• Keine Ergebnisse gefunden

Das neue Geschäftsreglement vom 23. Januar 1945

Im Dokument Lohn- und Verdienstersatzordnung (Seite 52-57)

Lohn- und Verdienstersatzordnung

II. Das neue Geschäftsreglement vom 23. Januar 1945

Gemäß Art. 17, Abs. 3, der Ausführungsverordnung zur Lohn-ersatzordnung wird das Geschäftsreglement für die Schiedskom-missionen der Verbandsausgleichskassen durch das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement erlassen. Das Reglement vom 23. Ja-nuar 1945 wurde möglichst demjenigen der beiden Aufsichtskom-missionen angeglichen.

1. Allgemeines (Art. 1). Die Schiedskommissionen haben aus den Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern je einen Vizepräsi-denten zu wählen, damit die Parität auf dem Gebiete der Rechts-sprechung gewahrt wird. Im übrigen organisieren sich die Schieds-kommissionen selbst, wobei sie befugt sind, zur Behandlung der ihnen zugewiesenen Streitigkeiten paritätische Ausschüsse zu wäh-

len (Abs. 1). Zur Beschlußfähigkeit bedarf es immer der Anwesen-heit mindestens je eines Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreters, die im Verhinderungsfall nur durch Ersatzmänner, welche der gleichen Kategorie von Erwerbstätigen angehören, ersetzt werden dürfen. Bei jeder Sitzung müssen gleichviel Arbeitgeber- und Ar-beitnehmervertreter anwesend sein, wobei natürlich der Präsident nicht als solcher gilt. Wenn der Präsident an der Sitzung nicht teil-nimmt, so wird durch das Los entschieden, welcher von den beiden Vizepräsidenten als Vorsitzender amtet (Abs. 2). Die Schiedskom-missionen haben, wie die eidgenössische Aufsichtskommission für die Lohnersatzordnung, das Recht, Sachverständige beizuziehen (Abs. 3). Die Verhandlungen der Schiedskommissionen sind nicht öffentlich, weil im Zusammenhang mit den Beschwerden oft Fra-gen berührt werden müssen, die entweder als Geschäftsgeheimnisse der Arbeitgeber oder als zur persönlichen Geheimsphäre des Arbeit-nehmers gehörend zu betrachten sind. In Uebereinstimmung mit Art. 15, Abs. 1, der Ausführungsverordnung zur Lohnersatzordnung wird bestimmt, daß die Mitglieder der Schiedskommissionen ver-pflichtet sind, über ihre Wahrnehmungen anläßlich ihrer Funktio-nen Verschwiegenheit zu bewahren. Diese Vorschrift findet ihren strafrechtlichen Schutz in Art. 18, Abs. 2, der Ausführungsverord-nung zur LohnersatzordAusführungsverord-nung, wonach mit Bußen bis zu 10 000 Franken bestraft wird, wer die Schweigepflicht verletzt.

2. Sekretariat (Art. 2). Die meisten Schiedskommissionen haben bisher kein besonderes Sekretariat bestellt, sondern ließen dieses stillschweigend durch die Ausgleichskasse führen. Art. 2 legt nun ausdrücklich fest, daß die Kasse die Sekretariatsgeschäfte zu besor-gen hat, wenn von der Schiedskommission kein Sekretariat bestellt wurde. Diese Bestimmung ist vor allem mit Rücksicht auf die Ein-ziehung der den Beschwerdeführern auferlegten Spruchgebühren und Ordnungsbußen von Bedeutung, da dadurch die Kasse zur Stellung des Betreibungs- und Rechtsöffnungsbegehrens legitimiert ist, während nach der früheren Regelung hierüber Zweifel bestehen konnten (Abs. 3). Falls die Kasse das Sekretariat führt, darf sie nicht selbst die Vollstreckbarkeitserklärung ausstellen, weil sie Par-tei ist, sondern muß dies durch den Präsidenten besorgen lassen (Abs. 4). Gegen die Führung des Sekretariats durch die Aus-gleichskasse könnte eingewendet werden, sie entspreche nicht dem Grundsatz der Gewaltentrennung. Doch ist einmal zu bedenken, daß vor allem bei Inkrafttreten der Lohnersatzordnung und teilweise

auch noch heute es im Interesse der Sache liegt, wenn die Aus-gleichskasse, die ständig mit der Durchführung der Lohnersatzord-nung beschäftigt ist, die Schiedskommission, die sich nur von Fall zu Fall mit Fragen der Lohnersatzordnung befaßt, beraten kann.

Dazu würden durch die Errichtung besonderer Sekretariate vor allem für die kleineren Kassen erhebliche Mehrkosten entstehen, die durch die Beiträge der Mitglieder gedeckt werden müßten (Art. 2, Abs. 3). Die Präsidenten und Mitglieder der Schiedskommissionen sind außerdem von den Kassen unabhängig. Abgesehen davon bleibt den Beteiligten das Recht zur Beschwerdeführung an die eidgenössische Aufsichtskommission für die Lohnersatzordnung

gewahrt.

3. Zuständigkeit (Art. 3). Die Umschreibung der Zuständig-keit stimmt mit Art. 26 der Verbindlichen Weisungen und der bis-herigen Praxis der eidgenössischen Aufsichtskommission für die Lohnersatzordnung überein (Abs. 1). Die Beschwerde ist zulässig wegen Rechtsverletzung, wegen Unangemessenheit sowie wegen unrichtiger oder unvollständiger Feststellung des Sachverhaltes, so-daß die Schiedskommissionen die Kassenverfügungen sowohl in rechtlicher wie tatsächlicher Hinsicht frei überprüfen können. Die Beschwerde ist also auch zulässig wegen unrichtiger Akten- und Beweiswürdigung (Abs. 2).

4. Einreichung der Beschwerde (Art. 4). In Uebereinstimmung mit den bisherigen Vorschriften und der Praxis der eidgenössischen Aufsichtskommission für die Lohnersatzordnung wurde die dreißig-tägige Beschwerdefrist ausdrücklich als Verwirkungsfrist gekenn-zeichnet. Nach dem Entscheid der eidgenössischen Aufsichtskom-mission für die Lohnersatzordnung in Sachen Ferdinand Renggli vom 19. Dezember 1944 ist das Recht auf Nachforderung von nicht oder zu wenig bezogener Lohnausfallentschädigung gemäß Art. 6, Abs. 1, der Verfügung Nr. 41 nur verwirkt, wenn der Wehrmann sich nicht gegen eine abweisende formelle Verfügung der Kasse be-schwert. Wenn also ein Wehrmann, dem die Entschädigung vorn Arbeitgeber oder der Ausgleichskasse ausgerichtet wurde, ohne daß hierüber eine schriftliche Verfügung der Ausgleichskasse ergangen ist, nicht innert der dreißigtägigen Frist Beschwerde führt, so kann er den ihm nach seiner Auffassung zustehende Betrag noch inner-halb eines Jahres seit Ende desjenigen Monats, in welchem der den Anspruch begründende Aktivdienst geleistet wurde, geltend m.a-

chen. Ist dagegen wegen des Anspruchs auf Entschädigung bzw.

deren Ausmaßes eine Verfügung der Kasse ergangen, so muß der Wehrmann innert der dreißigtägigen Frist Beschwerde führen, an-sonst er sein Nachforderungsrecht gemäß Art. 6, Abs. 1, der Ver-fügung Nr. 41 verwirkt hat.

Die neue Bestimmung, wonach die angefochtene Verfügung und der Briefumschlag, in welchem diese zugestellt wurde, beizulegen sind, hat nach der Praxis der Aufsichtskommission in Bezug auf die entsprechende Bestimmung in ihrem eigenen Geschäftsreglement die Bedeutung einer Ordnungsvorschrift. Immerhin hat der Be-schwerdeführer, wenn es von ihm verlangt wird, nachzuweisen, daß

er die Beschwerdefrist eingehalten hat und zu diesem Zwecke den Briefumschlag einzusenden (Abs. 1). Hinsichtlich der Pflicht zur Vorlage einer Vollmacht durch einen allfälligen Vertreter des Be-schwerdeführers hat die Aufsichtskommission für die Lohnersatz-ordnung ihr Sekretariat angewiesen, falls der Vertreter trotz ergan-gener Aufforderung keine Vollmacht vorlegt, den Beschwerdeführer selbst anzufragen, ob der Vertreter bevollmächtigt worden sei, be-vär auf Nichteintreten erkannt wird. Dies erfolgte aus dem Grunde, um die Beschwerdeführer, die in der Regel nicht in der Lage wären, einen Verantwortlichkeitsprozeß gegen ihren Vertreter zu führen, nicht dessen Fehler entgelten zu lassen (Abs. 3).

5. Instruktion und vorsorgliche Maßnahmen (Art. 5). Die Präsidenten der Schiedskommissionen sind nicht ermächtigt, von sich aus Beweiserhebungen anstelle der kantonalen Behörden vor-zunehmen, da die Gesetzgebung auf dem Gebiete des Prozeßrechtes grundsätzlich Sache der Kantone ist. Wir verweisen auf das Ver-zeichnis der Amtsstellen, die von den kantonalen Departementen für die Vornahme von Beweiserhebungen zuständig erklät't wurden (Kreisschreiben vom 30. März 1943). Die Schiedskommissionen können direkt mit diesen Stellen verkehren, ohne vorher an die kan-tonalen Departemente zu gelangen.

6. Entscheidung der Beschwerden (Art. 6-8). Die Abgrenzung der Zuständigkeit zur Entscheidung der Beschwerden zwischen dem Präsidenten als Einzelrichter und der Gesamt-Kommission wurde neu umschrieben, da die bisherige Regelung von Art. 6, Abs. 2, des alten Geschäftsreglementes unseres Wissens nicht zur Anwendung gelangte. Die Zuständigkeit des Präsidenten als Einzelrichter wird nur beispielsweise umschrieben. In Zweifelsfällen ist es gegeben, die

Zuständigkeit der Gesamt-Kommission anzunehmen, da es er-wünscht ist, daß diese möglichst oft in Tätigkeit trete. Bei der Frage, ob die Entscheidung der Gesamt-Kommission auf dem Zirkula-tionsweg oder in mündlicher Beratung erfolgen soll, wird man im Zweifel zugunsten der letztem entscheiden. Die eidgenössische Auf-sichtskommission für die Lohnersatzordnung behandelt jeden Fall, in welchem auf dem Zirkulationsweg nicht Einstimmigkeit erzielt wird oder auch nur erhebliche Abänderungen in den Erwägungen des Urteilsentwurfes gewünscht werden, in mündlicher Beratung, auch wenn eine solche nicht ausdrücklich verlangt wurde.

7. Beweiswürdigung (Art. 9). Die Schiedskommissionen würdi-gen die tatsächlichen Verhältnisse nach freiem Ermessen. Da die eidgenössische Aufsichtskommission für die Lohnersatzordnung ge-mäß Art. 8 ihres Reglementes an die tatsächlichen Feststellungen der Schiedskommission gebunden ist, sofern sich diese nicht als aktenwidrig oder willkürlich erweisen, ist es im Interesse der Rechtssprechung von besonderer Bedeutung, daß die Schiedskom-missionen der Würdigung des Tatbestandes die größte Sorgfalt widmen.

8. Entscheid (Art. 10). Die Frist von 30 bzw. 45 Tagen zur Erledigung eines Streitfalles wurde beibehalten, da eine rasch ar-beitende Rechtssprechung auf diesem Gebiete eine Notwendigkeit ist. Der Entscheid hat eine Rechtsmittelbelehrung zu enthalten (vgl.

Kreisschreiben Nr. ,61 vom 24. Juli 1944, Ziffer 2, lit. aa). Den Schiedskommissionen stehen gegenüber den Beschwerdeführern und deren Vertretern die gleichen disziplinarischen Befugnisse wie der eidgenössischen Aufsichtskommission zu. Sie können also — wie bisher — in Fällen leichtsinniger oder böswilliger Beschwerdefüh-rung eine Spruchgebühr bis zu 300 Franken auferlegen. Die weitere Bestimmung: «Wer im Geschäftsverkehr mit den Schiedskommis-sionen den durch die gute Sitte gebotenen Anstand verletzt oder den Geschäftsgang stört, ist mit einem Verweis oder einer Ord-nungsbuße bis zu 100 Franken zu bestrafen», bezieht sich sowohl auf den Beschwerdeführer wie auf dessen Vertreter.

9. Inkrafttreten (Art. 11). Das neue Geschäftsreglement trat am 1. Februar 1945 in Kraft. Die vor diesem Zeitpunkt bei den Schieds-kommissionen anhängig gemachten Fälle sind noch nach den Be-stimmungen des früheren Reglementes zu behandeln.

57

Entscheide der eidgenössischen Aufsichtskommissionen für die Lohn- und Verdienstersatzordnung.

A. Entscheide der eidgenössischen Aufsichtskommission für die

Im Dokument Lohn- und Verdienstersatzordnung (Seite 52-57)