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DAS IST DIE ZUKUNFT!«

Im Dokument Streitfragen!: (Seite 32-39)

Auch Schwellen- und Entwicklungsländer können von mehr Energieeffizienz und der Nutzung Erneuerbarer Energien profitieren, meint Tanja Gönner von der Deutschen

Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit.

30 STREITFRAGEN 03|2014 INFRASTRUKTUR

TANJA GÖNNER

ist Vorstandssprecherin der Deutschen

Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Das bundeseigene Unternehmen ist in rund 130 Ländern aktiv.

Wie soll dieser Energiehunger gestillt werden? »Nachhaltig« ist die Antwort, die Deutschland auf diese Frage gibt. Die Energie-wende setzt auf Energieeffizienz und Erneuerbare Energien.

Dass wir die Energiewende umsetzen können, traut uns das Ausland zu. »Wenn ihr das nicht schafft, schafft es niemand«, sagte einer von vielen ausländischen Politikern, Wissenschaft-lern und Unternehmern, die wir für die Studie »Deutschland in den Augen der Welt – Rückschlüsse für die internationale Zu-sammenarbeit« nach ihrem Deutschlandbild gefragt haben.

Energieeffizienz ist der Schlüssel, um den Energieverbrauch zu senken oder wenigstens weniger schnell ansteigen zu lassen und ihn von der wirtschaftlichen Entwicklung zu entkoppeln.

Zudem ist dies nach Angaben der IEA die derzeit wirtschaft-lichste und vielversprechendste Option zur Minderung von Treibhausgasen.

Das spiegelt sich auch in der Zusammenarbeit mit unse-ren Partnern wider. Doch bis zur Umsetzung ist es oft ein langer Weg. Um förderliche Rahmenbedingungen für Energieeffizienz zu etablieren, bedarf es eines intensiven Aushandlungs- prozesses zwischen zahlreichen und sehr unterschiedlichen Akteuren: von Ministerien und Kommunalverwaltungen, Ver-bänden, Dienstleistern und wissenschaftlichen Instituten bis hin zu den Verbrauchern, Unternehmen und Privathaushalten.

Für die GIZ ist das eine von vielen Aufgaben, die wir im Auftrag der Bundesregierung in unseren Partnerländern umsetzen.

Energieeffizienz-Maßnahmen ergeben naturgemäß dort am meisten Sinn, wo auch viel Energie verbraucht wird: bei der Stromerzeugung und -verteilung, in der Industrie, in Privat-haushalten oder im Transport. Dazu braucht es zunächst ausrei-chend Wissen und Bewusstsein für einen rationalen Umgang mit Energie. Darauf aufbauend bedarf es energieeffizienter Technologien, geeigneter Finanzierungsoptionen und eines funktionierenden Marktes für Energiedienstleistungen. In Me-xiko beispielsweise unterstützt die GIZ im Auftrag des Bundes-ministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicher-heit die Steigerung der Energieeffizienz im Wohnungsbau – ein wichtiges Thema für das Schwellenland. Mexiko benötigt jähr-lich über eine halbe Million neuer Sozialwohnungen.

Vor ganz anderen Problemen stehen viele Menschen in we-niger entwickelten Ländern: Hier gibt es oftmals keinen Strom-zugang. Geheizt und gekocht wird mit Brennholz und Holzkoh-le. Und auch hier steigt der Bedarf mit dem Bevölkerungs- wachstum, wodurch Wälder zunehmend schwinden.

Daher gilt: Der Energiebedarf muss langfristig erneuerbar gedeckt werden. Erneuerbare Energien sind längst nicht mehr nur Optionen für umweltbewusste Verbraucher in reichen Industrieländern. In zahlreichen Schwellen- und Entwicklungs-ländern haben sie sich zu wirtschaftlichen Alternativen zu fossilen Energieträgern entwickelt.

Viele Länder, in denen die GIZ arbeitet, haben dabei sehr gute Voraussetzungen für den Ausbau Erneuerbarer Energien. Kon-ventionelle Alternativen sind meist relativ teuer und auch nicht immer ausreichend verfügbar. Erneuerbare Energien sind daher in ländlichen, dünn besiedelten Gegenden häufig die kosten-günstigste Option, um die Grundbedürfnisse der Menschen zu befriedigen: Solarmodule können Licht, Biogasanlagen Gas zum Kochen produzieren, durch energiesparende Herde wird weni-ger Feuerholz oder Dung benötigt – eine wichtige Vorausset-zung im Kampf gegen die in vielen Regionen fortschreitende Übernutzung der natürlichen Ressourcen.

Der verstärkte Einsatz von Erneuerbaren Energien zielt zudem auf eine kostengünstigere Versorgung mit Infrastruk-turleistungen wie Trinkwasser, Gesundheit, Bildung und Kom-munikation. Erneuerbare Energien leisten einen signifikanten Beitrag zur Kosteneffizienz und Versorgungssicherheit. Die GIZ unterstützt ihre Partner etwa dabei, Technologien wie Solar- Home-Systeme oder Kleinwasserkraftanlagen im ländlichen Raum zu verbreiten.

Den Blick in die weitere Zukunft der Energie in Deutschland und der Welt wollen wir mit einer Delphi-Befragung liefern, die wir zusammen mit dem Bundesverband der Energie- und Wasser-wirtschaft und PricewaterhouseCoopers starten. Ziel ist es, die Zukunft der Energie in Deutschland im globalen Kontext zu denken und die Diskussion über die Gegenwart hinaus zu wei-ten, losgelöst von aktuellen, oftmals sehr fokussierten Fragestel-lungen. Es gilt, eine globale und themenübergreifende Perspek-tive einzunehmen und einen weltweiten Dialogprozess zu starten, um nicht nur mögliche Szenarien der deutschen Ener-giesituation in 30 Jahren zu entwickeln, sondern auch einen Bei-trag zu leisten, damit die Energiewende kein deutscher Sonder-weg wird, sondern integriert und weltweit geschieht.

Die Langversion dieses Beitrags mit noch mehr Hinter-gründen zur nachhaltigen Energieversorgung weltweit finden Sie in der App-Version dieser Ausgabe.

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31 INFRASTRUKTUR STREITFRAGEN 03|2014

Die Energiewirtschaft muss hohe Investitionen stemmen – die deutschen Versicherer suchen

langfristige Kapitalanlagen mit attraktiver Rendite.

Eigentlich wären die Branchen ideale Partner.

Doch EU-Regeln machen Netze und Kraftwerke unattraktiv für die Assekuranz, erklärt

Dr. Paul-Otto Faßbender von der ARAG.

DR. PAUL­OTTO FASSBENDER

ist Mehrheitsaktionär und Vorstandsvorsitzender des ARAG Konzerns. Die ARAG ist das größte Familienunternehmen der deutschen Versicherungs- wirtschaft und in insgesamt 15 Ländern aktiv.

Herr Dr. Faßbender, Sie haben sich zusammen mit anderen Versicherungsunternehmen mit der Frage beschäftigt, ob und wie die Versicherungswirtschaft in Erneuerbare Energi-en, Strom- und Gasnetze etc. investieren kann. Sind Sie zu gemeinsamen Schlüssen gekommen?

DR. PAUL­OTTO FASSBENDER Wir haben uns im Kreis eini-ger Versicherungsunternehmen hier in Nordrhein-Westfalen recht intensiv mit diesem Thema beschäftigt. Für uns war das naheliegend. Schließlich ist NRW die Energieregion Nummer eins in Deutschland. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass wir viele Möglichkeiten sehen, in die gesamte Energieinfra-struktur zu investieren. Allerdings haben wir auch recht schnell erkennen müssen, dass die Investitionshemmnisse sehr hoch sind. Wir stehen entsprechend erst am Anfang eines offenbar sehr, sehr langwierigen Prozesses.

Wie passen die Anforderungen der Versicherungswirtschaft an Sicherheit und Rentabilität von Investitionen zu den An-forderungen der Energiewirtschaft an ihre Finanzpartner?

Wächst da zusammen, was zusammengehört, wie manche Experten glauben?

FASSBENDER Sie passen sehr gut zusammen. Die deutschen Versicherer sind mit Kapitalanlagen von mehr als 1 300 Milliar-den Euro die mit Abstand größten institutionellen Anleger im Land. Zugleich sucht die Assekuranz in der aktuellen Tiefstzins-phase dringend nach neuen Anlagemöglichkeiten. Dabei ist sie an langfristigen Investitionen interessiert. Zeiträume von 20, 30 Jahren schrecken uns nicht – ganz im Gegenteil. Ich bin fest da-von überzeugt, dass die Energiewende nicht nur durch Fremd-kapital, sondern vor allem in hohem Maße durch Eigenkapital zu finanzieren ist. Das ist die Domäne der Assekuranz. Sie kann Eigenkapital etwa über Spezialfonds, aber auch Fremdkapital durch den Kauf von Unternehmensanleihen langfristig bereit-stellen. Die Kreditwirtschaft sieht sich durch Basel III bei der Vergabe von Fremdkapital mit sehr hohen Anforderungen kon-frontiert, so dass die Finanzierungsmöglichkeiten durch Ban-ken bei diesen sehr langfristigen Engagements erheblich einge-schränkt sind. Insofern wären Versicherungen die idealen Finanzpartner für die Energiewirtschaft.

Im Jahr 2011 hat eine Gruppe von Versicherungen und Ver-sorgungswerken die Mehrheit am Übertragungsnetzbetrei-ber Amprion üÜbertragungsnetzbetrei-bernommen. Damals sind einige Branchen-beobachter davon ausgegangen, dass weitere Investitionen der Assekuranzbranche vor allem im regulierten Bereich der Energiewirtschaft folgen würden. 2013 hat der GDV ein Posi-tionspapier dazu veröffentlicht. Passiert ist aber seitdem nicht viel. Erwarten Sie weitere große Transaktionen?

FASSBENDER Die damalige Transaktion zeigte als Eigenkapi-talfinanzierung bereits in die richtige Richtung. Die Hoffnun-gen erwiesen sich aber als deutlich verfrüht. Das Positionspa-pier des GDV macht dabei sehr klar, wo die Schwierigkeiten für weitere Investitionen liegen. Die Versicherer möchten gerne in-vestieren, aber die regulatorischen Hemmnisse sind immens.

Der Bundesverband deutscher Banken hat ebenfalls die Investi-tionsmöglichkeiten der Kreditwirtschaft im Energiesektor be-leuchtet und kommt auch zu dem Schluss, dass durch das Regel-werk Basel III die Bereitstellung von Fremdkapital für die Energiewirtschaft erheblich schwieriger geworden ist. Wenn ich beide Papiere nebeneinander lege, kann ich schon den Eindruck gewinnen, dass die Energiebranche eigentlich vom europäi-schen Kapitalmarkt abgeklemmt ist. Es ist jedenfalls kein Wun-der, dass die deutsche Assekuranz noch nicht einmal ein Pro-zent ihrer Kapitalanlagen in Energieerzeugung und Netze investiert. Für größere Transaktionen sehe ich im Moment eher wenig Chancen.

34 STREITFRAGEN 03|2014 INFRASTRUKTUR

Welche Hindernisse sehen Sie für ein verstärktes Engage-ment der Versicherungswirtschaft im Energiesektor?

FASSBENDER Das hat nichts mit meiner persönlichen Wahr-nehmung zu tun. Die Investitionshemmnisse sind groß und be-ruhen auf den Vorgaben der Regulierungsbehörden. Bekannt ist die Anforderung des Regelwerkes Solvency II für die europäi-schen Versicherer, wonach Investitionen in Energieerzeugung und Energieinfrastruktur mit 49 Prozent Risikokapital zu hin-terlegen sind. Unter bestimmten Bedingungen kann dieser An-teil sogar auf 59 Prozent anwachsen. Im Klartext: Wenn ich im Energiesektor eine Milliarde Euro investieren will, muss ich gut 1,5 Milliarden Euro in die Hand nehmen. Rendite bekomme ich aber nur auf die direkt investierte Summe. Damit gelten für die Energiewirtschaft in den Augen des Regulators dieselben Re-geln wie für Hedgefonds. Es sind Hochrisiko-Investitionen. An-gesichts dieser Rahmenbedingungen überlegt es sich jeder Ver-sicherer sehr genau, ob er sich diese Belastungen ins Buch holen will. Ob daraus volkswirtschaftliche Vernunft spricht, ist eine ganz andere Frage.

Wie müsste der regulatorische Rahmen angepasst werden, Stichwort »Solvency II«? Wie weit sind die Bemühungen ge-diehen, eine eigene Risikoklasse für vergleichsweise sichere Investitionen in Energie- und Infrastrukturprojekte zu eta-blieren?

FASSBENDER Der Vorschlag einer eigenen Risikoklasse macht Sinn und würde die Bedeutung der Energiewende auch aus poli-tischer Sicht unterstreichen. Aber: Die Energiewende ist eine deutsche Erfindung. Solvency II hingegen ist ein europäisches Regelwerk. Die europäische Versicherungsaufsicht EIOPA hat Mitte Juni erläutert, dass sie einem Abbau von Investitions-hemmnissen nur zustimmt, wenn mehr Daten zur technischen Zuverlässigkeit insbesondere bei den Erneuerbaren Energien vorliegen. Bei Offshore-Windparks kann ich das auch nachvoll-ziehen. Wir reden in Deutschland aber nicht nur über diese Energiequelle, sondern vor allem über eine Erneuerung und den Ausbau der Netzsysteme. Diese Investitionen brauchen wir dringend und hier haben wir es mit erprobter Technik zu tun.

Ich gehe davon aus, dass durch das klare Votum der EIOPA, die Finanzierungshemmnisse zunächst zu belassen, derzeit kein

Versicherer mehr in den Energiesektor investieren wird.

Schließlich würde das sehr schnell kritische Fragen bei den ei-genen Aktionären auslösen.

EU-Regeln machen es für Anleger nahezu unmöglich, gleichzeitig in die Erzeugung und in den Transport von Energie zu investieren – Stichwort »Unbundling«. Finden Sie diese Entflechtung auch bei der Finanzierung problema-tisch? Wenn ja: Kann es hier eine Lösung geben, und wie müsste sie aussehen?

FASSBENDER Ja, das ist problematisch, weil der Versicherer nicht entlang der Wertschöpfungskette investieren kann. Der Versicherer kann nur in die Erzeugung oder das Netz investie-ren. Damit wird das zur Verfügung stehende Finanzierungsvo-lumen deutlich eingeschränkt. Hier wäre etwas mehr Spielraum hilfreich – so wie es auch der GDV bereits vorgeschlagen hat. Für wichtiger halte ich es aber, dass wir einen Weg finden, Investiti-onen in die Energiewirtschaft dem sogenannten mögen der Versicherer zuordnen zu können. Das Sicherungsver-mögen ist derjenige Kapitalstock des Versicherers, aus dem heraus er die Leistungsansprüche seiner Kunden bedient. Für dieses Vermögen gelten natürlich ganz besonders strenge Anla-gekriterien. Der stark regulierte Energiesektor würde sich hier in meinen Augen für ein entsprechend verlässliches Engage-ment gut eignen. Schließlich unterliegt auch die Energiewirt-schaft gerade in Deutschland einer starken Regulierung. Ob uns diese Regulierung auch auf die wichtige Frage der Investitions-sicherheit die notwendigen Antworten liefert, ist ein ganz ande-res Thema. Dennoch glaube ich, dass eine Zuordnung von Inves-titionen in die Energiewirtschaft zum Sicherungsvermögen die Investitionsneigung der Assekuranz in diesem Bereich erhöhen würde. Dreh- und Angelpunkt bleiben aber die sehr hohen An-forderungen bei der Unterlegung von Risikokapital. Das ist zu-nächst das zentrale Investitionshemmnis für den umfassenden Eintritt unserer Branche als Investor in die Energiewirtschaft.

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