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C . URSPRUNG UND ENTWICKLUNG DER MURSIDIYYA

I. VORAUSSETZUNGEN

1. Die Religion der Alawiten

Der religiöseHintergrund , vor dem dieMuräidiyya entstand , ist die cAla

-wiyya /Nusairiyya22, eine Religionsgemeinschaft , die in Westsyrien , Kilikien undHatay23 verbreitetist . Unsere Kenntnisse über ihre Glaubenslehren ru¬

ßen im wesentlichen24auf der im Jahre1864in Beirut erschienenen Enthül¬

lungsschriftal -Bäküra as -Sulaimäniyya fl kaSf'asrär ad-diyäna an -nusai -riyya des alawitischen Renegaten SULAIMÄN EFENDIaus Adana , 25die später

Erst seit den zwanziger Jahren hat sich fürdieNusairiyya der Begriff'Alawiyya eingebürgert,

vgl.HALM1982 ,284 undHALM / EI2147.Er wird aber auch schon früher von Alawitenver¬

wendet ,vgl .LAMMENS 1915 , 146f.

23Türkische Provinz , diein etwa dem früheren Sandschak von Alexandrette entspricht.

24Zwei Abhandlungen sekundären Ranges ,auf die hier ebenfalls zurückgegriffen werden soll, sind1.Die Auszüge aus dem Katechismus der Nossairier ( 1849 ),eine paraphrasierende Über¬

setzungaus dem kitäbtacllm ad-diyönaan -nusairiyya vom Stadtpfarrer Dr .Philipp WOLFF und

2.ClementHU ART:Lapoisiereligieuse desNosalYis ( 1879 ).

25 Vgl.GAL SupplementI327 undII778 .Das Werk wurde schonim Jahre1866 teilweise ins Englische übersetzt von SALISBURY . Die Verlässlichkeit der Schrift wird allerdings vonver¬

schiedenen Seiten angezweifelt.TAWIL ,der Verfasser vonta 'rlhal-cAlawiyytn(1920) ,bezeich¬

net das Buch als voll von verlogenen Behauptungen(tnuzahrafanfl l -'aqwälal-kädiba ; S . 448 ).

ZIYÄ ' I77f.bemerkt ,daß Sulaimän Efendiauf den Einfluß von amerikanischen Missionaren hin zum Christentum konvertiert sei, und daß es auch diese seien,die sein Werk gedruckt haben. Deshalb sei kein Verlaß auf seine Aussagen und seine Beobachtungen inden Gebieten der Ala¬

witengegeben . Auch STROTHMANN 1953 ,21 weist auf das Problemhin :"Esist doch eine peinlich schiefe Situation:eine Gemeinschaftzu studieren ,die selbst von sich schwieg unddarum Fremdenum somehrzuredengab ,bisschließlichdieEnthüllungen eines Abtrünnigenden Haupt¬

stoff lieferten".

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12 Voraussetzungen

von verschiedenen Orientalisten , allen voran Ren6 DUSSAUD26, ausgewertet wurde . Das Verständnis für diese Glaubenslehren wurde später durch die Arbeiten Louis MASSlGNONs 27,der sie in den Zusammenhang der extremen Schia stellte , Rudolf Strothmanns 28, der Editionen und Übersetzungen weiterer alawitischer Texte vornahm , und Heinz Halms 29, der gnostische Elemente herausarbeitete , vertieft.Hier sollen nur einige Elemente der alawi -tischen Religion angesprochen werden , die für die Entstehung der Mur§i -diyya von Bedeutung sind.

a) cAIib. Abi Tälib und die Seelenwanderung

Eine zentrale Rolle spielt inder alawitischen Religion CA1I b. AbiTälib ,der Schwiegersohn und Vetter des Propheten . In Anrufungen wird er mit allen göttlichen Eigenschaften versehen . Er ist der Vollkommene , Schöpfer der Menschen,Beherrscher der Welt, Herr von Anfang und Ende,der Eine und Alleinige.30Über cAlTs Erschaffung des Kosmos liefert Sulaimän Efendi

59-61 einen Bericht , an den, wie er sagt , alle Untergruppen der Nusairier glauben :

"AmAnfang, vor der Erschaffungder Welt , warensie [ sc . die Nusairier]

strahlende Lichter. . ., kannten den Unterschied zwischen Gehorsam und

Ungehorsam . . .und aßen und tranken nicht noch schiedensieaus;unabläs¬

sig erschauten sie'All ibnAbi TälibingoldenerGestalt. . .,danndachten

sie bei sich: «Er wurde nicht als edleres Geschöpf als wir erschaffen . »Dies

war eine ersteSünde, die die Nusairierbegingen . Daerschufer fürsie ei

-R .DUSSAUD:Histoire etreligion des Nosairts ,Paris 1900 .

27Unter den zahlreichen Arbeiten Louis MASSlGNONs zur extremen Schia sind besonders zu

nennen : Art .Nusairt, in : EI 1;und"Esquissed 'une bibliographie Nusayrie " , in :Opera minoraI,

640-649 .Einen hervorragenden Uberblicküber die extrem-schiitischen Bewegungeninder islami¬

schen Religionsgeschichte bietetim übrigenMOOSA .

28 Neben der schon erwähnten Studie(s .o . S . 7 )gibtes von Rudolf STROTHMANN nocheine

ganze Reihe anderer Veröffentlichungen, von denen für uns bedeutsam sind :Morgenländische

Geheimsekteninabendländischer Forschung undDie Handschrift Kiel arab. 19( 1952 ) ,Esoteri¬

sche Sonderthemenbei den Nusairt (1956)sowie Seelenwanderung bei den Nusairt ( 1959 ).

29 >.

H .HALM : "DasBuch der Schatten ".Die Mufaddal-Tradition derGulät und die Ursprüngedes

Nusairiertums ( 1978 / 81 ) ;Die islamische Gnosis( 1982 )und Art .NusairiyyainEI 2 ( 1993 ).

30Auswahlaus der Anrufungsreihe inder "Litaneides Hinweises " (quddäs al - 'iSära)bei SULAI¬

MÄN EFENDI 46f(übersetzt bei HALM 1982 ,346f).

Die Religion der Alawiten 13 nenVorhang , dersie 7000 Jahrefesthielt. Danach erschien ihnenCA1Tibn ab! Tälib undsprach:«Bin ich nicht euer Herr { 'a -lastu bi -rabbi-kum) l»

Sie sagten: «Jawohl» (Sure7, 172 ) ,nachdem er ihnen dieAllmachtgezeigt

hatte . Dann meintensie ,sie sähen ihn in seiner Gesamtheit , weil siemein¬

ten,er sei ihresgleichen . Damit verfielensie einer zweitenSünde, worauf¬

hin er sie den Vorhangsehen ließ, den sie 7077 Jahre und siebenStunden

umkreisten . Dann erschiener ihnenin der Gestalt eines alten Mannes mit weißem Haarund Bart. . . Er sprach zu ihnen : «Wer bin ich ? »Daantworte¬

ten sie : «Wir wissen esnicht !» . ..Danach erschiener ihnenwiederum , in

der Gestalt eines kleinenKindes , und riefsie erneutauf , indem er sagte :

«Bin ich nicht euerHerr ? » Er wiederholte ihnendie Wortebeijeder Epi -phanie (zuhür), während sein ism , seinbäbund die Inhaber der Ränge seiner Heiligkeitbei ihmwaren. . . Alser sie (zum Bekenntnis ) aufrief , da meinten sie, er sei ihresgleichen ;sie gerieten in Verwirrung und wußten

nicht , was sie antwortensollten.Da schuf er ihnenaus ihrem Zögernden Zweifelund dieVerwirrung , und er rief sie an mit den Worten : «Ich habe euch eine Behausung in der Tiefe geschaffen und werde euch dort hin¬

unterwerfen ; ich werde euch menschliche Gehäuse erschaffen undwerde euchin einem Vorhangerscheinen , gleich als ob ( ich) von eurer Art(wä¬

re) ;wer von euch mich dann erkennt ,wer meine Pforte(bäb) undmeinen Vorhang(higäb) erkennt, den werde ich hierherzurückbringen . Wer

aber . .. mich leugnenwird , den werde ichin die Gewänder(qumsäri) der Wiedergeburt (masühiyya ) einschließen . » "31

Trotz seiner wechselnden Gestalt bei jeder dieser Epiphanien bleibt also

CA1T b. Abi Tälibimmer einundderselbe, wobei es den Geschöpfen obliegt ,

ihn zu erkennen .In der Zeit nach diesem Himmelssturz, so Sulaimän Efen -di 61 , erschienEr den Geschöpfen in sieben "Kuppeln " (qubabf1, wobei in jeder vonihnen ein mcfnä (Sinn ), ein ism(Name), ein bäb(Pforte ) und ein didd (Widersacher) auftraten. Nur mit wenigen von den Namen , die in die¬

sem Zusammenhangfallen , können wir etwas anfangen . So heißt etwa der

ism der ersten Kuppel Seth , der mctnä der zweiten Kuppel Hermes der Her¬

messe , der mcfnä der dritten Ardaschir usw .Die letzte der sonst mit Phant¬

asienamen33 bedachten Kuppeln heißtYünän(Die Griechen), wobei mctnä, ism und bäbAristoteles, Piaton und Sokrates sind .

31 Übersetzung vonH .HALM 1982 ,298ff(vonmir an einigen Stellen etwas abgewandelt).

32HALM 1982 , 302 setzt die"Kuppeln " im gnostischenSinne mit Äonengleich,DUSSAUD 74

übersetzt sie mit"apparitions divines ".

33 So die Beurteilung HALM 1982 , 301 .

14 Voraussetzungen

Insieben weitereKuppeln , so SULAIMÄN Efendi 62 , zeigte Er sich dar¬

aufhin"von Abel bis CA1I ibn Abi Tälib ". Die zwischen diesen beiden auf¬

tretenden Personen werden nicht genannt , sind aberaus anderem Zusammen¬

hang her bekannt . In der Antwort auf die fünfte Frage bei Wolff 303 heißt

es, daßsich der Herr siebenmalin einer menschlichen Gestalt offenbart habe :

"a) in der Person Adams unterdem NamenAbel .

b) in der Person Noas unter dem NamenSeth.

c) in der PersonJacob' s unter dem NamenJosef .

d) in der Person Mosis unterdem NamenJosua . e) in der PersonSalomo's unter dem NamenAsaf .34 f) in der Person Jesu unter dem NamenPetrus.

g) inder Person Muhammad ' s unter dem NamenAli ."

Währendhier die Personen der Reihe von Abel bis CA1Tnur als Name , d . h.

ism , erscheinen , werden siein einem von HUART251 übersetzten Gedicht

und in der "Litanei des Hinweises" 35alscAHsManifestationen bezeugt . Das

paßt auch zudem , was nach Sulaimän Efendi 17 der im 10 . Jahrhundert lebende al -Hasibi , einer der großen nusairischenScheiche 36, gelehrt haben

soll , nämlich daß CA1T b. AbiTälibmit Abel , Seth , Joseph , Josua , Asaph ,

Petrus , Aristoteles und Hermes identisch sei . Das heißt, daß sich der mänä nach nusairischer Lehrein der Abel - 0Ali -Reihe manifestiert hat, 37 während

den Personen der Adam-Muhammad-Reihe nur derjeweils zweite Rang (ism ) zukommt.

Hierzeigt sich auch , daß zwei Vorstellungen von 'All nebeneinander exi¬

stieren , nämlich die des irdischen CA1T, der zur Zeit Muhammadslebt und die des überirdischenCA1I , des Ursinns(mcfnäl-mdänt), der sich in ver¬

schiedenen Menschen manifestieren kann.Einerseits werdenihm menschliche Eigenschaftenzugeschrieben - er ist der mit den kahlen Schläfen und dem Wanst ( al -'anzcf al -batlri) , andererseits ist er das göttliche Lichtwesen (Licht der Menschheit , der in der FinsternisLeuchtende, Licht der Morgenröte ,

34 Großwesir Salomos

35SULAIMAN EFENDI 47 ,übersetzt bei Halm 1982 , 348 .

36 Vgl .HALM 1978 ,258ff;HALM 1982 296f .

37 Gleicher Meinung HALM 302 und DUSSAUD 75f.

Die Religion der Alawiten 15 Rücksender der Sonne usw . ) .38Obwohl die Nusarierwissen , daß CA1T er¬

mordet wurde , kann wirklicher Tod ihn nach ihrem Glauben nicht treffen .39

Die schonin früheren Äonen vorausgelaufene Dreiheit mctnä -istnlhig'äb -bäb kommt schließlich ineiner Form zu ihrem Höhepunkt, die inder elften Sure

des bei Sulaimän Efendi 26 überlieferten kitäbal -magmif,demgrundlegen¬

den Buch alleralawitischen Sekten , 40 ihren Ausdruck findet . In dieser Sure

mit dem Namen Sahäda (Bekenntnis )bekennt der nusairische Gläubige, "daß es keinen Gott gibt außerCA1T ibn AbiTalib , dem angebeteten Glatzköp¬

figen , keinen higäb außer dem Herrn Muhammad , dem Gepriesenen, und keinen bäb außer dem Herrn Salmän al -Färisi , dem Begehrten". Diese Drei¬

heit wird durch dasSymbol cAin-Mim -Sln repräsentiert(nach den Initialen der drei Personen), das in den nusairischen Initiationssitzungen eine große Rolle spielt .41

Festzuhalten bleibt , daß sich im nusairischen System der höchste Gott CA1T

b. AbiTalibin derGeschichte des Kosmos immer wieder in verschiedenen Personenmanifestiert hat.Die als ism bezeichneten Personen erscheinen als deutlich nachgeordnet: Muhammad ist aus dem Lichte Seines (sc. cAlTs) Wesens hervorgegangen42, Jesus von Ihm gezeugt . 43 Die Herabsetzung von positiven religiösen Gestaltenzugunsten von anderen ist ein Element, das schon in der spätantiken Gnosis verschiedene Vorläuferhat . 44 Bemerkens¬

wert ist noch , daß al -Hasibi inder bei Sulaimän Efendi überlieferten Pas¬

sage einige der wm -Personen als Inkarnation des Messias bezeichnet: "Dann lehrte er , daß der Messias Adam, . . .Henoch , . . .Noah , Sem , Hüd , Sälih, Luqmän, Lot , Abraham, Ismael , Isaak , Jakob . . .Moses , Aaron . . ., David ,

Vgl .SULAIMÄN EFENDI 46f.

39 Vgl .STROTHMANN 1950 , 60.

40 Vgl.DUSSAUD 42.

41SULAIMÄN EFENDI 3erklärt das Mysterium(sirr) cain - mTm - sTnbeider Beschreibung seiner eigenen Initiation.

42SULAIMÄN EFENDI 45 (übersetzt bei HALM 345 ).

43WOLFF 302,Frage 2.

44 Vgl.JONAS 91 -97, der dort die Herabsetzung des Schöpfergottes zum Demiurgenunddie Umkehrung von Gut und BöseinderKain - Abel -Geschichte sowieim Verhältnis vonPrometheus und Zeus erwähnt.

16 Voraussetzungen

Salomo , Hiob , al -Hidr, al -Iskandar , . .. und Muhammad sei , und daß allge¬

mein jeder Prophet, der auf der Welt erschienen sei , der Messiassei . Das¬

selbe gelte für einige heidnische Weise wie Piaton , Galen , Sokrates, Nero

usw . "45

Außerdem geht aus dem oben zitierten Abschnitt über den Fall der Seelen hervor , daß der Glaube an dieSeelenwanderung ein festerBestandteil der alawitischen Religion ist. Es gibt zwei Typen :masühiyya,die Wanderung der Seelen Ungläubigerin Tierleiber , im Gegensatz zur nasühiyya, der Höher¬

entwicklung der Gläubigen durch verschiedene Gestalten zu Lichtwesen,die

am Ziel zur unverhüllten Schaudes göttlichen Lichtes gelangen. Um sichvor derverhaßten masühiyya zu sichern und rein zu werden vom Schmutze der

Welt , ist es vor allem notwendig, sich zu Gott und den göttlichen Emanatio¬

nen zu bekennen, sowiesich den Propheten undseinem Geschlecht anzu¬

schließen.46

b) Initiation und Geistlichkeit

Die alawitische Gesellschaft spaltet sich inzwei Klassen , die Eingeweihten , und die Nicht-Eingeweihten ,auf . Die beiden erscheinen auch unter den Na¬

men al -hässa(die Elite ) undal -ämma (die Masse ) . 47 Die Kenntnis der Reli¬

gion ist ausschließlichMännern, und unter diesen nur den Eingeweihten vorbehalten. Die Einweihung bzw . Initiation vollzieht sich üblicherweise in drei rituellen Schritten. Zu den erforderlichen Voraussetzungen für eine Initiation gehört , daß der Einzuweihende von zwei alawitischen Eltern ab¬

stammt und mehr als fünfzehn Jahrealt ist . Als ersteswird der Adept von dem Initiationspaten ( al - amm as-sayyid) ,derauch al -murSid al -auwal (Erster

Initiator ) genanntwird , in eine von drei Scheichen geleitete zeremoniellen Sitzung eingeführt, bei der er sich , um seine Unterwürfigkeit zu beweisen, sich die Pantoffeln aller Initiationsgehilfen auf den Kopf legen muß . Gleichzeitig teilt man ihm unter dem Siegel der Verschwiegenheit und , ohne ihm davon den Sinn zu enthüllen , die Buchstaben cAin -Mim -Sinmit . In einer

45SULAIMAN EFENDI 16f. (ÜbersetzungbeiSALISBURY244 ) .Die kursiv gedruckten Namen erscheinen schonimvorangehenden Text alsism.

46Vgl .zu diesem Abschnitt HALM 1982 ,302 ;STROTHMANN 1959 , 89ff.

47 Vgl.SULAIMÄN EFENDI 71 ; HUART 216Anm.1 ;DUSSAUD 117.

Die Religion der Alawiten 17 alawitischen Handschrift wird diese erste Stufe der Initiation mit einer Geburt verglichen. Nach vierzig Tagen geben die Eltern des Kandidaten ein großes

Fest, und während das Festessen vorbereitet wird, findet die zweite Sitzung

statt , bei der man dem Kandidaten die Titel der sechzehn Kapitel des kitäb

al -magmit' , des heiligen Buches der Alawiten ,lehrt . Für die dritte und letzte

Sitzung , die sieben oderneun Monate nach der erstenInitiation stattfindet, wird ein sehr großer Aufwand getrieben. In einem großen Saal setzt sichder Imämnieder , an seiner Rechten der Naqlbmit einem Gefolge von zwölf weiterenNaqlbiyyün, an seinerLinken der Nagibmit einem Gefolge von weiteren 24 Personen (Naglbiyyünund Hawäriyyün) , Der Imämrepräsentiert

CA1T, Naqlb und Nagib repräsentierenMuhammad undSalmän . Außerhalb der erhabenen Runde versammelt sich die Menge der eingeladenen oder auch nicht eingeladenen Bauern um den Initiationspaten . Die Hawäriyyün gehen hinaus und fordern ihn auf , dem Imäm einen Bürgen vorzustellen, den der In¬

itiationspate daraufhin aus der Rundeauswählt . Er wird °amm ad-duhül

(Oheim des Eintritts ) oder auch al -murSid at_ -tänl (zweiter Initiator ) ge¬

nannt . NachdemInitiationspate und Bürge zum Imäm geleitet wordensind , stellt der Naqlb zwei Gläser mit Wein auf ihreKöpfe , dann liest er fünf Gebete vor . Der Imäm erhebt sich , nimmt die Gläser und spricht eine For¬

mel , inder er sich zum Vertreter (wakll) Gottes erklärt . Er kostet vomWein

in den beiden Gläsern, stelltsie an ihre Plätze zurück und streicht denbeiden

mit der Hand über das Gesicht ,was das Zeichen der Erlaubnis ist , denKan¬

didaten zur Initiation hereinzuholen. Man verschleiert ihm den Kopf und liest ihm die Suren5, 6 und 9 des kitäb al -magtmfvor , die die Bedeutung des

'ain-mlm -sin enthalten. Der Kandidat ist initiiert und kann fortan den Gebe¬

ten und Zeremonien beiwohnen. Er bleibt einige Zeit bei seinem Initiations¬

paten , um seine Ausbildung zu vervollkommnen .48

Die Gruppe der initiierten Alawiten gliedert sich wiederum inzwei große

Klassen : die Scheiche (maSä ' ih) oder Geistlichen (rigäl ad-dln ) auf der einen und die einfachen Bauern auf der anderen Seite. Um Geistlicher werden zu

können , mußman aus einer Familie von Geistlichen stammen , sich der Initia¬

tion unterzogenhaben und sechs Monate bei einem Scheich seine religiöse

w Zur alawitischen Initiationvgl .DUSSAUD 104 - 117und HALM1982 , 303 -315.Ihre Auskünfte gehenauf das kitäbal-bäkürä,aufInformantenaus der Haidari-Untersekte,sowieauf die alawiti -sche Sammelhandschrift Paris ,Bibl . nat .arabe 1450Sarhal -imämwa-mä yügabu calaihiwa - yalzamuhü fl mansibihl,fol. 155r - 167v , verfaßt vonSaih Hasan ibnaS -Saih Mansür ibna5

-SaihHalTl al -MahrazT,zurück .

18 Voraussetzungen

Bildung vervollkommnen . Eine wichtige Aufgabe der meist in Weissagung und Astrologie kundigen Scheiche ist es , günstige Termine für den Erntebe¬

ginn , Heiraten, Kaufabschlüsse ,Raubzüge usw . zu wählen . Daneben sind sie für die Unterhaltungder mazärät ( s . u .) verantwortlich und sorgensich um die Einhaltung der Sitten in ihrer Gemeinde. Es sind auch die Scheiche, die bei den Zeremonien die Funktionen des Imäm , des Naqib , des Naglb , der

NaqTbiyyün , der Naglbiyyün und der Hawwäriyyün erfüllen . Schließlich ob¬

liegt ihnen noch die Regelung von Eheschließungen, Scheidungen und Erban¬

gelegenheiten . Dafür genießen sie nicht nurein hohes Ansehen, sondern auch

ein beträchtliches Einkommen in Form der ihnen zufließenden zakät (Armen¬

steuer ) .49

Im Dorf Gaubat Burgäl gab es im Jahre 1923 zwei Geistliche, Scheich Ibrahim MuhammadCA1T50 undseinen BruderScheich Ahmad Muhammad

CA1T (D 1 ), wobei der letztere aber wohl weniger hervorgetretenist , wiesich an der herrschendenUneinigkeit über seinen Namen erkennenläßt . 51 Wie viele andere Geistliche auch ,wachten die beiden nicht nur über das religiöse, sondern auch über das medizinische Wohl der Dorfbevölkerung(Dl ).

c) Al-Hidr und deralawitische Volksglauben

EineGestalt , der im alawitischen Glauben ebenfalls größte Verehrung zu¬

kommt , ist al -Hidr ( "der Grüne ") mit dem Beinamen Abü l -°Abbäs . 52 Sein Kult ist in allen Länderndes Islams verbreitet, das Kerngebietliegtjedoch nicht in Arabien, sondern inSyrien und Palästina . Dort teilt al -Hidr mit dem Heiligen Georg unddem biblischen Propheten Elias einige gemeinsame Kult¬

stätten . H . S. H ADDAD hat überzeugend nachgewiesen, daß alle drei Gestal¬

ten einen gemeinsamen Ursprungin den antiken "baalischen" Kulten der levantinischenAckerbaugesellschaft haben müssen . Fruchtbarkeit ist dabei

49Vgl. zudiesem Abschnitt WEULERSSE1940I261, DUSSAUD117, SARlF77 -79 und STROTHMANN 1950 ,34.

50 IbrähTmcUtmän nennt ihn inseinem Geleitwort zuDAKARS Buch(DXII) Ibrahimal

-Gauba .

51 Nach YAFFE 626 hieß erHasan . HäSim cUtmännannte ihn mir gegenüberCA1T al -Gauba .

52 Vgl.das Kapitel"Khodr- le culte dunon -initie"bei DUSSAUD 128ff .Der Beiname Abü1

-cAbbäs kommt D 7ffvor , vgl .dazu auch VÖLLERS254 .

Die Religion der Alawiten 19 das zentraleThema der Verehrung der drei - von Haddad als "georgisch "

(im Sinnevon griech .YGwpyixöt; = "zum Landbau gehörig" )bezeichneten -Heiligen.

Den Heiligen Georg und den Hidr verbindet eine weitere Gemeinsamkeit: von beiden wird in Syrien und Libanon erzählt ,daß sie das Land von einem bösen Drachenbefreit hätten , dem man jedes Jahrein junges Mädchen op¬

fernmußte . 53 Eine der Stellen , wo beide Heilige zugleich verehrt werden, ist diesogenannte Sabbat-Quelle beim griechisch-orthodoxen Georgskloster im Süden desAlawitengebirges . Schon im Altertum und im Mittelalter war die intermittierendeQuelle ,die auf arabisch cAin Fuwär heißt , Anziehungs¬

punkt von Pilgern .54Bis zur Jahrhundertwendeweihten die Nusairier alle ihre Töchterbei der Geburt dem Heiligen . Vor der Heiratmußten sie dann mit einem Teil des Brautpreises beim Kloster ausgelöst werden.55

Grundlegendfür die islamische Lehrauffassung von al -Hidr ist allerdings nicht seine Rolle als Drachentöter und Repräsentant der wiederauflebenden

Erde , sondern die koranische Theodizee -Legende von Sure 18 , 59 -81 . Dort trifft ein gewisser Müsä am magmcfal -bahrain(dieStelle ,an der die beiden großen Wasserzusammenkommen ) auf einen Gottesknecht undbittet , ihm folgen zudürfen , um von ihm den rechten Weg gezeigt zu bekommen. Der Gottesknecht sagt Müsä jedoch voraus , daßer es nicht lange mit ihmaushal¬

ten werde , und verbietet ihm , für irgendetwas,was er tue, von sich aus nach Erklärungen zu fragen . Während der Reise verübt der Gottesknecht eine Reihe anscheinend unsinnig schlechter Taten , so daß Müsä die Geduld aus¬

geht und er um Aufklärungbittet. Der Gottesknecht trennt sich von dem ungeduldigen Müsä und gibt ihm zum Abschied dieErklärungseiner Taten , die ihre guten Gründehatten .Der Gottesknecht wird von den Koran -Kom¬

mentatorenmit al -Hidr identifiziert.

mentatorenmit al -Hidr identifiziert.