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Problemlage und Projektentwicklung

4. Der Bildungsmarkt - Maßnahmetypen und Trägerland

schaft

4.1. Maßnahmetypen

Aktive Arbeitsm arktpolitik bedeutet in der konkreten Umsetzung die Be­

reitstellung einer vorgegebenen Anzahl von Maßnahmeplätzen im Bereich Fortbildung und Umschulung, eingerichtet und finanziert durch die Bun­

desanstalt für Arbeit und von dieser nach bestimmten K riterien geprüft und gebilligt (vgl. §§ 33f,50ff AFG und entsprechende FuU-Durchfüh- rungsanordnungen). Diese problem neutrale Formulierung verlangt im konkreten Maßnahmeplanungsgebiet möglichst präzise Vorgaben aus der situativen Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsentwicklung ("harte" Strukturda­

ten), der mittelfristig angelegten Arbeitsm arkttendenzen und einer län­

gerfristig orientierten Strukturprojektion, die Wachstumsraten der Volkswirtschaft, grundsätzliche Technologieveränderngen und natürlich auch demographische Entwicklungen aufgreift.

Dieses schon in den alten Bundesländern komplexe Verfahren bedeu­

tet für die neuen Bundesländer, daß zur Zeit die Arbeitsmarktentwicklung nur in globaler Form prognostiziert werden kann, wenngleich natürlich

Vorgaben bestehen (vgl. Kapitel 6)

Es ist von daher schwierig, den Qualifizierungsbedarf für Branchen und Berufe exakt zu quantifizieren. Grundsätzlich gilt in den Fachkreisen aber die Maßgabe, daß es nicht in jedem Fall notwendig ist, mit dem In­

strument ’Umschulung’ zu arbeiten, sondern, daß der Bereich

’Fortbildung’ insbesondere im technisch-gewerblichen Facharbeiterbe­

reich und im breiten Feld der ingenieurstechnologischen Ausbildung oft der geeignete Weg der Nachqualifizierung ist.

Vereinfacht zeigt sich folgende Maßnahmezuordnungstendenz:

- UMSCHULUNGEN mit einer Kammerprüfung und einem neuen Be­

rufsabschluß zum Facharbeiter, Gesellen bzw. Gehilfen sind insbeson­

dere für Personen relevant, die mit überflüssigen und überdimensio­

nierten Planungs- und Kontrollaufgaben beschäftigt waren bzw. die in Berufsfeldern eingesetzt waren, die in den neuen W irtschaftsstrukturen nicht mehr anzutreffen sind. Neben wirtschaftspolitischen Gründen für eine Umschulungsentscheidung, können auch soziale und gesundheitli­

che Gründe eine Umschulung als perspektivisch wirksamstes Instru­

ment erscheinen lassen, um auf dem zukünftigen Arbeitsm arkt konkur­

renzfähig zu sein.

- FORTBILDUNGEN, die auf einen vorhandenen Facharbeiter- oder Hoch- bzw. Fachschulabschluß aufbauen. Fortbildungen haben zum Ziel, vorhandene berufliche Kenntnisse und Fertigkeiten festzustellen, zu erhalten, zu erweitern, der technischen und gesellschaftlichen E nt­

wicklung anzupassen oder einen beruflichen Aufstieg zu ermöglichen.

Sie sind für Arbeitnehm er bedeutsam, deren angestammter Beruf einer technologischen oder systembezogenen Nachschulung bedarf.

In der alltäglichen Beratungsarbeit zeigt sich die mögliche M aßnahmedif­

ferenzierung allerdings komplexer. Die frühere Praxis in der ehemaligen DDR Berufswahlentscheidungen staatlich zu planen, ein nicht ausbil­

dungsadäquater Arbeitseinsatz, neue neigungs- und eignungsgerechte in­

dividuelle Berufswünsche auch im Erwachsenenalter usw. sind nach unse­

ren Beratungserfahrungen Faktoren, die die Entscheidung zwischen

Um-Schulung oder Fortbildung erschweren. In dieser Konstellation hat sich die sogenannte "§ 41a-Maßnahme" (AFG) zur grundsätzlichen O rientie­

rung als Form einer "verlängerten Beratung" bewährt. Die Maßnahmen nach § 41a AFG finden im Rahmen der beruflichen Fortbildung ihren ei­

genen Platz. Für die von Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen der neuen Bundesländer dienen ihre Inhalte auch dazu, die gesellschaftliche und soziale Situation nach Öffnung der Grenzen für die M aßnahmeteil­

nehmer transparenter zu machen. Wesentliches Merkmal der vier- bis sechswöchigen Kurzlehrgänge ist es daneben, eine berufliche Zwischen­

bilanz zu ziehen, und die grundsätzliche Entscheidung in Richtung einer Fortbildung, Umschulung, Arbeitsbeschaffungsmaßnahme usw. solide zu fundieren und in eine individuelle berufliche Zeitplanung zu integrieren.

4.2. Die Trägerlandschaft

Angesichts der Größenordnung der kurzfristig aufgebauten Maßnah­

meplätze ist der O stberliner Markt kein Abbild der W estberliner Träger­

landschaft, sondern weist eigene Strukturen auf, die sich wie folgt fächern:

- m ittlere und größere Träger aus Westberlin, die für die vier Ostberliner A rbeitsäm ter in ihren alten Bildungsstätten im W estteil und/oder in neuen Einrichtungen im Ostteil FuU-Maßnahmen durchführen

- überregionale westdeutsche Bildungsträger, die im westlichen Teil der Stadt als A nbieter bisher nicht vertreten waren

- Trägerneugründungen in Ostberlin, die in vielen Fällen aus den ehe­

maligen Betriebsakademien hervorgegangen sind, und die meistens mit westlichen (Berlin bzw. W estdeutschland) Bildungsträgern in unter­

schiedlicher V ertragsstruktur Kooperationsbeziehungen eingegangen sind

- Betriebsschulen, die als Einrichtungen der Betriebe, Inzwischen aber auch als Ausgründungen, Bildungsmaßnahmen für die Betriebsm itar­

beiter, bei freien Kapazitäten aber auch für externe Maß­

nahm einteressenten, durchführen

Die Problemlage eines jeden Trägertyps ist dabei verschieden, wenngleich

festzustellen ist, daß die größeren Träger aus dem westlichen Stadtteil aufgrund ihres Standortvorteils, dem jahrelangen Bildungs-Know-how, der bestehenden Kooperationen mit den Arbeitsäm tern und mit der vari­

ablen Möglichkeit, einen Teil der Kurse auch in den westlichen Stamm­

einrichtungen durchzuführen, sicherlich im Vorteil sind. Die östlichen Träger stehen in vielen Fällen vor einem besonderen Legitimationszwang, nachzuweisen, mit westlicher Technologie und westlichem Lehrgangs- Know-how die Maßnahme durchzuführen, was an dieser Stelle zwar als po­

sitiver Druck verstanden werden soll, der ihre konkrete Arbeit jedoch er­

schwert.

Wesentliche Auswirkungen auf die Beratungspraxis hat die Pro­

gramm- und Trägerqualität. Es geht dabei um die Frage, ob die eingerich­

teten Programme qualitativ in der Lage sind, entsprechend den konzep­

tionellen Intentionen Inhalte auch zu realisieren. Der zur Zeit politisch geforderte "Bildungsträger-TÜV" geht dabei von folgenden Prüfsteinen aus:

- Vorlage eines Schulungsplans im Sinne eines Curricilums mit einer ar­

beitsmarktpolitischen Perspektiworgabe

- Stellung eines Personalkonzeptes durch den Bildungsträger, das den Dozentenbereich, aber auch das trägereigene Organisationsmanage­

ment umfaßt

- Nachweis der m ateriellen Grundlagen: Gebäudeausstattung und Lehr­

gangsequipment.

Die Diskussion um den sogenannten Bildungsträger-TÜV ist im Zuge des Bekanntwerdens unseriöser Trägerschaften entstanden. Im Schatten des boomenden Bildungsmarktes und im Gleichklang mit einer sich im Auf­

bau befindlichen Arbeitsverwaltung, ist zu Lasten der öffentlichen H aus­

halte und der ratsuchenden Menschen eine partielle Schwachstelle schlechter Trägerarbeit bekannt geworden.

Das Problem unseriöser Träger ist mittlerweile auch von den Bil­

dungsträgern in Berlin und Brandenburg selbst erkannt und führte zur Gründung des "Interessenverbandes Berufliche Weiterbildung Berlin- Brandenburg", die in Selbstkontrolle der Träger Lösungen im Sinne

verbesserter Trägerqualität anstrebt. Ob dieses trägereigene Instrum en­

tarium Abhilfe bietet, wird die Erfahrung zeigen.

Begleitet werden könnte dies allerdings von einer Qualitätskontrolle, an der Arbeitsäm ter, M aßnahmeträger und Teilnehmer kooperativ Zu­

sammenarbeiten. So müßte z.B. eine "feed-back Schleife" zwischen Teil­

nehmern und Arbeitsverwaltung (bzw. interm ediären Organisationen wie dem Verein) eingebaut werden, die ungenügende Trägertätigkeit rasch aufdeckt.

A ndererseits gibt es auch Probleme zu verzeichnen, die nicht den T rä­

gern der beruflichen Bildung anzulasten sind, sondern im Umfeld der be­

trieblichen, behördlichen und Treuhandarbeit liegen. Hohe Mieten, kurz­

fristige Mietverträge aufgrund nicht geklärter Eigentumsverhältnisse, leergefegte Dozentenmärkte bei geringen Stundensätzen für Dozenten bedingt durch enge Finanzierungsvorgaben durch die Bundesanstalt für Arbeit, Probleme der Vorfinanzierung bei gleichzeitig engen Kreditlinien bei den Banken usw. sind die alltäglichen Probleme der Bildungsträger, die einer soliden berufspädagogischen A rbeit abträglich sind. Die träge­

reigenen Möglichkeiten, diese Schwierigkeiten zu kompensieren, sind da­

bei je nach Größe und gesellschaftlichen Rückhalt unerschiedlich.

5. Projektergebnisse

Insgesamt wurden in der Beratungsstelle beim Arbeitsamt VII 1991 rund 1800 Beratungen durchgeführt. Zusammen mit den beim Arbeitsamt IX geleisteten Beratungen steigt diese Zahl auf 3400, wovon rund 60 % Frauen und ca. 56 % unter 35 Jahre alt sind. Die exakte Bewertung der Projektarbeit kann nur in einer Zusammenfassung der Innen- und Außen­

wirkungen bestehen. Die isolierte Betrachtung der Beratungszahlen mit einer Übergangsquote von ca. 75 % (Willensbekundung für eine Qualifi­

zierungsmaßnahme) in eine der drei Maßnahmetypen (Umschulung, Fort­

bildung, Berufliche Orientierung) drückt zunächst nur den Sachverhalt aus, daß die Ratsuchenden mit der Art der Ansprache, dem individuellen Beratungsgespräch und dem Beratungsangebot in allgemeiner Form ein­

verstanden waren, daß also das Beratungsteam in seinem eigenen Aktions­

rahmen positiv gewirkt hat. Im folgenden Textverlauf geht es zuerst um eine Darstelllung ausgewählter Ergebnisse über die Struktur der B eratun­

gen sowie um eine qualitataive Effektivitätsbeurteilung im Rahmen der Zusammenarbeit mit den am Beratungsprozess beteiligten "externen" Ein­

richtungen/ Organisationen.

5.1 Maßnahmeverteilung

Die Arbeit des Projekts in der Storkower Straße (Stand Sept. 91) konzen­

trierte sich zu 2/3 auf die Beratung zur Fortbildung, Umschulung und zur beruflichen Orientierung, wobei die sogenannten § 41a - Maßnahmen z.T.

ergänzend und im Vorfeld einer Fortbildung und insbesondere einer Um­

schulung angeboten wurden. Etwa bei jedem dritten Ratsuchenden war die generell angelegte soziale Beratung und Information hauptsächlicher Be­

ratungsgegenstand.

Schaubild 1 Verteilung der Beratungsangebote innerhalb der Beratungsstelle

"Storkower Straße" Arbeit und Bildung in Berlin e.V.

Suirme der Beratungsangebote größer 100 % wegen Mehrfachnennungen und der ergänzenden Beratungsmöglichkeit (z.B.: § 41 a-Maßnahmen zur beruflichen Orientierung und - im Anschluß - Fortbildung oder Umschulung).

Betrachtet man das Entscheidungsverhalten für einen bestimmten Maß­

nahmetyp - Fortbildung, berufliche Orientierung, Umschulung - von Män­

nern und von Frauen, fällt eine höhere Bereitschaft der Frauen auf, eine berufliche Orientierungsmaßnahme zu besuchen und/oder einen neuen Beruf zu wählen. Von 100 Frauen entschieden sich ca. 23 für eine Um­

schulung und ca. 27 für eine Orientierungsmaßnahme nach § 41a. Bei den Männern waren es dagegen etwa 15, die an einer Orientierungsmaßnahme teilnehmen wollten und 20, die eine Umschulungsmaßnahme besuchen wollten. Männer entschieden sich nach unseren Ergebnissen aber öfter für eine Fortbildung. Das bedeutet auch, daß weniger Männer bereit oder ge­

zwungen waren, einen neuen Beruf zu ergreifen und eher im

angestamm-ten Beruf eine Chance sahen als Frauen. Eine Veränderung dieser Ten­

denz deutete sich ab Juli 1991, mit Ablauf des Kündigungs­

schutzabkommens, an. Hiervon waren häufig Männer aus der m etallverar­

beitenden Industrie und dem Elektrobereich gegenüber Frauen aus der Dienstleistungssparte betroffen. Die arbeitsm arktpolitischen und be- schäftigungspoütischen Rahmenbedingungen im Großraum Berlin werden insbesondere 1992 viele A rbeitnehm er aus den Metall- und E lektroberu­

fen zwingen, einen neuen Beruf in einer Umschulung zu erlernen, wodurch sich das bislang unausgewogene Verhältnis zwischen Männern und Frauen angleichen könnte.

Es kann nun eine deutlich verringerte Bereitschaft zur Teilnahme an einer

§ 41 a-Qrientierungsmaßnahme festgestellt werden. Die einzelnen A r­

beitsäm ter in Ost-Berlin reagieren bereits auf diesen Trend, indem sie die V ergabekriterien an die Bildungsträger verändern und das M aßnahmean­

gebot sowie die Teilnehm erkapazitäten deutlich verringern werden.

5.2 Qualifikationsstruktur der Ratsuchenden

In den Betrieben und Einrichtungen der "Storkower Straße” ist ein durch­

schnittlicher Anteil von über 40 % an Hoch- und Fachschulabsolventen vorrangig im ökonomischen und ingenieurstechnologischen Bereich zu verzeichnen. Der Anteil der Hoch- und Fachschulabsolventen an den R at­

suchenden in der Beratungsstelle des Vereins A rbeit und Bildung in Ber­

lin e.V. war in der Anfangsphase - August und September 1990 - überpro­

portional vertreten, hat sich mittlerweile aber bei etwa 30-35 % eingepen­

delt (Schaubild 2).

Schaubild 2 Q u a l i f i k a t i o n s s t r u k t u r d e r R atsuchenden i n d e r B e r a tu n g s s te l le

"S to rk o w er S tr a ß e " , A r b e it und B ild u n g i n B e r lin e .V . ( i n v .H .)

o = d n e Berufsafcechluß oder n i t Tei 1 fadnrhei tKrahficfthiß

Die Facharbeiterbandbreite konzentriert sich im technisch-gewerblichen Bereich um die tradierten Metall- und Elektroberufe. Daneben ist anteilig gleich, abgeleitet aus dem überdimensionierten Planungs- und Kontroll­

apparat, das gesamte Spektrum der Büro- und Verwaltungsberufe vertre­

ten. Flankiert wird diese Arbeitsm arktstruktur durch die Berufe, die ent­

sprechend der gesellschaftlichen und sozialen Ausrichtung der Betriebe in den innerbetrieblichen Versorgungs und Betreuungsbereich integriert wa­

ren (M itarbeiter in der Kultur- und Ferienplanung, Kinderbetreuungsper­

sonal, Wach- und Objektschutz usw.).

Bei der Zuordnung nach beruflichen Funktionen läßt sich insgesamt für den gesamten Betrachtungszeitraum bis September 1991 ein leichtes Übergewicht an Ratsuchenden mit technisch-gewerblichen Berufen fest­

stellen (52 % gegenüber 43 % mit Berufen im Dienstleistungssektor). Bei genauerer Betrachtung fällt auf, daß ab Juli 1991 sich das Verhältnis an­

gleicht. Ein Grund könnte darin liegen, daß mit Auslaufen des Kündi­

gungsschutzabkommens und dem Ende der W arteschleife vermehrt H an­

dels-, Verwaltungs- und Dienstleistungsfachkräfte arbeitslos wurden und sich über ihren beruflichen Werdegang beraten ließen. Die Gruppe der Ratsuchenden ohne Berufsabschluß bzw. mit einem sogenannten Teil­

facharbeiterabschluß war mit etwa 5 % an den Ratsuchenden vertreten.

(Schaubild 2)

5.3 Erfahrungen in der Zusam menarbeit mit den A kteuren der Ar­

beitsmarktpolitik

5 .3 .1 B e trie b e

Die Betriebsberatungen hatten schon in der ersten Phase den Charakter, nicht für den Betrieb im Kontext einer betriebsinternen Anschlußperspek­

tive nach Abschluß der Qualifizierungsmaßnahme zu orientieren. Beraten wurden vorrangig K urzarbeiter, die frühzeitig auf die sogenannte K urzar­

beit-Null gesetzt wurden, was von den Betroffenen als richtiges Signal ge­

deutet wurde, zuerst von Kündigung betroffen zu werden. Diese ungün­

stige Konstellation, verstärkt bei unklaren Äußerungen seitens der G e­

schäftsführung wirkte sich z.T. negativ auf das Betriebsklima in den U n­

ternehm en aus. Kritisch ist anzumerken, daß sich die Ebene der G e­

schäftsführung nur in seltenen Fällen als Betriebsvertretung an den B era­

tungsaktionen beteiligt hat, daß in der Regel viel mehr die Personalab­

teilung für die Betroffenen wie auch für den Verein der Ansprechpartner war. Dieser Sachverhalt wirkte ambivalent. Zum einen fehlte die G e­

schäftsleitung als em otionaler Polarisierungspol, andererseits hätte man die Verantwortlichen des Betriebes noch einmal zur Rechenschaft p er­

sönlich verpflichtet.

Fazit dieser Konstellation ist, daß ein Widerspruch zwischen dem In­

teresse des Unternehm ens und den "überschüssigen" Arbeitskräften in der betrieblichen Beratungsveranstaltung besteht, und daß es von daher kon­

sequenterweise sinnvoll ist, die berufliche Perspektivberatung für diesen

Personenkreis von einem externen neutralen Beratungsträger durchfüh­

ren zu lassen. Die betriebsinterne Selektion geht vom einfachen aber har­

ten Standpunkt aus, über den Personalabbau auch die Belegschaftsstruk­

tur zu straffen; Gewinner sind in diesem Selektionsverfahren die "besten"

A rbeitskräfte, was im Klartext vorrangig die K riterien Alter, Geschlecht und Ausbildungs-/Berufsqualität umfaßt; der besondere gesetzliche Kün­

digungsschutz bietet hier im Rahmen der betriebsbedingten Kündigungs- möglichkeit keine umfassende Sicherheit.

Diese auch psycho-soziale Dimension war im Beratungsgespräch all­

gegenwärtig. Neben dem berufskundlichen und qualifikatorischen Aspekt mußte der Berater immer auch in der Lage sein, auf Gereiztheit, Unzu­

friedenheit und soziale Angst einzugehen.

Zusammengefaßt ist zu konstatieren, daß der Betrieb üblicherweise nicht in der Lage ist, aus seiner eigenen Kraft heraus für die

"überschüssigen" M itarbeiter in sozialer und berufskundlicher Kompetenz die sinnvolle Anschlußberatüng zu leisten. Die soziale Glaubwürdigkeit wird in dieser Situation vorrangig durch den Betriebsrat vertreten, so daß es von daher nur einsichtig war, daß betriebliche Beratungsaktionen auch von dieser Seite initiiert worden sind,

5 .3 .2 A r b e its ä m te r

Auf dem Beratungssektor gestaltete sich die Zusam menarbeit mit dem Arbeitsam t ausgesprochen kooperativ. In den betrieblichen Gruppen und Einzelberatungen wurde von der Arbeitsverwaltung und vom Verein eine Arbeits- und Aufgabenteilung praktiziert, die den jeweiligen Zuständig- keits- und Kompetenzbereich nicht vermischt hat. Zudem war das A r­

beitsamt VII auch in der Stellung der Beratungsräumlichkeiten behilflich, so daß der betriebliche Beratungsansatz gleich mit dem Angebot einer Nachberatung im Rahmen einer regelmäßigen Sprechstunde flankiert werden konnte.

Problemfelder, die im Umfeld der A rbeitsäm ter zu orten sind, wurden bereits benannt. Auch die Arbeitsverwaltung steht vor dem Dilemma, für

die Absolventen von FuU-Maßnahmen nicht sofort die geeigneten neuen und zusätzlichen A rbeitsplätze im ersten Arbeitsm arkt vermitteln zu kö- nen; es gibt sie nicht! Entsprechend wird zur Zeit auf die Einrichtung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gesetzt, die seit April des Jahres mit ei­

ner verstärkten Sachmittelförderung im Rahmen des

"Gemeinschaftswerks Aufschwung O st” (GAO) zur schnelleren Programmausweitung flankiert w e rd e n ^ . Dabei richten sich die Hoffnun­

gen auf sämtliche Möglichkeiten, die mit dem Instrumentarium ABM zu entwickeln und abzudecken sind. Die verschiedenen Varianten erstrecken sich über kommunale und trägerbezogene ABM bis hin zu gebündelten Großprojekten im Rahmen betrieblicher und offener Beschäftigungs- und Qualifizierunggesellschaften, die in dieser Gesam theit zur Zeit vom Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg, den vom Senat initiierten Service­

gesellschaften und dem Senat von Berlin in Abstimmung mit der Treuhand - soweit letztere einzuschalten ist - konzipiert und umgesetzt werden.

Es wird sich im nächsten Halbjahr zeigen, ob dieses Paket, ergänzt durch Möglichkeiten der Lohnkostenzuschüsse für die Betriebe und im Jugendbereich durch den Aufbau von überbetrieblichen Ausbildungsstät­

ten, arbeitsm arktpolitische Wirkung erzielt. Aus Mangel an Alternativen ist dieses Instrum entarium aber derzeit der entscheidende arbeitsm arkt­

politische Hebel, den volkswirtschaftlichen Umstrukturierungsprozess ak­

tiv zu begleiten.

5 .3 .3 D ie R a tsu c h e n d e n

Es ist inzwischen die für den Berater eher hilfreiche Entwicklung einge­

treten, daß es eine illusionäre Überschätzung der sozialen Wirklichkeit nur mehr in Ausnahmefällen gibt. Interessant ist, daß diese Nüchternheit in der sozialen Entwicklung im täglichen Gespräch mit den Ratsuchenden schon eher zu erkennen war, als in der verzögerten Reaktion der Politiker und der Medien.

22 Aufgrund der Mittelausschöpfung im GAO werden die Mittel nun durch das arbeitsmarktpolitische Rahmenprogramm des Landes Berlin zur Verfügung gestellt.

Dennoch überwog in der ersten Projektphase bis zum Jahreswechsel 1990/91 ein verhalten optimistischer Eindruck, der von einer temporär kurzen arbeitsm arktpolitischen Krisenphase ausging; man glaubte an die versprochenen schnellen ökonomischen Effekte des politischen Handelns.

Für das Jahr 1991 ist hingegen eine beginnende differenzierte Risiko­

wahrnehmung typisch; es wurde für die Betroffenen zunehmend deutlich, welche einzelnen Arbeitsmarktsegmente mit negativer beruflicher W ett­

bewerbsfähigkeit sich herausbilden und verfestigen würden. So sind heute vor allem weibliche Erwerbspersonen, "ältere Arbeitnehmer" ab 45 Jahre und verschiedene sozial stigm atisierte Gruppen die Ratsuchenden, die mit einem rein qualifizierungsreduzierten Beratungsgespräch nicht mehr auf­

zufangen sind.

Nicht unwesentlicher Bestandteil in einem qualifizierungsorientierten Beratungsgespräch ist heute die psychosoziale Thematik. Nicht in der Vorgabe, daß es sich um ein Gespräch mit qausi therapeutischem Charak­

ter handelt, jedoch mit dem Anspruch, daß man über die negativen Folgen der Wende "einfach auch mal reden" möchte. Eine Ignoranz dieser Stim­

mung durch den Berater würde bedeuten, wichtige Elem ente beim Aufbau neuer Motivationsstränge auszulassen. Die individuelle

"Konfliktlösungsstrategie", determ iniert durch die eigene Biographie und die aktuelle soziale Verfassung und Problemlage, ist ein wesentlicher Schritt, den beruflichen Werdegang in einer "neuen" Gesellschaft positiv zu wenden.

5 .3 .4 B ild u n g strä g er

Ein wesentliches Merkmal der Beratungsarbeit ist, dem Ratsuchenden das vorgeschlagene Bildungsangebot nicht nur von der inhaltlichen Ausrich­

tung zu erklären, sondern auch den "inneren Rahmen" der neuen Lernsi­

tuation zu vermitteln. Dazu ist erforderlich, daß der Berater die Bildungs­

träger aufsucht, die Curricula kennt, Kontaktpersonen aufbaut und mit den Pädagogen "vor Ort" die anstehenden Probleme diskutiert.

Das hier eingeforderte zusätzliche Wissen ist in dieser Aufbauphase in umfassender Form nur sukzessiv zu erlangen. Trägerneugründungen

und die Neuansiedlungen aus dem Bundesgebiet im Gieichklang mit den entsprechend hohen Platzkapazitäten erschweren das Kennenlernen, das in der Regel über einen Trägerbesuch vor Ort mit entsprechender L ehr­

stättenführung verbunden ist. Die zahlreich veranstalteten Bil­

dungsmessen sind nur ein ungenügender Notbehelf, da die Standpräsenta­

tionen nur knappe visuelle Informationen bieten. Lehrgangsprospekte, Videotapes und Informationsmöglichkeiten über einen Stand-PC ersetzt nicht das kennenlernen, daß sich über einen mehrjährigen Arbeitszusam­

menhang aufbaut. Hier muß der Zeitfaktor wirken.

Arbeitsm arktpolitische Patentrezepte können von Bildungsträgerseite nicht erwartet werden. Sie sind verantwortlich, mit einem Lehrprogramm zu arbeiten, das für den allgemeinen Arbeitsm arkt verwertbares berufli­

ches Wissen verm ittelt und somit die individuelle Wettbewerbsfähigkeit der Ratsuchenden erhöht. Geht es um die Ausgestaltung eines G esam t­

programmes an FuU-Maßnahmen in einem eingrenzbaren Planungsgebiet, ist es neben dem arbeitsmarktlich sinnvollen Trägervorschlag vorrangig

programmes an FuU-Maßnahmen in einem eingrenzbaren Planungsgebiet, ist es neben dem arbeitsmarktlich sinnvollen Trägervorschlag vorrangig