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Branchenstruktur und Wertschöpfungsketten

4 Volkswirtschaftlicher Nutzen für Deutschland

4.1.1 Branchenstruktur und Wertschöpfungsketten

Zur Bestimmung dieser Effekte müssen zunächst die Technologiefel-der im Tiefseebergbau dargestellt werden. Diese Wertschöpfungsket-te reicht von der Erkundung und Bewertung, über den Abbau und die Förderung, die Off- und Onshore-Logistik, die Verarbeitung bis hin zum Vertrieb und Verkauf. Dieser gesamte Prozess mit den jeweils eingesetzten Technologien wird durch Dienstleistungen des Maschi-nenbaus, der Zertifizierung und des Managements begleitet. Für die Wertschöpfungseffekte in Deutschland spielen der Verkauf und Ver-trieb eine untergeordnete Rolle, da hier keine direkte Nachfrage nach Technologien und Dienstleistungen in Deutschland entsteht. In den Bereichen des Schiffsbaus, der Systeme zum Abbau und der Förde-rung sowie der Dienstleistungen zur ZertifizieFörde-rung und zum Maschi-nenbau sind jedoch viele Unternehmen in Deutschland relevant.

Abbildung 4-1: Wertschöpfungseffekte im Tiefseebergbau

Basierend auf Experteneinschätzungen seitens der Mitglieder des Konsortiums werden zunächst deutsche Unternehmen und deren

3 Bei der Analyse gilt es zu beachten, dass die Veröffentlichung einer zeitlichen Verzögerung von einigen Jahren unterliegt. Die aktuelle Input-Output Tabelle für Deutschland ist momentan für das Jahr 2011 verfügbar. Bei der Analyse muss daher von einer relativ stabilen Wirtschafts-struktur über die Zeit ausgegangen werden. Außerdem wird bei dieser Methode von linearen Produktionsfunktionen ausgegangen, woraus sich fixe Faktor- und Vorleistungskoeffizienten er-geben. Dementsprechend verhalten sich die Faktoreinsatzmengen proportional zur jeweiligen

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Marktposition im internationalen Handel identifiziert und die entste-henden Kapitalkosten eines Technologiesets zum Abbau von Man-ganknollen geschätzt. Dabei wird zwischen drei Szenarien mit Spann-breiten, in denen sich mögliche Kapitalkosten bewegen, und dem An-teil deutscher Produktion unterschieden.

Die Entwicklung verschiedener Szenarien trägt dem Umstand Rech-nung, dass deutsche Unternehmen nicht alle in jedem Schritt der Ab-baukette benötigten Technologien liefern können bzw. dass diese Technologien von europäischer oder internationaler Konkurrenz güns-tiger bereitgestellt werden. Daraus ergeben sich drei mögliche Szena-rien:

Im internationalen Szenario wird das Technologieset von Anbietern aus der ganzen Welt bezogen, wodurch die Preise geringer ausfallen und ein geringer Anteil auf die deutschen Unternehmen entfällt. Das europäische Szenario geht von einem europäischen Konsortium aus, das vornehmlich europäische Anlagen bezieht, was mit höheren Prei-sen und einem größeren Anteil deutscher Produktion einhergeht. Das Szenario eines deutschen Konsortiums mit hauptsächlich deutscher Produktion hat wiederum höhere Kosten aber auch einen höheren Anteil deutscher Produkte zur Folge.

Den finanziell größten Anteil an den Gesamtinvestitionen zwischen 1098 Mio. Euro (internationales Szenario, untere Grenze, Secondhand Bulkcarriers) und 1525 Mio. Euro (deutsches Szenario, obere Grenze, New Bulkcarriers) macht hierbei mit rund 40 % die Anlage zur Ver-hüttung der gewonnenen polymetallischen Knollen aus, welche zwar nicht in Deutschland stehen wird, aber dennoch je nach Szenario zu großen Teilen von deutschen Unternehmen gefertigt und ausgestattet werden kann.

Ähnliches gilt für die verschiedenen Schiffe, die voraussichtlich nicht im Ganzen in Deutschland gebaut werden, jedoch mit deutschen Pro-dukten zur Überwachung und zur Spezialisierung auf den Tiefsee-bergbau bestückt werden können. Auch bezüglich der Anlagen für Abbau und Förderung, die zusammen einen weiteren zentralen Kostenblock darstellen, sowie den Dienstleistungen im gesamten Pro-zess der Wertschöpfungskette, kann mit einem hohen Anteil deut-scher Produktion gerechnet werden, wobei sich teils große Schwan-kungen bezüglich des Anteils deutscher Produktion zwischen dem deutschen und dem internationalen Szenario ergeben.

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Tabelle 4-1: Aufschlüsselung der Investitionskosten (Mio. Euro nach Szenarien)

Inventory

Primary German

Supply Primary European

Supply Primary International Supply

Vertical Transportation System (Riser) 187.4 220.7 187.4 220.7 170.3 220.7

- Riser Sections and Flexible Joints 103.6 112.6 60% 103.6 112.6 43% 94.6 112.6 25%

Survey Vessel for Environmental

Monitoring 63.1 72.1 58.6 72.1 49.5 63.1

Total (New Bulkcarriers): 1254.1 1525.2 1240.5 1516.2 1121.6 1481.1

Total (Secondhand Bulkcarriers): 1232.4 1501.8 1218.9 1492.8 1098.2 1457.7

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4.1.2 Quantifizierung (Input-Output Analyse)

Die Input-Output-Analyse ist eine Methode der empirischen Wirt-schaftsforschung mit deren Hilfe Lieferbeziehungen zwischen einzel-nen Wirtschaftszweigen analysiert werden köneinzel-nen (vgl. Leontief, 1936). Die ökonomische Struktur eines Landes oder einer Region wird hierbei mit Hilfe der Input-Output Tabelle dargestellt. Diese bildet die Lieferbeziehungen zwischen verschiedenen Wirtschafts-zweigen für ein bestimmtes Jahr ab und stellt Wertschöpfungs- und Endnachfragekomponenten in hoher sektoraler Auflösung bereit (vgl. Abbildung 4-2).

Im Detail wird die Input-Output-Analyse dazu verwendet, die wirt-schaftlichen Auswirkungen von Änderungen der Endnachfrage unter Berücksichtigung von Vorleistungsverflechtungen in einem oder meh-reren Wirtschaftszweigen auf die Gesamtwirtschaft abzuschätzen. Der direkte Effekt ergibt sich hierbei aus dem Initialeffekt, also der Ände-rung der Endnachfrage nach Produkten und Dienstleistungen für den Tiefseebergbau. Aus dieser Nachfrageänderung entsteht indirekt zu-sätzliche Produktion in den Zulieferbetrieben der von der Endnachfra-ge betroffenen WirtschaftszweiEndnachfra-ge (Erstrundeneffekt). Die erhöhte Produktion in den unmittelbar vorgelagerten Zulieferunternehmen wirkt sich wiederum positiv auf deren Bedarf an Vorleistungen aus, so dass weitere indirekte Effekte entlang der Wertschöpfungskette ent-stehen.

Bei der Analyse wird zudem angenommen, dass ein Anstieg der Be-schäftigung mit einem Anstieg der Einkommen verbunden ist und dadurch zusätzlich Konsumausgaben der privaten Haushalte induziert werden. Die resultierende Erhöhung der Endnachfrage führt zu weite-ren Produktionssteigerungen, so dass eine zusätzliche Wirkungskette ausgelöst wird. Der Effekt dieser Kette wird als induzierter Effekt be-zeichnet.

Der Gesamteffekt ergibt aus der Summe des direkten, des indirekten und des induzierten Effektes. Insgesamt kann die Bedeutung einer Branche für Produktion, Wertschöpfung und Beschäftigung in einer Volkwirtschaft um ein vielfaches höher sein als die direkten Bran-cheneffekte (Multiplikatoreffekt).

Ausgangspunkt für Darstellung der direkten Effekte ist das sektorale Produktionskonto. Da der Tiefseebergbau aber keinen eigenen Produktionsbereich darstellt, wurden die Produkte der oben darge-stellten Wertschöpfungskette anhand von Experteneinschätzungen den Gütergruppen der Input-Output-Tabelle zugeordnet.

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Quelle: Statistsisches Bundesamt (2010)

Abbildung 4-2: Struktur einer Input-Output-Tabelle

Der Initialeffekt wirkt in Deutschland dabei am stärksten auf die Wirtschaftszweige des Maschinenbaus und der Anlagentechnik, der Elektrotechnik sowie der Installation von Maschinen und Ausrüstun-gen, siehe auch Tabelle 3-13. IngenieurleistunAusrüstun-gen, die mit einem hohen Anteil deutscher Produktion verbunden sind, sind weniger relevant, da ihr Anteil an den Gesamtinvestitionen gering ausfällt.

Insgesamt liegt der Produktionswert in Deutschland zwischen

 305.2 Mio. Euro (internationales Szenario, lower) und

 924.7 Mio. Euro (deutsches Szenario, upper).

Das entspricht rund 20 bzw. 60 % der gesamten Investitionen.

Aus diesem direkten Effekt auf die verschiedenen Wirtschaftszweige entstehen wiederum die oben beschriebenen indirekten und induzier-ten Effekinduzier-ten. Für das deutsche Szenario ergibt sich hieraus ein indi-rekter Produktionswert 636.1 bzw. 772.9 Mio. Euro sowie induzierte Effekte von 542.4 bzw. 664.4 Mio. Euro. Somit liegt der Gesamteffekt um das 2.6-fache über den Ausgangsinvestitionen in die deutsche Wirtschaft, d. h. aus 1.0 Euro direkter Nachfrage entstehen 2.6 Euro Gesamtproduktionswert. Anhand der Beschäftigungs-, Bruttowert-schöpfungs- und Einkommenskoeffizienten, die sich unmittelbar aus

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der Input-Output-Tabelle des Statistischen Bundesamtes ergeben, lassen sich außerdem die Effekte auf die Bruttowertschöpfung und Erwerbstätigkeit errechnen. Mit einer Gesamtbruttowertschöpfung von 824.0 bzw. 1011.2 Mio. Euro sowie einem Erwerbstätigen-äquivalent von 13200 bzw. 16100 4 liegen die Multiplikatoren knapp über dem des Produktionswertes (vgl. Tabelle 4-2).

Tabelle 4-2: Volkswirtschaftliche Effekte des Szenarios Primary German Supply

Effekte Aufgrund des geringeren Anteils deutscher Produktion liegen die

Er-gebnisse im europäischen und internationalen Szenario unterhalb derer des deutschen Szenarios, wobei die Multiplikatoren etwa ähn-lich sind. Abweichungen sind auf den jeweils unterschiedähn-lich hohen Anteil deutscher Produktion in den verschiedenen Szenarien zurück-zuführen.

Tabelle 4-3: Volkswirtschaftliche Effekte des Szenarios Primary European Supply

Effekte

Produktionswert

(in Mio. Euro) Bruttowert-schöpfung

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Tabelle 4-4: Volkswirtschaftliche Effekte des Szenarios Primary International Supply

Effekte

Die oben dargestellten Resultate gelten für den Abbau von Man-ganknollen im deutschen Lizenzgebiet. Der Export für weitere inter-nationale Abbauvorhaben könnte zu einer weiteren positiven Nach-frage und den sich anschließenden Effekten führen. Für den Abbau von Massivsulfiden wurden keine eigenen Szenarien entwickelt, da aufgrund der Ähnlichkeit der Technologiefelder Kosten und Wert-schöpfungseffekte in einem ähnlichen Rahmen entstünden. Unbe-rücksichtigt bleiben technologische Spillover-Effekte auf andere In-dustrien, da diese nur in Teilbereichen des Wertschöpfungsprozesses relevant sind und fundierte Aussagen über deren Dimension kaum möglich sind.

4.2 Rohstoffpolitik

4.2.1 Rohstoffverfügbarkeit und Versorgungssicherheit

Die Sicherung der Rohstoffversorgung ist ein zentraler Baustein in der Beurteilung eines deutschen Engagements im Tiefseebergbau. Um die Bedeutung des Rohstoffpotentials der Tiefsee bewerten zu können, muss zunächst die Verfügbarkeit der Rohstoffe über den herkömmli-chen Weg des Landbergbaus untersucht werden. Ohne Versorgungs-risiken und ohne entscheidende Kostenvorteile des Abbaus in der Tiefsee, wäre die etablierte Rohstoffversorgung Deutschlands durch Importe einer Versorgung aus dem Tiefseebergbau überlegen. Daher müssen neben den betriebswirtschaftlichen Aspekten auch rohstoff-strategische Aspekte in die Gesamtbeurteilung einfließen. Aus der Perspektive des deutschen Staates ist die Frage zu beantworten, ob die Versorgungssicherheit Deutschlands bei den potentiell tiefseege-förderten Metallen in irgendeiner Art gefährdet ist, so dass sich ein deutsches Engagement im Tiefseebergbau aus Gründen der strategi-schen Rohstoffsicherung rechtfertigen lässt.

Nachfolgend werden die wichtigsten Aspekte der Versorgungssicher-heit beleuchtet und diskutiert sowie in den Kontext des Tiefseeberg-baus eingeordnet.

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Deutschland ist ein rohstoffarmes Land und in Bezug auf den Großteil der potentiell tiefseegeförderten Metalle vollständig importabhängig.

Wegen dieser Abhängigkeit ist Deutschland als moderne Industriena-tion beim Thema Versorgungssicherheit besonders sensitiv. Speziell Hochpreisphasen geben wiederkehrend Anlass zur Sorge über dro-hende Engpässe bei der Rohstoffversorgung. Hohe Preise sind zu-nächst ein Indikator von ökonomischer Knappheit, also einer hohen Nachfrage bei begrenztem Angebot. Die in dieser Studie betrachteten Metalle sind ausnahmslos nichterneuerbare mineralische Rohstoffe.

Für diese Rohstoffgruppe kann Knappheit in zwei zu unterscheiden-den Ursachen begründet sein:

 in absoluter Knappheit, wegen aufgebrauchter Vorkommen oder

 in relativer Knappheit, wegen sonstiger Versorgungsengpässe (Handelsbeschränkungen, institutionelle Risiken etc.).

Beide Dimensionen der Rohstoffknappheit können bedeutenden Ein-fluss auf die Rohstoffversorgung eines Landes haben. Die Begrifflich-keit sowie die jeweils verbundenen Risiken werden im Folgenden vor dem Hintergrund des Tiefseebergbaus diskutiert. (BGR 2006, BGR 2015).

Absolute Knappheit

Mineralische Rohstoffe sind endlich. Die geologischen Ressourcen in der Erdkruste sind begrenzt und ihre physische Verfügbarkeit wird bei fortgeführtem Abbau irgendwann zur Neige gehen. Diese Erschöpfung der Vorkommen beschreibt dabei ressourcenökonomisch die absolute Dimension von Rohstoffknappheit.

Anhand dieser Trivialität - die Ressourcen sind endlich - wird und wurde oftmals fälschlicherweise geschlussfolgert, dass Rohstoffe zwangsläufig fortwährend knapper und damit auch immer teurer würden. Diese landläufige Gewissheit mündete häufig in Verknap-pungs-Szenarien, die für unterschiedlichste Rohstoffe sinkende Ver-fügbarkeit und stetig steigende Preise prognostizierten. Bekanntestes Beispiel sind sicherlich die Vorhersagen des Club of Rome zum Ende des Öls. Tatsache ist allerdings, dass sich solche Szenarien stets als unzutreffend herausgestellt haben. Ein genereller Trend langfristig steigender realer Rohstoffpreise konnte bisher nicht beobachtet wer-den; vielmehr wurden bei einigen Rohstoff teilweise sogar real sin-kende Preise beobachtet (Cashin et al., 2002).

Die absolute Knappheit betreffend, muss aus deutscher Perspektive also ermittelt werden, ob sich bei einem relevanten Rohstoff aus geo-logischer Sicht bereits eine Erschöpfung der Vorkommen abzeichnet.

Die gesamten, mit gewisser geologischer Sicherheit in puncto Ort, Quantität und Qualität nachgewiesenen Vorkommen eines Rohstoffs werden als sog. Ressourcen bezeichnet. Darunter fallen sowohl ren-tabel förderbare wie auch nicht wirtschaftlich abbaubare Vorkommen.

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benannt, die zum technischen Status quo und bei derzeitig herr-schendem Preisniveau wirtschaftlich förderbar ist.

Statische Reichweite

Als weitverbreitetes und leicht berechenbares Maß zur Schätzung der absoluten Knappheit wird oftmals die sogenannte statische Reichwei-te herangezogen. Sie ist definiert als Quotient aus gesicherReichwei-ten Reser-ven und derzeitiger Förderung:

ö = statische Reichweite (in Jahren).

Die Reichweite gibt also an, wann die derzeitig bekannten Reserven bei aktueller Förderung erschöpft sein würden. Dieses banale Maß wird oft falsch gedeutet, muss deshalb aus mehreren Gründen mit Vorsicht interpretiert werden.

Die statische Reichweite ist eine dynamische und in beide Richtungen veränderliche Maßzahl - sowohl Zähler als auch Nenner ändern sich im Zeitverlauf. Durch Abbau des Rohstoffs sinken die Reserven zu-nächst naturgemäß und würden ceteris paribus sukzessive über den Zeitraum der Reichweite bis auf 0 sinken. Darüber hinaus ist die Re-servenreichweite wesentlich von der zukünftigen Verbrauchs- und Abbauentwicklung abhängig. Bei zukünftig steigender Abbaumenge würde sich dieser Prozess entsprechend beschleunigen und die Reichweite schneller reduzieren. Allerdings können die Reserven im Zeitverlauf auch steigen. Durch technischen Fortschritt, Explorations-aktivitäten und durch Veränderung des Marktpreises können vormals nicht wirtschaftlich förderbare Lagerstätten zu ökonomisch abbau-würdigen Vorkommen werden [vgl. Abbildung 4-3]. Ein Teil der Res-sourcen kann folglich bei Entwicklung einer neuen Fördermethode oder etwa eines Preisanstiegs nunmehr zu den Reserven gezählt wer-den. Entsprechend steigen die Reserven und damit auch die statische Reichweite an.

Abbildung 4-3: Dynamik von Reserven und Ressourcen

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Bei der Beurteilung von statischen Reichweiten müssen daher zwin-gend die gegenläufigen Prozesse „sinkende Reserven durch Abbau“

und „steigende Reserven durch Exploration und technischen Fort-schritt“ berücksichtigt werden. In der Vergangenheit haben sich die Reserven und Reichweiten vieler Rohstoffe tendenziell erhöht anstatt verringert. Die entsprechenden (in der Vergangenheit berechneten) statischen Reichweiten gaben also die absolute Knappheit der jeweili-gen Rohstoffe nicht adäquat wieder. Folglich müssen heute ermittelte Reichweiten unter Vorbehalt interpretiert werden. Ursächlich dafür sind vor allem folgende Faktoren:

 Mit steigenden Preisen nimmt der Umfang der Reserven tendenziell zu, da ein Teil der vormals unrentablen Ressourcen bei höherem Preisniveau für den Abbau attraktiv werden kann.

 Geringe Reichweite und höhere Preise verstärken die Notwendig-keit von Explorationsaktivitäten, welche wiederum sowohl die Res-sourcen als auch die Reserven erhöhen können.

 Technischer Fortschritt: Verbesserte Abbautechnologie kann durch verringerte Kosten etwaige Ressourcen im Zeitverlauf förderbar machen und damit in die Reserven überführen.

 Recycling und Substitution: Durch technischen Fortschritt kann die Recyclingquote steigen wie auch die Bedeutung etwaiger Ersatz-stoffe. Beide Prozesse können den Abbau hemmen oder gar sinken lassen.

Obwohl die statische Reichweite aus genannten Gründen „als Früh-warnindikator für die absolute Verknappung von Rohstoffen ungeeig-net ist“ und „lediglich eine Momentaufnahme [vermittelt]“ (BGR 2006, S. 16) lässt sich aus Tabelle 4-7 zumindest ein erster Eindruck potentieller absoluter Verknappung ableiten. Als alternatives Beurtei-lungsmaß ist die statische Ressourcenreichweite aufgeführt, also das Verhältnis von gesicherten Ressourcen zu derzeitiger Förderung.

Wie bei der statischen (Reserven-) Reichweite muss dieses Maß eben-falls mit Bedacht interpretiert werden. Zum einen werden Teile der identifizierten Ressourcen womöglich niemals wirtschaftlich förderbar werden und unter der Erde bleiben. Zum anderen kann sich die Res-sourcenbasis durch neu entdeckte Vorkommen vergrößern und damit die Ressourcenreichweite erhöhen. Bei vorsichtiger Interpretation beschreiben die beiden Maßzahlen, die statische Reservenreichweite und die statischen Ressourcenreichweite, einen Zeitkorridor in dem absolute Knappheit jeweiliger Rohstoffe drohen könnte.

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Tabelle 4-5: Förderung, Reserven und Reichweite ausgesuchter Metalle (Stand 2016) USGS Schätzungen für 2015

Absolute Knappheit der in Manganknollen enthaltenen Metalle Für die im Manganknollenabbau relevanten Metalle Kobalt, Kupfer, Mangan, Nickel (unter Vorbehalt Seltene Erden) zeigen die statischen (Reserven-) Reichweiten mindestens in den nächsten drei Jahrzehn-ten keine drohende absolute Knappheit. Im Falle von selJahrzehn-tenen Erden beläuft sich die Reservenreichweite auf über eintausend Jahre, so dass eine baldige Erschöpfung der Seltenen Erde Vorkommen ausge-schlossen werden kann. Die geringste statische Reservenreichweite der tiefseerelevanten Metalle hat mit 31 Jahren Nickel. In Verbindung mit der Ressourcenreichweite ist Nickel das einzige der potentiell tief-seegeförderten Metalle, dessen Vorkommen innerhalb des 21. Jahr-hunderts erschöpft sein könnten. Bei Kobalt, Kupfer und Mangan las-sen die jeweiligen Reserven- und Ressourcenreichweiten auf keine in diesem Jahrhundert bevorstehende absolute Knappheit schließen.

Relative Knappheit

Neben den bereits dargestellten Gesamtmengen an gesicherten Land-reserven und -ressourcen mit den impliziten Reichweiten ist die rela-tive Knappheit ein zentraler Baustein in der Bewertung von Versor-gungsrisiken. Mit relativer Knappheit sind potentielle Situationen be-schrieben, in denen ein Rohstoff aus unterschiedlichen Gründen

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rübergehend) knapp sein kann. Also nicht aus dem Grund erschöpfter Vorkommen, sondern etwa wegen anderer Engpässe wie mangelnde Kapazitäten, Lieferunterbrechungen oder Handelsbeschränkungen. Es handelt sich also um einen prinzipiell temporären Zustand eines An-gebotsdefizits, der nichts mit einer ressourcenökonomischen Knapp-heit gemein hat.

Hierfür sind vor allem die geografische Verteilung von Vorkommen und Förderung relevant. Eine starke räumliche Konzentration der För-dermengen auf wenige Länder impliziert zumindest kurz- bis mittel-fristig eine entsprechende geopolitische Abhängigkeit in der Roh-stoffversorgung aus Sicht von Rohstoffimportländern wie Deutsch-land. Diese könnte durch eine alternative Metallgewinnung im Rah-men des Tiefseebergbaus verringert werden. Neben dem allgemeinen Risiko geografischer Konzentration sind auch länderspezifische Risi-ken in Bezug auf die Fördergebiete potentiell von Relevanz. Diese betreffen vor allem die politisch-institutionelle Ebene. Politische In-stabilität stellt ein besonderes Risiko dar: Politische Unruhen können die Exportaktivität bei Rohstoffen beeinträchtigen, die handelspoliti-sche Ausrichtung kann sich im Falle eines Regimewechsels drastisch verändern. Um solche Risiken im Ländervergleich abbilden zu können, müssen die verschiedenen Dimensionen von Länderrisiken zunächst in Form von Vergleichsindikatoren zusammengefasst werden. Die Weltbank bietet hierfür mit ihren Governance Indicators eine metho-disch saubere und verlässliche Grundlage.

Im Hinblick auf die geografische Konzentration der Metalle liefert zu-nächst eine Auflistung der weltweit größten Förderländer mit ihren Förderanteilen nach Metallen Aufschlüsse. In Tabelle 4-8 sind neben den (grün markierten) Metallen, die gemäß vorausgegangener Analy-se in nennenswerten Anteilen in den Manganknollen enthalten sind, auch weitere wichtige Metalle aufgeführt. So wird die relative Bedeu-tung von geografischer Konzentration bei den Tiefseemetallen ver-deutlicht. Die größte Konzentration der Fördermengen zeigt sich ge-genwärtig bei den Seltenen Erden, China kommt hier auf einen globa-len Anteil von 90 %. Vergleichsweise gering sind die Anteile der größ-ten Förderländer bei den Edelmetallen Gold und Silber ausgeprägt.

Unter den in der Manganknolle enthaltenen Metallen gilt das beson-ders für Nickel. Auf der anderen Seite findet sich mit Kobalt hier auch ein Metall, bei dem zurzeit mehr als die Hälfte der weltweiten Förde-rung in nur einem Land, der Demokratischen Republik Kongo, erfolgt.

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Tabelle 4-6: Wichtigste Förderländer 2014

Metall Bauxit Australien 78,632 30.27 China 65,000 25.03 Brasilien 35,410 13.63

Blei China 2,700 50.34 Australien 728 13.57 USA 355 6.62

Chrom Südafrika 14,038 46.77 Kasachstan 5411 18.03 Türkei 4,100 13.66 Eisen China 1,514,240 44.84 Australien 745,735 22.08 Brasilien 345,800 10.24

Gold China 452 14.98 Australien 274 9.09 USA 210 6.97

(Ilmenit) Kanada 2,500 20.24 Australien 1,340 10.85 Südafrika 1,105 8.95

Zink China 5,200 38.01 Australien 1,561 11.41 Peru 1,319 9.64

Zinn China 160 45.12 Indonesien 70 19.80 Burma 35 9.87

Quellen: BGS (2016); HWWI (2016).

Das Ausmaß an globaler Konzentration im Landbergbau insgesamt wird noch deutlicher durch die Weltkarte in Abbildung 4-4. Hier sind die einzelnen Länder entsprechend der Anzahl an eingefärbt, bei de-nen der globale Förderanteil des jeweiligen Landes mehr als 1 % be-trägt. Es zeigen sich klare regionale Schwerpunkte. So kommen Aust-ralien und China bei sämtlichen betrachteten Metallen auf entspre-chende Förderanteile. Auch in Brasilien und Russland wird eine große Auswahl an Metallen in nennenswerter Form gefördert. Europa dage-gen spielt im globalen Vergleich eine untergeordnete Rolle. In Afrika beschränkt sich mit Ausnahme Südafrikas die Förderung auf spezifi-sche Metalle in einzelnen Ländern.

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Quellen: BGS (2016); HWWI (2016).

Abbildung 4-4: Geografische Verteilung der Förderkonzentration

Abbildung 4-4: Geografische Verteilung der Förderkonzentration