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Charakteristische Eigenschaften eines Kryoradiometers

2 Radiometrie mit Synchrotronstrahlung

2.5 Charakteristische Eigenschaften eines Kryoradiometers

Dass die in den Hohlraumabsorber eintretende Strahlung vollständig absorbiert und in Wärme umgewandelt wird, ist die wichtigste Voraussetzung für den Betrieb eines Kryoradiometers als Primärnormal. Darüber hinaus ist es für die Messung mit einem Kryoradiometer von Bedeutung, ob die Strahlungsleistung konstant ist, wie zum Beispiel bei der Verwendung von leistungsstabilisierten Lasern, oder ob der Photonenfluss innerhalb eines Messzyklus variiert.

Die charakteristischen Größen eines Kryoradiometers sind dessen thermische Zeitkonstante τ und dessen Empfindlichkeit SKryo, die an die Anforderungen zur Absolutmessung der Strahlungsleistung von Synchrotronstrahlung angepasst werden müssen.

2.5 Charakteristische Eigenschaften eines Kryoradiometers

2.5.1 Zeitkonstante und Empfindlichkeit

Die thermische Zeitkonstante eines Kryoradiometers entspricht der Zeit, in der sich bei Änderung der Heizleistung die Abweichung ΔT der Absorbertemperatur vom neuen Gleich-gewichtswert auf 1/e ihres Ausgangswertes verringert hat, wenn das Kryoradiometer nicht im dynamischen Substitutionsmodus betrieben wird. Diese ist gegeben durch das Produkt aus dem Wärmewiderstand der Wärmebrücke RW und der Wärmekapazität des Absorbers C [Hen89]:

(2.7) τ =CRW .

Bei einem Elektronenspeicherring nimmt die Anzahl der gespeicherten Elektronen durch Kollision untereinander und mit Restgas-Molekülen mit der Zeit ab. Bei BESSY II beträgt die Lebensdauer des Elektronenstrahls etwa 8 bis 10 Stunden. Nach dieser Zeit ist die Anzahl der Elektronen auf 1/e des Ausgangswertes zum Zeitpunkt nach der Injektion, die alle acht Stunden stattfindet, abgefallen. Während einer typischen Messzeit mit dem Kryoradiometer von 10 min entspricht dies einer Abnahme von etwa 2 %. Die Zeitkonstante eines Kryoradio-meters τ darf demnach nicht mehr als wenige Minuten betragen, da sonst selbst bei dynamischer Substitution die Regelung auf eine konstante Absorbertemperatur nicht mehr möglich ist.

Durch die Minimierung der Wärmekapazität C des Hohlraumabsorbers ist eine Möglichkeit gegeben, die Zeitkonstante τ zu verringern und damit auch die benötigte Messzeit zu verkürzen. Die Wärmekapazität C ist durch die Masse des Absorbers m und die spezifische Wärmekapazität Csp des verwendeten Materials gegeben gemäß:

(2.8) C =mCsp .

Die spezifische Wärmekapazität eines Materials ist sehr stark temperaturabhängig und lässt sich am Beispiel von Kupfer durch den Betrieb des Kryoradiometers bei Temperaturen von flüssigem Helium gegenüber Raumtemperatur um mehr als drei Größenordnungen reduzieren [Mar66]. Weiterhin ist die Zeitkonstante gemäß der Gleichungen 2.7 und 2.8 auch proportional zur Absorbermasse, deren Reduzierung auf das erforderliche Mindestmaß angestrebt wird. Durch die Größe des Strahldurchmessers ist dabei eine Mindestgröße festgelegt, da in jedem Fall die Strahlung vollständig in den Absorber treffen muss.

Die zeitliche Änderung der Temperaturdifferenz ΔT(t) des Absorbermoduls mit dem Absorptionsgrad α, der Wärmekapazität C und dem thermischen Widerstand der Wärme-brücke RW wird durch die Differentialgleichung

(2.9) ( ) ( ) ( ) ( ) ( ) t Q t P R t

t T dt

t T

Cd el

W

&

= +

Φ

⋅ Δ =

Δ + α

beschrieben [Hen89, Par05]. Für eine zeitlich konstante Leistung P besitzt sie die Lösung

(2.10)

⎭⎬

⎩⎨

⎧ ⎥

⎢ ⎤

− ⎡ −

= Δ

W

W CR

PR t t

T( ) α 1 exp .

Die Empfindlichkeit eines Kryoradiometers SKryo gibt an, um welche Temperaturdifferenz dT sich der Hohlraumabsorber bei einer durch Strahlung oder elektrische Heizung zugeführten Heizleistung dP erwärmt [Par05]:

(2.11)

( )

dP T dT

S Kryo = .

Die Empfindlichkeit muss so optimiert sein, dass die zu messenden Strahlungsleistungen weder unterhalb der Auflösung der Messgeräte liegen noch Temperaturänderungen hervor-rufen, die den Absorber auf Temperaturen erwärmen jenseits der Grenze von 9.2 K für den supraleitenden Zustand der Zuleitungsdrähte von Heizer und Thermometer. Die Empfind-lichkeit lässt sich durch die thermische Ankopplung des Hohlraumabsorbers an die Wärme-senke optimieren und sollte zur Messung von Strahlungsleistungen von üblicherweise einigen 10 nW bis einigen 10 µW etwa im Bereich von 100 mK/µW bis 200 mK/µW liegen.

2.5.2 Der spektrale Einsatzbereich eines Kryoradiometers und mögliche Verlustprozesse

Für den Einsatz eines Kryoradiometers als primäres Detektornormal muss sichergestellt werden, dass die in den Hohlraumabsorber einfallende Strahlung vollständig absorbiert und in Wärme umgewandelt wird. Verlustprozesse jedweder Art, die zu einer Nichtäquivalenz von Strahlungsleistung und elektrischer Heizleistung führen können, vor allem durch einen Absorptionsgrad von α<1 (Gleichung 2.2), müssen vermieden werden. Durch den Betrieb des Kryoradiometers bei Flüssig-Helium-Temperaturen und unter UHV-Bedingungen können Verluste durch Konvektion verhindert und thermische Strahlung, die proportional zu T4 ist [Bol84], drastisch reduziert werden. In der Kryoradiometrie wird häufig Kupfer als Absorbermaterial verwendet, da dies eine gute Wärmeleitfähigkeit bei Raumtemperatur

2.5 Charakteristische Eigenschaften eines Kryoradiometers

besitzt, die beim Übergang zu Flüssig-Helium-Temperatur je nach Reinheit nochmals um etwa den Faktor 20 ansteigt [Lan99]. Dadurch wird im Absorber eine homogene Temperaturverteilung erreicht, so dass Nichtäquivalenzeffekte durch unterschiedliche Wärmeflusswege von elektrischer Heizleistung und Strahlungsleistung vermieden werden.

Gegenüber Halbleitern und Isolatoren haben Metalle den Vorteil, dass sie keine Bandlücke besitzen, und somit keine Verluste durch Charge Trapping auftreten können. Wegen des Beitrags der Leitungselektronen zur Wärmeleitung besitzen sie andererseits eine höhere spezifische Wärmekapazität als Isolatoren, verhindern aber nicht-thermische Energieverluste wie zum Beispiel die Bildung von Farbzentren in isolierenden Materialien wie Saphir [Kit02], welches ebenfalls als Absorbermaterial gebräuchlich ist [Ahr92].

Entscheidendes Kriterium für die Auswahl des Absorbermaterials ist dessen Fähigkeit, die Strahlung im jeweiligen Spektralbereich vollständig zu absorbieren. Fünf grundlegende strahlungsphysikalische bzw. atomare Effekte, die zu Verlusten führen können, lassen sich dabei unterscheiden: Transmission, Reflexion, Streuung, Fluoreszenz und Photoemission.

Während die obere Grenze des Einsatzbereiches des Kryoradiometers im Wesentlichen durch die Photonenenergie gegeben ist, bei der der Absorberboden für die einfallende Strahlung durchlässig wird, können im unteren Energiebereich vor allem Verluste durch Reflexion und im IR-Bereich auch durch Beugung auftreten. Zusätzlich können zum Teil deutliche Verluste für Photonenenergien oberhalb der Absorptionskanten des jeweiligen Absorbermaterials durch Fluoreszenzstrahlung auftreten.

Der Reflexionsgrad im sichtbaren und UV-Bereich kann einerseits durch eine zusätzliche dünne gut absorbierende Beschichtung des Absorbers mit schwarzem Lack minimiert werden [Par05]. Durch eine geneigte Bodenfläche lassen sich Verluste durch Reflexion reduzieren, da die Strahlung so zunächst mehrfach an den Absorberwänden reflektiert werden muss, bis ein Bruchteil den Absorber durch die Eintrittsöffnung wieder verlassen kann. Durch den Absorbermantel können außerdem am Boden gestreute Strahlung und Fluoreszenzstrahlung erneut absorbiert werden. Indem der Absorberdurchmesser möglichst klein und die Absorberlänge möglichst groß gewählt werden, lässt sich der Öffnungswinkel für ent-weichende Strahlung reduzieren. Verluste durch Photoemission können durch Anlegen einer negativen Spannung an einen den Absorber umgebenden Metallrahmen reduziert werden.

Neben Streuung und Fluoreszenz ist im Bereich harter Röntgenstrahlung die Transmission der entscheidende Verlustprozess. Insbesondere Kupfer, das die oben genannten positiven thermi-schen Eigenschaften aufweist und am häufigsten als Absorbermaterial verwendet wird, besitzt gegenüber anderen Metallen wie Silber oder Gold im Röntgenbereich eine vergleichsweise hohe Transmission. Da es sich bei dem bisherigen Absorber des Kryoradiometers SYRES I,

mit dem vor etwa 10 Jahren die Kryoradiometrie erstmals in den Bereich weicher Röntgen-strahlung ausgedehnt wurde [Rab97], ebenfalls um einen Kupferabsorber von 100 µm Dicke handelt, wird dieser für höherenergetische Photonenstrahlung durchlässig und kann nur bis maximal 20 keV eingesetzt werden. Zur Entwicklung eines Hohlraumabsorbers für harte Röntgenstrahlung ist eine gezielte Untersuchung der in diesem Spektralbereich relevanten Verlustprozesse Voraussetzung, was im Modell für komplexe Geometrien mit Monte-Carlo-Simulationen realisiert werden kann.