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Biosensoren und ihre Anwendung für die Untersuchung der Reaktionskinetik

1. Einleitung

1.3. Biosensoren und ihre Anwendung für die Untersuchung der Reaktionskinetik

Für die Bestimmung von Gleichgewichtskonstanten für Protein-DNA-Interaktionen steht eine Vielzahl von Methoden zur Verfügung. Allerdings arbeiten viele dieser Methoden (z. B.

EMSA, Nitrozellulose-Filtration) nicht unter echten Gleichgewichtsbedingungen, sondern liefern nur apparente Gleichgewichtskonstanten und erlauben keine Aussagen über die Bindungskinetik. Zu den echten, in Lösung anwendbaren Gleichgewichtsmethoden gehören Fluoreszenzverfahren und isotherme Kalorimetrie. Die Messung der Oberflächenplasmo-nenresonanz (SPR), die erst in den letzten Jahren entwickelt wurde, hat mittlerweile eine breite Anwendung zur Bestimmung von Bindungskonstanten und zur Messung von Reakti-onskinetiken gefunden. Als Oberflächenplasmonen bezeichnet man frei oszillierende Elekt-ronen in einem Metall. SPR (surface plasmon resonance) ist ein optisches Phänomen, das durch eine Totalreflektion des Lichtes an der Metallfilm-Flüssigkeitsoberfläche verursacht wird. Wenn ein Lichtstrahl an die Grenzfläche zweier unterschiedlich dichter Medien (z. B.

Glass und Wasser) trifft, wird er zum Teil reflektiert und zum Teil refraktiert. Für einen Strahl, dessen Einfallswinkel größer ist als der kritische Winkel Θk, tritt keine Brechung mehr auf, sondern erfolgt eine totale Reflektion. Ein Teil des totalreflektierten Wellenvektors (evaneszierende Welle) dringt durch die Oberfläche des optischen Mediums mit einer elekt-rischen Feldstärke ein, die mit zunehmender Eindringtiefe exponentiell absinkt. Bei einem monochromatischen, polarisierten Licht und einem Metallfilm an der Grenzfläche der Me-dien kann die evaneszierende Welle zu einer Anregung der Plasmonen in der Metallschicht führen. Für eine Oberflächenplasmonenresonanz muss der Wellenvektor kx des einfallen-den Lichtes mit dem Wellenvektor der Plasmonen kxpl übereinstimmen. Nur bei einem be-stimmten Winkel wird die Energie des einfallenden Lichtes für die Anregung der Plasmonen verbraucht und damit die Intensität des reflektierten Lichts gesenkt. Man spricht von einer

„unterdrückten Totalreflektion“ (ATR – attenuated total reflexion). Durch eine Optimierung der Schichtdicke des Metallfilms – diese beträgt für Silber 53 nm, für Gold 49 nm – lässt sich eine vollständige Auslöschung der Intensität des vom Prisma reflektierten Lichtes er-reichen. Auf diesem SPR-Messprinzip basiert das in der Arbeit verwendete Gerät BiacoreX, das aus einem Diodenlaser, SPR-Detektor und einer „Mikro-Fluss-System“ (Integrated µ-Fluidic Cartridge) besteht (Abb. 1-5).

BIOSENSOREN UND IHRE ANWENDUNG FÜR DIE UNTERSUCHUNG DER REAKTIONSKINETIK 9

Das polarisierte Laserlicht wird über ein Prisma auf einen goldbeschichteten Sensorchip fokussiert. Die Goldoberfläche ist mit einer Monoschicht von Hydroxyalkyl-Thiol und einer daran gekoppelten 100 nm dicken Carboxymethyl-Dextranschicht bedeckt. An das aktivier-te Dextran kann ein Bindungspartner (Ligand) über funktionelle Gruppen direkt oder z. B.

über immobilisiertes Streptavidin gekoppelt sein. Bis zu 300 nm vom Metall entfernt stattfin-dende Änderungen des Brechungsindexes aufgrund von Zugabe des zweiten Interaktions-partners (Analyt), Pufferaustausch etc., sind direkt mit der resonanten Anregung der Elekt-ronen in der Metallschicht verbunden. Die Brechungsindexänderung führt dazu, dass die Oberflächenplasmonen unter einem anderen Winkel angeregt werden, wodurch sich das Intensitätsminimum im reflektierten Licht verschiebt. Diese Verschiebung wird als zeitab-hängige Resonanzsignalkurve (Sensogramm) grafisch dargestellt (nach (Hall 2001; O'S-hannessy et al. 1993), BIAcore-Bedienungsanleitung).

Eine Sensogramm (Abb. 1-6) beinhaltet nach der Injektion des Analyten eine Assoziations-phase, die zum Erreichen des Gleichgewichtszustandes führt. Nach der Injektionsende wird

Abb. 1-5 Aufbau der optischen Meßeinheit des BiacoreX-Gerätes. Der Ligand wird über funktionelle Gruppen an die dementsprechend bearbeitete Chipoberfläche immobilisiert. Änderungen an der Chip-oberfläche sind direkt mit der resonanten Anregung der Elektronen in der Metallschicht verbunden. Änderung des gemessenen Winkels des Intensitätsminimum (I und II) im reflektierten Licht wird als eine zeitabhängige Resonanzsignalkurve grafisch dargestellt (nach Pharmacia Biosensor AB, Uppsala/Sweden).

Abb. 1-6 Darstellung eines Sensogrammes. Ausgangszu-stand bezeichnet mit Ligand beladene Chipoberfläche; Sig-nalhöhe und das Erreichen des Gleichgewichtszustandes ist Analytkonzentration abhängig;

während des Reinigungsschrit-tes eluieren die nicht dissoziier-ten Analytmoleküle von der Chipoberfläche (nach Pharma-cia Biosensor AB, Uppsa-la/Sweden).

10 EINLEITUNG

die Dissoziation des Analyten von der Oberfläche beobachtet. Falls die Bindung zwischen dem Liganden und Analyten sehr stark ist, kann die vollständige Dissoziation des Analyten bis zu einigen Tagen dauern. In diesem Fall wird die Messung durch Injektion einer Rege-nerationslösung abgebrochen. Für eine Bestimmung der Reaktionsgeschwindigkeitskon-stanten werden in der Regel mindestens sechs Sensogramme bei verschiedenen Analyt-konzentrationen aufgenommen.

Die SPR-Messung findet die Anwendung in zwei großen Bereichen: „Ligand fishing“ mit anschließender MS-Analyse (Sonksen et al. 1998) und Charakterisierung der Wechselwir-kung zwischen verschiedenen Biomolekülen wie Bestimmung der Reaktionskinetik und der thermodynamischen Parameter (K. Herlihy 2002). Der Vorteil des Verfahrens ist, dass eine qualitative und quantitative Analyse (in einem KD-Bereich von 1 mM bis 1 pM) ohne zusätz-licher Markierung der Interaktionspartner für ein breites Spektrum biologischer Systeme durchführbar ist. Kleine Moleküle (<200 Da) (Leatherbarrow & Edwards 1999), Peptide, Proteine, Lipide, Oligonukleotide (Asensio et al. 1998) und Oligosacharide (Haseley et al.

1999) können ebenso untersucht werden wie Phagen, virale Partikeln oder Zellen (Quinn et al. 2000; Rich & Myszka 2001; Rouet-Benzineb et al. 2000).

Aufgrund der hohen Sensitivität des Messsystems spielen die physikalischen Parameter eine wesentliche Rolle bei der SPR-Messung. Vor allem bei hochaffinen Protein-DNA-Komplexen ist es von großer Bedeutung, die experimentellen Bedingungen wie Flussge-schwindigkeit, Temperatur, Salzkonzentration und Chipbeladungsgrad (Edwards et al.

1997) zu optimieren, um unspezifische Wechselwirkungen bzw. diffusionskontrollierte Re-aktionen (Mason et al. 1999) zu vermeiden (Leatherbarrow & Edwards 1999; Schuck & Min-ton 1996). Trotz der hochreproduzierbaren Messungen und optimierten Bindungsbedingun-gen geling es nicht immer, die Geschwindigkeitskonstanten nach einem theoretisch be-rechneten Modell zu bestimmen, wie dies z. B. für die NF-κB p50-DNA-Bindung der Fall war (Michalopoulos & Hay 1999).

Für die Untersuchung von Protein-DNA-Wechselwirkungen mit Biacore stehen verschiede-ne Immobilisierungsmöglichkeiten der Bindungspartverschiede-ner zur Auswahl. Eiverschiede-ne chemische Pro-teinkopplung an der Oberfläche ist oft mit Konformationsänderungen bzw. Proteininaktivie-rung verbunden. Eine Verwendung von GST-Fusions-, oder biotinylierten Proteinen ist zwar möglich, liefert aber ein schwaches Signal nach der Zugabe der kleinen Oligonukleotide.

His-Tag tragende Proteine diffundieren in der Regel von der Ni-NTA-Oberfläche während der Messung und sind eher für niedrigaffine Protein-Protein-Interaktionen einsetzbar. Bei der Untersuchung von Protein-DNA-Bindungsreaktion bevorzugt man in der Regel eine DNA-Immobilisierung an der Chipoberfläche. Am häufigsten setzt man biotinylierte bzw. mit einer Thiolgruppe markierte Oligonukleotide in die SPR-Messungen ein (Michalopoulos &

Hay 1999).

SPR-Analyse der Protein-DNA-Wechselwirkung beschränkt sich nicht nur auf die Messung der Reaktionskinetik und Bestimmung der Geschwindigkeitskonstanten der Reaktion. Durch

IN VITRO SELEKTION FUNKTIONELLER PROTEIN- UND NUKLEINSÄUREMOLEKÜLE 11

die DNA-Immobilisierung an der Oberfläche erhält man ein stabiles Messsystem zum Über-prüfen der Proteinmutanten auf die Bindungspotenzial mit dem DNA-Fragment (Neylon et al. 2000; Suh et al. 1998) sowie zur Identifizierung der Proteindomäne, die eine Wechsel-wirkung mit immobilisiertem Liganden aufweisen (Yamamoto et al. 1997). SPR-Messung wird ebenfalls für die Charakterisierung der funktionellen Antikörper, die an das DNA-Ligand binden eingesetzt (Morioka el al. 2000). Durch die Injektion von Kernextrakt wurden Proteine, die an das immobilisierte Oligonukleotid binden, nicht nur kinetisch charakterisiert, sondern auch eluiert und in weiteren Verfahren (SDS-PAGE, Western-Blotting und EMSA) identifiziert (Galio et al. 1999). Das SPR-Verfahren ermöglicht eine schnelle Bindungsana-lyse unter verschiedenen Reaktionsbedingungen. Die Untersuchung des Einflusses von NaCl- bzw. KCl-Konzentration auf die spezifische Protein-DNA-Wechselwirkung ist in meh-reren Arbeitsgruppen durchgeführt worden (Hart et al. 1999; Neylon et al. 2000). Auf dieser Art und Weise ist es möglich, auch den Einfluss von anderen Metallionen (z. B. Mg2+) auf die Bindungsreaktion zu vermessen (Pond et al. 1997). Durchführung der Protein-DNA-Bindungsreaktion bei unterschiedlichen Temperaturen und Berechnung der Gleichge-wichtskonstanten erlaubt eine Bestimmung der thermodynamischen Parametern der Reak-tion (Änderung der Wärmekapazität ∆Cp, Gibbs-Energie ∆G, Enthalpie ∆H und Entropie

∆S) (Myszka 2000; Seimiya & Kurosawa 1996). Es ist denkbar, ein Screening der Kofakto-ren, die die DNA-Protein-Bindungsreaktion beeinflussen, mittels SPR-Messung zu identifi-zieren und charakterisieren (Sawada and Suzuki 2000). Aus dieser Sicht bietet das SPR-Verfahren eine Vielfalt von Möglichkeit für die Untersuchung der Protein-DNA-Wechselwirkung.

1.4. In vitro Selektion funktioneller Protein- und