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Blutspende zur organisationalen Legitimation

3. Ehrenamtliche Blutspende bei PCK und ČSČK

3.6 Blutspende beim PCK in Krakau

3.7.1 Blutspende zur organisationalen Legitimation

Das ČSČK nutzte die Blutspende zur Legitimation gegenüber dem Staat. Zahl-reiche Veröffentlichungen von den 1950er-Jahren bis in die 1980er-Jahre be-legen, dass diese Aufgabe eine wichtige Konstante in der Arbeit des ČSČK darstellte, die der Staat wünschte, zeitweise aber auch für eigene Propaganda-zwecke einsetzte.

Auffällig ist hierbei, dass es praktisch keine Darstellungen über die Blut-spende gab, die nicht das ČSČK selbst verfasste. Auch Broschüren, die eigent-lich eine breite Öffenteigent-lichkeit adressierten, enthielten mitunter genaue medi-zinische Informationen, für die sich wohl nur ein gebildetes Fachpublikum interessieren konnte. Zu den wichtigsten Veröffentlichungen des ČSČK zähl-ten Dárcovství krve (Praha 1957) und Životodárná tekutina: krev a dárcovství krve (Praha 1967) von Eduard Dobrý und Jaroslav Fiala. In den 1970er- und 1980er-Jahren kamen Co vás zajímá o krvi a dárcovství krve (Praha 1978 und Praha 1980) und Člověk člověku dárcem krve (Praha 1988) von Miloslav Švanda hinzu, sowie ein Tagungsband zur Blutspendekonferenz in Nitra mit dem Titel Rozvoj darcovstva krvi v Slovenskej socialistickej republike (Martin 1984) von Mikuláš Hrubiško.

Anlässlich des 70. Jubiläums des ČSČK verfasste außerdem Hedviga Beč-ková zusammen mit der Direktorin der Regionalbibliothek Rožňava, Anna Hrušková, eine Regionalbibliografie mit dem Titel Darcovia života (Rožňava 1989). Darin stellte sie anhand lokaler Presseberichte die Entwicklung der ehrenamtlichen Blutspende in der Stadt Rožňava zwischen 1963 und 1989 dar. Da dieses Beispiel allgemeine Mechanismen offenlegt, die für die Öffent-lichkeitswirksamkeit des ČSČK relevant waren, wird es im Folgenden kurz ausgeführt.

Die regionalen Zeitungen Zora Gemera, Východoslovenské noviny, Práca, Magnezit u. a. berichteten regelmäßig über Blutspendeaktivitäten des ČSČK. Wiederkehrende Anlässe für die Berichterstattung waren Blutspendetermine, die die Stadtgruppe in Rožňava organisierte, sowie Ehrungen ansässiger Blut-spender. Auszeichnungen waren scheinbar sogar der häufigste Grund für die Erwähnung von Blutspendern in der Presse. Dies hatte vor allem strukturelle Gründe: Da das ČSČK Blutspender bereits nach der dritten Blutentnahme als

»Vorbildliche Blutspender« (Vzorný darca krvi) betrachtete, war das System sehr niedrigschwellig. Nach sechs ehrenamtlichen Blutspenden erhielt der Spender die Auszeichnung »Verdienter Blutspender« (Zaslúžilý darca krvi)

und bei regelmäßiger Teilnahme ehrte das ČSČK mit der Janský-Medaille.

MUDr. Jan Janský galt in der Tschechoslowakei zwar fälschlicherweise und nur dank staatlicher Propaganda als Entdecker der Blutgruppen, zierte aber dennoch eine der wichtigsten Medaillen der Organisation (siehe oben). Auch hier war das System für ehrenamtliche Blutspender noch relativ niedrig-schwellig angelegt: Nach zehn Blutspenden gab es die Janský-Medaille in Bronze, nach zwanzig Spenden als Silbermedaille und nach vierzig Spenden schließlich als Goldmedaille.135

In ihrer Bibliografie verzeichnete Bečková für die Jahre 1963 bis 1989 insge-samt 49 Einträge. Davon entfielen 27 auf Zora Gemera, 8 auf Východoslovenské noviny, 4 auf Magnezit, 3 auf Práca sowie je ein Eintrag auf Veröffentlichungen in Banické slovo, ČSČK, Elán, Gömöri Hejnal, Slovenka, Uj Szó und Zdravie.

Es handelte sich also um eine Mischung aus Zeitungen in tschechischer, slo-wakischer und ungarischer Sprache, die in der Regel mindestens einmal jähr-lich über die Blutspende berichteten. In den 1970er-Jahren erwähnten Zora Gemera, Východoslovenské noviny und Práca diese jedoch auffällig häufig.

Meistens handelte es sich um Danksagungen und Ehrungen. Die Berichte umfassten aber auch detailliertere Bilanzen. Beispielsweise informierte Štefan Bloch im Vorfeld einer ČSČK-Konferenz im Frühjahr 1977 darüber, dass für die Kreisorganisation 100 Sanitäterkreise arbeiteten, 9.000 Rotkreuzmitglie-der und 1.240 ehrenamtliche BlutspenRotkreuzmitglie-der.136

Dass in der regionalen Presse von Rožňava besonders in den 1970er-Jahren von der Blutspende die Rede war, spiegelt auch einen allgemeinen nationa-len Trend wider. In dieser Zeit nutzte die KSČ die Blutspende verstärkt für Propagandazwecke, um vom politischen Stillstand abzulenken. Während die regionalen und lokalen Gruppen des ČSČK bis dahin recht unbehelligt von der Prager Zentrale ihrem Tagesgeschäft nachgegangen waren, manifestierte sich nun eine politische Durchdringung der Organisation. Diese erreichte auch die Stadt Rožňava, die sich demzufolge bemühte, viele Blutspender zu rekrutieren, mehr Ehrungen zu vergeben und über diese Tätigkeiten sichtbar in der Presse zu berichten.

Tatsächlich täuschte die stärkere mediale Präsenz der Blutspende aber über eine nachlassende Blutspendebereitschaft hinweg. Im Jahr 1968 gab es im Kreis Rožňava nämlich noch ca. 2.734 ehrenamtliche Blutspender, d. h. noch mehr als doppelt so viele, wie 1977.137 In den 1970er-Jahren verstärkte das ČSČK daher seine Blutspendeaktivitäten in regionalen Betrieben, wo zu einem

135 Bečková, Hedviga: Darcovia života. Výberová regionálna bibliografie k 70. výročiu za-loženie ČSČK. Rožňava 1989, 2.

136 Bloch, Štefan: Roky záslužnej práce. Pred konferenciou ČSČK. In: Zora Gemera, Band Nr. 26, Ausgabe Nr. 7 vom 17.2.1977, 1.

137 o. A.: Darcovia krvi, In: Zora Gemera, Band Nr.18, Ausgabe Nr. 2 vom 17.1.1969, 1.

Termin bis zu 70 Personen Blut spenden konnten. Bei außerbetrieblichen Ter-minen waren es zumeist nur bis zu 30 Personen.138

Um dem Rückgang der Blutspender entgegenzuwirken – und vermutlich auch, um auf die staatliche Propaganda zu reagieren – veranstaltete das ČSČK Rožňava im Frühjahr 1979 einen kreisweiten Wettbewerb unter dem Titel

»Vorbildliche ČSČK-Kreisorganisation« (Vzornú ZO ČSČK). Anschließend bilanzierte die Zora Gemera, dass im Kreis Rožňava 220 Personen mit der Auszeichnung »Vorbildliche Blutspender« (Vzorný darca krvi) lebten, 199 Per-sonen mit der Auszeichnung »Verdienter Blutspender« (Zaslúžilý darca krvi) und insgesamt 34 Bürger Träger der Janský-Medaille waren.139

Trotz schwankender Frequenz der Berichte belegt Bečkovás Bibliografie, dass die ehrenamtliche Blutspende in der Öffentlichkeit äußerst präsent war.

Blutspender erhielten auf diese Weise nicht nur organisationseigene Abzeichen, sondern auch eine breite öffentliche Aufmerksamkeit. Darüber hinaus ver-deutlicht die Bibliografie, dass Blutspende in dieser Region ohne die Mitwir-kung des ČSČK kein Thema war.

Dass das ČSČK die Blutspende ganz selbstverständlich zu den eigenen Aufgaben zählte, dokumentieren auch organisationsintere Berichte. Diese er-wähnten explizit und regelmäßig die Organisation der ehrenamtlichen Blut-spende. Jedoch enthielten sie kaum inhaltliche Details – vermutlich weniger aus datenschutzrechtlichen Gründen, als vielmehr auf Grund der selbstver-ständlichen Annahme dieser Aufgabe. Selbst in den 1970er-Jahren erneuer-ten Berichte des ČSČK-Vorstands und der Revisionskommission lediglich die strategische Gewichtung der Blutspende in der jeweiligen Jahresplanung bzw.

in der Haushaltsplanung.

Ein interner Bericht vom Juni 1968 veranschaulicht, dass das ČSČK eine hierarchisch angelegte Organisation war, die keinesfalls nur auf der zentral-staatlichen Ebene kommunizierte. Vielmehr fand Kommunikation zwischen den jeweiligen Ebenen und sowohl von oben nach unten, als auch umgekehrt statt. Sobald es allerdings um Ausgaben für die Blutspende ging, zeigte sich die Zentrale in Prag weisungsbefugt. Das folgende Kapitel gibt exemplarisch eine damalige Diskussion über den »Kostenfaktor Blutspende« wieder.140

138 Bečková: Darcovia života, 5.

139 o. A.: Darcovia krvi (1969), 1, 4.

140 Zpráva ústřední revizní komise (1968), NA, ČSČK, Praha, ka.17, 2, 5.