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Charakteristika der KSPV-Infektion mit Isolat CSF0634

Neben den klinischen Symptomen wurden in allen Versuchen die pathologisch-anatomischen Befunde sowie hämatologische und hämostaseologische Parameter bewertet.

Die erhobenen pathologisch-anatomischen Befunde entsprachen mit vergrößerten, hämorrhagisch-infarzierten Lymphknoten im gesamten Organismus, hämorrhagischen Veränderungen in den Nieren und anderen inneren Organen, entzündlichen Veränderungen des Respirationstraktes sowie Milzrandinfarkten den Ergebnissen, die von RÖHRER und PEHL (1960) und VAN OIRSCHOT (1999) für die akute Verlaufsform der KSP beschrieben wurden.

In einer Übersichtsfärbung (HE) wurde an Paraffin-eingebetteten Organschnitten von fünf infizierten Tieren versucht, eine Thrombosierung der kleineren bis mittelgroßen Gefäße nachzuweisen, die zu den histopathologischen Äquivalenten der oben beschriebenen makroskopischen Veränderungen gehören sollten (RÖHRER und PEHL, 1960; HEENE et al.,

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1971; HOFFMANN et al., 1971a; QUEZADA et al., 2000). In den großen Gefäßen wurden, den Berichten in der Literatur entsprechend, keine Thromben gefunden (RÖHRER und PEHL, 1960; HOFFMANN et al., 1971a).

Während HOFFMANN et al. (1971) eine Thrombosierung kleiner und mittlerer Gefäße verschiedener Organe in der HE-Färbung Paraffin-eingebetteter Organschnitte nachwies, konnte dieser Befund in der vorliegenden Studie nicht nachvollzogen werden.

Für diese Diskrepanz der Befunde sind mehrere Erklärungen denkbar. Zum einen sind Mikrothromben und Plättchenaggregate in Kapillaren auch mit spezifischen Färbemethoden sehr schwer nachweisbar, da sie von unterschiedlichsten Proteasen des fibrinoytischen Systems und leukozytärer Zellen aufgelöst und durch aktivierte Makrophagen phagozytiert werden (SCHIEFER und SEARCY, 1975). Diese Prozesse laufen auch postmortal weiter und beeinflussen die Aussagekraft negativer Befunde. Daher ist nicht auszuschließen, dass eine perimortale Auflösung der Thromben den Nachweis unmöglich machte. Eine Hemmung des proteolytischen Abbaus könnte zur Abklärung sinnvoll sein, dieser Ansatz ließ sich jedoch unter den gegebenen Umständen nicht umsetzen.

Zum anderen ist die Färbung als Nachweismethode kritisch zu hinterfragen, da die HE-Färbung nur eine Übersichtsfärbung ist, die aus Praktikabilitätsgründen durchgeführt wurde.

Kleinste Thromben und Fibrinablagerungen wären mit Färbungen wie der PTAH-Färbung (phosphotungstic acid-hematoxilin) besser und sicherer nachweisbar gewesen, jedoch waren diese Färbungen unter den gegebenen Möglichkeiten nicht durchführbar. Wie oben erwähnt, waren Thrombosierungen in der Studie von HOFFMANN et al. (1971) allerdings auch in der HE-Färbung nachweisbar.

Des Weiteren ist die Rolle des verwendeten Virusstamms zu betrachten. Die Versuche in den 1970er Jahren wurden mit einem anderen KSPV-Stamm durchgeführt, der u. U. andere pathologisch-anatomische Befunde induzierte. Leider ist der Publikation von HOFFMANN et al. (1971) die genaue Beschreibung des Virusstammes nicht zu entnehmen, es hat sich jedoch gezeigt, dass in den letzten Jahrzehnten ein Wandel in der Virulenz und Klinik der KSP-Stämme zu beobachten war (WILLIAMS und MATTHEWS, 1988; KOENEN et al., 1996;

PATON und GREISER-WILKE, 2003a). Das KSPV-Isolat CSF0634, welches für die vorliegende Studie verwendet wurde, gehört zu den aktuellen Stämmen der 1990er Jahre und könnte daher abweichende Charakteristika aufweisen.

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Der Virus- bzw. Antigennachweis, der zum Beweis der Infektion mit dem KSPV durchgeführt wurde, zeigte, dass alle Tiere erfolgreich infiziert werden konnten. Negative Antigen- und Virusnachweise für zwei der 30 Tiere zu Versuchsende zeigen, dass diese Tiere trotz der hohen Virulenz des KSPV-Isolates in der Lage waren, das Virus zu eliminieren und in die Phase der Rekonvaleszenz eintraten; diese Tiere zeigten zudem auch eine moderate Antikörperproduktion und Normalisierung der Blutparameter. Für die vorliegende Arbeit waren Rekonvaleszenten für eine weitere Auswertung nicht mehr nutzbar. Ihr Auftreten zeigte jedoch, dass die Virulenz des Erregers stark von der Konstitution des betroffenen Tieres abhängt.

Alle Tiere entwickelten im Verlauf der KSPV-Infektion eine markante Leukopenie, die sowohl in ihrem Verlauf als auch in der Ausprägung den für die akute Verlaufsform der KSPV-Infektion publizierten Beobachtungen entsprach (TRAUTWEIN, 1988; PAULY et al., 1998; SUMMERFIELD et al., 2001a).

Alle infizierten Tiere entwickelten eine Thrombozytopenie, die für einige Tiere zum fast vollständigen Verlust der Thrombozyten führte (Absinken um 98 %). Die Verläufe der Thrombozytenzahlen entsprachen ebenfalls den publizierten Daten (HEENE et al., 1971;

HOFFMANN et al., 1971a), wobei im vorliegenden Fall die von GOMEZ-VILLAMANDOS et al. (1998) postulierte direkte Korrelation zwischen dem Auftreten der ersten Symptome und dem Absinken der Thrombozytenzahlen nicht nachvollziehbar war. Dies könnte u. U. daran liegen, dass diese Arbeitsgruppe ein KSPV-Isolat verwendete, das früher zu klinischen Symptomen führte. Während diese Autoren für den KSPV-Stamm „Quillota“ vom ersten Auftreten klinischer Symptome an Tag zwei p.i. berichten, traten die ersten Symptome mit dem Isolat CSF0634 vier bis sieben Tage p.i. auf, was den allgemeinen Beobachtungen entspricht (FLOEGEL-NIESMANN et al., 2003).

Auffällig war, dass der Referenzbereich des Geräteherstellers (Sysmex Deutschland, Norderstedt) für Thrombozytenwerte des Schweins bei 16 von 24 Tieren an den ersten Tagen überschritten wurde. Da dies sowohl für die Einzeltiere als auch für das gepoolte Plasma gesunder Schweine der Fall war, ist die Gültigkeit der oberen Grenze des Referenzbereiches kritisch zu hinterfragen. Legte man den Referenzbereich nach MISCHKE (1999) zugrunde, lägen über 95% der Tiere im Normalbereich.

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Trotz fehlender Referenzbereiche für Schweinethrombozyten in der Literatur wurden die Thrombozytenparameter MPV und Large Platelets in die hämatologischen Untersuchungen und Auswertung einbezogen, da sie als Marker für die Aktivität der Thrombozyten gelten. Für das MPV lagen Referenzbereiche des Geräteherstellers vor, nach denen sich die Auswertung richtete. Ein Anstieg des MPV wird als regenerative Veränderung gedeutet, die durch den Nachschub junger, größerer Thrombozyten aus dem Knochenmark entsteht. Sie ist somit indirekt auch ein Anzeiger kompensierter Verbrauchsreaktionen (mit funktionsfähigem Knochenmark). Im Verlauf der KSPV-Infektion mit Isolat CSF0634 zeigte sich eine sehr große intra- und interindividuelle Schwankungsbreite. Es war jedoch bei den infizierten Tieren ein tendenzieller Anstieg zwischen dem vierten und zehnten Tag p.i. zu verzeichnen.

Der Parameter Large Platelets zeigte einen gleichsinnigen Gipfel. Betrachtet man diese Tendenzen zusammen, ist anzunehmen, dass eine regenerative Kapazität des Knochenmarks vorhanden war, und vermehrt junge Thrombozyten freigesetzt wurden. Das Auftreten dieser Thrombozyten ist jedoch auch als Indiz einer Verbrauchsreaktion zu werten.

Die Globaltests der Gerinnung aPTT, Thrombinzeit und Prothrombinzeit wurden als Screeningtests des plasmatischen Gerinnungssystems durchgeführt. Die aPTT diente dabei der thrombozytenunabhängigen Untersuchung des intrinsischen Weges der Blutgerinnung (MISCHKE, 1999a; MISCHKE, 1999b; BARTHELS und VON DEPKA, 2003b). Abgesehen von den in 5.3 genannten Verschiebungen durch die Hirudintherapie, zeigte die aPTT hier nur moderate Schwankungen (bis 20%). Einzelwerte, die deutlich außerhalb des erwarteten Bereichs lagen, konnten eindeutig mit Problemen bei der Blutentnahme und zu langen Auftauzeiten in Verbindung gebracht werden. Kam es bei der Blutentnahme durch Verletzung des Endothels zu einer verstärkten lokalen Aktivierung der Gerinnung, wurde häufig eine Verkürzung der Gerinnungszeiten beobachtet. Es zeigte sich zudem, dass sowohl die Auftaugeschwindigkeit als auch die Temperatur des Diäthylbarbituratacetatpuffers wichtige Einflussgrößen auf die Aussagekraft und Reproduzierbarkeit der Gerinnungszeiten darstellten. Die besten Ergebnisse wurden mit vorgewärmtem Puffer und rasch aufgetauten Proben erzielt. Dabei war dem schnellen Auftauen im Wasserbad bei 37°C gegenüber dem Auftauen bei Raumtemperatur der Vorzug zu geben.

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Der Verlauf der aPTT im Infektionsgeschehen legt nahe, dass dem intrinsischen Weg des plasmatischen Gerinnungssystems keine entscheidende Bedeutung in der Pathogenese der KSP zukommt. Eine dekompensierte DIC geht gemeinhin mit einer Verlängerung der aPTT einher, die im vorliegenden Fall nicht in Erscheinung trat. Auch die Verkürzung der aPTT, die für die kompensierte Phase einer DIC charakteristisch ist, trat nicht auf.

Die Thrombinzeit gilt als Suchtest bei Verdacht auf Fibrinogenmangelzustände und beurteilt die gemeinsame Endstrecke der Gerinnung, die auch von aPTT und Prothrombinzeit abgedeckt wird (MISCHKE, 1999a). Die Thrombinzeit zeigte analog zu den Werten der aPTT nur moderate Schwankungen. Einige Werte mit ausgeprägten Abweichungen konnten mit Konsistenzveränderungen der Plasmaaliquots korreliert werden, was die Bedeutung der Probenqualität für die Aussagekraft dieses Tests unterstreicht.

Markante Änderungen traten ausschließlich in den Werten der Prothrombinzeit auf, die als Screeningtest für den extrinischen Weg der Blutgerinnung (BARTHELS und VON DEPKA, 2003b) gilt. Für alle infizierten Tiere zeigte sich ein Anstieg ab dem zehnten Tag pi, der jedoch unterschiedlich ausgeprägt war. Wie die oben genannten Gerinnungstests reagierte auch die Prothrombinzeit empfindlich auf Änderungen der Entnahme-, Lagerungs- und Auftaubedingungen.

Für die Prothrombinzeit ist bekannt, dass sie im Verlauf einer DIC häufig erhöht ist (BARTHELS und VON DEPKA, 2003c). Die in der vorliegenden Arbeit gemessenen Werte zeigten, dass es in der Finalphase der Erkrankung zu einem Verbrauch der Faktoren des extrinsischen Systems kommt. Dieser Befund entsprach den Befunden, die in den 1970er Jahren erhoben wurden (HEENE et al., 1971).

Die Fibrinogenbestimmung zeigte einen Aufwärtstrend für alle infizierten Tiere, der in seinem Verlauf mit den Befunden von HEENE et al. (1971) übereinstimmte.

Die Fibrinogenkonzentrationen für die Tiere des ersten Vorversuches zeigten ausgeprägte Schwankungen, die eine exakte Auswertung nicht zuließen. Die in diesem Vorversuch durchgeführte Methode nach CLAUSS erwies sich als störanfällig und war für den Versuchskomplex mit Hirudin nicht geeignet (BARTHELS und VON DEPKA, 2003b). Sie wurde durch die Methode nach RATNOFF und MENZIE ersetzt, die zwar arbeits- und zeitintensiv ist, jedoch weder durch Gerinnungshemmer noch Fibrinogen-Degradationsprodukte beeinflusst wird (BARTHELS und VON DEPKA, 2003b).

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Fibrinogen kann als Akutphaseprotein schnell und in großer Menge bereitgestellt werden und ist daher bei inflammatorischen Prozessen erhöht. Es ist zudem von wesentlicher Bedeutung bei der Thrombozytenaggregation, wo es über die Bindung an den GPIIB/IIIa Rezeptor die Verbindung der aktivierten Thrombozyten realisiert.

Die auftretenden, moderaten Erhöhungen können als Anpassungs- bzw. Regenerationsversuch nach einem erhöhten Verbrauch gewertet werden. Der für eine dekompensierte DIC häufig charakteristische Abfall der Fibrinogenkonzentration (BATEMAN et al., 1999) konnte im Verlauf der KSPV-Infektion mit Isolat CSF0634 nicht nachgewiesen werden.

Das Auftreten löslicher Fibrinmonomere im Plasma wurde mit dem EGT überprüft, der als Schnelltest eine rein qualitative Auskunft gibt. Erhöhte Konzentrationen werden bei gesteigerter intravasaler Gerinnung und Gefäßverschlüssen erwartet (BARTHELS und VON DEPKA, 2003d). Der EGT wurde bei den Tieren des zweiten Vorversuchs durchgeführt und erbrachte positive Ergebnisse erst in der Finalphase der Erkrankung bei drei von fünf infizierten Tieren. Der Test erwies sich als störanfällig. Da lösliches Fibrin sehr instabil ist, eine Fehlinterpretation durch präanalytische Fehler (Thrombinbildung bei der Entnahme) relativ häufig auftritt sowie Kreuzreaktionen mit plasmininduzierten Fibrin(ogen)derivaten gegeben sein können (BARTHELS und VON DEPKA, 2003d), gibt der Test nur einen ersten Anhaltspunkt. Dennoch sind die positiven Ergebnisse als Indiz dafür zu werten, dass eine überschießende Aktivierung des Gerinnungssystems in der Finalphase der KSP-Erkrankung vorlag.

Einzelfaktorenbestimmungen wurden für die Tiere des ersten Vorversuches für die Faktoren II, V und Antithrombin III durchgeführt. Gerinnungsfaktor II (Prothrombin) zeigte ausgeprägte Schwankungen und konnte nur in einer Trendanalyse ausgewertet werden. Vier von fünf infizierten Tieren zeigten im Gegensatz zu den Kontrolltieren einen deutlichen Anstieg an Tag sieben p.i.. Diese Aktivitätssteigerung indiziert eine Aktivierung des Gerinnungssystems, die jedoch kompensiert zu sein scheint, da auffällige Entsprechungen in den Globaltests nicht nachweisbar waren.

Die Faktor-V-Aktivität stellt einen besonders sensiblen Indikator für intravasale Thrombinaktivität und damit eine Verbrauchskoagulopathie dar (HEENE et al., 1971), wobei eine erhöhte Faktor-V-Aktivität in der Phase I einer Verbrauchskoagulopathie zu erwarten ist (BARTHELS und VON DEPKA, 2003b). Die Messwerte für Faktor V reagierten empfindlich

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auf eine Aktivierung des Gerinnungssystems bei Blutentnahmeproblemen im Sinne eines falsch erhöhten Spiegels. Dessen ungeachtet, zeigte Faktor V gleiche Veränderungen wie Faktor II. Der Gipfel an Tag sieben p.i. ist Anzeichen einer kompensierten Gerinnungsaktivierung, während der Abfall gegen Ende des Versuchs für eine Verbrauchsreaktion spricht.

Antithrombin III ist der natürliche Inhibitor der Gerinnungsfaktoren und zeigt verminderte Aktivität v. a. im Rahmen einer Hyperfibrinolyse und in der dekompensierten Phase einer DIC (MISCHKE, 1999a). Die Antithrombin-III-Aktivität nahm bei allen infizierten Tieren ab, wobei sich die Werte bei drei von fünf Tieren in etwa halbierten. Diese Reaktion korreliert mit den oben genannten Befunden und ist hinweisend für eine Verbrauchssituation.

5.3 Auswirkungen der Hemmung des plasmatischen Gerinnungssystems