• Keine Ergebnisse gefunden

Bei der industriellen Herstellung von Solarzellen ist es wichtig, die Bruchrate möglichst niedrig zu halten. Im schlimmsten Fall kann ein gebrochener Wafer die gesamte Produktionskette zum Stillstand bringen. Die derzeit verwendete Dicke der Ausgangswafer liegt im wirtschaftlichen Optimum von Materialverbrauch und Ausbeute (Bruchrate). Dünnere Wafer reduzieren zwar den Siliziumverbrauch und könnten bei geeigneten Zellprozessen theoretisch zu höheren Wirkungs-graden führen, doch würde die erhöhte Bruchrate diesen Vorteil zunichte machen. Tri-Si könnte in diesem Punkt einen entscheidenden Fortschritt darstellen. Martinelli et al. zeigten in ersten Bruchtests, dass die mechanische Stabilität gegenüber CZ und multikristallinem Silizium um bis zu 50% erhöht ist. Genauere Angaben zum Aufbau und der Durchführung des Experiments sind in [117] zu finden.

Das hier durchgeführte Bruchexperiment soll mehrere Fragen klären: Zum einen gilt es, die höhe-re Stabilität von Tri-Si zu bestätigen und zum andehöhe-ren den Einfluss des Sägeschadens auf die me-chanische Stabilität zu klären. Zusätzlich soll in diesem Experiment dem meme-chanischen Verhalten der Wafer nach einer Oberflächentextur nachgegangen werden. Für die Durchführung eines sol-chen Experimentes sind diverse Bruchtechniken denkbar und auch im Einsatz. Die herkömmliche Methode ist der biaxiale Aufbau, bei dem der Wafer auf zwei parallelen Stangen gelagert wird, und eine dritte, ebenfalls parallele Stange von oben auf den Wafer drückt. Hierbei treten hohe Spannungen am Rand des Wafers auf, wodurch die Bruchanfälligkeit bei Wafern mit kleinen Feh-lern am Rand erhöht wird. In [127] sind diese und diverse andere Testmöglichkeiten zusammen-gestellt, und die auftretenden Spannungen simuliert. Dabei zeigt sich, dass die in Abbildung 4.9 skizzierte „Twist“-Geometrie im Vergleich zu den anderen Aufbauten eine relativ homogene Spannungsverteilung über den gesamten Wafer aufweist, und auch die Waferkanten im Vergleich zum übrigen Wafer nicht extremen Belastungen ausgesetzt sind.

Abbildung 4.9: Links: Prinzipieller Aufbau des Bruchtesters. Die Art dieser Twist-Test-Belastung erreicht eine relativ homogene Spannungsverteilung über den gesamten Wafer. Rechts: Bild eines 260 µm dicken CZ Wafers kurz vor dem Bruch.

TRI-SILIZIUM

102

An den gegenüberliegenden Ecken des Wafers drücken von oben bzw. unten zwei Stempel im Abstand von 13 cm gegen den Wafer. Zur Veranschaulichung ist im rechten Bild von Abbildung 4.9 ein 260 µm dicker Wafer unter Belastung abgebildet. Ein computergesteuerter Schrittmotor drückt die oben liegenden Stempel nach unten, während gleichzeitig die Auslenkung aufgezeich-net wird. Angaben über die hierzu benötigte Kraft liefert ein ebenfalls an den Computer ange-schlossener Kraftsensor.

Für dieses Experiment wurden 70 Tri-Si und 90 CZ Wafer von der Firma Shell-Solar zur Verfü-gung gestellt. Da keine Ortstreue gewährleistet werden konnte, die Scheiben also nicht alle be-nachbart waren, wurde die Position der Wafer im Block bei dieser Untersuchung nicht berück-sichtigt. Die Scheiben wurden nach ihrer Dicke geordnet und in Gruppen mit je zehn Wafern ein-geteilt. Bereits früher durchgeführte Bruchexperimente an der Universität Konstanz konnten zei-gen, dass diese Stückzahl ausreicht, um eine hinreichende Statistik zu gewährleisten. Die ver-schiedenen Vorbehandlungen der einzelnen Gruppen sind in Tabelle 4.1 zusammengestellt.

Gruppe Ausgangsdicke

Tabelle 4.1: Zusammenstellung der Vorbereitungen für den Vergleich der Bruchfestigkeit von Tri-Si und CZ. Die saure Oberflächentextur wurde nach einem Rezept der Firma Shell-Solar, die alkalische Textur mit Na2CO3 durchge-führt. Die Zusammensetzungen und Anwendungen beider Texturen sind in Kapitel 1.2.1 näher beschrieben.

Das gesamte Experiment lässt sich in drei Abschnitte einteilen. Obwohl das Hauptinteresse beim Vergleich zwischen Tri-Si und CZ liegt, sind auch unter den Gruppen eines Materials interessante Vergleiche möglich. So geben zunächst die Resultate der ersten drei Gruppen Aufschluss über den Einfluss des Sägeschadens auf die Stabilität eines Wafers. Der Materialabtrag erfolgte durch eine saure, isotrope Politurätze (CP6i). Bei den Wafern der dritten Gruppe musste ein Kom-promiss eingegangen werden. Durch das Abätzen von 10 µm/Seite sind sie um 10 µm dünner als die Wafer der ersten beiden Gruppen und eigentlich 10 µm zu dick, um sie direkt mit den Grup-pen 4 und 5 vergleichen zu können. Es hat sich jedoch in Voruntersuchungen gezeigt, dass ein Dickenunterschied im Bereich von 10 µm keinen wesentlichen Einfluss auf die Stabilität hat, so

i Genaue Zusammensetzung siehe Abschnitt 1.1.1.

4.3. MATERIALEIGENSCHAFTEN 103

dass diese Wafergruppe dennoch zu Vergleichzwecken herangezogen werden kann.

Der Zusammenhang zwischen Stabilität und Waferdicke zeigt sich im zweiten Teil der Untersu-chung, dem Vergleich der Gruppen 3 – 5. Hierbei wurden die Wafer einer Gruppe soweit zurück-geätzt, bis ihre Restdicke 260 µm bzw. 220 µm betrug. Relativ zu den unbehandelten Wafern der Gruppe 1 weisen diese Wafer also einen Abtrag von 20 bzw. 40 µm/Seite auf. Eventuelle Aus-dünnungseffekte am Waferrand können dabei nicht ausgeschlossen werden. Sie sollten jedoch aufgrund des verwendeten Twist-Test-Aufbaus keinen gravierenden Einfluss auf die Messergeb-nisse haben.

Schließlich erhielten die Wafer der Gruppen 6 – 9 nach unterschiedlichen Vorbehandlungen teil-weise eine saure, teilteil-weise eine alkalische Textur. Auf diese Weise lässt sich der Einfluss unter-schiedlicher Oberflächenstrukturen auf die Stabilität der Wafer untersuchen. Der Vergleich von Gruppe 4 mit den Gruppen 7 und 9 ist dabei von besonderem Interesse, da hier ausschließlich durch die Texturart Unterschiede im Bruchverhalten bestimmt werden. Beide Texturarten sind in Kapitel 1.2.1 näher beschrieben.

Eine akkurate aber aufwendige Methode zur Auswertung der Messdaten ist die Analyse mit Hilfe der sogenannten Weibull-Statistik. Die genaue Vorgehensweise ist in [128] näher erläutert. An dieser Stelle sei nur erwähnt, dass diese Technik auf dem Vergleich von maximalen Spannungen im Wafer beruht, und es somit notwendig ist, die Spannungsverteilung im Wafer sowie die Belas-tungsbedingungen bei gegebener Wafergeometrie zu simulieren. Die für dieses Experiment ver-wendeten Wafer besaßen jedoch eine semiquadratische Geometrie (quadratisch mit abgeschnitte-nen Ecken), und hätten dadurch eine Simulation der Spannungsverteilung deutlich erschwert. Aus diesem Grund wurde auf diese Methode der Auswertung verzichtet. Stattdessen sollen die direkt zugänglichen Messdaten, also die maximalen Bruchkräfte und maximalen Auslenkungen der ein-zelnen Wafer miteinander verglichen werden. Hierfür wurde die Fläche jedes Wafers einzeln vermessen. Über Gewicht und Dichte lässt sich daraus die Dicke des Wafers exakter bestimmen als mit einem handelsüblichen Stempeldickenmessapparat. Solche Geräte haben zudem den Nach-teil, dass bei zu hohem Anpressdruck eine Vorschädigung der Waferoberfläche eintreten kann, wodurch die späteren Messungen verfälscht würden.

Zunächst ist in Abbildung 4.10 die maximale Kraft über der maximalen Auslenkung der Gruppen 1–5 für Tri- und CZ-Silizium zusammengestellt. Jeder Messpunkt repräsentiert dabei den Mittel-wert einer Gruppe, wobei offensichtliche Fehlmessungen, d. h. Messungen an Wafern, deren Fes-tigkeit durch Risse oder Kerben am Rand stark herabgesetzt war, nicht berücksichtigt wurden. Die Fehlerbalken geben den Standardfehler des Mittelwertes einer Gruppe an. Neben jedem Punkt ist die zugehörige Gruppennummer aufgeführt. Die beiden eingezeichneten Kurven haben keinen experimentellen Hintergrund, sondern dienen nur zur besseren Übersicht über die Datenpunkte der CZ- bzw. Tri-Si-Wafer vom „as cut“-Zustand mit einer Dicke von 300 µm (Gruppe 1) bis zu einem Abtrag von 40 µm/Seite, was einer Restdicke von 220 µm entspricht (Gruppe 5).

Es ist ein deutlicher Anstieg der Stabilität durch Reduktion des Sägeschadens zu beobachten.

Nach 15-20 µm/Seite ist der Sägeschaden weitgehend entfernt. Die Messwerte erreichen ihr Ma-ximum bei einer Waferdicke von 260 µm (Gruppe 4) und fallen dann aufgrund der Ausdünnung

TRI-SILIZIUM

104

der Scheiben und eventuellen Randeffekten stark ab. Während dieses Kurvenverlaufs nimmt die Elastizizät der Wafer stetig zu. Beim Vergleich der beiden Materialien ist eine höhere Bruchfes-tigkeit des Tri-Si zu beobachten. Das Stabilitätsmaximum bei einer Dicke von 260 µm liegt mit 21,7 N um 7,4% über dem maximalen Wert des CZ (20,2 N). Gleichzeitig weist Tri-Si auch eine höhere Steifigkeit auf. Die maximale Auslenkung bei einer Waferdicke von 220 µm (11,1 mm) erreicht nur 77% der Auslenkung von vergleichbaren CZ Wafern. Dies könnte sich beim indus-triellen Siebdruckprozess zum Aufbringen eines ganzflächigen Rückseitenkontaktes als Vorteil erweisen. Mono- und multikristalline Siliziumwafer zeigen nach dem Siebdruckprozessschitt eine Wölbung zur Rückseite hin. Dieser „bow“ ist umso ausgeprägter, je größer und dünner der Wafer und desto dicker die Aluminiumschicht ist. Dieser Bimetalleffekt kommt durch die unterschiedli-chen Ausdehnungskoeffizienten von Aluminium (23,8—10-6 K-1 [129]) und Silizium (7,6—10-6 K-1 [129]) zustande. Aufgrund seiner höheren Steifigkeit sollte Tri-Si eine geringere Krümmung auf-weisen.

Abbildung 4.10: Abhängigkeit der gemittelten Bruchkraft von der maximalen Auslenkung der einzelnen Gruppen.

Die Zahlen neben den Datenpunkten entsprechen den Gruppennummern.

Die Tatsache, dass die Gruppe 1 beider Materialien praktisch identische Werte aufweisen, ver-deutlicht den dominierenden Einfluss des Sägeschadens auf die Stabilität der Wafer. Nach einem Abtrag von ca. 15-20 µm/Seite ist er vollständig entfernt [130], so dass allein die Waferdicke und eventuelle Randausdünnungseffekte den weiteren Kurvenverlauf bestimmen.

Abbildung 4.11 präsentiert die Ergebnisse zu den Gruppen mit texturierter Oberfläche. Zu Ver-gleichszwecken sind zusätzlich in grün die Mittelwerte der Gruppen 1 und 4 aufgeführt. Die ein-gezeichneten Kurven dienen nur der besseren Übersicht und haben keinen experimentellen Hin-tergrund. Durch eine schwarze Kurve sind die Mittelwerte der sauer texturierten CZ Wafer ver-bunden (Gruppe 6, 7 und 8). Bei dieser Versuchsreihe zeigt sich, dass die Textur einen Teil des

4.3. MATERIALEIGENSCHAFTEN 105

Sägeschadens entfernt, wodurch die Bruchkraft von Gruppe 1 zu Gruppe 6 bei gleicher Dicke deutlich ansteigt. Im Gegensatz zu den untexturierten Wafern zeigt sich hier keine Maximale Bruchkraft nach Entfernen des Sägeschadens (Gruppe 7). Obwohl der Materialabtrag der sauren Textur nur ca. 3-4 µm/Seite beträgt, haben diejenigen Wafer die höchste Bruchkraft, deren Säge-schaden nicht vor der Textur entfernt wurde (Gruppe 6). Dass die Textur wiederum selbst Soll-bruchstellen an der Oberfläche einbringt, wird beim Vergleich von Gruppe 7 mit Gruppe 4 deut-lich. Die Bruchkraft der texturierten Wafer nimmt um ca. 25% gegenüber den untexturierten Wa-fern ab.

Beim Vergleich der unterschiedlichen Texturen (Gruppe 7 und 9) untereinander und mit der un-texturierten Gruppe 4 ist zu beobachten, dass die alkalische Textur bei gleicher Dicke eine we-sentlich geringere Oberflächenschädigung (höhere Bruchkraft) hinterlässt als die saure Textur.

Die mittlere maximale Bruchkraft der alkalisch texturierten Wafer liegt mit 18 N um ca. 20% über dem Mittelwert der sauer texturierten Wafer und nur ca. 11% unter dem Wert der untexturierten Referenz. Qualitativ ähnliche Ergebnisse wurden auch von Stefancich et al. publiziert [131]. Die in Abschnitt 1.2.1 gezeigten elektronenmikroskopischen Aufnahmen beider Texturen zeigen, dass die alkalische Textur im Gegensatz zu der sauren Textur keine scharfkantigen Grate und Spitzen aufweist, die Oberflächenkonturen also glatter sind, und somit die Bruchanfälligkeit niedriger ausfällt.

Abbildung 4.11: Ergebnisse zu den texturierten Wafern. Aufgetragen ist die Bruchkraft über der maximalen Auslenkung. Vergleichbare Gruppen sind durch Linien miteinander verbunden.

Der Vergleich schließlich zwischen den Gruppen 6 und 7 des Tri-Si mit denen von CZ liefert ein ähnliches Bild für beide Materialien. Die Abweichungen der Bruchkräfte liegen innerhalb der Fehlertoleranzen. Die höhere Steifigkeit des Tri-Si ist jedoch erhalten geblieben.

TRI-SILIZIUM

106

Fazit

Die durchgeführten Bruchtests zeigen, dass Tri-Si im Vergleich zu CZ ein größeres E-modul (hö-here Steifigkeit) besitzt und im Maximum eine ca. 8% hö(hö-here Bruchfestigkeit aufweist. Es sollte somit möglich sein, dünnere Wafer bei gleicher Bruchrate zu sägen und zu prozessieren. Bei die-ser Untersuchung konnte nicht geklärt werden, ob die höhere maximale Bruchkraft und die höhere Steifigkeit materialspezifische Eigenschaften von Tri-Si sind, oder ob es sich um Effekte der un-terschiedlichen Kristallorientierung handelt. Hierfür wären Stabilitätsexperimente an (110)-orientiertem CZ-Silizium notwendig.

Weiterhin haben die Experimente verdeutlicht, dass schon ein kurzes Überätzen des Sägeschadens eine erhebliche Verbesserung der Stabilität des Wafers mit sich führt. Nach einem Abtrag von 15-20 µm/Seite scheint der Sägeschaden komplett entfernt zu sein, und der Wafer erreicht seine ma-ximale Bruchfestigkeit.

Texturierte Oberflächen vermindern deutlich die Stabilität des Wafers. Bei CZ-Silizium zeichnet sich eine alkalische Textur durch eine wesentlich geringere Oberflächenschädigung und einer daraus resultierenden höheren maximalen Bruchkraft gegenüber der sauren Textur aus. Bei den sauer texturierten Wafern zeigt der Vergleich zwischen Tri-Si und CZ, dass die Textur den Stabi-litätsvorteil des Tri-Si zunichte macht. Die höhere Steifigkeit ist allerdings weiterhin vorhanden.