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Jutta Marx, Peter Mutschke Informationszentrum Sozialwissenschaften

Lennestr. 30 53113 Bonn

Tel.: 0228/2281 -170 (-135) / Fax: 0228/2281 -120 {MarxIMutschke}® IZ-Bonn.GESIS.d400.de

Zusammenfassung

Im Bereich der Sozialwissenschaften wird von Informationsvermittlungseinrichtungen wie der Gesellschaft Sozialwissenschaftlicher Infrastruktureinrichtungen e.V. (GESIS) in zuneh-rrendem Maße die Vermittlung qualitativ hochwertiger und komplexer Informationen über s jzialwissenschaftliche Fragestellungen und Erkenntnisprozesse sowie über die Struktur m d Entwicklung sozialwissenschaftlicher Forschungsfelder erwartet. Mit der konventionel-I n Datenbankrecherche kann jedoch nur ein Teil dieses "er/xtf?fen"lnformationsbedarfs ab-gedeckt werden. Ziel des Projekts GESINE1 ist daher die Entwicklung einer unternehmens-übergreifenden objektorientierten Desktop-Umgebung, in der die Informationsbestände der GESIS-Institute für Mitarbeiter und Nutzer in homogener und integrativer Weise unter einer graphischen Benutzeroberfläche als Corporate Knowledge zur Verfügung gestellt werden.

Abstract

The traditional role of Information Service Institutions in the Social Sciences is changing.

There is a growing demand for complex and value added Information on scientific problems is well as on the structure and development of the scientific discourse. Traditional informa-tion technology (e.g. common query languages) can only meet part of that higher informainforma-tion

need.

Therefore, the project GESINE contends to develop a strictly object-oriented desktop envi--onment that integrates the inhomogenous information resources of all GESIS-Institutes.

3ESINE attempts to provide access to that Corporate Knowledge in one graphical user in-terface for employees and users.

1 Eine informationstechnologische Bestandsaufnahme der Gesellschaft Sozialwissenschaftlicher Infrastruktureinrichtungen e.V. (GESIS)

Die GESIS ist ein Zusammenschluß dreier regionaler Zentren in Bonn, Köln und Mannheim mit einer Außenstelle in Berlin, die sich die Unterstützung der sozialwissenschaftlichen For-schung sowie die überregionale wie internationale Wissenschaftskommunikation zum Ziel gemacht hat. Ihre Dienstleistungen umfassen im wesentlichen die Methodenentwicklung und -beratung sowie die Bereitstellung relevanter Daten der Sozialforschung. Die Datenbe-stände der GESIS reichen von bibliographischen Angaben in Literaturdatenbanken über

1 Die GESIS-Datenbestände integrierendes sozialwissenschaftliches Informationssystem

Forschungsprojektinformationen bis zu Primärdaten empirischer Studien (cf. GESIS 1993/1994).

Die Ausgangsbasis der Konzeptentwicklung für das Projekt GESINE war der vielfach vorge-tragene Wunsch der GESIS-Mitarbeiter nach einer stärkeren Integration der Datenbestände innerhalb der GESIS. Anhand der Analyse der Arbeitsgebiete und -prozesse des Informati-onszentrums Sozialwissenschaften in Bonn (IZ) und der Sichtung einiger ausgewählter Be-reiche beim Zentralarchiv für Empirische Sozialforschung Köln (ZA) sowie dem Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen Mannheim (ZUMA), begleitet durch Gespräche mit GESIS-Mitarbeitem über deren Wünsche und Bedarfe (cf. Schommler 1995 und Marx/

Mutschke/Schommler 1995) haben sich einige Ansatzpunkte ergeben, an denen diese Inte-gration vorangetrieben werden könnte:

• Institutsinternes Arbeitsprozeßmanagement:

Will man die Integration übergreifender Prozesse in einer größeren Organisation stärker vorantreiben, so ist zunächst der Informationsfluß innerhalb der die Organisation bilden-den Einheiten einer Analyse zu unterziehen. Unterstützend können hier Softwarekompo-nenten wirken, die verteiltes Arbeiten, den komfortablen Datenaustausch und die dynami-sche Modellierung von Arbeitsprozessen erlauben. Über diese Kommunikationsfähigkeit einer EDV-Landschaft hinausgehend sollte außerdem eine grundsätzliche Homogenität der einzelnen Softwarekomponenten hinsichtlich ihrer Bedienkonzepte angestrebt wer-den, um das Maß an Benutzerschulung bzw. -vorwissen möglichst gering zu halten. Insel-lösungen sind in jedem Fall zu vermeiden, eventuell noch vorhandene informationstech-nologische Lücken sind gemäß einem Globaldesign zu schließen.

• Integration GESIS-übergreifender Arbeitsabläufe:

Die Koordination interinstitutioneller Prozesse, d.h. die Abwicklung eines Projektes, ange-fangen von der Planung und Beratung einer Studie bei ZUMA, über die Akquirierung und Archivierung der Daten bei ZA bis hin zur Aufnahme eines Projekts und der entsprechen-den Literatur in entsprechen-den IZ-Datenbanken FORIS (Forschungsprojektinformation) und SOLIS2

(Literaturinformation) ließe sich durch den gezielten Einsatz einzelner Komponenten opti-mieren. Hier bieten sich CSCW-(Computer Supported Cooperative Work)-Module an, die in Kombination mit einem integrativen Datenzugriff die ineinandergreifenden Prozesse der Datenerhebung und -archivierung enger verzahnen.

• Integrierte Recherchekomponente auf der Basis heterogener Datenbestände:

Als grundlegender Bedarf bei der Analyse der Domäne hat sich die integrative Sicht auf die Datenbestände der jeweiligen Partner-Institute herauskristallisiert, um z.B. zu einer laufenden Studie inhaltlich ähnliche Projekte oder Literatur zum Thema zu finden.

Bei einer Datenintegration ist grundsätzlich zu beachten, daß nicht nur die Recherche-werkzeuge und das Oberflächendesign Einfluß auf die später zur Verfügung stehenden Suchmöglichkeiten haben, sondern daß eventuelle Limitierungen schon bei der Wahl des eingesetzten Datenbanksystems zu beachten sind.

Dem Benutzer soll die Vorstellung vermittelt werden, nur mit einer Datenbank zu kommu-nizieren, in der er dann allerdings nicht nur Informationen über sozialwissenschaftliche Literatur, Projekte und empirische Studien finden kann, sondern auch über komplexere Objekte (Institutionen, Personen, Konferenzen, Zeitschriften etc.), die sich aus den bis-lang auf separate Datenbanken verteilten Grunddatentypen zusammensetzen. Dazu ist ein intermediäres Metamodell der Basisdaten zu entwickeln, das verteilte Daten logisch aufeinander bezieht (Idee des Virtuellen GESIS-Dokuments) und das mittels eines Host-übergreifenden Informationsmanagement vom individuellen Arbeitsplatz eines Sozialwis-Zur Beschreibung der Literaturdatenbank SOLIS sowie der Projektdatenbank FORIS cf. Krau-se/Zimmer 1996.

senschaftlers aus eine integrative Recherche möglich macht.

Neben diesen datenbanktechnischen Aspekten spielt auch die Wahl der Retrievalmetho-de bzw. Retrievalmetho-des Erschließungsverfahrens eine ausschlaggebenRetrievalmetho-de Rolle bei Retrievalmetho-der Konzeption eines integrierten Informationssystems.

Zur Lösung der geschilderten Probleme müssen Komponenten auf verschiedenen Techno-logie- und Prozeßebenen erarbeitet werden. Dies reicht von der Konzeption einer neuen Datenbankstruktur bis hin zur Gestaltung einer homogenen ergonomischen Benutzungso-berfläche. Die bis dato geleisteten Arbeiten erfolgten in den Bereichen:

A) Schließen informationstechnologischer Lücken

Der Tatsache, daß die Arbeitslandschaft der betrachteten Bereiche innerhalb der GESIS-Institute noch einige Insellösungen bzw. informationstechnologische Lücken aufweist, sollte durch gezielte Realisierung entsprechender Komponenten begegnet werden. Hier-bei ist auf eine integrative, modulare Gestaltung zu achten, die das Zusammenführen der Teillösungen zu einem geschlossenen System ermöglicht.

Ein Beispiel hierfür ist die Erstellung der halbjährlich erscheinenden IZ-Reihe „Sozialwis-senschaftlicher Fachinformationsdienst" (soFid). Dieser current-awareness-Dienst bietet auf der Basis der Neuzugänge in FORIS und SOLIS aktuelle Forschungsinformation zu 33 sozialwissenschaftlichen Fachgebieten. Die Arbeitsabläufe bei der Produktion der soFids waren bisher durch einen recht komplexen und zeitaufwendigen Koordinations-prozeß zwischen mehreren beteiligten Personen gekennzeichnet. Eine eingehende Ana-lyse der Arbeitsprozesse führte zur Entwicklung der Software COGET3 (cf. Riege/

Schommler 1996), die den mit der Erstellung eines soFids betrauten Dokumentär bei dem aufwendigen Prozeß der inhaltlichen Zuordnung der relevanten Dokumente zu den einzelnen Kapiteln eines soFids unterstützt. Außerdem entfallen einige zeitaufwendige Routinearbeiten, wie der Probeausdruck der recherchierten Dokumente oder die manu-elle Erfassung der Kapitelzuordnungen.

Die folgenden Schaubilder zeigen die Arbeitsprozesse vor und nach der Unterstützung durch COGET:

Abbildung 1: Bisheriger Arbeitsablauf bei dersoFid-Produktion

3 Computergestützte Erstellung von Themendokumentationen

Während an den bisherigen Arbeitsabläufen (s. Abb. 1) insgesamt fünf Funktionsgruppen aus mehreren Abteilungen beteiligt waren, die für die Produktion der soFids auch noch unterschiedliche EDV-Werkzeuge einsetzten, konnte durch eine Umgestaltung der Arbeitsprozesse und die Installation von COGET am Arbeitsplatz der Redakteure eine erhebliche Reduktion des Arbeitsaufwandes und der Abstimmungsprozesse erreicht werden (s. Abb. 2).

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Redakteure Koordination

s, "Startsignal"

Druckaufbereitung

Inhaltliche Bearbeitung

Probedrück ! erstellen '

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Drucken uncT Binden

Abbildung 2: Arbeitsablauf bei Einsatz von COGET

COGET unterstützt zur Zeit die Zuordnung von Dokumenten zu den Gliederungseinhei-ten der soFids, die Kapitelverwaltung und die Erstellung einer druckfertigen Vorlage. Die-se Komponente läßt sich leicht für ähnlich geartete Aufgaben (Herstellung anderer Print-produkte) erweitern. In der Zukunft wird eine Integration des Rechercheprozesses in die Arbeitsabläufe angestrebt.

B) Integration heterogener Datenbestände

Zielsetzung für eine GESIS-übergreifende Arbeits- und Rechercheumgebung ist ein in-tegrativer Zugriff auf strukturierte und unstrukturierte Daten, so daß dem informations-suchenden Sozialwissenschaftler Text- und Fakteninformationen aus heterogenen Da-tenquellen der GESIS-lnstitute in integrierter und benutzerfreundlicher Form unter einer einheitlichen graphischen Oberfläche zur Verfügung gestellt werden können.

Für die Realisierung eines derartigen Systems bot sich zunächst die Möglichkeit einer kombinierten Suche in den IZ-Datenbanken SOLIS und FORIS an, die Informationen über sozialwissenschaftliche Literatur und Forschungsprojekte enthalten. Für diesen Weltausschnitt wurde ein relationales Datenmodell entwickelt (cf. Mutschke 1996), da das Relationenmodell als konzeptionelles Datenbankschema Vorteile bietet, die für die Realisierung des Projekts unumgänglich sind. Neben dem hohen Maß an Datenunab-hängigkeit und der Einfachheit des Datenmodells sind für GESINE insbesondere die Möglichkeit, Tabellen über Feldinhalte verknüpfen zu können, und die Tatsache relevant, daß es keine ausgewiesenen Einstiegspunkte in die Datenbank gibt, wie es bei

hierarchi-sehen und netzwerkorientierten Datenbanken der Fall ist. Dadurch sind auch komplexe Anfragen auf große Datenmengen sowie Nicht-Standard-Anfragen möglich.

Als technologische Basis zur Umsetzung dieser Modelle wurde ORACLE gewählt, da ne-ben dem ansonsten hohen Grad an Relationalst hinsichtlich der DDL- und DML-Funk-tionalität ORACLE eine integrierte Lösung für die Behandlung von großen Textdaten in einer ORACLE-Datenbank bietet (ORACLE-Textserver). Das ORACLE-DBMS erlaubt in Kombination mit dem Textserver nicht nur die Recherche in Textbeständen mit den gän-gigen Textretrievalfunktionen, sondern auch eine kombinierte Suche in strukturierten und unstrukturierten Datensätzen. Dadurch ist es möglich, Faktendaten, strukturierte und un-strukturierte Textdaten (Freitext) in einem System zu halten und recherchierbar zu ma-chen (cf. Mutschke 1995).

Darüber hinaus bietet das Relationenmodell als Datenbasis leichter die Möglichkeit, Aggregationen der klassischen, explizit dokumentierten Basisinformation in den GESIS-Datenbeständen (Literatur, Projekte, Umfragen, Skalen, Soziale Indikatoren) zu Meta-Objekten zu realisieren. Typische Beispiele hierfür sind Beschreibungen sozialwissen-schaftlicher Institutionen, Konferenzen, Personen, Themen etc., die sich aus in den Basis-Dokumenten enthaltenen und in der Regel auf verschiedene Datenbestände sich verteilenden Einzelinformationen zusammensetzen. Da bisher nur nach den oben ge-nannten Dokumentarten recherchiert werden kann, müssen hier Modellierungen imple-mentiert werden, die solche virtuellen Dokumente generieren und ebenfalls als suchbare Informationsbestandteile eines GESIS-Informationssystems zur Verfügung stellen. So sollte es z.B. möglich sein, daß das System bei Bedarf (z.B. auf Anforderung oder bei Voreinstellung automatisch) zu einem Thema auch eine (einschlägige) Institution mit einer Beschreibung ihres Forschungsschwerpunktes, ihrer Publikationen und Projekte u.a.m. präsentiert.

Über diese Grundproblematik einer virtuellen Integration von Text- und Faktendaten hin-aus muß das Sonderproblem der Vagheit von Anforderungen bei der Informationssuche mit Hilfe statistischer oder computerlinguistischer Verfahren des Information Retrieval in Angriff genommen werden. Die einfache Verknüpfung von Datenbeständen birgt nämlich das grundsätzliche Problem, daß als Rechercheergebnis u.U. große Mengen von Doku-menten aus unterschiedlichen Datenbeständen ungefiltert nebeneinander gestellt und nicht untereinander in Beziehung gebracht werden. Sucht der Benutzer z.B. Informatio-nen zu einer bestimmten Person, so bekommt er als Ergebnis die von dieser Person pu-blizierte Literatur und die durchgeführten Forschungsprojekte oder Studien. Damit beide Kategorien aber nicht isoliert nebeneinander stehen bleiben, muß eine Komponente entwickelt werden, die die inhaltlichen Beziehungen der jeweiligen Nachweise unterein-ander darstellt (z.B. Welche Literatur bezieht sich auf welche Studie des Autors? oder:

Welche Literatur behandelt das in einer bestimmten Studie empirisch untersuchte Grundthema theoretisch?). Um eine integrative Sicht auf die GESIS-Daten zu gewährlei-sten, muß ein entsprechendes Informationssystem daher in der Lage sein, zu ausge-wählten Dokumenten eines Ergebnis-Sets inhaltlich ähnliche Dokumente (aus demsel-ben Set oder aus anderen Datenbeständen) zu präsentieren, damit der Benutzer z.B. zu einer laufenden Studie inhaltlich ähnliche Projekte oder Literatur zum Thema finden kann.

Ähnliche Probleme treten bei der Vergleichbarkeit von Suchbegriffen und Bewertungs-skalen auf, da die verschiedenen Datenbestände der GESIS auf unterschiedlichem Ab-straktionsniveau angelegt sind. So gibt es i.d.R. keine direkte Entsprechung zwischen dem Text einer Suggestivfrage des konkreten Fragebogens und der der Frage zugeord-neten Items in den sog. Studienbeschreibungen (z.B. Todessehnsucht von Jugendli-chen'), die eine empirische Studie formal und inhaltlich charakterisieren. Ein integriertes Informationssystem muß daher durch eine Komponente angereichert werden, die durch

eine kontextsensitive Analyse von Thesaurus- bzw. Verschlagwortungsstrukturen die Relevanz von Dokumenten (Umfragen, Literatur- oder Projektnachweise) für eine be-stimmte Fragestellung bestimmen kann.

C) Domänenadäquates Suchverfahren

Die Evaluierung von Inhaltserschließungs- bzw. Retrievalmethoden ist eine zentrale Auf-gabe, die grundlegende Auswirkungen auf alle noch zu fällenden Entscheidungen hat.

Sie sollte deshalb unabhängig von Umfang und Intensität späterer Entwickungen sorgfäl-tig durchgeführt werden.

Gerade was die Erschließungs- und Retrievalmethoden in punkto Volltextdatenbanken betrifft, konkurrieren schon seit langem computerlinguistische und statistische Techni-ken, ohne daß Erkenntnisse darüber bestehen, welches Verfahren sich für welche Domä-ne, d.h. Textsorte bzw. für welches Informationsbedürfnis am besten eignet (cf. Krause 1996 in diesem Band). Bei den klassischen Deskriptorensystemen mit Boolescher Alge-bra als Abfrageoperatoren sind sehr exakte Anfragen mit exakten Ergebnismengen mög-lich, wobei allerdings das Problem besteht, daß sie aufgrund der harten Suchlogik alle Dokumente des Rechercheergebnisses gleich behandeln und daher eine Ergebnismen-ge produzieren, die in sich nicht strukturiert ist. Statistische Verfahren daErgebnismen-geErgebnismen-gen sind in der Lage, differenziertere Relationen, d.h. Ähnlichkeiten zwischen Dokumenten herzu-stellen. Allerdings sind diese Verfahren bei einem spezifischen Informationswunsch zu ungenau.

Es stellt sich daher die Frage, ob nicht gerade eine Kombination der beiden Methoden bzw. ihr kontextsensitives Einsetzen je nach Benutzerprofil, Informationsbedürfnis, Textsorte u.a. einen Qualitätsgewinn der Rechercheergebnisse bringt. In der Evaluie-rungsphase sollen daher auf der Basis der SOLIS- und FORIS-Datenbanken diese An-sätze bzw. deren Ausprägungen anhand verschiedener kommerzieller oder auch wissen-schaftlicher Systeme getestet und evaluiert werden.

Um einen Vergleich zu ermöglichen wird in GESINE neben dem booleschen Recherche-modell die Indexierungs- und Retrievalsoftware freeWAIS-sf (cf. Pfeifer 1995a, 1995b) eingesetzt. Dieses System ist im Kern eine Implementierung des Vektorraummodells und repräsentiert damit im wesentlichen den Stand der informationswissenschaftlichen For-schung zu Indexierungs- und Retrievalverfahren.

Im Vektorraummodell werden sowohl die Dokumente der Datenbank als auch die Frage-stellung des Benutzers auf sogenannten Feature-Vektoren abgebildet. Die Features kor-respondieren in der gegenwärtigen Implementierung von freeWAIS-sf mit dem men eines Wortes im Dokument und die Gewichte derselben mit der Anzahl der Vorkom-men eines Wortes. Beim Retrieval werden dem Anfragenden dann die DokuVorkom-mente vorge-schlagen, deren Vektoren dem der Query am ähnlichsten sind. Dieses Modell erlaubt 'na-türlichsprachige' Anfragen und ist zugleich ein brauchbarer Lösungsansatz für das Pro-blem der geringen Precision beim Booleschen Retrievalmodell.

Ein besonderer Vorteil dieses Modells ist, daß die Vektoren auch andere Eigenschaften (Features) der Dokumente als das einfache Vorkommen eines Wortes repräsentieren können. Um eine verbesserte Recherchequalität für die Datenbestände der GESIS zu erzielen, besteht ein wesentlicher Schwerpunkt des Projekts sowohl in der Suche nach geeigneteren Features als auch nach domänen-spezifischen heuristischen Faktoren, nach denen z.B. die Gewichte der Features und auch die Ähnlichkeit zwischen Frage-und Dokumentvektoren anders berechnet werden als in der gegenwärtigen Implementie-rung von freeWAIS-sf. Als technologische Basis für GESINE ist zunächst freeWAIS-sf jedoch besonders geeignet, weil diese Software nicht nur eine Grundformreduktion für

das Deutsche bietet, sondern auch im Sourcecode vorliegt, so daß freeWAIS-sf um neue Komponenten (z.B. eine verbesserte Ähnlichkeitsfunktion) erweitert werden kann.

D) Ergonomisches Oberflächendesign

Die Erkenntis, daß für die Qualität von Softwareprodukten neben dem Umfang der zur Verfügung stehenden Funktionen auch die Gestaltung der Benutzungsoberfläche von ausschlaggebender Bedeutung ist, hat sich mittlerweile auch im kommerziellen Bereich flächendeckend durchgesetzt und wird häufig als Verkaufsargument benutzt. Dennoch gibt es bei der Umsetzung immer wieder Probleme, da einerseits die der Softwareergo-nomie zugrundeliegenden Prinzipien wie „Selbsterklärungsfähigkeit" oder „Erwartungs-komformität" (cf. ISO 9241) nicht operationalisierbar sind, andererseits „rezeptartige" An-weisungen z.B. wie viele Einträge ein Menü haben soll (cf. Siemens Styleguide 1992) längst nicht das gesamte Spektrum möglicher Designvarianten abdecken.

Um diesen Schwierigkeiten zu begegnen wurde im Projekt GESINE das sog. WOB-dell (cf. Krause/Womser-Hacker 1996) als Gestaltungsgrundlage gewählt. Dieses Mo-dell, das im Rahmen des an der Universität Regensburg durchgeführten Projekts WING-IIR entstand, nimmt mit seinen konstituierenden Prinzipien eine Mittelstellung zwischen softwareergonomischen Basisprinzipien und Detailvorschriften ein4.

Einer der Hauptvorteile des WOB-Modells, das bereits mehrfach bei kommerziellen An-wendungen die Basis bildete (z.B. Privat Organizer Version 3 der Mapware Datensyste-me oder das Werkstoffinformationssystem der MTU GmbH München) besteht darin, daß die nach ihm gestalteten Oberflächen doppelt interpretiert werden können, d.h. sowohl als Formular- als auch als Werkzeugkastensystem. Im ersten Fall erinnert die Oberfläche an die Formulare der Realwelt, die ausgefüllt einem „Bearbeiter", in diesem Falle dem System, zur Bearbeitung übergeben werden. Im zweiten Fall kann der Benutzer das Sy-stem als Werkzeugkasten interpretieren (und nach seinen Anforderungen modular ein-stellen), in dem verschiedene Werkzeuge auf verschiedene Objekte wirken und somit die Suchanfrage modifizieren, indem sie z.B. die Suchsemantik (exakte Suche vs. vages Re-trieval) einstellen. Somit kann ein und dieselbe Oberfläche für Anfänger und Experten gleichermaßen genutzt werden, womit ohne Mehrfachentwicklungen das breite Spek-trum der GESIS-Nutzer, angefangen vom Endverbraucher der CD-ROM-Dienste bis hin zu den hoch spezialisierten Rechercheuren in der GESIS bedient wird.5.

Literatur:

GESIS 1993/1994:

GESIS Jahresbericht 1993/1994, Verlag Pfälzische Post GmbH Neustadt/Weinstraße.

ISO 9241 (1991):

Ergonomie Requirements for Office Work with Visual Display Terminals, Part 10, Dialo-gue Principles, Committee Draft.

Krause, J. (1996):

Holistische Modellbildung als eine Antwort auf die Herausforderungen der Informations-wirtschaft, (in diesem Band).

Krause, J.; Zimmer, M. (1996) (eds.):

Informationsservice des IZ Sozialwissenschaften. Datenbankentwicklung und -nutzung, Netzwerke, Wissenschaftsforschung. Bonn.

4 Eine detaillierte Beschreibung des WOB-Modells erfolgt in Krause/Womser-Hacker 1996, Kap. 4.

5 Ein Beispiel für eine nach dem WOB-Modell realisierte Oberfläche findet sich in Stempfhuber 1996 (in diesem Band).

Krause, J.; Womser-Hacker, C. (1996) (eds.):

Vages Information Retrieval und graphische Benutzungsoberflächen - Beispiel Werkstof-finformation. Schriften zur Informationswissenschaft, Universitätsverlag. Konstanz.

Marx, J.; Mutschke, P.; Schommler, M. (1996):

Möglichkeiten der intelligenten Integration heterogener Datenbestände: das Projekt GESINE. IZ-Arbeitsbericht Nr2, Bonn.

Mutschke, P. (1995):

Relationale Datenbanksysteme im Vergleich: Eine Zwischenbilanz. IZ-Arbeitsbericht Nr.4, Bonn.

Mutschke, P. (1996):

Documentation of Conceptual and Physical Data Model 'IZ-Datenbank'. IZ-Arbeitsmate-rial Nr.5, Bonn.

Pfeifer, U. (1995a):

The enhanced freeWAIS distribution. Edition 0.5, for freeWAIS-sf 2.0. University of Dort-mund.

Pfeifer, U. (1995b):

WAIS: Inhaltsorientierte Suche im Internet. HTTPs älterer Bruder. iX 1/1995. S. 120-127.

Riege, U.; Schommler, M. (1996):

Von der Recherche bis zum Druck - alles aus einer Hand. Proceedingsband des Deut-schen Dokumentartags 1996 (in Vorbereitung).

Schommler, M. (1995):

Arbeitsabläufe für einzelne Aufgabenstellungen am IZ. IZ-Arbeitsmaterial Nr. 1, Bonn.

Siemens Nixdorf Informationssysteme (1992):

Styleguide. Richtlinien zur Gestaltung von Benutzeroberflächen. Benutzerhandbuch.

München.

Stempfhuber, M. (1996):

Intelligente graphische Informationssysteme und ihre Realisierung mit 4GL-Werkzeu-gen. Erfahrungen aus der Entwicklung des ZVEI-Verbandsinformationssystems ELVIRA mit dem 4GL-Werkzeug PowerBuilder 4.0 der Firma Powersoft, (in diesem Band)

Entwurf eines hypertextbasierten Katalogs für die