter Ansatz (

”model assisted design-based inference“) be-zeichnet. F¨ur eine ausf¨uhrliche Darstellung siehe S¨arndal, Swensson und Wretman (1992, Kap. 6).

Neben Auswahlverfahren, bei denen die Elemente direkt aus der Grund-gesamtheit entnommen werden, kommen h¨aufig auch solche zur Anwen-dung, bei denen in einer ersten Stufe oder Phase Teilgesamtheiten, soge-nannteKlumpen von Elementen, gezogen werden (f¨ur eine Unterscheidung zwischen Stufen und Phasen, siehe etwa S¨arndal, Swensson und Wretman, 1992, Kap. 9). Auf diese Stufe oder Phase k¨onnen weitere folgen, in denen dann aus den jeweils gezogenen Klumpen weitere Klumpen gezogen werden.

Die eigentlich interessierenden Elemente werden schließlich in der letzten Stufe oder Phase entnommen. In diesen F¨allen beziehen sich die oben ge-nannten Kriterien, die eine Zufallsstichprobe beschreiben, auf jede dieser Auswahlstufen oder -phasen. Zentral dabei ist, dass unter dem gew¨ahlten Verfahren jedem Element der Grundgesamtheit eine positive und prinzipiell

angebbare Auswahlwahrscheinlichkeit zukommt.

Zur Ziehung von Zufallsstichproben stehen eine ganze Reihe verschiede-ner Auswahlverfahren zur Verf¨ugung (z.B. Gabler, H¨ader und Hoffmeyer-Zlotnik, 1998; Gabler und Hoffmeyer-Hoffmeyer-Zlotnik, 1997). Beispiele sind neben einfachen Zufallsziehungen etwa geschichtete, systematische oder mehrstu-fige Verfahren. Ein Ziel bei Verwendung eines von der einfachen Zufallsaus-wahl abweichenden AusZufallsaus-wahlverfahrens besteht meist darin, Sch¨atzer mit kleinerer Varianz verwenden zu k¨onnen. Ausf¨uhrlich beschrieben werden verschiedene Verfahren in Verbindung mit verschiedenen Sch¨atzern sowie deren Eigenschaften unter den jeweiligen Verfahren in der bereits oben zi-tierten Literatur. F¨ur ein ausf¨uhrliche Darstellung siehe insbesondere S¨arn-dal, Swensson und Wretman (1992). K¨urzere ¨Ubersichten findet man in vielen Hand- oder Lehrb¨uchern zur Statistik (z.B. Sch¨afer, 2000).

Von Verfahren, die auf einer zuf¨alligen Auswahl der Stichprobenelemen-te basieren sindnicht-zuf¨allige Verfahren zu unterscheiden. H¨aufig sind bei diesen Verfahren die Auswahlwahrscheinlichkeiten unbekannt und es lassen sich die design-basierten Eigenschaften der Sch¨atzer nicht bestimmen. Oft weisen auch viele Elemente der Grundgesamtheit eine Ziehungswahrschein-lichkeit von null auf. Zwar sind genaue Sch¨atzungen durchaus m¨oglich, aber da es im Allgemeinen unm¨oglich ist die Eigenschaften der Sch¨atzer objektiv zu bewerten, lassen sich entsprechende design-basierte Aussagen ¨uber die Grundgesamtheit nicht begr¨unden.

Bekannte nicht-zuf¨allige Verfahren sind etwa die typische Auswahl, die Auswahl nach dem Konzentrationsprinzip oder die Quotenauswahl (z.B.

S¨arndal, Swensson und Wretman, 1992; Sch¨afer, 2000). Bei Markt- und Meinungsforschung kommt die Quotenauswahl h¨aufig zur Anwendung. Da-bei wird die Grundgesamtheit anhand verschiedener Variablen, etwa Ge-schlecht, Altersgruppe und Schulbildung unterteilt. F¨ur jede dieser so ent-standenen Zellen wird eine Anzahl an Elementen, die Quote, festgelegt, die in die Stichprobe aufzunehmen sind. Bei Umfragen ist es dann Aufgabe der Befrager, die vorgegebenen Quoten zu erf¨ullen. Die Auswahl der Elemente, etwa Personen, kann auf Grundlage einer Befragung der zuerst beobach-teten Personen beruhen oder sie wird dem Befrager selbst ¨uberlassen. Da dies kein Zufallsstichprobe in obigem Sinne ist, existieren auch keine

design-basierten Sch¨atzer. Antwortverweigerungen k¨onnen nat¨urlich, wie bei den meisten Stichproben, auch hier auftreten, aber die Quoten k¨onnen im Allge-meinen erf¨ullt werden indem einfach weitere Personen befragt werden. Das Problem einer m¨oglichen Verzerrung durch Antwortverweigerungen bleibt allerdings bestehen.

2.3.4 Erg¨anzungen

Ein immer wieder genannter Vorteil des design-basierten Ansatzes ist des-sen Unabh¨angigkeit von Annahmen. Im Gegensatz zu einem modell-basierten Ansatz, der oft Verteilungsannahmen n¨otig macht, ergibt sich das Zie-hungsdesign aus dem gew¨ahlten zuf¨alligen Auswahlverfahren. Dieser An-spruch l¨asst sich im Allgemeinen nicht aufrechterhalten. Neben Problemen, wie Nicht¨ubereinstimmung der Auswahlgesamtheit mit der interessierenden Grundgesamtheit, Kodierungs- und Editierungsfehlern, sind h¨aufig weite-re Fehlerquellen zu ber¨ucksichtigen, die meist nicht ohne Modellannahmen angemessen zu behandeln sind. Dazu geh¨oren vor allem Antwortverweige-rungen sowie die Problematik fehlerbehafteter Messungen. Anders als beim oben kurz beschriebenen modell-gest¨utzten, design-basierten Ansatz f¨uhrt die Einbeziehung von Modellannahmen in diesen F¨allen im Allgemeinen zur Abh¨angigkeit aller Eigenschaften der Sch¨atzer von der Richtigkeit der Mo-dellannahmen (z.B. S¨arndal, Swensson und Wretman, 1992, Kap. 14–16).

F¨ur ein weiteres Beispiel daf¨ur, dass zus¨atzliche Modellannahmen hilfreich sein k¨onnen, siehe etwa Cassel, S¨arndal und Wretman (1979).

H¨aufig werden Aussagen ¨uber eine endliche Population aber auch mit Hilfe eines sogenannten Superpopulationsmodells gemacht (z.B. Ericson, 1969; Hansen, Madow und Tepping, 1983; Little, 1982; Royall, 1970; S¨arn-dal, Swensson und Wretman, 1992). Dabei werden die Merkmale in der endlichen Population selbst als Realisation einer entsprechend hochdimen-sionalen Zufallsvariablen aufgefasst. Grundlage der Inferenz ist in diesem Fall neben dem Ziehungsdesign die angenommene Verteilung dieser Zufalls-variablen. Allerdings gibt es auch Ans¨atze, bei denen das Ziehungsdesign nur eine untergeordnete oder keine Rolle f¨ur die Inferenz spielt. In ersterem Fall soll die Zufallsauswahl lediglich einer systematischen Auswahl

vorbeu-gen, in letzterem kann die Auswahl sogar nicht-zuf¨allig sein (z.B. Royall, 1970).

Obwohl es sich offensichtlich um einen — wenigstens partiell — mo-dell-basierten Ansatz handelt, sind im Unterschied zu dem oben beschrie-benen Ansatz hier Aussagen ¨uber Kennwerte in der endlichen Population und nicht ¨uber die Superpopulationsparameter beabsichtigt. Allerdings un-terscheiden sich in vielen F¨allen Sch¨atzer f¨ur Kennwerte in der endlichen Population nur durch einen Korrekturfaktor von jenen f¨ur die entsprechen-den Superpopulationsparameter. Ist der Auswahlsatz im Verh¨altnis zum Umfang der Grundgesamtheit sehr klein, dann sind Schl¨usse bez¨uglich der zu sch¨atzenden Gr¨oßen in der endlichen Grundgesamtheit beziehungsweise den Superpopulations- oder Modellparametern oft kaum voneinander ver-schieden (Little, 1982).

Ankn¨upfend an die Problematik nicht-zuf¨alliger Stichproben im Zusam-menhang mit Aussagen ¨uber eine endliche Grundgesamtheit, sei an dieser Stelle noch einmal kurz auf eine mit Hilfe der Quotenauswahl gewonnenen Stichprobe eingegangen. Im Rahmen des design-basierten Ansatzes lassen sich keine Eigenschaften von Sch¨atzern basierend auf Quotenstichproben angeben. Dies ¨andert sich, geht man von einem Superpopulationsmodell aus. Dann sind Eigenschaften unter bestimmten, oft problematischen An-nahmen ableitbar, allerdings um dem Preis, dass die G¨ultigkeit der Schl¨usse von der G¨ultigkeit der Annahmen abh¨angt (z.B. Little, 1982; S¨arndal, Swensson und Wretman, 1992).