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BEGINNT IM HÖRSAAL

Im Dokument Streitfragen!: (Seite 42-46)

COLIN DE VRIEZE

studiert Elektrotechnik an der Rheinisch- Westfälischen Technischen Hochschule Aachen.

Er engagiert sich im VDE YoungNet, dem Netzwerk der Studierenden im Elektrotechnik- Verband.

haben und abwechslungsreich sein. Dann ist der Ort wichtig, viele Absolventen wollen in der Region bleiben. Die Bewerber erwarten Weiterbildungsmöglichkeiten und einen sicheren Arbeitsplatz.

… und Geld spielt keine Rolle?

DE VRIEZE Das Gehalt soll stimmen. Geld ist aber nicht das Wichtigste. Übrigens wünschen sich viele Absolventen auch noch einen internationalen Bezug ihrer Arbeit.

Herr de Vrieze, Sie stehen vor dem Bachelor-Abschluss in Elektrotechnik. Wenn Sie mit Ihren Kommilitonen über po-tenzielle Arbeitgeber reden – worauf achten Sie?

COLIN DE VRIEZE Ich glaube, dass meine Generation sehr in-dividuell ist in ihren Anforderungen und Wünschen. Bei der Entscheidung für einen Arbeitgeber spielen die klassischen Fak-toren wie Reputation und Größe des Unternehmens nach wie vor eine wichtige Rolle. Außerdem muss die Arbeit einen Sinn 40 STREITFRAGEN 03|2014 NACHWUCHS

KERSTIN ABRAHAM

ist Vorstandsmitglied der Stadtwerke Krefeld. Das kommunale Unternehmen mit den Geschäftsfeldern Energie, Wasser, Entsorgung und Verkehr beschäftigt knapp 2 600 Mitarbeiter.

Frau Abraham, was kann die Energiewirtschaft Bewerbern mit solchen Erwartungen bieten?

KERSTIN ABRAHAM Die jungen Leute wollen etwas Sinnvol-les tun – das können sie bei uns. Wir gestalten mit der Energie-wende ein wichtiges Stück Zukunft. Das müssen wir stärker herausstellen, im Moment dominiert in der öffentlichen Dis-kussion leider eher die Krise unserer Branche. Und: Absolven-ten, die einen sicheren Arbeitsplatz suchen, finden den weiter-hin bei Versorgungsunternehmen.

Reicht das zum Sieg im »War for Talents«?

ABRAHAM Wir haben viel zu bieten, müssen uns aber noch stärker mit den veränderten Erwartungen auseinandersetzen.

Unsere Aufgabe ist, zu verstehen, wie die jungen Talente von heute wirklich ticken. Um dann die passenden Jobprofile und Arbeitszeitmodelle zu entwickeln, brauchen wir auch die Unter-stützung der Betriebsräte und der Tarifpartner.

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Manche Unternehmen fördern Talente direkt. Was halten Sie davon?

DE VRIEZE Förderprogramme, Preise und Stipendien sind sehr positiv, doch da findet selten Bindung statt. Die Studenten freuen sich über das Geld. Aber sie erwarten darüber hinaus, dass das Unternehmen auf sie zugeht und einen nachhaltigen Kontakt aufbaut.

Frau Abraham, auch die Stadtwerke Krefeld vergeben Sti-pendien. Wie stark binden Sie die Empfänger an Ihr Haus?

ABRAHAM Momentan läuft der Kontakt vor allem über die Personalabteilung. Bei der Einbindung in die Organisation kön-nen wir in der Tat noch besser werden. Auch da zeigt sich: Das Werben um junge Talente erfordert künftig mehr Einsatz der Fachabteilungen. Da müssen auch unsere Führungskräfte um-denken.

Sie erwähnten eben, dass Sie den veränderten Erwartungen der Berufseinsteiger mit neuen Modellen entgegenkommen wollen. Was heißt das konkret?

ABRAHAM Wir müssen uns lösen von einer Karriereplanung, die auf Geld, Dienstwagen und Personalverantwortung zielt.

Immer mehr Nachwuchskräfte sagen, dass sie gar keine Perso-nalverantwortung wünschen. Denen müssen wir eine Exper-tenlaufbahn ermöglichen.

DE VRIEZE Natürlich gibt es diese Leute, aber wir sollten das nicht verallgemeinern. Ich kenne viele, die gerade die Personal-verantwortung suchen und fürchten, in einer Expertenlauf-bahn als Fachidioten zu enden …

ABRAHAM … und wieder andere wollen regelmäßig die Aufga-be wechseln. Für die brauchen wir eine Projektlaufbahn. Die würde zugleich helfen, das Know-how älterer Mitarbeiter im Unternehmen zu halten: Sie könnten zum Ende des Berufs-lebens die Zahl der Arbeitsstunden verringern, aber weiter ihr Know-how einbringen und zugleich als Mentoren für junge Leute wirken.

Wir haben gerade viel über die Ansprüche und Bedürfnisse der Bewerber gelernt. Aber: Was brauchen die Unternehmen?

Welche Kompetenzen erwarten sie von Berufseinsteigern?

ABRAHAM Aufgrund der zunehmenden Digitalisierung brauchen die Unternehmen immer mehr Leute mit IT-Affinität.

Darüber hinaus benötigen wir Mitarbeiter, die die gesamte Pro-zesskette von der Erzeugung und Beschaffung bis zum Vertrieb und Kundenservice im Blick behalten können. Denn unsere Märkte verändern sich schnell. Wir müssen an der einen Stelle reagieren und dabei die Auswirkungen auf alle anderen Bereiche Herr de Vrieze, ein Personalmanager von RWE hat im

Ge-spräch mit den »Streitfragen!« erklärt, die Energiewende mache die Branche wieder sexy. Stimmen Sie zu?

DE VRIEZE Auf jeden Fall. Viele Interessenten messen offene Stellen und Unternehmen daran, wie viel man dort zur Energie-wende beitragen kann.

Dann dürfen die Stadtwerke Krefeld mit vielen Bewerbun-gen Ihrer Aachener Kommilitonen rechnen?

DE VRIEZE Frau Abraham wird das nicht gerne hören, aber die lokalen Energieversorger haben ein schlechtes Image bei den Absolventen. Viele Studenten denken, dass die Energiewende gerade nicht beim lokalen Versorger stattfindet oder dort noch nicht angekommen ist. Ähnlich ist es bei der konventionellen Erzeugung. Die gilt als eher rückwärts gewandt und damit unat-traktiv, obwohl die fossilen Kraftwerke für die Energiewende eminent wichtig sind.

Frau Abraham, da steht Ihnen noch einige Aufklärungs-arbeit bevor …

ABRAHAM Wir tun lokal und regional schon viel – aber es stimmt, wir müssen als Branche unser Arbeitgeberimage ver-bessern. Und die Stadtwerke-Landschaft ist sehr heterogen. Ich erlebe immer wieder junge Menschen, die als Werkstudenten oder Praktikanten zu uns ins Haus kommen und begeistert sind von der Vielfalt der Aufgabenfelder, von der Dynamik und Ge-schwindigkeit in unserem Konzern. Die sagen: »Das habe ich mir nicht so vorgestellt.«

Was unternehmen Sie, um den akademischen Nachwuchs für Ihr Unternehmen zu interessieren?

ABRAHAM Die Stadtwerke Krefeld kooperieren beispielsweise mit der Hochschule Niederrhein und unterstützen dort das SWK Energiezentrum E2. Durch gemeinsame Projekte bekom-men wir frühzeitig Kontakt zu Studierenden. Das müssen wir ausbauen.

DE VRIEZE Hochschulkooperationen sind sicherlich der beste Weg. Denn die Mitarbeiter der Institute und die Professoren un-terstützen die Studierenden aktiv bei der Berufsorientierung.

Auch Gastvorlesungen und Vortragsabende sind für meine Kommilitonen und mich sehr attraktiv.

Welche Rolle spielen Praktika?

DE VRIEZE Dafür sollte sich die Branche noch stärker öffnen.

Denn viele Studierende der Elektrotechnik und anderer eher the-oretischer Fachrichtungen wissen gar nicht, was die großen Un-ternehmen alles machen. Aber auch ein Praktikum muss indivi-duelle Anforderungen berücksichtigen. Der eine sucht vielleicht ein Schnupperpraktikum, bei dem er alle Sparten des Unterneh-mens kennen lernt. Der andere muss sich zwischen Praktikum und Ferienjob entscheiden – dann ist es eine finanzielle Frage.

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Ist die Ausbildung im dualen System denn überhaupt noch zeitgemäß?

ABRAHAM Auf jeden Fall. Unser duales Ausbildungssystem bleibt ein wichtiger Motor unserer Volkswirtschaft. Aber es muss sich verändern, sich auf andere Zielgruppen und noch schneller auf veränderte Bedarfe der Unternehmen einstellen.

Herr de Vrieze, Sie haben sich fürs Studium entschieden. Be-rührt Sie eine Diskussion über das duale Ausbildungssys-tem eigentlich?

DE VRIEZE Ja, schon weil einige meiner Freunde nach der Schule eine Ausbildung angefangen haben. Ich finde es wich-tig, dass der Übergang zwischen beiden Wegen möglich ist. So, wie der Facharbeiter mit Meisterbrief studieren kann, muss der Wechsel vom Studium zur Ausbildung möglich sein. Das Been-den des Studiums zugunsten einer Ausbildung darf kein Makel sein – es sollte einfach als Verlagerung des Schwerpunkts ak-zeptiert werden.

des Unternehmens beachten. Dieses Denken an die Konsequen-zen passt zu einer Generation, die sich so stark für die Folgen ihres Handelns interessiert.

Die Unternehmen suchen nicht nur Hochschulabsolventen, sondern auch Auszubildende. Wie kann die Energiewirt-schaft für Schülerinnen und Schüler attraktiv bleiben?

ABRAHAM Wir spüren zwei Effekte: Wir haben immer weni-ger Schulabgänweni-ger – und fast die Hälfte eines Jahrgangs macht Abitur. Die meisten beginnen dann ein Studium. Deshalb müs-sen sich die Unternehmen verstärkt Bewerberinnen und Bewer-ber mit anderen Schulabschlüssen ansehen. Wir haben so viele Talente, die kein Abitur haben, und die müssen wir auch gewin-nen! Wir sollten sie schon in der Schule begeistern. Außerdem müssen wir mehr Mädchen und junge Frauen an Naturwissen-schaften und Technik heranführen.

DE VRIEZE Da würde eine praxisnahe Gestaltung des Unter-richts helfen. Heute wird vielen Schülerinnen und Schülern gar nicht erklärt, was sie später mit Mathematik und Physik anfan-gen können. Dann glauben sie, dass das nur etwas für Nerds ist.

In Aachen starten wir gerade eine Studenteninitiative: Wir wol-len Schuwol-len eine Physikstunde mit Versuchen anbieten – inklusi-ve Lötkolben für die Kinder.

Wie kommen Sie an die Jugendlichen heran, die sich in der Phase der Berufsorientierung befinden? Wie ist das Timing, und welche Kanäle muss man wählen?

DR. FRANK BRINKMANN Als regionales Versorgungsunter-nehmen mit großer Reputation in Dortmund und Umgebung hat DEW21 bisher keine Nachwuchssorgen: 20 Ausbildungsplät-ze besetAusbildungsplät-zen wir im Jahr – und noch bekommen wir gut 700 Be-werbungen! Früher waren es deutlich mehr – insofern sehen wir bereits die Auswirkungen des demografischen Wandels. Außer-dem interessieren sich die meisten Jugendlichen heute eher für eine kaufmännische Ausbildung: Wir suchen aber vor allem Verstärkung für unsere technischen Bereiche, z.B. Anlagenme-chaniker. Deshalb unterstützen wir im Rahmen unseres gesell-schaftlichen Engagements zahlreiche Informations- und Bil-dungsangebote schon für Kinder: Dazu gehören die Förderung von MINT-Schulprojekten in Kooperation mit dem Dortmunder Kindertechnologiezentrum, die Veranstaltung von Energie-seminaren im Rahmen eines städtischen Schulprogramms, Schulzeitungsprojekte und spezielle Förderprogramme für Mädchen über den Girls Day hinaus.

Was können Unternehmen aus der Energiewirtschaft dem Nachwuchs anbieten? Gibt es Angebote, die nur Energiever-sorger machen können?

BRINKMANN Die Energiewirtschaft mausert sich: Die techni-schen Herausforderungen aus dem Umbau unserer Versorgung haben zu einer Reihe neuer, anspruchsvoller Berufsbilder ge-führt. Wir bieten Einblicke in eine Branche, die sich mittlerwei-le im ständigen Wandel befindet – erst recht in den Unterneh-men, die die Zeichen der Zeit frühzeitig erkannt haben und neue Wachstumsfelder erschließen.

Wie stehen die Energieversorger im Wettbewerb mit ande-ren Branchen da? Wer hat in Sachen Berufsorientierung der-zeit die Nase vorn?

BRINKMANN Keine Frage: Die Autobranche steht bei vielen Jugendlichen immer noch höher im Kurs – diese Faszination ist kaum zu brechen. Aber vor allem die regionalen Versorgungsun-ternehmen haben durch ihre Bodenständigkeit in der Regel ei-nen Trumpf in der Hand. Wichtig und entscheidend dürfte in Zukunft der Spagat sein: ein zukunfts- und gleichzeitig wertori-entierter Arbeitgeber mit moderner Markenführung zu sein.

Welches Best-Practice-Beispiel aus der Branche oder aus Ihrem Hause würden Sie anderen Unternehmen zur Nach-ahmung empfehlen?

BRINKMANN DEW21 ist in der komfortablen Lage, zusammen mit unserem Mutterkonzern DSW21 eine Ausbildungswerkstatt unterhalten zu können, in der auch für andere Dortmunder Un-ternehmen und über Bedarf eine qualitativ hochwertige Ausbil-dung geboten wird. Kooperation ist also durchaus ein Schlüssel.

Attraktive Arbeitgeber müssen sich künftig als moderne, zukunfts- und wertorientierte Unternehmen präsentieren, meint DEW-Chef Dr. Frank Brinkmann.

REGIONALE VERSORGER HABEN

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