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Daten und Zahlen zum Betrieb allgemein

Im Dokument Das Schengener Informationssystem (Seite 45-50)

B. Fahndungssystem als Herzstück der Ausgleichsmaßnahmen

II. Daten und Zahlen zum Betrieb allgemein

Innerhalb der Schengen-Staaten hat die SIS-Fahndung die Interpol-Fahndung seit dem 26. März 1995 abgelöst.138

Die Vorschriften zum SIS finden sich in Titel IV Art. 92 bis 119 SDÜ. Nach Art. 93 SDÜ soll der Betrieb des SIS die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie die Sicherheit des Staates und die Anwendung der Bestimmungen des SDÜ im Bereich des Personenverkehrs gewährleisten.

1. Aufbau, Konzeption und Kosten

Das als Rechner-Verbundsystem konzipierte SIS besteht aus einem nationalen Teil bei jeder Vertragspartei, dem sogenannten N.SIS,139 und einer zentralen technischen Unterstützungsein-heit, dem sogenannten C.SIS.140141 Die N.SIS kommunizieren auf der einen Seite mit dem jewei-ligen nationalen polizeilichen Informationssystem, in Deutschland also mit INPOL, und auf der anderen Seite mit dem C.SIS, das seinen Sitz in Straßburg142 hat. Ziel ist es, dass der

135 Girerd, in: Bundeskriminalamt, Arbeitstagung „Fahndung“, S. 17 (28 ff.).

136 Girerd, in: Bundeskriminalamt, Arbeitstagung „Fahndung“, S. 17 (32 f.).

137 Girerd, in: Bundeskriminalamt, Arbeitstagung „Fahndung“, S. 17 (29, 31 f.).

138 Sirene-Handbuch, 2.12.1., ABl. L 186, 1, vom 15. Juli 2011; Hemesath, KR 1995, 169 (171); Tuffner, SIS, MEPA-Zeitung 2005, 21 (21); RiStBV, Anlage F. , I. 2 .

139 National Schengen Information System, vgl. Tuffner, in: Bundeskriminalamt, Festschrift für Herold, S. 239 (243).

140 Central Schengen Information System, vgl. Tuffner, in: Bundeskriminalamt, Festschrift für Herold, S. 239 (243).

141 Art. 92 Abs. 1 S. 1 SDÜ.

142 Art. 92 Abs. 3 S. 2 SDÜ; um den Betrieb des C.SIS hatten sich auch Den Haag und Wiesbaden beworben, vgl.

Interview mit dem damaligen BKA-Präsidenten Zachert, KR 1990, 498 (498) sowie Busch, KJ 1990, 1 (8).

stand in allen N.SIS zu jedem Zeitpunkt identisch ist.143 Zu diesem Zweck werden die in einem Vertragsstaat eingegebenen Daten an das C.SIS übermittelt und dort einer großen Kopiermaschi-ne gleich inKopiermaschi-nerhalb von Minuten an alle N.SIS verteilt. Das C.SIS muss mehrere FunktioKopiermaschi-nen erfüllen: Es prüft das Datenformat eingehender und ausgehender Fahndungsdaten, garantiert die gleichzeitige und inhaltlich identische Verteilung an die N.SIS, gibt dem sendenden N.SIS eine Kontrollrückmeldung, vergibt und prüft automatisch Ausschreibungsfristen für jeden Fahn-dungsdatensatz und löscht Fahndungsdaten nach Fristablauf automatisch im Gesamtsystem aller N.SIS.144

Die N.SIS nehmen demgegenüber vor der elektronischen Weiterleitung der Daten einer Aus-schreibung an das C.SIS eine Plausibilitätsprüfung vor, sie gleichen den bestehenden Datenbe-stand im SIS durch Kontrollläufe mit dem nationalen FahndungsbeDatenbe-stand ab und verschicken Warnmeldungen bei bevorstehendem Fristablauf.145

Eine Fahndung ist grundsätzlich immer nur für das gesamte Schengen-Gebiet möglich. Es ist technisch nicht vorgesehen, dass die ausschreibende Partei die Suche auf wenige Schengenstaa-ten beschränkt.146 Das SIS wird auch häufig als ein Fahndungssystem mit einem Online-Zugriff

„in Echtzeit“ bezeichnet. Gemeint ist damit, dass in jedem Vertragsstaat das sofortige Erscheinen der Fahndung nach Dateneingabe und die sekundenschnelle Abfragemöglichkeit sichergestellt sind.147

Nach Art. 119 SDÜ tragen die Mitgliedstaaten die Kosten für die Einrichtung und den Betrieb des C.SIS gemeinsam, während die im Hinblick auf das jeweilige N.SIS anfallenden Kosten von jedem Mitgliedstaat selbst zu zahlen sind.

2. Sirenen

Nach Art. 108 Abs. 1 SDÜ bestimmt jede Vertragspartei eine Stelle, die als Zentrale für den na-tionalen Teil des N.SIS zuständig ist. Gemeint ist damit die für Deutschland im Bundeskriminal-amt in Wiesbaden angesiedelte Sirene.148 149 Grob skizziert wacht sie über die Einhaltung der Bestimmungen des SDÜ und sorgt für das reibungslose Funktionieren des N.SIS.150 Sie ist dabei Ansprechpartner für in- und ausländische Stellen u.a. im Falle nicht kompatibler Daten, hält bei einer erfolgreichen Ausschreibung, einem sogenannten „Trefferfall“, bezüglich bestimmter

143 Art. 92 Abs. 2 S. 1 SDÜ.

144 Tuffner, in: Bundeskriminalamt, Festschrift für Herold, S. 239 (244).

145 Würz, Rn. 162.

146 Hemesath, KR 1995, 169 (170).

147 Tuffner, KR 2000, 39 (39); Mokros, in: Lisken/Denninger, HandbPolR, Teil O, Rn. 143.

148 Art. 92 Abs. 4 S. 1 SDÜ; vgl. zur Bezeichnung Fn. 6 der Arbeit.

149 § 3 Abs. 1a BKAG.

150 Art. 108 Abs. 3 SDÜ.

schreibungskategorien zusätzliche Informationen bereit und übersetzt diese bei Bedarf.151 Die Sirenen kommunizieren untereinander und mit dem C.SIS über ein gesondertes elektronisches Nachrichtennetz, das sogenannte SISNET.152

Der elektronische Austausch von Lichtbildern und Fingerabdrücken zu Identifizierungszwecken ist zwischen den Sirenen über den Sirene-Bild-Transfer, kurz SIRPIT,153 möglich.154155

3. Schwierigkeiten bei der Entwicklung des SIS

Ursprünglich wurde die Inbetriebnahme des SIS für den 1. Juli 1992 angestrebt; es waren also nach Unterzeichnung des SDÜ zwei Jahre für die Entwicklung des SIS eingeplant.156 Sie verzö-gerte sich jedoch aufgrund technischer und organisatorischer Schwierigkeiten fast um drei weite-re Jahweite-re. So waweite-ren beispielsweise an der Entwicklung des C.SIS dweite-rei große Computerfirmen be-teiligt. Zudem erwiesen sich die Ausgangsbedingungen in den Teilnehmerstaaten als sehr unter-schiedlich. Während es für die luxemburgische Polizei noch gar kein elektronisches Datenverar-beitungssystem gab, besaßen Frankreich, Belgien, Spanien, Portugal und Italien der Polizeistruk-tur ihrer Länder entsprechend mehrere polizeiliche Datenverarbeitungssysteme, die mit dem je-weiligen N.SIS zu koppeln waren.157

Eine besondere Herausforderung stellte sich auch durch die verschiedenen Nationalsprachen der Teilnehmerstaaten. Zum einen galt es, die Verständigung hinsichtlich der Ausschreibungskatego-rien und der Handlungsanweisungen für den Endbenutzer sicherzustellen. Das geschah so weit wie möglich durch eine Standardisierung und Formatisierung von Informationen und die Redu-zierung von Informationen auf numerische Daten. Soweit eine individuelle Kommunikation von Nöten ist, können die mehrsprachigen Mitarbeiter in den Sirenen behilflich sein.158

Zum anderen mussten Lösungen für die Darstellung von Lauten wie ß, ä, ö, ü im Deutschen oder é, è, ê im Französischen gefunden werden, da ansonsten eine Suche beispielsweise nach dem Kfz-Kennzeichen „Gö“ - für Göttingen - häufig erfolglos verläuft. Ein elektronisches Fahn-dungssystem recherchiert bei auch nur geringen Differenzen zwischen Eingabe- und

151 Vgl. Art. 92 Abs. 4 SDÜ; Gusy/Gimbal, in: Baldus/Soiné, Internationale polizeiliche Zusammenarbeit, S. 124 (125).

152 Bis zum Juni 2002 benutzten die Sirenen untereinander das X-400-Netz, vgl. Bundesinnenministerium, Schen-gen-Erfahrungsbericht 2002, S. 10; Tuffner, in: Bundeskriminalamt, Festschrift für Herold, S. 239 (249); Tuffner, SIS, MEPA-Zeitung 2005, 21 (22).

153 Abkürzung für „SIRene Picture Transfer“.

154 Sirene-Handbuch, 2.10.6., ABl. L 186, 1, vom 15. Juli 2011

155 Vgl. hierzu auch die Regeln der das SDÜ ergänzenden Zusammenarbeit von Prüm, 2. Teil, C. IX.

156 Interview mit dem damaligen BKA-Präsidenten Zachert, KR 1990, 498 (498).

157 Sturm, KR 1995, 162 (167); Tuffner, in: Bundeskriminalamt, Festschrift für Herold, S. 239 (241).

158 Tuffner, in: Bundeskriminalamt, Festschrift für Herold, S. 239 (242 f.).

modalität am Zielobjekt oder der Zielperson vorbei. Aus diesem Grund vereinbarte man Transli-terationsregeln für die alphanumerische Wiedergabe von Namen und Daten.159

4. Dateninhalt des SIS

Art. 104 Abs. 1 SDÜ legt für die Ausschreibung fest, dass grundsätzlich das nationale Recht Anwendung findet, wenn nicht das Übereinkommen engere Voraussetzungen für die Ausschrei-bung enthält.

Hinsichtlich der Durchführung der mit der Ausschreibung erbetenen Maßnahme regelt Art. 104 Abs. 3 SDÜ, dass das nationale Recht gilt, wenn nicht das Übereinkommen eine besondere Re-gelung enthält. Die sich aus dieser besonderen ReRe-gelung ergebenden Befugnisse werden aller-dings wiederum durch das nationale Recht begrenzt.

Mit Blick auf die Grundsätze der Erforderlichkeit und der Zweckbindung legt Art. 94 SDÜ fest, dass nur bestimmte Daten im SIS gespeichert werden und benennt diese. Aufgenommen werden dürfen grundsätzlich Personen und die in den Artikeln 99 und 100 SDÜ festgelegten Sachen. Zu den Personen werden maximal Name, Vornamen, ggf. Aliasnamen, besondere unveränderliche physische Merkmale, Geburtsort und –datum, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, der Hinweis auf Bewaffnung oder Gewalttätigkeit, der Ausschreibungsgrund sowie die zu ergreifende Maßnahme gespeichert.

5. Ablauf einer Fahndung160

Bevor innerhalb der einzelnen Fahndungskategorien die Eingabe- und Abfragemodalitäten sowie das Verfahren im Trefferfall detailliert darzustellen sind, soll der Ablauf einer Fahndung zu-nächst möglichst allgemein erläutert werden.

Die Einleitung einer Fahndung wird in Deutschland von der jeweils zuständigen Stelle, also je nach Datenkategorie von Gerichten, Staatsanwaltschaften, Verwaltungsbehörden, Polizeibehör-den, oder den Geheimdiensten161 betrieben. Die Eingabe der Daten sämtlicher Kategorien erfolgt durch die technisch mit so genannten Datenstationen ausgerüsteten örtlichen Polizeidienststellen direkt in das deutsche INPOL. INPOL-Fahndungen werden, wenn es auf dem entsprechenden Vordruck nicht ausdrücklich ausgestrichen wird, in das deutsche N.SIS übernommen, dort auto-matisch auf Plausibilität geprüft und bei korrekter Eingabe nach Umwandlung von N.SIS in

159 Piosek, S. 91 f., Tuffner, in: Bundeskriminalamt, Festschrift für Herold, S. 239 (242 f.).

160 Zur Einbindung der Landeskriminalämter vgl. Würz, Rn. 218, 220.

161 Vgl. § 17 Abs. 3 BVerfSchG.

C.SIS-Format beim BKA an das C.SIS zur Weiterleitung an die übrigen N.SIS übermittelt.162 Eine Besonderheit gilt bei Ausschreibungen nach Art. 95 SDÜ, der Ausschreibung von Personen zur Festnahme. Zusätzlich zu den im SIS notierten Informationen sind hier weitere Angaben erforderlich. Diese werden von der Sirene formell, inhaltlich und rechtlich überprüft und erst nach dem positiven Abschluss dieser Prüfung wird die Fahndung zur Weiterleitung an das C.SIS freigegeben, während die Sirene des ausschreibenden Staates die zusätzlichen Informationen direkt an alle anderen Sirenen versendet.163

Die ersuchten Staaten haben nach Art. 94 Abs. 4 SDÜ die Möglichkeit, Ausschreibungen gemäß Art. 95, 97 oder 99 SDÜ aus bestimmten Gründen wie z.B. einer Unvereinbarkeit mit nationalem Recht kennzeichnen zu lassen. In der Folge wird die erbetene Maßnahme in ihrem Hoheitsgebiet nicht vollzogen.

Zur Abfrage im SIS standen im Jahr 2007 in den 15 teilnehmenden Staaten über 200.000 Daten-terminals zur Verfügung.164 Grundsätzlich abfrageberechtigt sind die Polizeidienststellen des Bundes und der Länder, der Polizei- und Sicherungsdienst des Deutschen Bundestages, das Zoll-kriminalamt, die Zollfahndungsdienststellen, das Bundesverwaltungsamt, die deutschen Aus-landsvertretungen sowie die Ausländerbehörden.165 Außerdem erlaubt das SDÜ den Abruf der für den jeweiligen Aufgabenbereich erforderlichen Daten für nationale Justizbehörden166 sowie Kraftfahrzeug-Zulassungsstellen.167

Zusätzlich kann die Europäische Polizeibehörde Europol auf Daten nach Art. 95, 99 und 100 SDÜ zugreifen und die europäische „Staatsanwaltschaft“ Eurojust auf Daten nach Art. 95 und 98 SDÜ.168

Im Trefferfall erhält der abfragende Endbenutzer innerhalb von Sekunden Kenntnis. Er kann anschließend weitere Informationen aufrufen, insbesondere zum Grund der Ausschreibung und zu den für ihn relevanten Handlungsanweisungen.169 Er kann auch Kontakt zur Sirene seines

162 Würz, Rn. 162; Gusy/Gimbal, in: Baldus/Soiné, Internationale polizeiliche Zusammenarbeit, S. 124 (129 f.);

Wilkesmann, NStZ 1999, 68 (68); Hemesath, KR 1995, 169 (169 f.); Piosek, S. 70; vgl. auch § 11 Abs. 2 BKAG.

163 Tuffner, KR 2000, 39 (40).

164 Tuffner, Polizei-heute 2007, 114 (116); durch die Teilnahme von mittlerweile 10 weiteren Staaten zum 21. De-zember 2007 bzw. 12. DeDe-zember 2008 dürfte sich diese Zahl signifikant erhöht haben.

165 Art. 101 Abs. 1 SDÜ; Art. 6 Nr. 2 Zustimmungsgesetz zum SDÜ, BGBl. II 1993, 1010; Würz, Rn. 164; vgl. He-mesath, KR 1995, 169 (170).

166 Art. 101 Abs. 1 S. 3 SDÜ; für die Staatsanwaltschaften innerstaatlich in § 11 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 BKAG umgesetzt.

167 Art. 102 a SDÜ; der Zugriff ist in Deutschland über die bestehende technische Infrastruktur, das so genannte Zentrale Verkehrsinformationssystem, kurz ZEVIS, zwischen Kraftfahrtbundesamt und Zulassungsbehörden reali-siert; das ergab ein telefonische Auskunft durch das Kraftfahrtbundesamt am 8. Juni 2010, Frau Junge-Grützmacher, Sachgebietsleiterin 212.

168 Art. 101 a und 101 b SDÜ.

169 Tuffner, KR 2000, 39 (40).

Staates aufnehmen, die dann wiederum ggf. mit der Sirene des ausschreibenden Staates Verbin-dung aufnimmt und zusätzliche Informationen anfordert.

Im Jahr 2009 umfasste das SIS rund 28 Millionen Fahndungen. Als einer der 24 SIS-Teilnehmerstaaten in 2009 stellte Deutschland dabei mehr als ein Sechstel des gesamten Fahn-dungsbestandes.170

Im Dokument Das Schengener Informationssystem (Seite 45-50)