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2.3 M ECHANISMEN DES V ERDERBS - POSTMORTALE FISCHEIGENE , MIKROBIOLOGISCHE UND CHEMISCHE

2.3.3 Chemische Parameter des Verderbs

Die durch autolytische Prozesse nach dem Rigor mortis entstandenen niedermolekularen Verbindungen und leicht löslichen Proteine stehen den Verderbniserregern als reiche Nährstoffquelle zur Verfügung. Verschiedene Proteasen und andere hydrolytische Enzyme der psychrophilen und psychrotrophen Organismen können im Fischmuskel auch bei niedrigen Temperaturen sekretiert werden und zu Abbauprozessen führen (VENUGOPAL, 1990). Proteine werden durch bakterielle Proteasen zu Peptiden und Aminosäuren und letzten Endes in Indole, Amine, Säuren und ihre Stickstoff- und Schwefelbestandteile abgebaut. Lipasen bauen Lipide in freie Fettsäuren, Glycerin und andere Fettkomponenten ab.

Diese Verbindungen werden sensorisch vom Verbraucher wahrgenommen und führen gegen Ende der Lagerung zur Ablehnung des Produktes. Durch physikochemische Untersuchungen können diese Abbauprodukte in der Fischmuskulatur nachgewiesen werden. Derartige Untersuchungen dienen zur Objektivierung und zur Festigung von Sensorikbefunden. Dazu zählen die

Bestimmung des Gehaltes an flüchtigen Aminen wie Monomethylamin (MMA), Dimethylamin (DMA), Trimethylamin (TMA) und flüchtigen Stickstoffbasen (TVB-N), die Konzentration von Hypoxanthin und anderen Stoffwechselabbauprodukten, der K-Wert und die Bestimmung von biogenen Aminen (TESKEREDZIC und PFEIFER, 1997).

Tabelle 5 zeigt die wichtigsten Verderbniserreger bei Fisch und die Verbindungen, die durch bakterielle Abbauvorgänge aus den Nährstoffen des Fischgewebes entstehen.

Tabelle 5: Bakterielle Verderbskomponenten (nach Church, 1998) Spezifische Verderbnisbakterien Verbindungen

Shewanella putrefaciens TMA, H2S, CH3SH, (CH3)2S, HX Photobacterium phosphoreum (v.a. in VP) TMA, HX

Pseudomonas spp. Ketone, Aldehyde, Ester, Nicht-HS-Sulphide

Vibrionaceae TMA, HS

Aerobe Verderbniserreger NH3, Essig-, Butan- and Propionsäure TMA = Trimethylamin; HS = Hydrogensulphid; CH3SH = Methylmercaptan; (CH3)2S = Dimethyl-sulphid; HX = Hypoxanthin; NH3 = Ammoniak; VP = Vakuumverpackung

Werden chemische Parameter zur Bestimmung der Frische der Fischware herangezogen, so sind für die Entwicklung und Höhe der Amingehalte in der untersuchten Fischmuskulatur die Ausgangswerte entscheidend, die im Fisch zum Fangzeitpunkt nachgewiesen werden. Sie bestimmen den weiteren Verlauf der chemischen Parameter. Die Ausgangswerte können erhebliche Unterschiede aufweisen, da sie von vielen Faktoren, wie Fischspezies, Fangart, Jahreszeit, Fanggebiet, Ernährungszustand, Reifegrad, Geschlecht und Schleppzeit, abhängig sind. Ihre Kenntnis ist wichtig, um zum Zeitpunkt der Untersuchung mit Hilfe der ermittelten Analysedaten Aussagen über die Frische des Fisches treffen zu können (OEHLENSCHLÄGER, 1989).

Eine oft benutzte Methode ist die Bestimmung des TVB-N-Gehaltes in der Fischmuskulatur. TVB-N (Total volatile basic nitrogen) ist eine Mischung aus flüchtigen Aminen. Nach NIEPER und STOCKEMER (1986) ist sie neben der organoleptischen Untersuchung die Methode der Wahl bei der Bestimmung der Genusstauglichkeitsgrenze bei den meisten Fischarten. Der TVB-N-Gehalt ist

zunächst niedrig und steigt kurz vor dem Verderb rapide an. Er dient somit als Nachweis des Verderbs in der späten Lagerphase und ist weniger ein Gradmesser für Frische. Wenn die zuvor erfolgte sensorische Untersuchung der Fischereierzeugnisse einen abweichenden Befund erbracht hat, kann nach Anlage 3, Kapitel 3 der Fischhygieneverordnung die Untersuchung auf flüchtige Basenstickstoffe zur Befundsicherung durchgeführt werden. ABABOUCH et al. (1996) geben die Grenze der Genusstauglichkeit für Fische der nördlichen Breitengrade mit 25 bis 30 mg TVB-N/100 g an, wohingegen HUSS (1988) diese Grenze mit 30 bis 35 mg TVB-N/100 g höher festsetzt.

Laut PRIEBE (1984) wird gegenwärtig bei Seefischen die Bestimmung von TMA oder der Summe an TVB-N am häufigsten verwendet, um mit Hilfe eines Laborwertes den Frischegrad des Fischgewebes abschätzen zu können. Besonders bei Magerfischen besteht eine gute Korrelation zwischen dem Sensorikbefund und dem Gehalt an TMA und TVB-N Substanzen. Weniger gute Beziehungen konnten hingegen bei halbfetten und fetten Fischen festgestellt werden. ACUFF et al. (1984) stellten bei in einer Teichwirtschaft gezüchteten Tilapia (Tilapia aurea) einen anfänglichen TVB-N-Gehalt von 15,6 mg/100 g fest, der nach 12 Tagen Lagerung in Eis, dem Ende der Haltbarkeit, auf 26,2 mg/100 g anstieg. Zu diesem Zeitpunkt erreichte die oberflächliche Keimzahl der gramnegativen Flora Werte um 106 KbE/cm2.

Fische besitzen einen einzigartigen osmoregulatorischen Mechanismus, um Dehydration in der marinen Umgebung zu verhindern. Ein wichtiger Osmoregulant ist TMAO, das mit einer Konzentration von bis zu 1 % in Knochenfischen und bis zu 1,5 % in Knorpelfischen vorkommt (CHURCH, 1998; FRASER und OMAR, 1998b). In Seefischen findet sich TMAO in Mengen um 1 bis 5 % des Muskelgewebes (Trockengewicht), bei Süßwasserfischen ist TMAO in der Regel kaum nachweisbar (BØRRESEN, 1995). Gramnegative Organismen, v.a. Shewanella putrefaciens, können durch die Reduktion des TMAO zu TMA Energie gewinnen. Dagegen ist Pseudomonas spp. nicht in der Lage, TMAO als terminalen Elektronenakzeptor zu nutzen und produziert kein TMA auf verderbendem Fisch (GRAM und MELCHIORSEN, 1996). Die Reduktion von TMAO zu TMA ist auch vom pH-Wert und von der Gesamtkondition des Fisches nach dem Tod abhängig. Der Zusammenhang zwischen der Gesamtkeimzahl, der Verderbsflora und dem Gehalt an

stickstoffhaltigen Verbindungen im Fischmuskel bei der Eislagerung ist in der Abbildung 2 dargestellt.

0 mg Stickstoff je 100g Muskel

0

Abbildung 2: Entwicklung der Keimzahl sowie des Gehaltes von TMA und einzelner Stickstoffbasen in mg Stickstoff je 100 g bei der Eislagerung von Dornhai (nach TÜLSNER, 1994).

Einige endogene Enzyme im Fischgewebe sind in der Lage, TMAO zu Dimethylamin (DMA), Monomethylamin (MMA) und Formaldehyd (FA) zu reduzieren. TMAO ist auch in der Nahrung der Fische zu finden, es ist geruchsneutral und ungiftig, TMA hingegen ist ein Bestandteil des abweichenden Geruchs bei verderbendem Fisch.

Die Reduktion von TMAO erfolgt im Muskelgewebe parallel zur Verschlechterung des Frischezustandes. Zunahmen werden ab dem 7. Eislagerungstag, deutlicher vom 12.

Tag an festgestellt. Aus diesem Grunde wird die Höhe der TMA-Konzentration oft als Indikator für den bakteriellen Verderb herangezogen. Von Wissenschaftlern werden unterschiedliche Grenzwerte, die den Verderb bestimmen, festgelegt. HUSS (1988) geht von einer guten Qualität von Fischfleisch aus bei einer Konzentration von

< 1,5 mg TMA/100 g, während er 10 bis 15 mg TMA/100 g als Akzeptanzgrenze ansieht. ABABOUCH et al. (1996) hingegen zählen Fische mit weniger als 1 mg TMA/100 g zur ersten Klasse und setzen die Grenze der Verzehrsfähigkeit bei Sardinen etwas niedriger an mit 5 bis 10 mg TMA/100 g.

Für Fischarten ohne oder mit geringem Gehalt an TMAO ist diese Methode ungeeignet. Deshalb sind flüchtige basische Stickstoffverbindungen beim Süßwasserfisch erst dann messbar, wenn er sensorisch bereits verdorben ist (LEUPOLD, 1997). Auch RODRIGUEZ et al. (1999) gehen davon aus, dass eine Bestimmung des TMA- Gehaltes bei Regenbogenforellen aufgrund des verschwindend geringen Gehaltes an TMAO in der Muskulatur nicht nützlich ist.