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Problemlage und Projektentwicklung

2. Arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitische V erlaufstenden

zen

Die Beratung zur Weiterbildung, Fortbildung und Umschulung erfordert ökonomische Grundkenntnisse der Arbeitsm arkt- und W irtschaftsent­

wicklung im Beitrittsgebiet; die Ostberliner Situation weicht davon - trotz der Nähe zum W estberliner Wirtschaftsraum - nur unwesentlich ab. Die arbeitsm arktpolitische Entwicklung resultiert dabei aus den Problemen einer Volkswirtschaft, die folgende Defizite aufweist:

- Mangel an vermarktungsfähigen Produkten und Dienstleistungen im binnen- und außenwirtschaftlichen freien Weftbewerbssystem

- reparaturanfällige und veraltete Industrieanlagen in allen W irtschafts­

sektoren und damit verbunden eine zu niedrige Arbeitsproduktivität - ineffiziente Organisation der Arbeit bedingt durch unzureichende O r­

ganisation des Zuliefersystems und zum Teil mit politischen Funk­

tionen betraute Verwaltungen der Betriebe (administrative W asser­

köpfe)

- mangelhafte Bausubstanz der Wohn- und Industrieanlagen

- völlig veraltete Infrastruktur, flankiert von einem ineffektiven Ver­

bands- und Verwaltungsapparat

- produktionsbedingte Umweltschäden im Gleichklang mit einem um­

weit- und wirtschaftsschädigenden Ressourcenverbrauch.

Ein Vergleich der deutsch-deutschen Tätigkeitsstruktur zeigt, in welchem Maße der im Beitrittsgebiet anstehende wirtschaftliche, technologische und soziale Strukturwandel die Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsstruktur verändern wird, falls man davon ausgeht, daß es zu (unilateralen) Beschäf­

tigungsanpassungen der neuen Länder an die alten Länder kommen wird (vgl. Tabelle 2)*Ä

- Jeder achte Erwerbstätige in der DDR war im Reparatur- oder Instand­

haltungsbereich beschäftigt, etwa doppelt so viele wie in der ehemali­

gen Bundesrepublik. Im wesentlichen ist dies auf den großen Anteil überalterter Produktionsstrukturen und die damit verbundene R epara­

turanfälligkeit zurückzuführen.

- Die produktionsvorbereitenden und wissenschaftlichen Tätigkeiten wa­

ren gleichfalls etwa doppelt so stark besetzt wie in der ehemaligen BRD (6,1 % zu 2,7 %). Auch dies könnte auf eine unzureichende Effektivität hinweisen aber auch den Forschungsumfang widerspiegeln, den die DDR aufgebaut hatte.

- Ähnlich dem Reparatur- und Instandhaltungsbereich verhält sich die Relation im Transport- und Verkehrswesen. Teils drückt sich dadurch mangelnde Effektivität aus, teils aber auch eine unterschiedliche Prio­

ritätensetzung zugunsten des öffentlichen Sektors.

- Der höhere Anteil an pädagogischen Erwerbstätigen war durch den be­

sonderen staatlichen Erziehungsauftrag, die hohe Frauenerwerbstätig­

keit und durch das spezifische AusbildungS- und Fortbildungssystem bedingt.

18 vgl.: WSI Mitteilungen 7/1990, 434. In: Informationen zur politischen Bildung Nr. 177, Wirtschaft 3. Bonn 1990,

Wahse, 1990

T ab elle 2 V e r t e i lu n g d e r B e s c h ä f t ig t e n d e r V o l k s w i r t s c h a f t

- Einen Beschäftigungsschub kann man dagegen bei Dienstleistungs- und Handelstätigkeiten, im Bank- und Versicherungswesen sowie im produ­

zierenden Handwerk in Klein- und M ittelbetrieben erwarten. Diese Wachstumsfelder waren in der ehemaligen DDR unterrepräsentiert.

Die Problemlage im Industriegebiet Storkower Straße entspricht in etwa diesem G robraster. Eine Volkswirtschaft in solcher Verfassung steht vor grundsätzlichen, unaufschiebbaren Strukturveränderungen, die noch dazu möglichst kurzfristig umzusetzen sind. Die Konservierung überholter W irtschaftsstrukturen durch staatliche Transferleistungen (bei knappen Haushaltsm itteln) birgt die Gefahr in sich, die Arbeitslosigkeit nur hin­

auszuschieben. Allerdings ist hier eine genaue Analyse von Betrieben und Tätigkeiten notwendig, um im Prinzip konkurrenzfähige Betriebe oder be­

rufliche Fertigkeiten in vorübergehenden Schwierigkeiten von solchen zu unterscheiden, die nicht länger wettbewerbsfähig sind.

Arbeitsm arktpolitisch schlägt die so charakterisierte Entwicklung zunächst auf das gesamte Erwerbspersonenpotential um. In Folge werden sich jedoch - und dieser Differenzierungsprozess ist bereits zu beobachten - Teilsegmente des Arbeitsm arktes bilden, die sich als "Gewinner" wieder in den Arbeitsprozess einfädeln oder als "Verlierer" auf längere Zeit und/oder auf Dauer ausgegrenzt bleiben werden.

Zu den Personengruppen mit schwach ausgeprägter beruflicher W ett­

bewerbsfähigkeit zählen insbesondere Frauen, ältere Arbeitnehmer, Per­

sonen ohne bzw. mit nicht anerkannten Berufsabschlüssen, Behinderte und gesundheitlich Beeinträchtigte. Die sozialpolitischen Abfederungs­

instrumente sind begrenzt und greifen für den Personenkreis der älteren Arbeitnehm er mit der Möglichkeit des sogenannten Altersübergangs und der vorgezogenen Verrentung noch am ehesten.

Neben einem Rückgang der A lterserwerbstätigkeit wird sich vorrangig die Frauenerwerbstätigkeit reduzieren, die im Vergleich mit der alten Bundesrepublik im Beitrittsgebiet besonders ausgeprägt war (Frauenerwerbsquote: 90 % zu 54 %).

Es wird noch zu bewerten sein, ob die auf die neuen Bundesländer übertragenen Steuer- und familienpolitischen Gesetzesregelungen wie

Erziehungsgeld und Ehegattensplitting hier druckmildernd wirken. Es kann aber angenommen werden, daß Männer weitaus schneller wieder in den Arbeitsm arkt eingegliedert werden als Frauen, was alte Rollenver­

teilungsmuster wiederspiegelt.

Aus Berliner Sicht muß zusätzlich auf die Pendlerbewegung berück­

sichtigt werden. Dieser tägliche Wanderungsstrom hat zur Folge, daß die Arbeitsm arktzahlen für den östlichen Teil Berlins und dem nahen Umfeld um eine schwer zu erm ittelnde Größe - ca. 60.000 im Februar 1991/ ca.

120 000 im Dezember 1991 - entlastet werden. Negative Auswirkung für den westlichen Teil der Stadt ist, daß W estberliner Arbeitslose, insbeson­

dere auch die Problemgruppen des Arbeitsm arktes wie Langzeitarbeits­

lose und Schwerstvermittelbare es zunehmend schwieriger haben, den W iedereintritt ins Erwerbsleben zu erreichen. Für den Arbeitsm arkt im Ostteil bedeutet dies zwar eine kurzfristige Entlastung, aber auch eine zu­

sätzliche Auszehrung und Verschlechterung der Beschäftigungsstruktur, da Pendler sich nicht nur aus der Arbeitslosigkeit, sondern vorrangig auch aus einem qualifizierten Arbeitsverhältnis für den finanziell attraktiven Westen entscheiden.

Die hier aufgezeigten Entwicklungen und Tendenzen spiegeln sich in den betrieblichen Beratungserfahrungen wieder. Fragen zum A ltersüber­

gangsgeld (AlüG), berufliche W ettbewerbsprobleme von Frauen - insbe- sonders von (alleinerziehenden) Müttern, Abwanderungsüberlegungen ehemaliger betrieblicher Leistungsträger usw. sind die Problembereiche, die in der alltäglichen Beratungspraxis them atisiert werden.

3. Qualifizierungsberatung

3.1 Von der betriebsorientierten Qualifizierungsberatung zur Indivi­

dualberatung

Schon im Sommer 1990 zeichnete sich ab, daß auch das in der DDR als moderner Produktions- und Dienstleisstungsstandort geltende Gebiet der

"Storkower Straße" vor grundlegenden Um strukturierungen stand. Im Zuge einer Analyse der zu erwartenden Wirtschaftsentwicklung wurde kurzfristig auf Initiative des Arbeitsamtes II-Ost der "Interessenverband Bildungswerk Storkower Straße Berlin" gegründet, der als informeller Verbund der Betriebe unter der Leitung und Koordination des Vereins

"Arbeit und Bildung in Berlin e.V." kurzfristig Beratungs- und Inform ati­

onsveranstaltungen für K urzarbeiter in den Betrieben "vor Ort" organi­

siert hat. Ziel der Beratungsinitiative war, die besondere K urzarbeiterre­

gelung des Arbeitsförderungsgesetzes für das Beitrittsgebiet §63 Abs.5 (Auslauf der Regelung im Dezember 1991) mit der möglichen Reduktion auf die sogenannte Nullarbeit für die Teilnahme an Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen nach dem Arbeitsförderungsgesetz zu nutzen.

Die Durchführung und Organisation der betrieblichen Inform ations­

und Beratungsveranstaltungen oblag dem Verein. Die betrieblichen An­

sprechpartner - vorrangig leitende M itarbeiter der Personalverwaltung - koordinierten mit dem Verein die Terminplanung und die Gruppengröße der Veranstaltungen und organisierten die Beratungsräume sowie die Einladungen der Kurzarbeiter, die im Rahmen der sogenannten

"Kurzarbeit-Null" im Betrieb nicht mehr präsent waren. Anspruch und Ziel der Beratungsarbeit vor Ort war, bei Eignung, Neigung und Motiva­

tion den Übergang in eine Qualifizierungsmaßnahme verbindlich zu orga­

nisieren, die notwendige Antragsabwicklung mit dem Arbeitsam t zu klä­

ren und die Übermittlung zum Bildungsträger einzuleiten. Den Kurzarbei­

tern wurde die Möglichkeit zur Einzelberatung geboten. Das konkrete Maßnahmeangebot im Bereich FuU wurde in gemeinschaftlicher Abstim­

mung mit dem Arbeitsamt erstellt und in Form eines Maßnahmekataloges für die Beratung genutzt.

Obgleich als betriebliches Beratungsprojekt konzipiert, ließ sich der ursprüngliche Anspruch, trotz des zu erwartenden Um strukturierungspro­

zesses auch für den Betrieb zu qualifizieren, nicht durchhalten. Schon nach Ablauf der ersten Beratungsrunde in den Betrieben zeigte sich, daß aus Mangel an vermarktungsfähigen Produkten und Dienstleistungen die ursprüngliche unternehmerische Substanz nicht zu erhalten war. Folge dieser Negativentwicklung war, daß die M itarbeiter des Projektes zuneh­

mend Kurzarbeiter als akut von Arbeitslosigkeit bedrohte Ratsuchende

beraten mußten.

Es wurde deutlich, daß der auf "Null" gesetzte Kurzarbeiter (im G e­

gensatz zu seinem Kollegen mit einem geringen Arbeitsausfall) vom Be­

trieb zuerst zur Entlassung vorgesehen war. Die Kurzarbeit-Null war (und ist) somit auch eine sozialpolitische Konstruktion, die bei den Arbeitsäm ­ tern gemeldete Arbeitslosigkeit zu reduzieren bzw. Arbeitslosigkeit dem Betroffenen in einem abgestuften Wahrnehmungsprozess zu vermitteln.

Durch diese Entwicklung wurden die ursprünglich in Betrieben und unter Beteiligung betrieblicher V ertreter abgehaltenen Beratungsveranstaltun­

gen mehr und mehr in die Beratungsstelle verlagert und damit auch indi­

vidualisiert.

Der hier knapp skizzierte Handlungsrahmen bedarf im folgenden ei­

ner differenzierten Betrachtung.

3.2 Das Beratungsangebot

Das hier vorgestellte Projekt bündelt die bestehenden Vorgaben und Möglichkeiten der Arbeitsmarkt-, Beschäftigungs- und Berufs­

bildungspolitik als ein komprimiert zu nutzendes Instrumentarium der Arbeitsverwaltung, des Senats von Berlin und der T räger/A nbieter der beruflichen Bildung. Das Angebot umfaßt in erster Linie den Bereich Fortbildung und Umschulung des AFG, das "Arbeitsmarktpolitische R ah­

menprogramm - Arbeitsplätze für Berlin" des Senats von Berlin und die sonstigen einschlägigen Angebote der beruflichen Weiterbildung.

Informationsbasis zur Durchführung der Qualifizierungsberatung sind die Maßnahme-Kataloge und Dokumentationen zu Bildungsmöglichkeiten und -einrichtungen - vornehmlich für den Bildungsraum Berlin-Ost - der Arbeitsäm ter. Ergänzend genutzt werden die Angebote der Berliner Wei­

terbildungsdatenbank sowie die Programmübersichten der jeweiligen Bil­

dungseinrichtungen. Diese genannten Grundlagen stehen dem Beratungs­

team in systematisierter Form im Sinne einer beratungstechnischen Handhabbarkeit auch zur mobilen Beratung in Betrieben vor Ort zur V er­

fügung.

Das Beratungsangebot fächert sich im Überblick folgendermaßen:

- Qualifizierung im Bereich Fortbildung und Umschulung über das AFG oder das ''Arbeitsmarktpolitische Rahmenprogramm - Arbeitsplätze für Berlin" des Senats

- Arbeits- und Qualifizierungsangebote der Arbeitsförderungs-, Beschäf- tigungs- und Strukturentwicklungsgesellschaften (ABS)

- allgemeine Informationen zu Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM), zu Lohnkostenzuschüssen (LKZ) und weiteren speziellen Subventions­

programmen innerhalb des AFG

- Informationen zum Förderungsrecht während der Teilnahme an Qua­

lifizierungsmaßnahmen im Rahmen des AFG, des Europäischen-Sozial- Fonds (ESF) oder des Senatsprogramms; (Unterhaltsgeldregelung;

Verbindung von Kurzarbeiter- und Unterhaltsgeldförderung; Bildungs­

beihilfe im Rahmen der Landesförderung)

- Informationen bzw. sachgerechte Vermittlung an entsprechende Bera­

tungsstellen bei Fragen zum Altersübergang, zum Vorruhestand sowie zu Maßnahmen gegen Jugendarbeitslosigkeit

- Beratung in sozialen und psychosozialen Fragen mit der möglichen Übermittlung an die behördlichen und/oder freien Träger der sozialen und psycho-sozialen (Selbst-) Hilfe. Rat wird auch zu finanziellen Lei­

stungen, wie z.B. der Antragstellung zur Sozialhilfe gegeben

- bei Teilnahme an einer Qualifizierungsmaßnahme: Abstimmung mit dem Träger der Bildungsmaßnahme und Hilfestellung im Beratungs­

und Einweisungsverfahren über das zuständige Arbeitsamt

Im Rahmen dieser Programmpalette dominiert in der Beratung der Be­

reich Fortbildung und Umschulung aus m ehreren Gründen: Zum einen ließ sich über eine schnelle und flexible Reaktion der Bildungsträger ein entsprechendes Programmangebot relativ zügig - wenn auch nicht perfekt - entwickeln. A ndererseits war zunächst die Kapazität von Arbeitsbeschaf­

fungsmaßnahmen aufgrund einer bestimmten Anlaufproblematik her ge­

ring (fehlende Trägerstruktur, keine Sachkostenförderung - bis zum April 1991 -, Anleiterproblem e, unklare Bestimmung möglicher Einsatzorte

usw.). Im Gleichklang dazu hatte das ABM-Programm bei den Ratsuchen­

den ein negatives Image. Der institutionelle Dirigismus bei der Zuwei­

sung, die häufig geringen Qualifikationsmerkmale, mangelhafte Transpa­

renz der Verdienstmöglichkeiten und im Besonderen die zeitliche Befri­

stung förderten die Vorbehalte gegenüber den AB-Maßnahmen. Diese Bewertung gilt heute aufgrund inzwischen erfolgter öffentlicher Aufklä­

rung über Inhalt und Funktion der ABM sowie fachlich attraktiveren Pro­

gramme, aber auch aufgrund der aus der Arbeitsmarktlage resultierenden Notwendigkeit nicht mehr in der alten Ausschließlichkeit, die zu einer er­

heblichen Steigerung der Teilnehmerzahlen führte.

Die Entscheidung für oder gegen eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme bzw. für oder gegen eine FuU-Maßnahme ist dabei differenziert zu behan­

deln. Die neugeschaffene Möglichkeit, 20 % der Arbeitszeit in ABM für Qualifizierung zu nutzen, hat dazu geführt, die berufliche Verwertbarkeit der Maßnahmen zu steigern, wenngleich die Qualifizierungsmöglichkeiten als Kannvorgabe - auch aufgrund mangelnder Kenntnisse über die Um­

setzbarkeit von Fortbildungen - nicht von allen Trägern genutzt wird. Es wird noch zu überprüfen sein, welche langfristigen Arbeitsm arkteffekte insbesondere die betriebsangelehnten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im Zuge der Treuhandrahmenvereinbarung vom 17.7.91, umgesetzt über spezielle Arbeitsförderungsgesellschaften (ABS), erzielen werden.

Die Beratung unter Berücksichtigung individueller Faktoren kann zu einer Entscheidung zwischen eher beschäftigungs- oder eher qualifzie- rungsorientierten Maßnahmen entscheidend beitragen.

3.3. Grenzen und Möglichkeiten der Arbeitsm arktpolitik

Fortbildung und Umschulung als Instrumentarium einer auf das A r­

beitsangebot wirkenden aktiven und vorausschauenden A rbeitsm arktpoli­

tik führt nicht per se zu einer Erhöhung der Nachfrage nach A rbeitskräf­

ten und es gibt keine G arantie dafür, daß neue und zusätzliche A r­

beitsplätze nach Beendigung der Maßnahme für alle Teilnehmer bereit gestellt werden können. In der "sozialen Marktwirtschaft" ist der Zusam­

menhang zwischen Fortbildung und Umschulung und Beschäftigung nur

lose geknüpft. Gut aus- und weitergebildete Arbeitskräfte gelten zwar als Voraussetzung für Standortwahl von Unternehm en und auch die Evaluie­

rungsstudien zeigen eine hohe Vermittlungsquote von (arbeitslosen) Teil­

nehmern an FuU-Maßnahmen , aber eine "Beschäftigungsgarantie'' im A n­

schluß an die Maßnahme ist nicht gegeben. Dieser Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der früheren Praxis einer Beschäftigungsversorgung durch den Staat und einer engen Verbindung zwischen Weiterbildung und Be­

schäftigung in der alten DDR mit ein entscheidendes Problem, R atsu­

chende für die Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen zu gewinnen. In den neuen Ländern ist das Zusammenführen zwischen Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage vor allem aufgrund fehlender Nachfrage (noch) proble­

matischer ist als in den alten Ländern.

Der Hebel für zusätzliche Arbeitsplätze liegt in der Wirtschafts- und Industriepolitik mit dem Ziel, wettbewerbsfähige und produktivitätsstarke A rbeitsplätze im Handel, Dienstleistungssektor im Handwerk, im Bauge­

werbe und im industriellen Bereich zu schaffen. Dieser Gedanke - hier eher wirtschaftspolitisches Allgemeingut - drückt allerdings noch nicht das notwendige Tempo aus, mit dem sich eine substanzielle volkswirt­

schaftliche Verbesserung in den neuen Ländern - und damit auch im östli­

chen Teil Berlins - umsetzen wird.

In der Beratung bedeutet dieser Sachverhalt, daß die Formel

"Qualifizieren statt Arbeitslosigkeit" nicht mit überzogenen Ansprüchen und Hoffnungen überfrachtet werden d arP ^ . G efordert ist beraterische Kompetenz, die Motivierung und Entscheidung für eine M aßnahmeteil­

nahme mit einer realistischen arbeitsm arktpolitischen Perspekivbewer- tung verbindet, so schwer diese auch heute erkennbar ist.

Dennoch ergeben sich Grundtendenzen einer zukünftigen Produkti­

ons- und W irtschaftsstruktur, die sich arbeitsm arktpolitisch in der Kon- zeptionierung besonders sinnvoller Fortbildungs- und Umschulungsmaß­

nahmen mit speziellen technologischen Inhalten vermitteln.

Grundlage der Qualifizierungspolitik ist die postulierte Zielsetzung der W irtschaftspolitik, den ostdeutschen W irtschaftsraum - und damit

Büchtemann, 1984

auch das Projektgebiet - nicht zu deindustrialisieren, sondern eine ausge­

glichene Verteilung zwischen den Produktions- und den Dienstleistungs­

sektoren aufzubauen. Planungsdaten ergeben sich dabei aus den Struk­

turerhebungen der örtlichen Kammern, der Gewerkschaften, der W irt­

schaftsforschungsinstitute aber auch aus den internen Erkenntnissen der Arbeitsverwaltung. Branchenspezifisch markante Zu- und Abgänge aus dem Bestand der Arbeitslosen, auffällige Vermittlungsquoten im An­

schluß an FuU-Maßnahmen, Analysen der Eingänge von Stellenangeboten sind neben den globalen Forschungsergebnissen des IAB die BA-internen Möglichkeiten "vor Ort", Qualifizierungstrends zu erkennen.

Vor allem die folgenden beruflichen Handlungsfelder zeichnen sich durch grundsätzliche Veränderungen im Anforderungsprofil aus, was zum großen Teil auf technologischen Fortschritt zurückgeht:

- Industrieller Planungs- und Kontrollbereich:

Durch CAD/CAM-Technologie verkürzt sich die Entwicklungs-kon- struktions-Produktions-Phasenabfolge; größere Industrieproduktion, ohne diese Technik existiert faktisch nicht mehr

- Industrieller Fertigungsprozess:

Industrierobotereinsatz im Bereich der Montage-, Schweiß- und Ver­

edelungstechnik

Industrieller und/oder handwerklicher Einsatz von Werkzeugmaschi­

nen (Bohren, Drehen, Fräsen) mit numerischer Steuerungstechnik (CNC-Maschinen)

- M etall-und Elektroberufe:

- Moderne Steuerungstechnik: Pneumatik, Hydraulik, Elektro-Hydrau­

lik, Steuerung mit SPS (Speicher-Programmierbare-Steuerungstechnik) - Büro-und Verwaltungsbereich:

Einsatz moderner Daten-, Informations- und Telekommunikations­

technologie auf sämtlichen Einsatzniveaus sowohl für Facharbei- ter/G ehilfen als auch für akademisch ausgebildetes Leitungspersonal (Textverarbeitung, EDV gestützte Buchhaltungssysteme, Personal-In- formationsystem usw.)

Die genannten Bereiche decken ca. 2/3 des Gesamtangebotes an FuU- Maßnahmen der Berliner A rbeitsäm ter ab. Zusätzliche Angebote sind vorrangig im technischen Umweltschutz, im sogenannten Grünbereich der G arten- und Landschaftsplanung/-gestaltung sowie im sozialen Dienstlei- stungs- und Pflegebereich konzipiert.

з. 3 Der Beratungsverlauf

Die Beratungsstelle des Projektes ist ein zum Arbeitsam t zusätzlicher Anlaufpunkt bei Fragen der beruflichen W eiterbildung und der berufli­

chen Qualifizierung. Dabei nimmt die Thematisierung sozialer Fragen einen bedeutenden Stellenwert ein.

Der Definition der Beratungsstelle entsprechend suchen die R atsu­

chenden den Verein A rbeit und Bildung in Berlin e.V. mit dem Ziel auf, über Fortbildungs- oder Umschulungsmöglichkeiten inform iert bzw. kon­

kret in eine FuU-Maßnahme eingeleitet zu werden, und Hilfe bei der indi­

viduellen Berufswegplanung oder bei der Suche nach einer ABM-Stelle zu erhalten. Während der Beratung zeigt sich häufig, daß unklare V orstel­

lungen zum zukünftigen Berufsverlauf und Unsicherheiten über die E r­

fordernisse des Arbeitsm arktes bestehen. Hinzu kommt die soziale Pro­

blem atik bei bereits bestehender oder wahrscheinlich eintretender A r­

beitslosigkeit.

Anspruch des Projekts ist, im Rahmen einer Bestandsanalyse des be­

stehenden Qualifikationsprofils und der individuellen Voraussetzungen (Alter, materielle und finanzielle Situation, gesundheitliche Belastungen, и. ä.) ein geeignetes W eiterbildungsangebot im Rahmen sozial- und a r­

beitsm arktpolitischer Instrum entarien zu unterbreiten. In diesem Z u­

sammenhang werden die persönlichen Voraussetzungen der Ratsuchen­

den mit den strukturellen Entwicklungen der Gesellschaft und - nach Möglichkeit - einer arbeitsm arktpolitischen Beschäftigungsprognose be­

trachtet. In diesem Kontext werden soziale und psychosoziale Belastungs­

faktoren mit möglichem motivationshemmenden Einfluß auf die Bildungs­

und Qualifizierungsbereitschaft aufgegriffen, was im Einzelfall auch hei­

ßen kann, daß eine W eiterbildung nicht, oder zum Beratungszeitpunkt

noch nicht sinnvoll durchführbar ist.

Die Beratungserfahrung zeigt, daß insbesondre drei Themenschwerpunkte belastend auf die Bildungs- und Qualifizierungsbereitschaft bzw. -mög- lichkeit wirken:

- die mit der unm ittelbaren oder drohenden Arbeitslosigkeit verbun­

denen m ateriellen Einschränkungen

- die gesundheitlichen Belastungen in psychischer und in physischer H in­

sicht

- die sozialen Folgeprobleme durch den Wegfall bestimmter sozialer L ei­

stungen insbesondere für Alleinerziehende und Auswirkungen der A r­

beitslosigkeit auf die Beziehungen im Leben der Betroffenen.

Ein wesentliches Hemmnis, eine berufliche W eiterbildung während der Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit aufzunehmen, können finanzielle und m aterielle Einschränkungen sein, die durch Arbeitslosigkeit in der Regel bedingt sind und bei Aufnahme einer FuU-Maßnahme durch die Zahlung von Unterhaltsgeld oder ähnlichen Leistungen nur unwesentlich gemildert werden.

Obgleich Löhne in den neuen Bundesländern seit dem B eitritt auf einen bestimmten Prozentsatz der vergleichbaren Westeinkommen (etwa 60 %) anstiegen, liegen die Nettolöhne - bedingt durch die Anhebung der Steuer- und Sozialabgaben sowie die gleichzeitige prozentuale Anhebung der West-Löhne - in der Regel lediglich bei etwa 50 % des westdeutschen N iv eau s^.

Dies bedeutet u.a. auch, daß die Lohnersatzleistungen wie A rbeitslo­

sengeld und Unterhaltsgeld aber auch die Arbeitslosenhilfe, sich von ei­

nem vergleichsweise niedrigen Erwerbseinkommen berechnen. Dies führt zu einem weitreichenderen m ateriellen und finanziellen, und in Folge dessen auch größeren sozialen Abstieg als beim sogenannten "West-Ar­

beitslosen" mit Alg-Bezug. Den sich durch Arbeitslosigkeit meist verän­

dernden gesellschaftlichen Kontext erfährt der Arbeitslose in den neuen

20 Hanesch, 1991.

vgl.: DIW-Wochenberichte 17/91 und 29/91

Bundesländern - auch gerade durch die größeren finanziellen Einschrän­

kungen - stärker. Zusätzlich geraten Arbeitslose, durch die dem Lohnni­

veau der alten Bundesländer angepaßten Preise für Konsumgüter, bei ge­

ringerem Einkommen im Beitrittsgebiet, schneller in die Nähe der A r­

mutsgrenze auf das Niveau der Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG). Selbst der nicht-elastische Konsum­

bedarf (wie Wohnung, Kleidung und Nahrung) ist dann gefährdet.

Diese "arbeitsmarktbedingte Armut"21 und die sich dahinter verber­

gende soziale Problematik wird sich weiter verschärfen, wenn viele der jetzigen Empfänger von Arbeitslosengeld nach Ablauf der Anspruchsfrist nur noch Arbeitslosenhilfe beziehen werden oder aufgrund der Subsidiari­

tät der Arbeitslosenhilfe keine AFG-Leistungen mehr erhalten können.

Dies wird zur Folge haben, daß die dramatisch wachsende Zahl der Perso­

Dies wird zur Folge haben, daß die dramatisch wachsende Zahl der Perso­