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Das streitige Verfahren (Proceso Contencioso)

B. Das geltende Scheidungsrecht

III. Das streitige Verfahren (Proceso Contencioso)

Das streitige Verfahren beruht auf den Art. 770 iVm 748 ff LEC. Bis zur Änderung der Zivilprozessordnung wurden die diesbezüglichen Verfahrensregeln der Zivilprozessordnung durch die damals gültigen spezielleren Regeln in der Disposición Adicional Quinta zum Reformgesetz 30/1981 ergänzt.

Art. 770 LEC konkretisiert ergänzend die allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen der spanischen Zivilprozessordnung. Mangels besonderer Vorschriften (wie eben Art. 770 LEC) gelten für die Scheidungsklage neben den Art. 748 ff LEC die Regeln des mündlichen Verfahrens, vgl. Art. 770 iVm 437 ff LEC (iVm Art. 753 ff LEC), und die allgemeinen Regeln für Zivilverfahren.

1. Antrag zur Scheidungsklage (demanda)342

Gemäß Art. 770 Nr. 1 LEC sind mit dem Scheidungsantrag folgende Urkunden beizulegen343:

a) Bescheinigung über die Eintragung der Eheschließung und, gegebenenfalls, der Geburt der Kinder

b) Urkunden, die den einzelnen gesetzlichen Scheidungsgrund begründen

c) Für die Regelung von Vermögensfragen hat der Kläger im Antrag diejenigen Dokumente anzuführen, die eine Bewertung der wirtschaftlichen Situation der Ehegatten und gegebenenfalls der Kinder erlauben, wie auch Steuererklärungen, Lohn- und Gehaltszettel, Bescheinigungen der Banken, Eigentumstitel, einschlägige Registerauszüge oder ähnliches.

342 Wie bereits unter Fn. 74 erwähnt, unterscheidet der spanische Gesetzgeber bei den Scheidungsverfahren begrifflich. Im streitigen Verfahren wird der Scheidungsantrag mit demanda bezeichnet, im einverständlichen Verfahren mit petición. Diese begriffliche Unterscheidung ist im Deutschen angemessen mit Antrag zur Scheidungsklage (demanda) bzw. Antrag zum Scheidungsverfahren (petición) wieder zu geben.

343 Art. 770 Nr. 1 LEC konkretisiert hierbei den allgemeineren Art. 265 LEC.

Des Weiteren sind noch Dokumente allgemeiner Art wie z. B. die notarielle Bevollmächtigung des procurador (Art. 264 LEC), etwaige Sachverständigengutachten (Art. 265 Nr. 4 LEC) und Kopien des Antrags und der Anlagen (Art. 273 LEC) beizufügen.

Der Inhalt des Scheidungsantrags bestimmt sich nach Art. 437 Nr. 1 iVm Art. 149 ff, 155 LEC. Der Scheidungsantrag hat die persönlichen Daten der Parteien zur Identifizierung, den für die Ladung entsprechenden Wohnsitz und das genaue Anspruchsbegehren anzuführen, Art. 437 Nr. 1 LEC.

Zwar verweist der Wortlaut des Art. 770 LEC deutlich auf das mündliche Verfahren (juicio verbal) gem. Art. 437 ff, dennoch ist ein Scheidungsantrag gemäß dem ordentlichen Verfahren (juicio ordinario) gem. Art. 399 LEC ebenso zulässig, denn letzterer ist inhaltlich weitergehend344.

Gemäß Art. 440 Nr. 1 LEC hat das Gericht innerhalb von fünf Tagen nach Einreichung des Scheidungsantrags hinsichtlich seiner Zuständigkeit einen Zulassungsbeschluss zu fällen, in dem es, gegebenenfalls, die Zulassung der Scheidungsklage ausspricht, dem Beklagten eine Abschrift der Klage zustellt und zur Erwiderung auffordert.

2. Klageerwiderung (contestación) und Widerklage (reconvención)

Nach Zustellung der Klage hat der Beklagte eine Frist von zwanzig Tagen, um iSv Art. 405 LEC zu erwidern, Art. 753 a. E. LEC. Die Anwendung des Art. 405 LEC und die Fristsetzung sind eigens in Art. 753 LEC geregelt und stellen somit eine Ausnahme zur grundsätzlichen Anwendung der Regeln über das mündliche Verfahren (Art. 770 iVm Art. 437 ff LEC) dar345.

Der Beklagte hat vollumfänglich zur Klage Stellung zu nehmen und seine gegenteiligen Ansichten darzulegen, Art. 405 Nr. 1 LEC. Vom Kläger behauptete Tatsachen sind vom Beklagten zu bestreiten, ansonsten kann das Schweigen oder unzureichende Einlassen des Beklagten vom Gericht als

344 López-Muñiz Criado, Procesos de separación y divorcio, S. 492

345 Vgl Pérez Vallejo/Sainz-Cantero Caparrós, Convenio regulador y los procesos matrimoniales, S. 263/264;

Pérez Martin, in: Lorca/Guilarte, Comentarios a la nueva LEC, Art. 770, S. 4092

Unstreitigstellen gewertet werden, Art. 405 Nr. 2 LEC. Weiter hat der Beklagte in der Klageerwiderung sämtliche Prozesseinreden und etwaige Prozesshindernisse vorzubringen, Art. 405 Nr. 3 LEC. Ebenso wie der Kläger hat er allgemeine Dokumente gem. Art. 264, 265 LEC beizulegen.

Die Widerklage wird speziell in Art. 770 Nr. 2 LEC geregelt. Sie ist nur zulässig, falls sie auf Nichtigkeitsgründen, gesetzlichen Trennungs- oder Scheidungsgründen basiert oder wenn der beklagte Ehegatte darin endgültige Scheidungsfolgemaßnahmen, wie z. B. den Scheidungsunterhalt, fordert, die in der Klageschrift nicht beantragt worden waren. Diese Regelung fordert somit eine inhaltliche Konnexität der Streitgegenstände.

Die Frist für die Klageerwiderung und gegebenenfalls Widerklage beträgt ebenso zwanzig Tage, Art. 770 Nr. 2, Abs. 2 iVm Art. 753 LEC. Auf eine Widerklage hin hat der Kläger/Widerbeklagte innerhalb von 10 Tagen ab Zustellung der Abschriften zu erwidern, Art. 770 Nr. 2, Abs. 2 iVm Art. 278 LEC.

3. Persönliche Anwesenheitspflicht zum Gerichtstermin

Nach der Klageerwiderung bzw. Erwiderung auf die Widerklage ergeht seitens des Gerichts ein Ladungsbeschluss für eine mündliche Verhandlung, deren genaue Terminierung in einen Zeitraum von frühestens zehn und spätestens zwanzig Tagen, gerechnet vom auf die Ladungszustellung folgenden Tag, vorliegen muss, Art. 440 Nr. 1 LEC.

Gemäß Art. 770 Nr. 3 LEC haben die Parteien zum Gerichtstermin persönlich zu erscheinen. Ebenso hat auch der jeweilige abogado anwesend zu sein346. Letzteres ist ebenso bereits aus Art. 750 LEC ersichtlich347.

Mit dieser Einführung der persönlichen Anwesenheitspflicht unterstreicht

346 López-Muñiz Criado, Procesos de separación y divorcio, S. 510; Pérez Vallejo/Sainz-Cantero Caparrós, Convenio regulador y los procesos matrimoniales, S. 267; Pérez Martin, in: Lorca/Guilarte, Comentarios a la nueva LEC, Art. 770, S. 4096. – Sollte eine Partei nicht anwesend sein, so müsste jedoch der bevollmächtigte procurador anwesend sein, denn ansonsten könnte der abogado in der Verhandlung nicht agieren (vgl. Pérez Martin, in: Lorca/Guilarte, Comentarios a la nueva LEC, Art. 770, S. 4096, Fn. 6; siehe auch oben: Fn. 318).

347 Siehe hierzu oben: 1.Kap.,C.II.2., S. 100

der Reformgesetzgeber der spanischen Zivilprozessordnung unter anderem die Betonung des bei der Reform verfolgten Mündlichkeitsgrundsatzes348.

Unentschuldigtes Fernbleiben einer Partei führt grundsätzlich nicht zur Vertagung des Gerichtstermins349, vielmehr kann dies dazu führen, dass behauptete Tatsachen der erschienenen Partei in Vermögensfragen als wahr unterstellt werden, vgl. Art. 770 Nr. 3 LEC.

4. Beweisverfahren

Für den Fall, dass in der Gerichtsverhandlung Tatsachen strittig bleiben und es zu keiner Einigkeit kommt, sind hierüber Beweise vorzubringen, vgl. Art 443 Nr. 4, 443 a. E. iVm Art. 429 Nr. 1 iVm Art. 770 Nr. 4 LEC. Die maßgeblichen Beweismittel sind Parteivernehmung, Urkundenbeweis, Sachverständigengutachten, gerichtlicher Augenschein und Zeugenvernehmung, Art. 299 Nr. 1 LEC350. Nach Zulassung der Beweisanträge durch das Gericht (Art. 429 Nr. 2 LEC) sind die Beweise grundsätzlich in dem Gerichtstermin351 und unter Einhaltung einer festen Reihenfolge vorzubringen, Art. 443 Nr. 4 iVm Art. 300 Nr. 1 LEC.

Für den Fall, dass Beweise in der Gerichtsverhandlung nicht erhoben werden können, erfährt das Scheidungsverfahren gegenüber dem üblichen mündlichen Gerichtsverfahren eine Besonderheit. Gemäß Art. 770 Nr. 4, Abs. 1 LEC steht beiden Parteien eine vom Gericht vorgegebene Beweiserhebungsfrist zu, die jedoch 30 Tage nicht überschreiten darf.

Neue Beweisanträge über neue Tatsachen sind in dieser Zeit jedoch nicht mehr möglich352. 353

348 López-Muñiz Criado, Procesos de separación y divorcio, S. 509 und 510; Pérez Vallejo/Sainz-Cantero Caparrós, Convenio regulador y los procesos matrimoniales, S. 267; siehe auch oben: Fn. 297

349 Eine Vertagung bzw. Anberaumung eines neuen Gerichtstermins sieht Art. 183 LEC nur für entschuldigtes Fernbleiben vor.

350 Zu weiteren Beweismitteln im Sinne der spanischen Zivilprozessordnung Art. 299 Nr. 2 und Nr. 3 LEC.

351 López-Muñiz Criado, Procesos de separación y divorcio, S. 513; Pérez Vallejo/Sainz-Cantero Caparrós, Convenio regulador y los procesos matrimoniales, S. 268/269; Pérez Martin, in: Lorca/Guilarte, Comentarios a la nueva LEC, Art. 770, S. 4099/4100

352 Pérez Martin, in: Lorca/Guilarte, Comentarios a la nueva LEC, Art. 770, S. 4099

353 Im Vergleich zur früher gültigen Disposición Adicional Quinta zum Reformgesetzes 30/1981 ist damit die

Gemäß Art. 770 Nr. 4, Abs. 2 LEC kann das Gericht in diesem Zeitraum von Amts wegen sämtliche Beweise erheben, die es für notwendig hält, um die im Código Civil für die Scheidung verlangten Voraussetzungen zu prüfen, wie auch über diejenigen Tatsachen, die zu Urteilsaussprüchen über Maßnahmen bezüglich der minderjährigen oder geistig behinderten Kinder führen. Dies ist eine Ausnahme vom Grundsatz, dass eigentlich nur auf Antrag der Parteien Beweis erhoben werden könne354 und bestätigt den Willen des Gesetzgebers, im Bereich der gerichtlichen Trennung bzw.

Scheidung dem Richter eine tragende Rolle zukommen zu lassen, insbesondere zum Wohle der Kinder355.

Dennoch wird hiermit auch eines deutlich: Diese oben beschriebene Nachprüfungsmöglichkeit ist beschränkt und stößt auf Grenzen. Im streitigen Verfahren macht der Gesetzgeber mit dem Wortlaut des Art. 770 Nr. 4, Abs. 2 LEC deutlich, dass im Hinblick auf Scheidungsfolgen ohne Bezugnahme auf minderjährige Kinder (wie z. B. unterhaltsrechtliche Fragen zwischen den Ehegatten) diese Überprüfungspflicht gerade nicht besteht. Diesbezüglich kommt folglich das erhöhte richterliche Fürsorgeprinzip nicht zum Tragen; es sollen vielmehr die allgemeinen Beweislastregeln gem. Art. 217 ff LEC gelten.

Das Gericht hat minderjährige oder geistig behinderte Kinder anzuhören, sofern sie ein ausreichendes Beurteilungsvermögen besitzen, und auf jeden Fall, sofern sie älter als zwölf Jahre sind, Art. 770 Nr. 4, Abs. 2 a. E. LEC.

In diesem Sinne vgl. bereits die Vorschrift des Art. 92 Abs. 2 CC, die weiter besagt, dass die Anhörung zum Wohle der Kinder zu erfolgen hat.

Fristenregelung für das Beweisverfahren erheblich vereinfacht worden, denn die Sonderregelungen und -fristen bei Beweisanträgen einer Partei in den letzten beiden Tagen der einzuhaltenden 30-Tages-Frist wurden

weggelassen (vgl. Disposición Adicional Quinta, Buchst. g).

354 Vgl. Art. 216 LEC

355 Pérez Vallejo/Sainz-Cantero Caparrós, Convenio regulador y los procesos matrimoniales, S. 269; López-Muñiz Criado, Procesos de separación y divorcio, S. 514

5. Übergang zum einverständlichen Verfahren

Art. 770 Nr. 5 LEC gibt den Parteien die Möglichkeit, zu jedem beliebigen Zeitpunkt des streitigen Scheidungsverfahrens in ein einverständliches Scheidungsverfahren überzugehen. Hierbei gilt es lediglich die Voraussetzungen des Art. 777 CC zu erfüllen, insbesondere muss eine Scheidungs(folgen)vereinbarung gem. Art. 90 CC (convenio regulador) vorliegen356. Der Gesetzgeber möchte hiermit einerseits den Willen zum einverständlichen und prozessökonomischeren Scheidungsverfahren iSv Art. 777 LEC honorieren, andererseits diesen Übergang selbst prozessökonomisch gestalten.

Dieser Übergang wird sogar im streitigen Berufungsverfahren für möglich gehalten, mit dem Argument, dass dies gem. Art. 770 Nr. 5 LEC jederzeit357 möglich sein müsse358. Berechtigterweise ist dies jedoch zu kritisieren, denn sollte das Berufungsgericht den Übergang zum einverständlichen Scheidungsverfahren vollziehen und ein Scheidungsurteil aussprechen, so könnte hiergegen keine Berufung mehr eingelegt werden. Faktisch wäre den Parteien dadurch eine gerichtliche Instanz genommen. In derartigen Fällen müsste daher das Berufungsgericht an das erstinstanzliche Gericht zurückverweisen, damit der gesetzlich garantierte Instanzenzug gewahrt bleibt359.

356 Zum einverständlichen Scheidungsverfahren gem. Art. 777 LEC näher, siehe gleich unten: 1.Kap.,C.IV., S.

114 ff

357 En cualquier momento …

358 SAP Sevilla v. 25. Mai 1999, ArC-Data 1999, Nr. 5801; SAP Guipúzcoa v. 09. März 1999, ArC 1999, Nr.

590; dass. v. 05. März 1999, ArC 1999, Nr. 589

359 Zarraluqui Sánchez, Comentarios sobre la LEC, Art. 770, S. 27; Pérez Vallejo/Sainz-Cantero Caparrós, Convenio regulador y los procesos matrimoniales, S. 273