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Teil I: Phenol

5. Bewertung

Zur gesundheitlichen Bewertung von inhalativ oder oral aufgenommenem Phenol liegen eine Reihe epidemiologischer und tierexperimenteller Arbeiten vor, deren Ergebnisse jeweils für sich allein genommen nicht voll befriedigen.

Trotz Mängel in der Dokumentation der Expositionsbestimmung und unter Berücksichtigung, das eine Exposition gegenüber anderen Stoffen nicht sicher auszuschließen ist, kann aus einer Arbeitsplatzstudie ein LOAEL von 21 mg Phenol/m3 abgeschätzt werden (Shamy et al, 1994 in ECB, 2006). Grundlage dieses LOAEL sind systemische Veränderungen im Bereich des Blutbildes sowie Veränderungen bei Leberenzymen.

Aufgrund der Güte der Daten könnte alternativ zu der Studie von Shamy et al. (1994) auch eine tierexperimentelle Arbeite mit Ratten herangezogen werden. Bei einer 2-wöchigen Inhalationsstudie auf der Grundlage der OECD-Guideline 412 wurde auch in der höchsten verwendeten Phenolkonzentration kein histologischer, hämatologischer oder blutchemischer Effekt gefunden und dieser Wert (96 mg/m3) als NOAEL eingestuft (CMA 1998a in ECB, 2006).

Bei inhalativer Mischexposition gegen ein phenolhaltige Holzschutzmittel konnten an einem Büroarbeitsplatz bei einer Phenolkonzentration von 1,3 mg/m3 Reizwirkung (Husten, Halsreizungen) an den Atemwegen festgestellt werden, die aber primär nicht dem Einfluss von Phenol zugeordnet wurden (Bay et al, 1994). Deshalb wird diese Untersuchung nicht bei der weiteren Ableitung berücksichtigt. Ebenfalls nicht berücksichtigt wird die Arbeit von Deichmann, bei der Pneumonien, Bronchitis, inflammatorische Effekte, Zellinfiltrationen, Hyperplasien und Thrombosen im Tierexperiment bei Phenol-Konzentrationen zwischen 26-52 ppm am Guinea-Schwein festgestellt worden waren, da ein Zweifel daran besteht, das die durchgeführten Tierversuche heutigen Qualitätsanforderungen ausreichend gerecht würden (Deichmann et al. 1944; beide Angaben in ATSDR, 2008).

5.1. Bestehende Regelungen

Für Phenol besteht in Deutschland ein Arbeitsplatzgrenzwert von 7,8 mg/m3 (Kurzzeitüberschreitungen um den Faktor 2 gelten als akzeptabel (BGIA-Report 1/2009).

Die Occupational exposure limit values (OEL) und short term exposure levels (STEL) bewegen sich im europäischen Raum zwischen: OEL 4-20 mg/m3 und STEL 8-39 mg/m3 (ECB, 2006). In einer neuen Publikation der EU-Kommission werden Arbeitsplatzgrenzwerte für Phenol festgelegt: 8 mg/m3 als 8 Stunden-Mittelwert sowie 16 mg/m3 als Kurzzeitwert für eine Dauer von maximal 15 Minuten (EU-Richtlinie 2009). Die US-amerikanische Arbeitsschutzbehörde OSHA hat einen Arbeitsplatzgrenzwert von 20 mg/m3 Phenol als 8-Stunden-Schichtmittelwert festgelegt (ATSDR, 2008).

Die 3-gliedrig gestuften AEGL-Werte (Acute exposure guideline levels) der US-EPA dienen als Planungswerte für die sicherheitstechnische Auslegung von störfallrelevanten Anlagen. Kategorie I beschreibt Wirkungen an der Grenze zum spürbaren Unwohlsein und betragen 19 ppm (10 Minuten Zeitbezug) bzw. 6,3 ppm (8 Stunden Zeitbezug).

5.2. Ableitung von Richtwerten für die Innenraumluft

Bei der Auswahl aus den vorliegenden, verwertbaren Studien wurde trotz methodischer Mängel den Humandaten Vorzug vor den tierexperimentell erzeugten Daten gegeben.

Angesichts der Datenlage stellen somit hämatologische Effekte, die im Rahmen einer Arbeitsplatzuntersuchung ermittelt wurden, die relevanten Endpunkte dar (Shamy et al, 1994).

Zur vergleichenden Betrachtung wird nachfolgend an die Richtwertberechnung eine toxikologische Ableitung auf der Grundlage eines DNEL durchgeführt.

Richtwert II (RW II)

Die ad-hoc AG empfiehlt für die Ableitung von Richtwerten nach dem Papier

„Richtwerte für die Innenraumluft: Basisschema“ von einem LOAEL auszugehen (Ad-hoc-AG IRK/AGLMB, 1996). Ergänzend werden Zeitextrapolationsfaktoren auf der Grundlage der AGS-Kriterien für die Ableitung von Arbeitsplatzgrenzwerten herangezogen (AGS, 2010).

Zur Festlegung von Richtwerten für Phenol in der Innenraumluft dient die Arbeitsplatzstudie von Shamy et al (1994). In dieser Studie ergab sich nach chronischer Exposition ein LOAEL von 21 mg/m3 für den Endpunkt hämatologische Effekte.

Zur Extrapolation der Arbeitszeit auf eine kontinuierliche Exposition wird wie folgt umgerechnet: 24 Stunden/8 Stunden * 7 Tage/5 Tage Hieraus ergibt sich gerundet ein Faktor „4“. Insgesamt ergeben sich folgende Faktoren:

- ein Faktor von 1 da ein LOAELMensch als Ausgangspunkt genommen wird

- ein Faktor 10 für Intraspezies-Unterschiede,

- ein Faktor 4 für den zeitlichen Unterschied Arbeitsplatz-Wohnbereich sowie

- ein Kinderfaktor 2.

Gesamtfaktor: 80

Somit ergibt 21 mg/m3:(80) = 0,26 mg/m3, gerundet einen RW II 0,3 mg/m3. Richtwert I (RW I)

Der Richtwert I ergibt sich konventionsgemäß durch Verwendung eines Faktors von 10 und beträgt somit 0,03 mg/m3. Bei dieser Konzentration ist auch ein ausreichender Schutz vor Gerüchen gewährleistet.

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5.3. Alternative Ableitungsmethoden

5.3.1 Ableitung eines bevölkerungsbezogenen DNEL gemäß ECHA-Guidance

Die Umsetzung von REACH verlangt, zukünftig die Ableitung von DNEL-Werten (Derived no Effect Level-Werte) für verschiedene Nutzungsszenarien und Anwendungsbereiche abzuleiten. Es ist zu vermuten, das dies im Bereich des Arbeitsschutzes aber auch im Bereich der Bewertung von Innenraumluftfragen in nicht-gewerblichen Objekten zu Diskussionen führen wird. Zur Einschätzung des Übereinstimmungsgrades der Ableitungsverfahren der adhoc-AG sowie der Ableitung von DNEL-Werten nach ECHA wird der Versuch unternommen, bevölkerungsbezogene DNEL-Werte abzuleiten.

Als Grundlage zur Ableitung von DNEL-Werten wurde von der ECHA die ECHA-Guidance, Chapter R8 erstellt (2008) auf dessen Grundlage ein bevölkerungsbezogener DNEL-Wert für Kresol abgeleitet wird.

Zur Ableitung eines DNEL ist gemäß ECHA-Guidance nach Möglichkeit von einem NOAEL auszugehen: “When it is not possible to identify the NOAEL in a repeated dose study, the “lowest observed adverse effect level” (LOAEL) should be used in the risk characterisation. If a NOAEL becomes available subsequently, from another test, the risk characterisation should be re-addressed and revised, if necessary, in the light of the new information.” Hier ergibt sich eine Bewertungsunschärfe, da ein LOAEL naturgemäß höher als ein NOAEL liegt, dieser Unterschied aber nicht durch einen Default-Wert korrigiert wird.

Die von einem Stoff ausgehenden Risiken gelten als kontrolliert, wenn DNEL-Werte nicht überschritten werden: “The risk to humans can be considered to be controlled if the exposure levels estimated do not exceed the appropriate DNEL.” (ECHA-Guidance, 2008). Dies ist eine unscharfe Formulierung aus der nicht hervorgeht, ob die Zielstellung die Vermeidung einer Gefährdung sein soll oder ob der Vorsorge Rechnung getragen werden soll.

Als Ausgangsstudie für die Ableitung eines DNEL für Phenol wird die Untersuchung von Shamy von et al. 1994 (ECB 2006) verwendet, in der im Rahmen einer Arbeitsplatzstudie ein LOAEL von 21 mg/m3 aufgrund hämatologischer Effekte ermittelt wurde. Für die Zeitextrapolation wird ein Faktor von „4“ verwendet (s.

Richtwertableitung). Das Atemvolumen eines Arbeiters bzw. eines nicht arbeitenden Erwachsenen wird mit 10 m3/8 Stunden [30 m3/24 Stunden] bzw. 20 m3/24 Stunden angegeben. Hieraus ergibt sich ein „Atemfaktor“ von 0,7.

Ausgangswert:

LOAELinhalativ:

21 mg/m3 Umrechungsfaktoren:

Intraspezies (Bevölkerung): Faktor 10

Zeitbezug Arbeit-Bevölkerung: Faktor 4

Atemvolumen Arbeiter-Bevölkerung Faktor 0,7

Umrechnung LOAEL-NOAEL: kein Umrechnungsfaktor vorgesehen Empfindlichkeit von Kindern: wird nicht separat berücksichtigt

Gesamtfaktor: 28

DNELBevölkerung: 21 mg/m3 : 28 = 0,75 mg/m3

Literatur

Ad-hoc-AG IRK/AGLMB (1996) Richtwerte für die Innenraumluft: Basisschema.

Bundesgesundheitsblatt 39:422–426

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EU-Richtlinie 2009/161/EU vom 17.Dezember 2009 zur Festlegung einer dritten Liste von Arbeitsplatz-Richtgrenzwerten in Durchführung der Richtlinie 98/24/EG des Rates und zur Änderung der Richtlinie 2000/39/EG

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