• Keine Ergebnisse gefunden

2.1.1 Einordnung

Das darmassoziierte lymphatische Gewebe (gut-associated lymphoid tissues = GALT) zählt, neben Milz und Lymphknoten, zu den peripheren lymphatischen Organen. Zusammen mit den lymphatischen Geweben des Respirationstraktes und anderen Mukosageweben ist es Bestandteil des integrierten Mukosa-Immunsystems (CZERKINSKY et al. 1991, ABBAS et al. 1996).

Wie in anderen peripheren lymphatischen Organen werden im GALT Antigene aufgenommen, in subepitheliale Gewebe transportiert und den Lymphozyten präsentiert, um eine adaptive Immunantwort auszulösen. Die Peyerschen Plaques als organisierte lymphatische Gewebe und die Lymphozyten in Epithel und Lamina propria stellen hierbei das Induktions- und Effektorkompartiment dar (MOWAT u.

VINEY 1997).

2.1.2 Aufbau und Bestandteile (Abb.1)

2.1.2.1 Intestinales Epithel

Das Schleimhautepithel des Darmes stellt die Grenze zwischen innerer und äußerer Umgebung dar und ist die erste Verteidigungslinie. Die intestinalen Epithelzellen werden als nichtprofessionelle antigen-präsentierende Zellen eingeordnet, mit

vermutlich entscheidender Rolle bei der Regulation der Immunantwort (MAYER 1998, BLAND 1999, HERSHBERG u. MAYER 2000).

Inzwischen konnte der transzelluläre Transport flüssiger Antigene durch intakte intestinale Epithelzellen gezeigt werden sowie der parazelluläre Transport von Makromolekülen durch zerstörte tight junctions des normalen intestinalen Epithels, seine Bedeutung für die Immunität ist jedoch noch nicht geklärt (MAYER 1998, BLAND 1999). Lamina muscularis mucosae Tela submucosa

afferente Lymphgefäße

mesenterialer Lymphknoten

efferentes Lymphgefäß (Truncus lymphaticus intestinalis) Ductus thoracicus

Aufbau und Bestandteile des Darmimmunsystems

Das intestinale Epithel bildet die Grenze zwischen Darmwand und Darmlumen. Das follikel-assoziierte Epithel über der Domregion enthält M-Zellen (M) zur Antigen-aufna hme. Lymphfollikelanhäufungen werden als Peyersche Plaques bezeichnet und bilden mit den mesenterialen Lymphknoten das Induktionskompartiment, die intraepithelialen (IEL) und Lamina propria Lymphozyten (LPL) bilden das Effektorkompartiment. Die mesenterialen Lymphknoten drainieren die Peyerschen Plaques mittels der afferenten Lymphgefäße und sind über die efferenten Lymphgefäße und den Truncus lymphaticus intestinalis mit dem Ductus thoracicus verbunden, der in die Blutbahn mündet.

2.1.2.2 Peyersche Plaques und mesenteriale Lymphknoten

Die Peyerschen Plaques sind anatomisch klassische sekundäre Lymphorgane mit definierten B- und T-Zell-Arealen (MOWAT u. VINEY 1997). Die B-Zell-Follikel mit angrenzenden T-Zell-Arealen liegen in der Submucosa des Dünndarmes und werden von mesenterialen Lymphknoten drainiert. Hierdurch kommt es zur Verbindung des Darmimmunsystems über den Blutkreislauf mit anderen lymphatischen Mukosa-geweben, weshalb man vom integrierten Mukosa-Immunsystem spricht.

MOWAT u. VINEY (1997) definieren Peyersche Plaques und mesenteriale Lymphknoten als Induktionskompartiment im Gegensatz zum Effektorkompartiment, in Form der Lymphozyten in der Lamina propria und im Epithel. Im Induktionskompartiment kommt es zur Antigenaufnahme und Induktion einer Immunantwort der B- und T-Zellen.

Das sog. follikel-assoziierte Epithel über den Peyerschen Plaques enthält spezialisierte Epithelzellen, die M-Zellen. Diese haben an ihrer Oberfläche keine Mikrovilli, aber Falten und Spalten zur Anheftung von Antigenen, die durch die Transportfunktion der M-Zellen Zugang zum GALT erhalten (MOWAT u. VINEY 1997). In der Domregion, zwischen follikel-assoziiertem Epithel und Follikel, kommt es anschließend zur Präsentation der aufgenommenen Antigene durch professionelle antigen-präsentierende Zellen, was zur B-Zell Differenzierung und T-Zell Aktivierung führt (BRANDTZAEG et al. 1989, MCGHEE et al.1992).

2.1.2.3 Intraepitheliale Lymphozyten und Lamina propria Lymphozyten

Intraepitheliale Lymphozyten liegen zwischen den Epithelzellen an der Basalmembran und befinden sich in unmittelbarer Nähe zum Antigen im Lumen des Darmes. Es handelt sich fast ausschließlich um T-Zellen, von denen 80% CD8+ sind.

Intraepitheliale Lymphozyten sind an der Regulation der mukosalen Immunantwort beteiligt und scheinen in der Regel zur Ausbildung von Toleranz zu führen (BRANDTZAEG 1989, MOWAT u. VINEY 1997).

In der Lamina propria sind 40-60% aller lymphatischen Zellen T–Zellen, die im Gegensatz zu den intraepithelialen Lymphozyten hauptsächlich CD4+ sind; 40-60%

aller lymphatischen Zellen sind B-Zellen, hauptsächlich in Form von Plasmazellen (MCGHEE et al. 1992).

Intraepitheliale Lymphozyten und Lamina propria Lymphozyten bilden das Effektorkompartiment.

2.1.3 Immunantworten der Darmmukosa nach Antigenaufnahme

Neben unspezifischen und spezifischen Immunreaktionen kommt es im Darm, angesichts der großen Antigenmengen im Gastrointestinaltrakt, am häufigsten zur Ausbildung von oraler Toleranz (MAYER 1998). Dies beruht auf der lebensnotwendigen Differenzierung zwischen Pathogenen und harmlosen Nahrungs-antigenen sowie kommensalen Bakterien (MOWAT u. VINEY 1997).

2.1.3.1 Unspezifische Immunreaktion

Die unspezifische Immunreaktion dient der sofortigen Abwehr bis zum Einsetzen der spezifischen Immunreaktion, die sie auslösen und in ihrer Art beeinflussen kann.

Phagozytierende Makrophagen, die sich im Darm in großer Menge in der Lamina propria befinden, spielen als zelluläre Bestandteile neben neutrophilen Granulozyten eine entscheidende Rolle und induzieren als professionelle antigen-präsentierende Zellen die spezifische oder adaptive Immunantwort (JANEWAY u. TRAVERS 1997, MOWAT u. VINEY 1997). Aber auch die intestinalen Epithelzellen sind Teil der unspezifischen Immunantwort des Darmes. Sie stellen mit ihrer präepithelialen Mukusschicht eine chemisch-physikalische Barriere dar, die das Anheften und Eindringen von Krankheitserregern und Toxinen verhindert (PABST 1987).

2.1.3.2 Spezifische Immunreaktion

Die spezifische Immunreaktion dient dem Schutz vor pathogenen Mikroorganismen, die das unspezifische Abwehrsystem überwunden haben. Durch klonale Selektion kommt es zur Proliferation spezifischer Lymphozyten, die zur Vernichtung des Erregers zu Effektorzellen differenzieren. Zusätzliche Differenzierung zu Gedächtnis-zellen schützt außerdem vor erneuter Infektion (JANEWAY u. TRAVERS 1997).

In Abhängigkeit der beteiligten Komponenten unterscheidet man die humorale und die zelluläre Immunität:

Bei der humoralen Immunität erfolgt die Erkennung und Elimination von Antigenen durch Antikörper (Immunglobuline) im Serum oder anderen Körperflüssigkeiten.

Somit dient sie hauptsächlich zur Abwehr extrazellulärer Mikroorganismen (ABBAS et al. 1996). B-Zellen werden durch Antigenbindung an ihre Oberflächen-immunglobuline und Wechselwirkung mit spezifischen T-Helferzellen aktiviert, wodurch es zur Proliferation und Differenzierung zu spezifischen Effektorzellen, den antikörper-sezernierenden Plasmazellen, kommt. Außerdem differenzieren einige B-Zellen zu den oben erwähnten Gedächtniszellen.

Die zelluläre Immunität beruht auf T-Zellen, die für die Abwehr intrazellulärer Mikroorganismen verantwortlich sind. Naive T-Zellen werden durch spezifisches Antigen auf antigenpräsentierenden Zellen bei gleichzeitiger Expression eines costimulierenden Moleküls aktiviert, was sie zur IL-2 Produktion anregt. IL-2 bewirkt wiederum ihre Proliferation und Differenzierung zu T-Effektorzellen, die entweder als CD8-T-Zellen die Zielzellen abtöten oder als CD4-T-Zellen Makrophagen bzw. B-Zellen aktivieren. T-Effektorzellen scheinen so die gesamte adaptive Immunantwort zu kontrollieren. Wie bei den B-Zellen differenzieren einige T-Zellen zu Gedächtniszellen.

Im Darmimmunsystem findet die Präsentation der über M-Zellen aufgenommenen Antigene in der Domregion über den Peyerschen Plaques statt (BRANDTZAEG et al.

1989, MCGHEE et al.1992). Sie führt zur Induktion der B- und T-Zellantwort in den Peyerschen Plaques und den mesenterialen Lymphknoten, weshalb diese als Induktionskompartiment des Darmimmunsystems bezeichnet werden (MOWAT u.

VINEY 1997). Die Lymphozyten im intestinalen Epithel und in der Lamina propria sind zum größten Teil T- und B-Effektorzellen, in Form von CD8- und CD4-T-Zellen und Plasmazellen, sie bilden das Effektorkompartiment des Darmimmunsystems (MCGHEE et al. 1992).

2.1.3.3 Orale Toleranz

Die orale Verabreichung von Protein-Antigenen führt bei wiederholter Immunisierung mit dem gleichen Antigen häufig zur Hemmung der humoralen und zellulären Immunantwort. Die Bedeutung liegt wahrscheinlich in der Unterdrückung der Immunantwort gegen physiologische bakterielle Darmbewohner und Nahrungsproteine. Welche Mechanismen der Entwicklung von Toleranz zugrunde liegen, ist noch nicht geklärt. Während die Beteiligung des immunmodulierenden Zytokins TGF-β schon länger diskutiert wird, kommen immer wieder neue Ansätze hinzu (ABBAS et al. 1996, MOWAT u. VINEY 1997). MAYER (1998) geht von einer regulatorischen Funktion der intestinalen Epithelzellen aus und BLAND (1999) sieht die Induktion oraler Toleranz in Abhängigkeit von der Art der Antigenprozessierung.

SLAVIN und WEINER (1999) beschreiben die dosisabhängige Auslösung von Deletion, Anergie oder aktiver zelluärer Suppression beruhend auf der Sekretion suppressiver Zytokine wie IL-4, IL-10 und TGF-β. Durch diese unterschiedlichen Einflussfaktoren wird die komplexe Regulation deutlich.