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3 Strukturaufklärung von Sekundärmetaboliten

3.1 Chemisches Screening von Actinomyceten

Die im Rahmen des chemischen Screenings untersuchten Mikroorganismen stammen aus Erdproben von der Algarve (Portugal) und aus der Mongolei. Es handelt sich um taxonomisch nicht weiter bestimmte Actinomyceten.

Die Kultivierung von vier Stämmen aus Portugal (P1–P4) und von drei Stämmen aus der Mongolei (M4-1, M4-2 und M8-1) erfolgte in vier verschiedenen Nährmedien (Hafer, M2, SGG und SM). Die Extrakte von Kulturfiltrat und Mycel wurden einem von UMEZAWA et al.

begründeten und ZÄHNER132 und ZEECK133,134 weiterentwickelten chemischen Screening135 unterzogen. Hierbei bestimmt die Zonenbildung im Dünnschichtchromatogramm und das Anfärbeverhalten gegenüber Sprühreagenzien (Anisaldehyd, Ehrlich, Orcin) die Auswahl der Stämme, die für die Isolierung auffälliger Metaboliten in größeren Maßstab kultiviert werden.

Actinomyces sp. (Stamm P4) und Actinomyces sp. (Stamm M4-1) fielen durch ihre Metabolitenproduktion auf. Nach Kultivierung im 1 L-Maßstab gelang die Isolierung von insgesamt vier literaturbekannten Metaboliten [Chartreusin (44), Genistein (45), Daidzein (12a) und Borrelidin (15)]. Die säulenchromatographische Aufreinigung der Metaboliten ist in Kap. B.3.1.3 (S. 143) und Kap. B.3.1.4 (S. 145) beschrieben.

3.1.1 Actinomyces sp. Stamm P4

3.1.1.1 Chartreusin (44)

Kulturfiltrat- und Mycelextrakte lieferten im Dünnschichtchromatogramm eine Zone intensiv gelber Eigenfarbe mit blauer Fluoreszenz bei Rf = 0.4 (Chloroform/Methanol 9:1). Die zugehörige Substanz konnte mit einer Ausbeute von 35 mg/L aus dem Kulturfiltrat und mit 45 mg/L aus dem Mycel isoliert werden. Sie zeigt eine mäßige Löslichkeit in Methanol, löst sich in Pyridin und DMSO hingegen gut.

Das ESI-Massenspektrum des Metaboliten lieferte einen Peak bei m/z = 663 [M+Na]+, aus dessen Hochauflösung sich die Summenformel C32H32O14 ergab. Aus dem 1 H-NMR-Spektrum in DMSO-d6 lassen sich zwei 6-Desoxyzucker ableiten, deren anomere Kohlenstoffe unter Berücksichtigung der α-H-Kopplungskonstanten von 3J = 4.0 bzw. 8.0 Hz α- und eine β-Konfiguration besitzen. Weiterhin sind im Protonenspektrum jeweils ein aromatisches ABC- und AB-Spinsystem, sowie zwei Methylgruppen bei δH = 2.82 und 3.16 zu erkennen. Eine Antibase-Datenbanksuche136 mit diesen Informationen führt zum Chartreusin (44), ein Abgleich der NMR-Daten mit Literaturwerten137 zeigt jedoch im Bereich der Zuckerresonanzen Differenzen. Die Identität der isolierten Substanz mit 44 konnte durch ein 1H-NMR-Spektrum in Pyridin138, CD-Wert und einen HPLC-Vergleich bewiesen werden.

Wichtig ist jedoch anzumerken, dass Protonenspektren von 44 in DMSO gegenüber anderen Lösungsmitteln Differenzen aufweisen, deren Ursache unklar ist.

Das stark antibakteriell wirkende 44 ist erstmals 1953 aus Streptomyces chartreusis isoliert worden,139 eine Strukturaufklärung gelang durch Derivatisierungs- und Abbaureaktionen.140,141 Die Biosynthese erfolgt durch Cyclisierung einer Undecaketidkette zu einem Benzpyrenderivat, welches nach Bindungsspaltung und Decarboxylierung das Aglykon von 44, das Chartrarin ergibt.142 Durch Hemmung der Topoisomerase I inhibiert 44 die Biosynthese der DNA143 und induziert Doppelstrangbrüche in Verbindung mit

O

reduzierenden Agentien144. Diese Aktivität ist der Grund für eine sehr hohe Aktivität gegen Tumorzellen, wobei eine schlechte Bioverfügbarkeit und eine schnelle Metabolisierung einen klinischen Einsatz von 44 verhindern.145

3.1.2 Actinomyces sp. Stamm M4-1

Im chemischen Screening fiel der Stamm M4-1 nach Kultivierung im Soja-Mannit-Medium durch drei bei 254 nm UV-löschende Zonen auf. Während die beiden polaren Komponenten im Dünnschichtchromatogramm in Chloroform/Methanol 9:1 bei Rf = 0.14 (Genistein, 45) und 0.31 (Daidzein, 12a) nur eine sehr schwache Färbung mit Orcin zeigten, färbte die dritte Substanz (Borrelidin, 15) (Rf = 0.5, Chloroform/Methanol 9:1) mit Anisaldehyd braun an. Die Isolierung der Metaboliten ist in Kap. B.3.1.4 (S.145) beschrieben.

3.1.2.1 Isoflavone

Für die farblosen Feststoffe 12a und 45 lassen sich aus einem HRESI-Massenspektrum Summenformeln von C15H10O4 und C15H10O5 ableiten. Im Protonenspektrum sind acht (12a) bzw. sieben (45) Signale im aromatischen Bereich zu erkennen, von denen in beiden Fällen zwei, mit einer Gesamtintensität vier Protonen entsprechend, einem A2B2-Spinsystem zugeordnet werden können. Für beide Substanzen ist ein weiteres aromatisches Ringsystem zu erkennen, welches für 12a mono- und für 45 disubstituiert ist. Eine Antibase-Datenbanksuche136 mit den gefundenen Strukturfragmenten und den Summenformeln führt zu Daidzein (12a) und Genistein (45). Ein Vergleich der spektroskopischen Daten146 bestätigt diese Zuordnung.

Isoflavone wie 12a und 45 besitzen neben antimikrobiellen, insektiziden und cytotoxischen Aktivitäten auch eine östrogene Wirkung (s. auch Kap. 1.1).147 Sie sind Pflanzenmetaboliten, welche vor allem in Soja und Baumwollsamen stark angereichert werden. Obwohl in zahlreichen Publikationen von der Isolierung aus Mikroorganismen berichtet wird,148 muss angenommen werden, dass Isoflavone Artefakte aus den Nährmedien sind. Darauf weist auch die Beobachtung von ROSAZZA et al. hin, dass der Gehalt an isolierten Isoflavonen aus Streptomyces griseus sp. direkt proportional zu dem Anteil an Sojamehl im Nährmedium ist.149

O

O OH

R

O H

1

5 2

7 4'

12a: R = H 45: R = OH

3.1.2.2 Borrelidin (15)

Die dritte aus Actinomyces sp Stamm M4-1 isolierte, ebenfalls farblose Substanz liefert im ESI-Massenspektrum einen Peak bei m/z = 488 [M–H], woraus nach der Stickstoffregel auf eine ungerade Zahl an Stickstoffatomen geschlossen werden kann. In Übereinstimmung damit führt die Hochauflösung des Peaks zu einer Summenformel von C28H43NO6. Das IR-Spektrum der Substanz zeigt eine starke Absorption bei ~ν = 2213 und 1709 cm–1, was auf eine Nitrilgruppe und einen Ester (bzw. Lacton) schließen lässt. Im 13C-NMR-Spektrum können Signale bei δC = 173.2 und 180.7 beobachtet werden, ihre chemische Verschiebung ist für Ester bzw. Carbonsäuren typisch. Weiterhin sind bei δC = 117.4, 119.9, 129.0, 140.2 und 145.5 fünf Signale für olefinische C-Atome zu beobachten. Aus einem HSQC-Korrelationsspektrum ergibt sich nur für die drei am weitesten ins Hochfeld verschobenen Resonanzen eine Bindung an Protonen, während die restlichen zwei quartären Kohlenstoffatomen zuzuordnen sind. Das HSQC-Spektrum zeigt weiterhin vier Methylgruppen bei δC= 15.4, 18.7, 19.1 und 20.9, acht Methylen- sowie neun Methingruppen. Drei dieser Methingruppen tragen Sauerstoffatome, was die 13C-Daten (δC = 72.9, 73.1 und 77.4) belegen. Die Verknüpfung der beschriebenen Gruppen zu zwei Fragmenten (s. Abb. 22, S. 73) gelingt nach Zuordnung der Signale des Protonenspektrums mit einem COSY-Korrelationsspektrum. Die trans-Isomerie der C-14/C-15 Doppelbindung wird durch die Kopplungskonstante von 3J = 15.0 Hz bestätigt.

Eine Datenbanksuche150 mit den Fragmenten ergibt als einzigen Treffer Borrelidin (15).

Durch den Vergleich der NMR-Daten mit Literaturwerten151 kann die isolierte Substanz eindeutig als 15 identifiziert werden.

Abb. 22: 1H-1H-COSY-Korrelationsspektrum von Borrelidin (15) und daraus abgeleitete Strukturfragmente (600 MHz, CD3OD).

O R R

R R

OR

OR

R

R

14 15

C O

OH

OH O

OH N O

1 17

1' 15

3