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3. Energieeffizienz in privaten Haushalten: Potenziale und Hemmnisse

3.2 Darstellung der Hemmnisfaktoren

Dieser Abschnitt dient der strukturierten Darstellung der Hemmnisfaktoren, die im Bereich privater Haushalte wirken. Hemmnisse werden dabei als Mechanismen definiert, die eine Entscheidung oder eine Verhaltensweise unterbinden, welche sowohl energieeffizient als auch wirtschaftlich effizient wäre (Sorrell 2004b: 8).

In der folgenden Darstellung marktbasierter, finanzieller, informatorischer und verhaltensbasierter Hemmnisse spiegeln sich Konzepte aus verschiedenen Bereichen ökonomischer Theorie, wie der neoklassischen Ökonomie, der Transaktionskosten-Ökonomie und der Verhaltensökonomie (wobei letztere zum Teil auf Erkenntnissen der Sozialpsychologie basiert) (für einen Überblick siehe Sorrell 2004b: 33-51). Die Annahmen der neoklassischen Ökonomie liefern zwar eine gute Basis für das Verständnis der Hemmnisfaktoren. Durch die zusätzliche Berücksichtigung weiterer Erklärungsansätze, wie der Transaktionskosten-Ökonomie und der Verhaltensökonomie, wird jedoch ein umfassenderer Einblick in die Beschaffenheit der Hemmnisstruktur ermöglicht (Gillingham et al. 2009: 608, Sorrell 2004b: 26, Stern 1986: 202).

3 Dieser Wahlfreiheit wurde mit der Verordnung (EG) Nr. 244/2009 der Europäischen Kommission vom 18.

März 2009 ein Ende gesetzt. Die Verordnung legt fest, dass konventionelle Glühbirnen schrittweise vom Markt genommen werden müssen.

Marktbasierte Hemmnisse

Eine mögliche Erklärung dafür, dass das Optimum an realisierbaren Energieeinsparungen nicht erreicht werden kann, ist das Vorliegen von Marktversagen. Von Marktversagen wird gesprochen, wenn durch das freie Wirken der Marktkräfte keine effiziente Allokation der Ressourcen herbeigeführt werden kann. Eine Quelle dieser Art des Marktversagens ist die Prinzipal-Agenten-Problematik, der zufolge zwei Akteure, die miteinander einen Vertrag eingehen, über unterschiedliche Ziele oder Anreize verfügen. Im Bereich Energieeffizienz kann diese Problematik dann auftreten, wenn beispielsweise ein Vermieter nicht in eine energieeffiziente Ausstattung des vermieteten Wohnraums investiert, weil nicht er selbst, sondern der Mieter davon profitieren würde (Brohmann et al. 2009: 2, Brown 2001: 1200, Gillingham et al. 2009: 606, Golove und Eto 1996: 9, IEA 2007b, Jaffe und Stavins 1994a:

44, Sorrell 2004b: 42, Thomas et al. 2008: 44).

Auch das Auftreten externer Effekte ist eine Form des Marktversagens. Externe Kosten entstehen dann, wenn aus dem Handeln einer Person Nachteile für andere bzw. die Allgemeinheit entstehen (Mankiw 2004: 12f), beispielsweise wenn durch Energiekonsum und die damit verbundenen Treibhausgas-Emissionen Umweltschäden entstehen. Spiegeln sich diese externen Kosten, die beim Energieverbrauch entstehen, nicht in den Energiepreisen wider - werden sie also nicht internalisiert - führt dies zu einem Energieverbrauch, der über dem sozialen Optimum liegt und zu einem zu geringen Niveau an Investitionen in Energieeffizienz (Brown 2001: 2100, Brown et al. 1998: 299, Gillingham et al. 2009: 604, IEA 2007b: 21).

Informatorische Hemmnisse

Darüber hinaus fehlen den Konsumenten häufig relevante Informationen hinsichtlich der Möglichkeiten, ihren Energieverbrauch zu reduzieren bzw. hinsichtlich der Energieleistung verschiedener Technologien (Brown et al. 1998, Kriström 2008: 95, Sathaye und Murtishaw 2004: 5, Sorrell 2004b: 58, Wilson und Dowlatabadi 2007: 172). Die Informationsgrundlage, an der Haushalte ihr Konsumverhalten ausrichten, ist oft lückenhaft und die Entscheidungen daher selten an objektiv rationalen Kriterien festzumachen (Brechling und Smith 1994: 49, Duscha et al. 2006a: 37, Stern 1986: 205). Inwiefern Konsumenten leichten Zugang zu relevanten Informationen haben, hängt auch von externen Faktoren ab, etwa davon, ob Händler energieeffiziente Haushaltsgeräte aktiv bewerben und die Kunden darüber in Kenntnis setzen, welche Geräte am effizientesten sind (Bürger und Wiegmann 2007: 20).

Oder davon, ob Energieversorgungsunternehmen den Verbrauchern detailliertes und zeitnahes

Feedback über ihren Energiekonsum geben. Jährliche Erfassungszeiträume hingegen geben keinerlei Anhaltspunkte, wann genau wie viel Strom verbraucht wurde und welche Einsparungen realisierbar wären. Differenzierte Betrachtungen des eigenen Stromverbrauchs sind so nicht möglich und es werden keine Anreize gesetzt, den eigenen Energieverbrauch zu kontrollieren (Duscha et al. 2006a: 38).

Energieeffizienz ist zudem eine unsichtbare Produkteigenschaft und stellt somit kein isoliertes Kriterium dar, das beim Kauf ausschlaggebend wäre (Gillingham et al. 2009: 606, IEA 2003:

4). So konkurriert ein Gerät, das besonders wenig Strom verbraucht, häufig mit einem ähnlichen Produkt, das durch Design und ein Mehr an Komfort überzeugt, oder schlichtweg billiger ist (Brown 2001: 1203). Demgegenüber erleichtern Vergleichsdaten bezüglich Kosten und Leistung unterschiedlicher Produkte dem Käufer die Entscheidung zugunsten eines energieeffizienten Geräts, das aufgrund niedrigerer Betriebskosten langfristig rentabler ist (Duscha 2008: 145).

Ein weiterer Aspekt informatorischer Hemmnisse ist, dass bei der Beschaffung und Verarbeitung relevanter Informationen Transaktionskosten entstehen. Transaktionskosten sind dann besonders hoch, wenn Informationen schlecht dargestellt werden oder die Informationsquelle nicht vertrauenswürdig erscheint, da es auf diese Weise für den Adressaten schwieriger wird, die Information richtig zu verarbeiten bzw. zu verifizieren (Stern 1986: 204, 206). Persönliche Kontakte bzw. die Seriosität der zuständigen Institution scheinen der erfolgreichen Informationsvermittlung und -verarbeitung hingegen besonders zuträglich (Sorrell 2004b: 84, Stern et al. 1986: 212). Die große Anzahl unterschiedlicher Geräte, die im Haushalt zum Einsatz kommen, sowie die kontinuierliche Veränderung des Marktes durch technologische Erneuerungen tun ein weiteres dazu, die Gesamtkosten der Informationsbeschaffung hoch zu halten (Duscha et al. 2006a: 37, IEA 2003: 155, Jaffe und Stavins 1994a: 44). Zudem ist anzunehmen, dass Konsumenten dem Thema Energieeffizienz nur wenig Priorität beimessen, da Energiekosten nur einen verhältnismäßig geringen Anteil der gesamten Haushaltskosten ausmachen (Brown 2001: 1199, 1202). Wenn also in der persönlichen Bilanz die Transaktionskosten den zu erwartenden Nutzen überwiegen, ist es unwahrscheinlich, dass Investitionen in Energieeffizienz getätigt, bzw. Anstrengungen unternommen werden, den Energieverbrauch im Haushalt zu senken (IEA 2007b: 21-23).

Finanzielle Hemmnisse

Investitionen in energieeffiziente Produkte und Technologien können auch aufgrund finanzieller Restriktionen ausbleiben (Blumstein et al. 1980: 356f, Brown 2001: 1202).

Insbesondere für einkommensschwache Haushalte kann es schwierig sein, das nötige Kapital für energieeffiziente Investitionen aufzubringen. Hinzu kommt, dass die Struktur des Kapitalmarktes vielen Haushalten den Zugang zu günstigen Krediten verwehrt und so deren Finanzierungsspielraum weiter einschränkt (Brechling und Smith 1994: 45, Brown et al.

1998: 299, Kriström 2008: 95, Prognos 2007: 25, Sathaye und Murtishaw 2004: 5, Wilson und Dowlatabadi 2007: 172). Darüber hinaus sind Investitionen mit Unsicherheiten für die Verbraucher verbunden. Beispielsweise ist die künftige Entwicklung der Energiepreise nur schwer abzuschätzen, so dass fraglich bleibt, ob sich die Investition in ein energieeffizienteres Gerät in Zukunft auch tatsächlich auszahlt. Bei Entscheidungen über langfristige Investitionen, deren Ertrag ungewiss ist, wie z.B. im Fall der Gebäudesanierung, werden daher häufig höhere Abzinsungsraten angesetzt. Außerdem tendieren Konsumenten dazu, in Entscheidungssituationen, die mit Unsicherheiten verbunden sind, den Status quo beizubehalten (Kahneman und Tversky 1979). Bei der Wahl zwischen verschiedenen Alternativen werden potentielle Gewinne und Verluste in Relation zu einem Referenzpunkt, dem Status quo, evaluiert. Der Status quo wird dabei gegenüber anderen Alternativen häufig bevorzugt, da risikoaverse Akteure eher nach einer Minimierung potentieller Verluste streben, als nach Gewinnsteigerung (Gillingham et al. 2009: 609, Sorrell 2004b: 49, 81, Wilson und Dowlatabadi 2007: 174). Investitionen in energieeffiziente Geräte sind daher verglichen mit den zur Verfügung stehenden Alternativen oft nur in begrenztem Maße attraktiv (Brown 2001: 1202, Duscha et al. 2006a: 38, Irrek und Thomas 2008b: 2, Jaffe und Stavins 1994b:

805, Wilson und Dowlatabadi 2007: 172).

Verhaltensbasierte Hemmnisse

In der Diskussion um verhaltensbasierte Hemmnisse nimmt die Kritik an der neoklassischen Prämisse, Individuen seien stets in der Lage, rational begründete Entscheidungen zu treffen, eine zentrale Rolle ein. In Anlehnung an die von Herbert Simon (1957) entwickelte Theorie der ‚bounded rationality’ wird vielmehr unterstellt, dass das menschliche Wahrnehmungs- und Urteilsvermögen einer Reihe von Beschränkungen unterliegt und (Konsum-)verhalten daher nicht immer gänzlich rationalen Kriterien entsprechen kann (Foss 2003: 258, Gillingham et al. 2009: 609, Shogren und Taylor 2008: 26). Entscheidungen werden oftmals nicht auf der Basis einer bewussten Abwägung von Kosten und Nutzen getroffen, sondern in Übereinstimmung mit einfachen Entscheidungsregeln (Heuristiken) (Tversky und Kahneman 1974). So tendieren Akteure beispielsweise dazu, bei der Wahl zwischen verschiedenen Alternativen auf diejenige zurückzugreifen, die ihnen vertraut ist (‚recognition heuristic’)

(Goldstein und Gigerenzer 2002, Todd und Gigerenzer 2003: 149, Wilson und Dowlatabadi 2007: 175). Ein neues, stromsparendes Haushaltsgerät könnte also bei einer Kaufentscheidung von vornherein außer acht gelassen werden, zugunsten eines ähnlichen, schon bekannten Produkts.

Energieverbrauch stellt zudem eher einen Nebeneffekt unseres Konsumverhaltens dar, das heißt, er steht nicht im Vordergrund unseres Handelns und unterliegt somit nur in beschränktem Maße der Wahrnehmung bzw. der Kontrolle des Verbrauchers (Fischer 2008b, Kriström 2008: 194, Taylor 1975: 80). Energiekonsum ist also weitestgehend in alltägliche Verhaltensroutinen eingebettet, die aufgrund ihrer repetitiven Natur keine besonders hohe Aufmerksamkeit bei der Ausführung erfordern (Mack und Hackmann 2008: 108, Tews 2009:

11). Auch durch Gewohnheiten werden die kognitiven Anforderungen der Entscheidungsfindung reduziert, was zwar hilfreich ist, um die vielseitigen Anforderungen des Alltags zu bewältigen. Routiniertes Verhalten jedoch lässt sich nur schwer ändern und selbst dann, wenn eine Verhaltensänderung über einen gewissen Zeitraum hinweg aufrecht erhalten werden kann, bleibt die Gefahr bestehen, wieder in gewohnte Verhaltensmuster zu verfallen (Jackson 2005: 36, Stern 2000: 417). Ein Merkmal verhaltensbasierter Hemmnisse ist also das Vorherrschen einer gewissen Trägheit, die dazu beiträgt, die Potenziale zur Verbesserung der Energieeffizienz im eigenen Haushalt zu vernachlässigen (Duscha et al.

2006a: 39, Sorrell 2004b: 81).

Ein weiteres Merkmal verhaltensbasierter Hemmnisse ist, dass zunächst das entsprechende Problembewusstsein vorliegen muss, damit sich Konsumenten bemühen, Energie effizienter zu nutzen (Tews 2009: 9). Aus einer Studie des Öko-Instituts, die im Auftrag des Umweltbundesamtes erstellt wurde, geht jedoch hervor, dass private Haushalte zu einer Selbstüberschätzung im Hinblick auf die Umsetzung energieeffizienter Maßnahmen neigen (siehe auch Duscha et al. 2006a: 41). So heißt es in der Studie:

„Die überwiegende Mehrzahl der Haushalte nimmt sich als generell sparsam wahr und sie geht in der Selbsteinschätzung davon aus, dass sämtliche Einsparmöglichkeiten bereits umgesetzt werden. Dies widerspricht dem tatsächlichen Informationsstand und den im einzelnen vorhandenen Potenzialen.“

(Brohmann et al. 2000: 105)

Problematisch ist diese Art der Selbstüberschätzung deshalb, weil sich Haushalte Beratungsprogrammen und Informationskampagnen eher verwehren, wenn sie sich bereits als energiebewusst oder sparsam einschätzen (ebd.). Auf der anderen Seite ist es aber auch ungünstig, wenn private Haushalte ihre Einflussmöglichkeiten bzw. das Ausmaß ihres

Beitrags als so gering einschätzen, dass es ihnen nicht der Mühe Wert erscheint, sich mit dem Thema auseinander zu setzen (Fischer 2008a: 82).

Die folgende Tabelle dient dazu, einen zusammenfassenden Überblick über die beschriebenen Hemmnisfaktoren zu geben.

Tabelle 1: Zusammenfassende Darstellung der Hemmnisfaktoren

Hemmnistyp Beschreibung

Marktbasierte Hemmnisse - Mieter-Vermieter-Dilemma - Auftreten externer Effekte

Informatorische Hemmnisse - lückenhafte Informationsgrundlage, auch bedingt durch externe Faktoren

- Energieeffizienz als unsichtbare Produkteigenschaft

- Transaktionskosten, dauerhaft hoch aufgrund großer Vielfalt an Geräten und Innovationen Finanzielle Hemmnisse - Budgetrestriktionen, v.a. bei

einkommensschwachen Haushalten, verschärft durch Struktur des Kapitalmarktes

- Unsicherheiten risikoaverse Verbraucher bevorzugen Beibehaltung des Status quo Verhaltensbasierte Hemmnisse - ‚Bounded rationality’: Menschliches Handeln

nicht immer an objektiv rationalen Kriterien festzumachen, Heuristiken und Alltagsroutine entscheiden über Verhaltensweise

- Selbstüber- bzw. Unterschätzung Quelle: Eigene Darstellung.

Ein komplexes Geflecht unterschiedlicher Faktoren wirkt sich also hemmend auf die Realisierung von Energieeinsparungen in privaten Haushalten aus. Die Darstellung der Hemmnisse ist nicht nur im Hinblick auf die Erklärung des Efficiency gap von Interesse, sondern sie verdeutlicht auch, wo Möglichkeiten bestehen, diese Probleme zu adressieren. So kann beispielsweise das Problem hoher Transaktionskosten dadurch behoben werden, dass Informationen leicht zugänglich gemacht und in den Entscheidungs- bzw. Handlungskontext eingebettet werden.

Die unterschiedlichen Hemmnisse werden zwar in der Literatur eingehend diskutiert, im Hinblick auf die Frage, ob und wie diese Hemmnisse am wirksamsten adressiert werden können, hat sich aber kein Konsens herausgebildet (Gillingham et al. 2009: 615, Sorrell 2004b: 82f). Soll jedoch eine möglichst umfassende Ausnutzung der Einsparpotenziale erzielt

werden, wie es Regierungen weltweit anstreben, müssen Strategien entwickelt werden, um möglichst viele dieser Hemmnisse erfolgreich zu beseitigen. Politische Intervention kann dabei unterschiedliche Formen und Ausprägungen annehmen. Im folgenden Abschnitt soll daher auf die verschiedenen zur Verfügung stehenden Steuerungsinstrumente eingegangen werden.

In der darauf folgenden Analyse wird die Wirksamkeit dieser Instrumente im Hinblick auf die erzielten Stromeinsparungen privater Haushalte im internationalen Vergleich untersucht.

Zwar können die Hemmnisfaktoren in der Analyse nicht berücksichtigt werden4, das heißt es können letztendlich lediglich Annahmen darüber getroffen werden, welche Hemmnisse durch welche politischen Maßnahmen erfolgreich adressiert werden können. Die Kenntnis der Hemmnisfaktoren trägt jedoch dazu bei, die Wirkung politischer Maßnahmen besser einordnen und nachvollziehen zu können, wie in Abschnitt 5 noch näher erläutert wird.