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5 Black Lives Matter

5.3 Die Bewegung Black Lives Matter

Ende Juli 2013 wurde die Black Lives Matter Bewegung gegründet. Die Bewegung sollte aufzeigen, dass Afro-amerikaner*innen immer noch mit Diskriminierung leben müssen. Inzwischen hat sich die Bewegung über den nordamerikanischen Kontinent hinaus ausgebreitet. Selbst die COVID-19-Pandemie konnte die Protestierenden

222 vgl. Rios und Martion-Taylor 2016

223 vgl. Célestine und Martin-Breteau 2020, S. 290 ff.

224 vgl. ebd., S. 293

225 vgl. Célestine und Martin-Breteau 2020, S. 294 f.

nicht an ihren Aktionen hindern.226 Im Jahr 2020 war die Black Lives Matter Bewegung eine der stärksten sozia-len Bewegungen in den USA, die gerade aufgrund von immer neuen aktuelsozia-len Fälsozia-len rassistischer Polizeigewalt angeheizt wurde.227

5.3.1 Verlauf

Alicia Garza wird als Begründerin der Black Lives Matter Bewegung gesehen. Gemeinsam mit den beiden Frau-en Patrisse Cullors und Opal Tometi ließ sie dFrau-en Hashtag „BlackLivesMatter“ 2013 auf der Plattform Twitter entstehen.228 Der Auslöser dafür war laut ihrer eigenen Aussage die Freisprechung von George Zimmerman, der den 17-jährigen Afroamerikaner Trayvon Martin grundlos im Februar 2012 erschossen hatte. Weitere Fälle, bei denen die unschuldigen Opfer wie Michael Brown oder Eric Garner Afroamerikanischer Herkunft waren, verlie-fen ähnlich.229 Dies zeigte einmal mehr auf, dass Afroamerikaner*innen eine nicht gleichberechtigte Gruppe in der amerikanischen Gesellschaft darstellen. Die Rechtsprechung schien eindeutig auf Seiten der Weißen Bevöl-kerung zu sein. Alicia Garza war sich der ungerechten Behandlung der afroamerikanischen BevölBevöl-kerungsgrup- Bevölkerungsgrup-pen, zu der auch sie und die zwei Mitbegründerinnen von Black Lives Matter zählen, besonders im Umgang mit der Polizei bewusst. Studien zufolge wäre die Wahrscheinlichkeit, dass bei einer Verhaftung oder Zeugenbefra-gung, die von Weißen Polizist*innen durchgeführt würden, Waffen zum Einsatz kämen, dreimal häufiger in Gegenden mit einem hohen Anteil an People of Color.230

Zu Beginn des Jahres 2014 kamen erstmals seit Beginn der Black Lives Matter Bewegung große Proteste mit Öffentlichkeitscharakter auf. Von Twitter begann sich die Bewegung nun auf den Straßen der Vereinigten Staa-ten von Amerika zu manifestieren.231 Als bemerkenswertes Bild wurde die Schließung eines Einkaufszentrums in Minnesota medial verbreitet, das einem großen Aufmarsch im Zuge der Proteste nicht standhalten konnte.

Nicht nur in Minnesota, auch in anderen Staaten wuchsen die Protestmärsche. Die Bewegung setzte sich vor allem mit der ungerechten Behandlung Afroamerikanischer Staatsbürger*innen durch Regierung und Polizei in den Vereinigten Staaten auseinander.232 Es kam zu Vernetzungen vieler verschiedener regionaler Gruppierungen, die sich für die Forderungen von Black Lives Matter einsetzten. Im Jahr 2016 wurde schließlich nach vielen gemeinsamen Diskussionen eine offizielle Deklaration unter dem Namen „Vision for Black Lives“ veröffent-licht, welche das Vorgehen beschrieb, wie der vorherrschende Rassismus beendet werden könnte.233

Der Tod von George Perry Floyd Junior am 25. Mai 2020 war ein markantes Ereignis, das die Bewegung nicht nur erneut ins öffentliche Interesse innerhalb der USA rücken ließ, sondern ihr eine bisher nie dagewesene glo-bale Aufmerksamkeit brachte. Der Polizist Derek Chauvin tötete Floyd während einer Festnahme in Minneapo-lis, indem er mehrere Minuten lang auf seinem Hals kniete, wodurch dieser schließlich erstickte. Durch die sozi-alen Medien aber auch mithilfe von unabhängigen Journalist*innen konnte sich dieses erschütternde Ereignis rasch verbreiten und machte Menschen in verschiedenen Ländern auf den strukturellen Rassismus, der zum größten Teil offen gezeigt wurde, aufmerksam. Lokale Gruppen in Minneapolis fingen an, sich Gehör zu ver-schaffen und ausgehend davon begannen Frauen und Männer in anderen Bundesstaaten, in Europa und Asien gegen die Diskriminierung von Farbigen aufzutreten. In Frankreich, Südkorea und Deutschland fanden beinahe jeden Tag Aktionen statt.234 Insgesamt breitete sich die Bewegung nach Floyds Tod über alle Kontinente bis auf die Antarktis aus und fand Anhänger*innen in über 60 Ländern. Die Stärke dieser Massenbewegung zeigte sich vor allem dadurch, dass trotz staatlicher Beschränkungen in Folge der COVID-19-Pandemie viele Protestmär-sche stattfanden. Der Wunsch, Solidarität mit dieser sozialen Bewegung zu demonstrieren, war größer als das

persönliche Risiko, sich mit dem neuen Virus zu infizieren. Dies ist umso beeindruckender, wenn bedacht wird, dass People of Color, asiatische Minderheiten oder indigene Bevölkerungsgruppen als ansteckungsgefährdeter gelten, was COVID-19 betrifft.235

5.3.2 Zusammensetzung der Bewegung

Die Bewegung wirkt sehr jugendlich, obwohl sich erfahrenere, ältere Aktivist*innen bald angeschlossen haben, die bereit waren, sich mit den neuen Organisator*innen der Proteste zu verbinden. Obwohl die Bewegung aus der Afroamerikanischen Bevölkerung ausging, werden Menschen aus allen Kulturen und Ländern davon ange-zogen. Herausstechend sind die Begründerinnen der Bewegung, von denen sich zwei offen als queer bezeichnen.

Vielleicht lässt sich dadurch der große Anteil an Feminist*innen und Anhänger*innen der LGBTQ Bewegung erklären. Die Protestierenden können keiner Einkommensschicht klar zugeordnet werden.236 Nicht immer ist die Grenze zwischen den Unterstützer*innen, die sich für soziale Gerechtigkeit einsetzen und jenen, die gegen den strukturellen Rassismus protestieren, der sich besonders in der Form von gewalttätigen Akten der Polizei zeigt, klar erkennbar. Eine besonders starke Vermischung passierte im Laufe des Wahlkampfs im demokratischen Lager. Viele US-Amerikaner*innen, die den US-Präsidentschaftskandidaten Bernie Sanders unterstützt hatten, fanden sich nach seiner Niederlage gegen Joe Biden als Protestierende bei Black Lives Matter wieder.237

Black Lives Matter ist nur lose organisiert und zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass das Internet und Soziale Medien eine zentrale Rolle spielen.238 Je aktueller die sozialen Bewegungen sind, desto mehr scheinen die digita-len Medien eine wichtige Rolle in der Mobilisierung und Durchführung von Aktionen einzunehmen. Nachdem der Besitz eines Smartphones in vielen Teilen der Welt zum Regelfall geworden ist, muss nicht mehr so häufig auf die analoge Form der Organisation zurückgegriffen werden.239 Durch die Globalisierung ist die internationale Vernetzung noch stärker geworden. Besonders soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter oder Instagram bieten sich an, wenn viele Menschen innerhalb kürzester Zeit per Textnachricht oder Foto erreicht werden sollen. Neue Gruppen können gebildet und miteinander vernetzt werden. Über Videoplattformen wie YouTube können Vi-deos von Aktionen hochgeladen und verbreitet werden.

5.3.3 Forderungen

Black Lives Matter setzt sich als ideologische und politische Bewegung für die Rechte von People of Color ein.

Das Ziel sei, die Diskriminierung dieser Bevölkerungsgruppe zu stoppen und das Leben von Afroamerika-ner*innen zu feiern. Damit meinen die Begründerinnen aber nicht, dass das Leben von Menschen anderer Haut-farbe weniger Wert sei. Jedoch wird in einer Gesellschaft, in der eine Vormachtstellung von Weißen herrscht, Schwarzen Menschen oft diskriminierend gegenübergestanden. Eine Befreiung von dieser Übermacht über Af-roamerikaner*innen würde allen Menschen mehr Freiheit ermöglichen.240

Ein paar Monate vor dem Tod George Floyds waren Forderungen nach Kürzungen des Budgets für die Polizei in den USA laut geworden. Obwohl bereits 2014 nach den aufsehenerregenden Fällen von Polizeigewalt gegen People of Color versucht worden war, die Polizist*innen in Schulungen für den vorherrschenden Rassismus zu sensibilisieren, schienen jegliche Programme nichts nachhaltig verändert zu haben. Während das städtische Budget für Krankenhäuser oder soziale Einrichtungen stetig gekürzt wurde, wurden die Finanzmittel für die Polizei sogar erhöht. Viele Aktivist*innen sind dafür, dass diese Gelder besser in Projekten wie günstigen Woh-nungen investiert oder zur Verbesserung der sozialen Infrastruktur genutzt werden sollten.241

235 vgl. Isaacs 2020, S. 1327

6 Ausbreitung und Eindämmung der COVID-19-Pandemie