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Tabelle 3.1: Verluste und Energieentwertungszahlen der Bauteile einer Dampfkraft-anlage bei der Bewertung auf Systemebene (Clausius–Rankine-Prozess, vgl. Abb. 3.2).

3.5 Bewertung von Energieübertragern auf Bauteilebene

In der industriellen Praxis müssen häufig Bauteile optimiert werden, ohne dass de-taillierte Kenntnisse über das Gesamt-System vorliegen. Dies ist z.B. zu Beginn eines iterativen Design-Prozesses der Fall, da das Design der anderen Bauteile noch nicht so weit fortgeschritten ist, dass genaue und verlässliche Daten vorliegen. Ei-ne ähnliche Situation tritt auch beim Design von Standard-KompoEi-nenten auf. Das Bauteil wird dann u.U. für einen Satz von Randbedingungen optimiert, der von den letztlich vorherrschenden abweicht. Aufgrund der Abhängigkeit der Verluste von den Randbedingungen (auch z.B. von der Umgebungstemperatur) werden die im Bauteil auftretenden Verluste im tatsächlichen Betriebszustand i.d.R. größer sein.

Weiterhin birgt die Optimierung eines einzelnen Bauteils ohne Berücksichtigung der Auswirkungen auf das Gesamtsystem die Gefahr, dass trotz einer Verringerung der Bauteil-Verluste die Verluste des Gesamtsystems steigen. Klarheit darüber, welcher Natur Verluste sind, wo sie auftreten und wie groß sie sind, kann nur eine gekoppelte Berechnung aller Bauteile liefern. Auch diese wird jedoch in aller Regel ein iterativer Prozess sein.

Zusätzlich zu den genannten Problemen muss berücksichtigt werden, dass das entropische Potenzial des insgesamt im System übertragenen Energiestroms bei der Optimierung auf Bauteil-Ebene nicht bekannt ist. Die Energieentwertungszahl muss also mit dem entropischen Potenzial des im Bauteil übertragenen Energiestroms gebildet werden. Dieser kann z.B. auch anteilig zum Bestand des Systems

gehö-3 Bewertung von Energieübertragungsprozessen E˙

0

0

irr

(a) Einmündung (Abschn. 3.5.1).

0

0

irr

(b) Abzweig (Abschn. 3.5.2).

S˙ E˙00

irr

(c) Leiter (Abschn. 3.5.3).

VV

(d) Diatherme Systeme (Ab-schn. 3.5.4).

Abbildung 3.10: Unterschiedliche Arten von Energieübertragern.

ren. Die so gewonnenen Energieentwertungszahlen besitzen somit ausschließlich für die Bewertung eines Bauteils losgelöst vom System Gültigkeit und sie sind nicht vergleichbar. Die Summation der so gewonnenen Energieentwertungszahlen liefert daher auch nicht die Energieentwertungszahl des Gesamt-Systems.

Für den Fall, dass die Notwendigkeit für eine Untersuchung auf Bauteilebene besteht und unter der Voraussetzung, dass die möglichen Fehlerquellen beachtet werden, findet in den folgenden Abschnitten eine Untersuchung der Bauteile bzw.

Teilsysteme der in Abb. 3.2 dargestellten Dampfkraftanlage in ihrer Funktion als Energieübertrager statt. Dabei werden drei grundsätzliche Situationen unterschie-den: Einmündung, Abzweig und Leiter (s. Abb. 3.10(a)–(c) bzw. Abschn. 3.5.1–

3.5.3). Eine Berücksichtigung der Energieverluste an die Umgebung durch eine nicht ideale Wärmedämmung der Bauteile findet in Abschn. 3.5.4 statt (s. Abb. 3.10(d)).

Die Systemgrenzen sind mit Ausnahme der eingezeichneten Energie- und

Massen-3.5 Bewertung von Energieübertragern auf Bauteilebene

ströme abgeschlossen. Für diese Typen von Energieübertragern gilt die Definition der Energieentwertungszahl Gl. (3.20) N = ( ˙SirrT)/E, worin˙ E˙ der übertragene Energiestrom ist. Wenn dieser im Vergleich zur dissipierten Energie im Bauteil klein ist, kann es sein, dassS˙irr>S˙und damit auchN >1.

Neben dem zu übertragenden Energiestrom E˙ und dem zugehörigen Entropie-stromS˙treten jeweils noch der Energie- und Entropiestrom des Arbeitsmittels (E˙0, S˙0) auf. Bei der Bewertung auf Bauteil-Ebene werden die Verluste jedoch einzig auf E˙ bezogen, da diese Größe vergleichsweise klar definiert ist. Bei E˙0 und S˙0

hingegen ist nicht klar, welcher Anteil letztlich an die Umgebung abgeführt wird und welcher zum Bestand des Systems zählt bzw. welche Energieformen überhaupt berücksichtigt werden sollten.

3.5.1 Einmündung (z.B. kalte Seite Wärmeübertrager, Pumpe)

Einer Strömung wird ein EnergiestromE˙ zugeführt (s. Abb. 3.10(a)). Dieser Energie-strom kann von einem EntropieEnergie-stromS˙begleitet werden. Der konvektiv übertragene Entropiestrom nimmt also umS˙+ ˙Sirrzu. Im Falle der Pumpe giltS˙ = 0, da die Energie als Leistung zugeführt wird.

3.5.2 Abzweig (z.B. Turbine, heiße Seite Wärmeübertrager, Kondensator)

Der Energiestrom E˙ wird der Strömung entnommen (s. Abb. 3.10(b)). Die Entro-pieproduktion erhöht zunächst den konvektiv transportierten Entropiestrom. Dieser Entropiestrom kann dann im Falle der Energieübertragung in Form von Wärme teil-weise oder auch ganz als Entropiestrom S˙ abgeführt werden. Im Falle der Turbine giltS˙= 0, so dass der gesamte Entropiestrom inklusive der produzierten Entropie mit der Strömung abtransportiert wird. In diesem Fall muss in der Strömung ein Energiestrom mit einem entsprechend großen ungenutzten entropischen Potenzial verbleiben.

Im Gegensatz zu einigen anderen Bewertungskriterien für Energieabzweige (meist Wärmeübertrager) wirkt sich bei der Bewertung mittels der Energieentwertungszahl ein ungenutzter Energiestrom, der in der Strömung verbleibt, nicht negativ aus. Dies ist auch richtig, da er prinzipiell keinen Verlust darstellt, sondern in einem nachge-schalteten Prozess noch genutzt werden kann. Weiterhin erlaubt diese Definition eine Bewertung auf Basis einer numerischen Simulation, die nur einen einzigen Ab-schnitt einer sich wiederholenden Geometrie eines Wärmeübertragers umfasst (vgl.

Kap. 6). In Fällen, bei denen der abgeführte Energiestrom möglichst groß sein soll, muss dies über eine Prozessbedingung in eine Optimierung eingebracht werden.

Eine Besonderheit stellen Kühler (hier: der Kondensator) dar. Sie dienen der Ab-fuhr von Entropie aus dem System und sind damit eigentlich Entropieübertrager.

In ihnen findet eine gewollte Energieabgabe an die Umgebung statt. Dabei treten zusätzlich zu den Verlusten innerhalb des KühlersS˙irr Verluste in der Umgebung auf, da der Energiestrom gemeinsam mit dem Entropiestrom S <˙ S˙ abgegeben

3 Bewertung von Energieübertragungsprozessen

wird. Damit belaufen sich die gesamten Verluste aufS˙−S˙+ ˙Sirr, so dass für die Energieentwertungszahl gilt

NKühler= 1−( ˙S−S˙irr)T

E˙ (3.22)

Auf diese Weise sind die Verluste die aufgrund des Kondensators in der Umgebung auftreten implizit berücksichtigt. Damit ist es z.B. möglich, durch eine Optimierung den Kondensator so zu gestalten, dass weniger entropisches Potenzial in der Um-gebung verschwendet wird und dann statt dessen innerhalb des Prozesses genutzt werden kann.

3.5.3 Leiter (z.B. Rohr, Wand)

Ein Energiestrom E˙ wird direkt übertragen (s. Abb. 3.10(c)). Im Falle der Wand gilt dabeiE˙0 = ˙S0 = 0, da kein konvektiver Transport stattfindet. In der Wand können ausschließlich Verluste aufgrund von Temperaturgradienten auftreten (vgl.

Abschn. 3.3.1). Für die Energieentwertungszahl der Wand gilt NWand=T

1 Tab − 1

Tzu

(3.23) Beim Rohr stellt sich das Problem, dass ohne Kenntnis über das Gesamt-System nicht klar ist, welcher Energiestrom der übertragene ist und welcher zum Bestand des Systems gehört. Auch können geschlossene Kreisläufe auf grundsätzlich anderen Druck- und Temperaturniveaus arbeiten, so dass selbst ein Vergleich mit dem Um-gebungszustand hier keine Klarheit bringt. Auch eine Bewertung durch die Wider-standszahl besitzt letztlich keine Aussagekraft (vgl. Abschn. 3.5.5). Eine Bewertung auf Bauteilebene ist damit beim Rohr eigentlich nicht möglich. Um dieser Problema-tik aus dem Wege zu gehen, können z.B. die Verluste der Rohre jeweils zur Hälfte den angrenzenden Bauteilen zugeschlagen werden.

3.5.4 Diatherme Bauteile mit Energieverlusten

Bauteile oder (Teil-)Systeme die nicht adiabat sind, sondern gegenüber der Umge-bung diatherm sind, können Energie in Form von Wärme an die UmgeUmge-bung verlieren (s. Abb. 3.10(d)). Durch diese Energieabgabe wird ein Teil des entropischen Poten-zials vernichtet. Dies kann über eine zusätzliche Energieentwertungszahl berücksich-tigt werden, die zu der aus den vorigen Abschnitten hinzugezählt werden muss. Mit dem EnergieverluststromE˙Vverlässt auch ein EntropieverluststromS˙Vdas System.

Der Verlust an entropischem Potenzial beträgt dann S˙V= E˙V

T

−S˙V (3.24)

3.5 Bewertung von Energieübertragern auf Bauteilebene

Somit lautet die Energieentwertungszahl für diatherme Bauteile Ndia= S˙V

= E˙V−S˙VT

E˙ (3.25)

Im Falle der Welle gilt zusätzlich für den übertragenen EntropiestromS˙= 0, da die Welle ausschließlich Energie in Form von kinetischer Energie übertragen kann. Ihre Verluste beruhen z.B. auf Lager- oder Luftreibung. Da die Welle jedoch keine Entro-pie übertragen kann und die produzierte EntroEntro-pieS˙irrsomit auch nicht zusammen mit dem übertragenen EnergiestromE˙ abgeben kann, muss die produzierte Entropie unmittelbar zusammen mit einem Energiestrom in Form von Wärme an die Umge-bung abgeführt werden. Das bedeutet, dass bei Berücksichtigung der zusätzlichen Energieentwertungszahl aufgrund von Energieverlusten (s. Gl. (3.25))S˙irr= ˙SVgilt.

Damit lautet die Energieentwertungszahl der Welle NWelle=S˙irrT

E˙ +E˙V−S˙VT

E˙ = E˙V

E˙ (3.26)

Die Entropieproduktion der Welle darf nicht zur Vereinfachung eines Modells den angrenzenden Bauteilen zugeschlagen werden (hier: Turbine und Pumpe), da dann fälschlich angenommen würde, sie müsse im Kondensator abgeführt werden.

3.5.5 Durchströmte Bauteile bei Umgebungstemperatur

In strömungstechnischen Bauteilen die in thermischem Kontakt mit der Umgebung stehen und deren Fluidtemperatur der Umgebungstemperatur entspricht, wird die in der Strömung dissipierte EnergieE˙diss vollständig an die Umgebung abgegeben.

Damit gilt für die aufgrund des Bauteils verursachte Entropieproduktion S˙irr=E˙diss

T

(3.27) Die DissipationsrateE˙disskann über den Zusammenhang zwischen der spezifischen Dissipationϕund der Widerstandszahlζ bestimmt werden.

ϕ= E˙diss

Durch Umstellen auf die Widerstandszahlζ wird deutlich, dass diese die dissipierte Energie in einem Bauteil ins Verhältnis zur kinetischen Energie der StrömungE˙kin

setzt. Mit Gl. (3.27) folgt ζ= E˙diss

3 Bewertung von Energieübertragungsprozessen

Die Widerstandszahl ζ ist also ein Spezialfall der Energieentwertungszahl N für Fälle, in denen bei Umgebungstemperatur Energie in Form von kinetischer Energie eines strömenden Mediums übertragen werden soll. In Anbetracht der kleinen Zahl von strömungstechnischen Bauteilen, bei denen dies tatsächlich der Fall ist (z.B.

Wasserstrahlantriebe, Wasserwerfer oder Löschmonitore), ist es bemerkenswert, dass sich die Beschreibung der Verluste mittels der wenig intuitiven Widerstandszahlζ durchgesetzt hat und nicht ein Kriterium, das den transportierten Massenstrom und die Verluste in Verbindung bringt.