• Keine Ergebnisse gefunden

1.3 Anatomie

1.3.1 Das sympathische Nervensystem

Der Sympathikus ist Teil des Autonomen Nervensystems, wozu auch noch der Parasympathikus und das Enterische Nervensystem gehören. Zentrale sympathische Neurone finden sich in den sympathischen Zentren des Gehirns, z. B. im Hypothalamus. In der Medulla spinalis finden sich die Kerne des präganglionären Neurons in der Columna intermediolateralis (22) sowie in der Substantia intermediomedialis des Seitenhorns (Cornu laterale). (23) Das Axon verlässt die Medulla spinalis in der Vorderwurzel (Radix ventralis). Vom Nervus spinalis führt der Ramus communicans albus (weiß = myelinisiert) (24) in den sympathischen Grenzstrang (Truncus sympathicus), welcher durch eine Kette von Grenzstrangganglien (Ganglia paravertebralia, verbunden durch Rami interganglionares) gebildet wird.

Im Zervikalbereich sind nur 3 Ganglien vorhanden: Ganglion cervicale superius, medium und inferius. Zweiteres ist oft fehlend oder nur rudimentär angelegt, letzteres bildet oft durch Verschmelzung mit dem ersten thorakalen Ganglion das Ganglion stellatum, welches beim ersten Rippenköpfchen zu liegen kommt. (25) Die Häufigkeit dieser Fusion und somit der Ausformung eines Ganglion stellatum (Ganglion cervicothoracicum) liegt je nach Quelle bei ca. 80 % - 90 %. (26-30) Es hat in 45% der Fälle die Form eines "umgekehrten L". Weitere Ausprägungen sind spindelförmig (28 %) und hantelförmig (27 %). (28)

Lokalisation: (27)

74 % Hals der 1. Rippe

26 % unterhalb der Oberkante 2. Rippe

Die Faserverläufe durch die 3 Cervicalganglien erfolgen von kaudal nach kranial:

- Ganglion cervicale inferius et medium: Umschaltung auf Rami cardiaci (über Plexus cardiacus) zum Herzen

- Ganglion cervicale superius: Umschaltung auf postganglionäre Neurone, deren Axone über die Arteria carotis interna et externa den Kopf versorgen. (31) Zielorgane sind das Auge (M. dilatator pupillae, M. tarsalis), Speicheldrüsen (Glandulae salivariae), Tränendrüse (Glandula lacrimalis) sowie die Haut und Blutgefäße des Kopfes. (24)

Exkurs: Horner-Syndrom

Dieses ist gekennzeichnet durch die Symptomentrias Miosis, Ptosis und Enophthalmus. Es bedeutet stets eine durch welche Ursache auch immer bedingte Störung der zuführenden sympathischen Leitungsbahnen.

Die sympathischen pupillomotorischen Leitungsbahnen des 2. (präganglionären) Neurons verlassen das Rückenmark durch die Vorderwurzeln der Segmente C8 bis T3, (32) sie verlaufen kranialwärts im Grenzstrang in den Rami interganglionares durch das Ganglion stellatum und das Ganglion cervicale medium bis ins Ganglion cervicale superius.

Erst dort erfolgt die Umschaltung in das 3. (postganglionäre) Neuron. (31) Nun kann eine Störung dieser Leitungsbahn auf jeder Höhe ein Horner-Syndrom auslösen. Je nach Läsionshöhe finden sich auch unterschiedliche

Ausprägungen der Symptomatik. So findet sich z. B. bei Läsion des ersten Neurons eine ausgeprägte Begleitsymptomatik wie z. B. ipsilaterale halbseitige Hypohidrosis mit vasomotorischen Störungen (sympathische Hemiparese), bei Ausfall des 2. Neurons je nach Lokalisation Quadrantenhypohidrosis (proximalere Läsion) bis Hypohidrosis einer Hals- und Gesichtshälfte (distale Läsion) und bei Schädigung des 3. Neurons nur mehr ein einseitiger hypohidrotischer Bezirk im Gesicht. (31) Zusätzlich kann man mit pharmakologischer Pupillentestung (Kokain-Test bzw.

Hydroxyamphetaminhydrochlorid- oder Pholedrin-Test) das beschädigte Neuron identifizieren.

Das Horner-Syndrom als mögliche Komplikation der ETS ist somit in der anatomischen Nähe des Operationsgebiets (Grenzstrang auf Höhe T2-4, oft auch T1) zum Ganglion stellatum begründet. Tritt es postoperativ auf, ist es oft reversibel. (33)

Absteigend finden sich sodann 10 bis 11 Ganglia thoracica, jeweils 4 Ganglia lumbalia und sacralia sowie als Abschluss das Ganglion impar.

Da die Ganglia thoracica II-IV (T2-T4) das Zielgebiet für die ETS darstellen, sind etwas genauere Angaben über deren Lokalisation vonnöten:

Generell kann man sagen, dass sich die sympathischen Ganglien (mit Ausnahme von T1, wurde bereits besprochen) höchstwahrscheinlich in ihren korrespondierenden Interkostalräumen befinden, also T2 im 2. ICR, T3 im 3. ICR usw. Trifft dies auf T2 (92 %) noch fast immer zu, so sinken die Wahrscheinlichkeiten, je tiefer man geht und T4 nur noch in der Hälfte der Fälle zur Gänze im 4. ICR zu liegen kommt. (27,34) Man spricht von einem "downshift"

des Truncus sympathicus. Somit befindet sich T4 schon in 36 % der Fälle an der Oberkante der unteren Rippe, in 10 % schon direkt vor der Rippenfläche. Weiters ist nur selten (16 %) die Anatomie bei einem Individuum beidseits gleich. (27) Abschließend werden bezüglich T2 seltene Einzelfälle (Fusion mit T1, langgezogen, über das Rippenköpfchen ragend usw.) beschrieben. (34)

Ab dem Grenzstrang gibt es 4 Möglichkeiten: (22,24)

1. Verlauf im Grenzstrang kranialwärts und Umschaltung in einem höhergelegenen Ganglion

2. Umschaltung im Ganglion auf selber Höhe

3. Verlauf im Grenzstrang kaudalwärts und Umschaltung in einem tiefergelegenen Ganglion

4. Passieren des paravertebralen Ganglions ohne Umschaltung und weiterer Verlauf zum Ganglion prävertebrale. Die 4 wichtigsten sind das Ganglion coeliacum, das Ganglion mesenterius superius (diese beiden bilden zusammen mit Ästen des Nervus vagus den Plexus solaris), das Ganglion mesentericus inferius sowie das Ganglion aorticorenalis.

Aus diesem vielfältigen Faserverlauf sowie der Tatsache, dass ein präganglionäres Neuron oft auf 20 (24) bis 30 (22) postganglionäre Neurone umschaltet, resultiert eine Überlappung der Innervationsareale. Als Neurotransmitter fungiert hier Acetylcholin.

Nach der Umschaltung im Ganglion paravertebrale ziehen die sympathischen Fasern im Ramus communicans griseus (grau = demyelinisiert) (24) zurück zum Spinalnerv, wo sie entweder in dessen Verlauf oder entlang der Blutgefäße in die Peripherie gelangen.

Jeder der 12 thorakalen Spinalnerven teilt sich in einen Ramus dorsalis (Innervation der autochthonen Rückenmuskulatur und sensible Versorgung des Rückens) und einen Ramus ventralis, welcher als Ramus (Nervus) intercostalis zwischen den Rippen (anfangs subpleural, danach in der Intercostalmuskulatur) verläuft.

Wichtiger Zusatz: Der Nervus intercostalis I gibt einen Ast an den Plexus brachialis ab. (23)

Exkurs: Der Kuntz Nerv

Albert Kuntz (1879-1957), ein Neuroanatom der St. Louis University School of Medicine, beschrieb 1927 erstmals einen variablen intrathorakalen Ast zwischen dem N. intercostalis II und dem R. ventralis des N. spinalis I (= N.

intercostalis I). Dieser nach ihm benannte "Kuntz Nerv" vereinigt sich mit dem N. intercostalis I proximal der Stelle, wo dieser seinerseits einen Ast an den Plexus brachialis abgibt (30) und stellt somit einen Bypass zu den Rami interganglionares und Rami communicantes dar. In der Folge wurden (auch zwischen den kaudaleren Interkostalnerven) weitere variantenreiche zusätzliche Faserbündel beschrieben, welche jedoch alle unter dem Begriff

"Kuntz Nerv" subsumiert wurden. In späteren Studien erfolgte der Versuch einer Umbenennung (ANP = alternative neuronal pathway) und Kategorisierung, welche aber uneinheitlich blieb.

Die Kernaussage jedoch ist: Es bestehen zusätzliche "kaudo-kraniale"

Verbindungen, hauptsächlich und am meisten relevant zwischen T2 und T1, jedoch auch zwischen T3 und T2, usw.

Am häufigsten finden sich diese ANPs im 1. ICR, also zwischen T2 und T1, die Angaben schwanken von 46 % (30) bis 95 %, (34) Sie werden absteigend seltener (14 % 3.-5. ICR). (30)

Das Gesamtvorkommen wird mit 68 % (29) bis 86 % (26) angegeben.

Hervorzuheben ist dabei, dass diese Daten auf anatomischen Studien beruhen.

Eine Studie (26) zeigt deutlich: Durch Exploration bei Sektionen fand man 86 % ANPs, bei einer parallel dazu durchgeführten klinischen Studie im Rahmen thorakoskopischer Sympathektomien nur 18 %. Somit kann man davon ausgehen, dass man aberrante Faserbündel intraoperativ in den wenigsten Fällen identifizieren kann. Hinweis kann jedoch eine subpleurale Vene sein, die in 82 % der Fälle parallel zum Kuntz Nerv verläuft und somit eine anatomische Landmarke darstellt. (35)

Die durchschnittliche Entfernung dieser Faserbündel lateral der sympathischen Ganglien beträgt ca. 8 mm, jedoch maximal 30 mm. (26,34)

In sämtlichen sympathischen Zielorganen ist der Neurotransmitter Noradrenalin.

Einzige Ausnahme sind die ekkrinen Schweißdrüsen (Glandulae suderiferae eccrinae). Hier erfolgt die Übertragung wie beim präganglionären Neuron mittels Acetylcholin. (25) Die gesamte restliche glanduläre Sekretion wird parasympathisch gesteuert, (22) der Neurotransmitter des 2. parasympathischen Neurons ist ebenfalls Acetylcholin.