• Keine Ergebnisse gefunden

2.5 Struktur und Eigenschaften

2.5.4 Deoxydecarbamoyltoxine

Tabelle 2-9: Deoxydecarbamoyltoxine

Toxin

Ab-kürzung

Synonym R1 R2 R3 MG

[g/mol]

doSTX H H H 242

doGTX2 H H OSO3- 337

doGTX3 H OSO3- H 337

Seite 14

Seite 15

3 Saxitoxin als Biologischer Kampfstoff

Außer über Schalentieren können die Toxine auch über Trinkwasser oder über Aerosole aufgenommen werden. Inhalation von Saxitoxin führt innerhalb weniger Minuten (16) zum Tod durch Atemlähmung. Auch die Kontamination von konventioneller Munition zur Beschleunigung des Todes war bereits angedacht (28). Militärische Studien zu diesen Themen sind geheim eingestuft.

Mit Ausnahme einiger Eiweißtoxine (Botulinumtoxin, Ricin) ist Saxitoxin eine der giftigsten Substanzen (28). Aufgrund seiner hohen Toxizität und seiner möglichen militärischen Nutzbarkeit gilt Saxitoxin mit seinen Derivaten als potentieller Gefahrstoff biologischen Ursprungs, der kriminell, terroristisch oder militärisch nutzbar ist (früher „B-Kampfstoff“) und ist in der internationalen C-Waffen-Konvention (31) und im deutschen Kriegswaffenkontrollgesetz (32) gelistet. Dies ist auch einer der Gründe, weshalb das Reintoxin für die Herstellung von Standardlösungen für die Analytik vor allem seit den Terroraktivitäten nach dem 11. September 2001 weltweit schwer zu erhalten ist.

Die synthetische Herstellung von Saxitoxin ist schwierig, aber seit 1977 möglich. Zur Isolierung aus Muscheln wurden in einem Experiment 8 Tonnen Muscheln verwendet, um 1 Gramm Saxitoxin zu isolieren (16). In Australien wurde die bis 1999 höchste Menge PSP-Toxine aus lyophilisierten Cyanobakterien mit 3,4mg/g Trockenmasse veröffentlicht (5). Labor Spiez (28) spricht von max.

10mg/100g Muschelfleisch.

Wegen der guten Wasserlöslichkeit steht zu befürchten, dass Saxitoxin und seine Derivate nach oberflächlicher Kontamination des Bodens in Grund- und Oberflächenwasser verbreitet werden kann. In der Schweiz zeigte um 2007 eine Studie mit den ähnlich gut wasserlöslichen Mycotoxinen Deoxynivalenol und Zearalenon die Verbreitung vom Weizenfeld in Drainagewasser und aufnehmende Bäche und Flüsse. Dies bedeutet, dass Toxine – natürlichen oder unnatürlichen Ursprungs – mit vergleichbaren Eigenschaften, ein nicht überschaubares Risiko darstellen könnten.

Interessant wäre die Frage, ob/inwieweit Pflanzen eine Toxinkontamination aus Boden oder Luft aufnehmen können. Einerseits wäre dies eine Gefahr für Lebens- und Futtermittel, andererseits könnten diese Pflanzen als Indikatoren für eine früher erfolgte Kontamination dienen. In den geprüften Literaturstellen gab es keine Hinweise auf Untersuchungen von Boden oder Pflanzen im Einzugsgebiet von (natürlich) kontaminierten Gewässern.

4 Monitoring und Management

Internationales Monitoring bezüglich Algen oder deren Toxine im Wasser oder in Meeresfrüchten kann eine Vielzahl von Vergiftungsfällen verhindern. Allerdings sind neben den hohen Kosten für das Monitoring bei Ernteverboten Einschränkungen in der Fischereiwirtschaft und/oder im Tourismus (Badeverbote) verbunden, was zu zum Teil erheblichen finanziellen Einbußen in den betroffenen Bereichen führt.

Monitoring bezüglich bestimmter Algenspezies birgt jedoch die Gefahr, dass andere Spezies – zum Beispiel neu in dieses Gebiet eingeschleppte Arten – unentdeckt bleiben.

IUPAC (International Union of Pure and Applied Chemistry) führte 1990 das Projekt „Overview of current legislation on phycotoxins and plant toxins“ durch (33):

Seite 16

Bis 1991 meldeten 21 Länder aktuelle oder geplante Richtlinien gegen ein oder mehrere marine Phycotoxine oder toxinbildende marine Algen. Die Regelungen erstreckten sich hauptsächlich auf PSP/Saxitoxin/Gonyautoxin, DSP/Okadasäure, ASP/Domoinsäure, NSP/Brevetoxin, Ciguatera.

Dabei gab es Unterschiede in den Grenzwerten vor allem bei PSP und DSP.

- Keine Regelungen meldeten damals:

• Europa: Belgien, Luxemburg, Rumänien, Schweiz, Ungarn,

• Amerika: Bolivien, Brasilien, Chile, Ecuador, Guinea Bissau, Honduras, Kolumbien, Mexiko, Peru, San Salvador,

• Afrika: Ägypten, Äthiopien, Burkina Faso, Kamerun, Kenia, Malawi, Sudan,

• Asien: Indien, Jemen, Jordanien, Syrien,

- Monitoring über ein oder mehrere Toxine betrieben in:

• Europa: Dänemark, Deutschland, Frankreich, Irland, Italien, Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, Spanien, UK

• Amerika: Kanada, Guatemala, USA

• Asien: Hong Kong, Japan, Singapur, Südkorea

• Australien: Australien, Papua Neuguinea

- Muschelgebiete wurden geschlossen bei Überschreitung bestimmter Algenkonzentrationen in:

Australien, Dänemark, Irland, Südkorea, USA (Florida)

- Muschelgebiete wurden geschlossen bei Nachweis der Toxine in Muscheln: Niederlande

- Muschelgebiete wurden geschlossen bei Auftreten der Toxinproduzenten im Wasser und gleichzeitig Nachweis der Toxine in Muscheln: Italien

- Monitoring erfolgte nur bei bestimmten Anlässen: Norwegen

In der Regel wurde zunächst die massenhafte Vermehrung von Algen beobachtet. Bei Überschreitung eines Grenzwerts für die Anzahl toxinbildender Algen pro Liter wurde meist die Ernte von Muscheln präventiv verboten. Nach Einführung solcher Monitoring-Programme sank die Zahl der Vergiftungen fast gegen Null. Probleme treten heute eigentlich nur noch auf, wenn Warnungen nicht beachtet werden oder bei privatem Sammeln an nicht überwachten Strandabschnitten.

Risikomanagement ist abhängig von epidemiologischen Daten. Allerdings können Algenspezies plötzlich in Gegenden auftreten, in denen sie bisher nicht zu finden waren, und können dort großen Schaden anrichten. Wenn das Monitoring nur auf bestimmte Spezies ausgelegt ist, könnte das Auftreten dieser neuen Art zu spät erkannt werden. Einige Monitoring-Programme und Toxingrenzwerte in verschiedenen Ländern sind in den Anlagen 2 und 3 genannt.

Der Import und Export von Meeresfrüchten wird inzwischen in vielen Ländern ebenfalls streng kontrolliert. Beim Import von Lebensmittel mariner Herkunft in die USA muss ein Memorandum of Understanding (MOU) zwischen dem Ministerium des exportierenden Landes und der United States Food and Drug Administration (USFDA) existieren (18). Bei Importen in die EU durch Nicht-EU-Länder wird die Einhaltung der Anforderungen für den europäischen Markt kontrolliert.

Zentrale Referenzlabore der EU führen ein EU-weites Algen-Monitoring durch. Die nationalen Laboratorien der einzelnen EU-Staaten haben die Aufgabe, nationale Monitoring-Programme analytisch zu begleiten und die Einhaltung nationaler Regelungen bezüglich der Kontamination von Fischereierzeugnissen und lebenden Muscheln mit Algentoxinen zu überwachen (18). In Deutschland werden hauptsächlich Miesmuschelproben aus den ausgewiesenen Muschel-Erzeugungsgebieten im Schleswig-Holsteinischen Wattenmeer ganzjährig, und während der Saison intensiviert, auf Algentoxine untersucht. Hinzu kommt eine zeitlich begrenzte Probenahme in der südlichen Flensburger Förde. In den letzten Jahren (Stand 2012) wurden hier Algentoxine gar nicht oder nur in sehr geringen Konzentrationen gemessen (34).

Seite 17