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2. Literaturübersicht

2.2. Narkose beim Kaninchen

2.2.5. Beurteilung der Narkosetiefe mittels Elektrostimulation

Zur genauen Beurteilung der Narkosetiefe und dem Analgesiegrad werden in der Veterinärmedizin häufig die Reaktionen der Tiere auf bestimmte Schmerzreize (z.B.

Ohrreflex oder Zwischenzehenreflex) herangezogen. Diese Schmerzen werden u.a. durch Kompression von Ohr oder Zehe mit den Fingern oder einer Klemme hervorgerufen und variieren sehr stark von Versuch zu Versuch und von Experimentator zu Experimentator. Eine objektive und exakt wiederholbare Beurteilung einer Schmerzreaktion ist somit unmöglich.

Zur idealen Narkosetiefenbestimmung sollte sich ein Reiz stets in der gleichen Stärke und innerhalb eines kurzen Zeitraums wiederholen lassen, keine länger andauernden Schmerzen produzieren und Gewebe nicht dauerhaft reizen oder zerstören (Hamlin et al., 1988).

Unterschiedliche Ansätze wurden verfolgt, um einen produzierten Schmerzreiz quantifizieren zu können. Beim Hund und beim Kaninchen wurden z.B. speziell konstruierte Klemmen eingesetzt, bei denen der erzeugte Druck genau abgelesen bzw. vorher eingestellt werden konnte (Hamlin et al., 1988; Sobair et al., 1993).

Die Elektrostimulation bietet eine weitere Möglichkeit einen definierten, reproduzierbaren Schmerzreiz zu erzeugen, ohne dabei invasiv zu sein (Zbinden et al., 1994). In der humanen

Schmerzforschung haben sich zur Auslösung des nozizeptiven Beugereflexes am wachen Probanden Folgen von 5 bis 10 Rechteckimpulsen (train of five to ten) mit einer Impulsdauer von einer Millisekunde und einer Frequenz von 200-300 Hertz bewährt (Skljarevski and Ramadan, 2002). Am narkotisierten Menschen wurden zur Überprüfung der Narkosetiefe u.a.

Stromimpulse mit einer Impulsdauer von 1 ms und einer Frequenz von 50 Hertz angewandt (Zbinden et al., 1994). Die Erzeugung eines Stromes mit 50 bis 60 mA ist dabei notwendig um einen supramaximalen Stimulus am N. ulnaris auszulösen. Es wurden allerdings große individuelle Unterschiede in der Reizschwelle beobachtet, so dass bei einigen Studienteilnehmern auch 20 bis 30 mA ausreichend waren (Kopman and Lawson, 1984).

Neben diesen individuellen Schwankungen kann weiterhin als nachteilig gewertet werden, dass der produzierte Reiz keinen natürlich vorkommenden Reiz darstellt und sehr unspezifisch alle peripheren Nervenfasern erregt. So werden z.B. auch Fasern stimuliert, die für das Kälte- und Wärmeempfinden zuständig sind. Beim Menschen kann diese unspezifische Erregung v.a. von C-Fasern dazu führen, dass ein zweiter, längerer Schmerz nach der eigentlichen Stimulation wahrgenommen wird (Le Bars et al., 2001). In der Humanmedizin wurde weiterhin festgestellt, dass wiederholte stärkere Stimuli Neuronen in einen hypererregbaren Zustand versetzen und damit zu einer deutlichen Senkung der Schmerzschwelle führen können (Arendt-Nielsen et al., 2000).

Bei der Auswertung der durch die Elektrostimulation hervorgerufenen Reaktionen beim anästhesierten Tier muss beachtet werden, dass sich die, dem elektrischen Stimulus ausgesetzte, Gliedmaße oder Körperregion reflexartig durch den applizierten Stromreiz bewegt (Levionnois et al., 2009). Diese Reaktion spricht nicht für eine zu niedrige Anästhesietiefe. Erst bei gerichteten Bewegungen anderer Körperareale, sowie Kopfheben und Aufstehversuchen kann davon ausgegangen werden, dass das chirurgische Toleranzstadium nicht erreicht ist (Valverde et al., 1989).

Die in der Veterinärmedizin erzeugten und eingesetzten Stromimpulse wurden in zahlreichen Studien angewandt und bewertet. Sie variieren stark in ihrer Stärke, Dauer und Frequenz.

Beim sedierten Hund wurde zur Erzeugung eines konstanten Stromes ein Constant Current Generator eingesetzt, der eine Stromstärke von 1 bis 7 mA generierte (Hamlin et al., 1988).

Elektroden wurden am linken Metatarsus angebracht und alle 3 Sekunden ein 0,5 Sekunden

langer Stromimpuls gesetzt, der jeweils um 1 mA gesteigert wurde. Die Untersuchung wurde abgebrochen wenn 7 mA erreicht wurden oder sobald der Hund die betroffene Hintergliedmaße bewegte. Unbehandelte Hunde reagierten bei einer Stromstärke von 2 bis 2,8 mA auf den elektrischen Reiz. Bei Hunden, die mit unterschiedlichen Dosen Xylazin sediert wurden, traten Reaktionen erst bei deutlich höheren mA auf. Auch beim wachen Pferd wurde ein Constant Current Generator eingesetzt (Impulsdauer: 25ms, train of five), um einen konstanten Strom sowohl an einer Hintergliedmaße als auch an einer Vordergliedmaße zu applizieren. Der Strom wurde dabei jeweils um 0,5 mA erhöht bis ein Rückziehreflex der jeweiligen Gliedmaße beobachtet wurde. Die mittlere Stromstärke, die nötig war, um den Rückziehreflex an der Hintergliedmaße auszulösen, betrug dabei 6,6 mA, an der Vordergliedmaße waren es nur 3 mA (Spadavecchia et al., 2003).

Bei Kaninchen und Hunden wurde die Elektrostimulation mit dem Kompressionsreiz an einer Zehe verglichen und zur Bestimmung der Minimalen Alveolären Konzentration (MAC) von Isofluran und Halothan verwendet (Eger et al., 1965; Valverde et al., 2003). Zur Elektrostimulation (50V, 50 Impulse/s, Impulsdauer: 10 ms) wurden Elektroden subkutan im Abstand von ca. 5 cm an Vorder- und Hintergliedmaßen, sowie bei den Hunden an der oralen Mukosa platziert. Es wurden jeweils 2 Einzelstimuli und 2 Dauerstimuli von 2 bis 3 Sekunden angewandt. Die Stimulation wurde bei Abwehrbewegungen des Tieres sofort unterbrochen.

Die durch Elektrostimulation bzw. Zehenkompression erhobenen MAC-Werte unterscheiden sich dabei kaum, was den Schluss nahelegt, dass sowohl die Elektrostimulation als auch der Kompressionsreiz bei Hund und Kaninchen gleichwertige supramaximale Stimuli darstellen.

Auch bei Ratten ergab eine elektrische Stimulation (10, 15, 20, 40 V, biphasische Impulse, 50 Impulse/s, Impulsdauer: 6,5 ms) vergleichbare MAC-Werte wie bei der Kompression des Schwanzes. Vor allem bei höheren Spannungen kann es allerdings zu einer Desensibilisierung und Abnahme der Reaktionshäufigkeit kommen. Deshalb sollten bei jeder Stimulation neue Elektroden an einer anderen Stelle gesetzt werden (Laster et al., 1993).

Beim Pferd und beim Pony wurden Stromreize mit konstanter Spannung (constant voltage, 50-90 V, 5 Stimuli/s, Stimulationsdauer: 10ms) durch Nadel- oder Klebeelektroden an der Gingiva appliziert (Bennett et al., 2004; Levionnois et al., 2009; Muir et al., 1992; Steffey et al., 1977). Da es bei dieser Stimulationsart zu wechselhaften Reizintensitäten kommen kann,

ist eine Stimulation mit einem konstanten Strom (Constant Current, 40mA, train of five, 5 Stimuli/s, Impulsdauer: 1ms) besser geeignet um reproduzierbare Ergebnisse zu erzielen.

Beim Pony können dazu zwei Nadelelektroden direkt über dem lateralen, palmaren N.

digitalis im Abstand von 1cm voneinander subkutan platziert werden (Levionnois et al., 2009).