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Besuch vor Ort: die Merckle Konsensus-Initiative

Im Dokument 17/93 (Seite 46-49)

Abbildung 1: Prof. Dr. med. Holm Häntzscbel, Leiter der Abteilung Rheumatologie des Medi­

zinisch-Poliklinischen Instituts der Universität Leipzig plädiert für eine enge Kooperation aller an der Rheumatherapie Reteiligten

»Kooperation zwischen Spezialisten und Allgemeinmedizinern zum Nut­

zen der Patienten«, mit diesem Ziel fanden sich 1990 Rheumatologen, Orthopäden, Traumatologen, Sport­

mediziner und Allgemeinmediziner der alten und der neuen Bundes­

länder mit Unterstützung der Fa.

Merckle zu einer Fortbildungsinitia­

tive zusammen. Begonnen hatte al­

les in der Zeit der Unsicherheit, als die Ärzte in den neuen Bundeslän­

dern nicht nur mit den Problemen der Niederlassung und Kassenzulas­

sung, der Auflösung alter (oft auch bewährter) Strukturen, wie den Po­

likliniken und Dispensaires, sondern auch mit einer Vielzahl für sie relativ neuer medikamentöser Möglichkei­

ten konfrontiert waren. Bei von der Fa. Merckle veranstalteten »Pharma­

kologischen Übersichtsseminaren«

zu den Gebieten Rheumatologie, Or­

thopädie, Traumatologie und Fett­

stoffwechselstörungen, vor Ort orga­

nisiert von der GAM - der Gesell­

schaft für Allgemeinmedizin der DDR - zeigte sich rasch die Notwendigkeit einer darauf aufbauenden flächen­

deckenden Fortbildung in bezug auf

die Möglichkeiten und Grenzen der Allgemeinmedizin in Diagnostik und Therapie. Unter organisatorischer Betreuung der Agentur Kybermed in Emsdetten setzten sich die Speziali­

sten das Ziel, Materialien für eine Seminarreihe zu erarbeiten und die Deutsche Gesellschaft für Allgemein­

medizin (DEGAM), mittlerweile in Fusionsgesprächen mit der GAM, übernahm es, sicherzustellen, daß die Inhalte dieser Seminare auch den Bedürfnissen der Praxis entsprachen

— ein Konsens zwischen der Spezial­

und der Allgemeinmedizin mußte hergestellt werden: die Konsensus- Initiative war entstanden. Zwar fi­

nanzierte die Fa. Merckle diese Ak­

tion, (erfüllte) Bedingung war jedoch, daß die Firma bei formalen Dingen mitredete, die Autoren ihre Beiträ­

ge jedoch ausschließlich in ihrer wissenschaftlichen Verantwortung schreiben konnten.

Die so entstandenen »Fortbildungs- module« bieten aus Sicht der Spezia­

Konsensus-Initiative: sieht die DEGAM das Ziel erreicht?

ZFA: Ziel der Merckle-Konsensus- Initiative ist eine qualifizierte Fort­

bildung für Allgemeinärzte, orien­

tiert an den Bedürfnissen der Praxis.

Sie, Herr Dr. Dückert, organisieren im Auftrag der DEGAM die Veran­

staltungen hier in Berlin. Sehen Sie das Ziel erreicht?

Dückert: Dieses Ziel sehe ich schon erreicht. In zwölf Abendseminaren gibt es eine recht komplette Darstel­

lung der vier Fachgebiete, zum an­

deren sieht man den Erfolg oder die Praxisnähe auch daran, daß das In­

teresse der Kollegen im Verlauf der Reihe nie abgenommen hat, obwohl man sich hier ja auf ein relativ enges Spektrum an Diagnosen beschränkt.

Eine praktische Vertiefung in kleine­

ren Gruppen wäre ein sinnvoller nächster Schritt, z. B. in Form von Patientenvorstellungen oder Hospi­

tationen.

listen und der Allgemeinmediziner eine hervorragende Basis für die täg­

liche Arbeit in der Praxis - wie taug­

lich sie auch für die Allgemeinärzte in den alten Bundesländern sind, zeigen die beiden Schwerpunkt-Ar­

beiten dieser ZFA-Ausgabe. Es han­

delt sich dabei um die Module, mit denen die Fortbildungsseminare ge­

staltet wurden, in einigen wenigen Elementen der Struktur der ZFA an­

gepaßt. Sie werden hier mit freund­

licher Genehmigung der Fa. Merckle abgedruckt.

Diese ganze Aktion erforderte gro­

ßes Engagement der beteiligten Wis­

senschaftler, denn es mußten im Zeitraum von nur 14 Monaten in den

Abbildung 2: Dr. med. Manfred Dückert von der Deutschen Gesellschaft für AUgemeinmedizin (DEGAM) sieht das Ziel der Konsensus-Initia­

tive erreicht

vier verschiedenen Arbeitskreisen (1:

Entzündliche und nichtentzündliche Gelenkerkrankungen, II: Erkrankun­

gen des Muskel- und Bewegungsap­

parates, III: Verletzungen des Mus­

kel- und Bewegungsapparates und IV: Eettstoffwechselstörungen) ins­

gesamt 326 Veranstaltungen in der gesamten ehemaligen DDR vorberei­

tet und durchgeführt werden.

Z. Allg. Med. 1993; 69; 482-484. © Hippokrates Verlag GmbH, Stuttgart 1993

Abbildung 3: Prof. Dr. med. Martin Keysser, Chefarzt des Rheumazentrums des Klinikums Rostock-Südstadt möchte über die Verunsiche­

rung zur Sicherheit der Therapie beitragen

Vor Ort in Berlin

Eine der Veranstaltungen des Ar­

beitskreises I konnten wir am 3. Fe­

bruar 1993 in Berlin besuchen, um mit Teilnehmern und Referenten über ihre Eindrücke zu sprechen - und da zu diesem Zeitpunkt bereits das Ende der Veranstaltungsreihe abzusehen war, stellte sich naturge­

mäß auch die Frage - was folgt nach der flächendeckenden Fortbildung?

Lange schon vor Beginn der Veran­

staltung kommen die ersten interes­

sierten Besucher, später muß man noch mehr Stühle in den kleinen Veranstaltungsraum bringen, ehe der Allgemeinarzt Dr. Manfred Dückert im Namen der DEGAM die

Ich hoffe, daß es uns gelungen ist, etwas Unsicherheit zu erzeugen!

ZFA: Objektiv - wertfrei, so wollte die Konsensus-Initiative Fortbildung ver­

mitteln. Nachdem Sie selbst über 20 Veranstaltungen »durchgestanden«

haben, wie sehen Sie den Anspruch erfüllt?

Keysser: Das kann man unter ver­

schiedenen Aspekten sehen. Vom or­

ganisatorischen her war es eine gewal­

tige Leistung. Für uns Referenten war es immer bemerkenswert, daß es von der Firma, die ja letztlich alles bezahlt hat, keinerlei Einflußnahme auf die In­

halte gegeben hat. Ob diese Fortbil­

dung letztlich nützt, ist schwierig zu beantworten. Man kann bei diesem komplexen Gebiet in ein paar wenigen Stunden natürlich auch nicht annä­

hernd umfassende Kenntnisse vermit­

teln. Was man erreichen kann — und ich hoffe, daß wir dies erreicht haben — ist, das Problembewußtsein zu stär­

ken.

ZFA: Denken Sie, daß es gelungen ist, aufzuzeigen, wann der Allgemeinarzt den Spezialisten hinzuziehen sollte?

Keysser: Ich hoffe, daß es uns gelun­

gen ist, hei den Teilnehmern eine ge­

wisse Unsicherheit zu erzeugen. Die Fehler entstehen ja oft aus einer scheinbaren Sicherheit heraus. Die Kollegen sollen schneller merken, wo ihre Grenzen sind und die Patienten dann dem Spezialisten anvertrauen.

Sie sollen diese Patienten ja nicht ab­

geben, der Spezialist allein kann die Patienten gar nicht behandeln, er hat auch nicht die Kapazität und braucht den niedergelassenen Arzt als Go-The­

rapeuten.

ZFA: Wie könnten die interessierten Allgemeinärzte weiter von der Konsen­

sus-Initiative profitieren, wenn diese Serie von Veranstaltungen mit Basis­

wissen abgeschlossen ist?

Keysser: Jetzt muß das praktische Ar­

beiten im kleineren Kreis folgen, am Patienten. Zum Beispiel Wochenend­

seminare mit acht bis zehn Allgemei­

närzten in der Klinik, wo diese seihst Patienten untersuchen können, wo be­

sonders typische Fälle vorgestellt wer­

den, quasi ein »Training am Patien­

ten«, ein »learning by doing«, durch­

aus ergänzt durch einen kleinen theo­

retischen Teil.

mehr als 60 Ärztinnen und Ärzte be­

grüßen kann. Für viele ist es nicht die erste Veranstaltung der Konsen­

sus-Reihe, sie kommen, weil er hier vernünftige praxisorientierte Kennt­

nisse vermittelt werden, und auch deshalb, weil in diesem kleinen Kreis Gelegenheit ist, den Referenten ganz konkrete Fragen aus der Praxis zu stellen. Dieser Schwerpunkt zeigt

Abbildung 4: Konzentriertes Zubören, eifriges Mitschreiben, intensive Diskussionen sind kenn­

zeichnend für den Verlauf der Veranstaltungen im Rahmen der Konsensus-Initiative

sich nach den Vorträgen von Prof.

Dr. med. Holm Häntzschel und Dr.

med. habil. Martin Keysser : die Dis­

kussion dauert länger als der Vor­

trag und niemand denkt an den klei­

nen Imbiß, der die geistige Kost er­

gänzen soll. Individuelle Patienten­

schicksale werden vorgestellt und die Referenten versuchen, zumindest die richtigen Weichen für weitere dia­

gnostische oder therapeutische Maß­

nahmen zu stellen. Oft genug bilden die diffizilen Fragen den Anlaß zu weiteren kleinen »Seminarbeiträ­

gen«. Es ist aber ganz offensichtlich, daß auch den Spezialisten dieser Gedankenaustausch mit den Allge­

meinärzten Spaß macht und ihnen vor allem nicht zuletzt vermittelt, daß der Praxisalltag doch etwas andere Anforderungen stellt als die Spezialabteilung in der Klinik. Als Dr. Dückert den offiziellen Teil der Veranstaltung beendet, wird die Diskussion im Kollegenkreis beim Imbiß dann auch noch intensiv weitergeführt.

yFISSA' Workshop

Ein Plädoyer für eine enge Zusammenarbeit zwischen Rheumazentren und niedergelassenen Ärzten

ZFA: Herr Prof. Häntzschel, was hat Sie dazu motiviert, sich an der Konsensus- Initiative so intensiv mit zu beteiligen?

Häntzschel; Für mich spielte, bezogen auf die neuen Bundesländer, eine wich­

tige Rolle, daß durch Auflösung der Rheuma-Dispensaires der Facharzt für Allgemeinmedizin der zuständige Haus­

arzt auch für die Rheumapatienten wer­

den sollte. Der Gedanke, unter Schirm­

herrschaft der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin dem Allgemeinarzt hierzu ein Rüstzeug zu vermitteln, hat mich bewogen, bei dieser Initiative mit­

zuarbeiten.

ZFA: Nach einem Jahr Arbeit, sehen Sie das angestrebte Ziel erreicht?

Häntzschel: Die Textmodule, die doch in recht kurzer Zeit erstellt werden mußten, sind in der Lage, dem Allgemeinarzt ein Rüstzeug zu vermitteln, mit dem er sich rasch über die wichtigen Fragen der Dia­

gnostik und Therapie informieren kann.

Es sind diese Texte aus meiner Sicht mit die praxisrelevantesten, die wir bisher erarbeitet haben.

ZFA: Wie sind denn Ihre persönlichen Erfahrungen mit den Veranstaltungen?

Häntzschel: Ich kann von den Veranstal­

tungen meines Arbeitskreises nur fest­

stellen, daß trotz eines langen Arbeitsta­

ges die praktischen und Allgemeinärzte mit sehr großem Interesse teilgenommen haben. Eür mich haben diese Seminare gleichzeitig die Verbindung zur Praxis dargestellt und die Rückinformation durch die Anmerkungen und Fragen der niedergelassenen Kollegen war auch für uns Spezialisten sehr aufschlußreich.

ZFA: Wenn Sie an den Umbau des Ver­

sorgungssystems in den neuen Bundes­

ländern denken, was hätte man da bes­

ser machen können, empfinden Sie bei Ihrem Fachgebiet Verluste?

Häntzschel: Es ist schwierig, dies in aller Kürze zu formulieren. Die Rheumabera­

tungsstellen hatten natürlich Vorteile, weil sie eine Einheit darstellten zwischen Rheumatologen, rheumatologisch tätiger Eürsorgerin und rheumatologisch erfah­

rener Krankenschwester. Kollegen, die in die Niederlassung gegangen sind, ha­

ben diese umfassende Fürsorge nicht mitnehmen können. Inzwischen haben sich aber doch einige Fürsorgerinnen als Sozialarbeiterinnen qualifiziert und ich hoffe, daß wir die Lücke wieder schließen können. Ich kann nur hoffen, daß die Sozialtherapeuten künftig in die Betreu­

ung der chronisch Kranken eng mit ein­

geschlossen werden. Es ist darüber hin­

aus notwendig, daß der Allgemeinarzt und der Spezialist eng Zusammenarbei­

ten müssen. Keiner sollte Sorge haben, daß ihm der andere die Patienten weg­

nimmt.

Bei der wohnortnahen Versorgung im Rahmen des Rheumazentrums der Uni­

versität Leipzig haben wir Partner gefun­

den, Allgemeinärzte, Internisten, Ortho­

päden, die auch im Vorstand des Rheu­

mazentrums mitarbeiten - und das ist die positive Seite der neuen Struktur, die auch von den Patienten so geäußert wird - daß diese endlich ihren Hausarzt ha­

ben, der die häusliche und berufliche Si­

tuation kennt. Dieser Gewinn wird von den Patienten im Vergleich der Systeme positiv gesehen.

ZFA: Basisinformationen und was wei­

ter? Wie könnte die Fortsetzung der Kon­

sensus-Initiative aussehen?

Häntzschel: Für mich war bei Beginn der Initiative entscheidend, daß zusam­

men mit der DEGAM eine flächen­

deckende gleiche Strategie möglich war.

Ich habe damals darauf hingeweisen, daß es z. B. in Großbritannien fünf Jahre ge­

dauert hat, bis sich die Allgemeinmedizi­

ner voll mit der Betreuung der Rheuma­

patienten identifiziert haben, z. B. auch mit der Kontrolle von Basismedikationen wie der Goldtherapie usw. Wir können also nicht erwarten, daß durch Textmo­

dul plus flächendeckende Eortbildung bei all dem, was auf die Hausärzte derzeit einstürmt, wir diese damit schon in die Lage versetzt haben, daß er mit diesen Patienten problemlos zurechtkommt. Es kommt mir auf zwei Dinge an: Die chro­

nisch Rheumakranken mit entzündlich rheumatischen Erkrankungen sollten in jedem Eall einmal einem Spezialisten vorgestellt worden sein. Dies könnte Auf­

gabe der ein bis zwei Rheumazentren jedes neuen Bundeslandes sein. Die Pa­

tienten sollen damit dem niedergelasse­

nen Kollegen nicht weggenommen wer­

den. Sie sollen dort nur erfaßt werden und es soll dort der Umfang der gesam­

ten Betreuung koordiniert werden, diese reicht ja von der Ergotherapie bis zur Rheumachirurgie.

Ich würde mir wünschen, daß man in einem zweiten Schritt die Eortbildung re­

gional ganz patientennah betreibt. Eür das Rheumazentrum Leipzig wollen wir die Möglichkeit von Gruppenhospitatio­

nen und Patientenvorstellungen schaffen.

Am Patienten selbst könnte man aus dem, was jetzt an theoretischen Grundlagen geschaffen ist, noch zu einer besseren gemeinsamen Sprache kommen.

Merckle Konsensus-Initiative:

Was bringt die Zukunft?

Die Resonanz auf die Merckle Kon- senus-Seminare bestätigt uns in un­

serem Vorhaben, den Allgemeinärz­

ten in den neuen Bundesländern eine qualifizierte Fortbildung für den Be­

reich Bewegungsapparat und Fett­

stoffwechsel anzubieten.

Ungeachtet des anhaltend starken Interesses an dieser Form der Fort­

bildung arbeiten wir an der Weiter­

entwicklung dieses Konzeptes. Es ist unsere Intention, von dem bisheri­

gen theoretischen Themenschwer­

punkt wegzukommen und dem Arzt

»Therapie zum Anfassen« zu bieten.

Dieses Modell der Kasuistiken und Klinikvisiten testen wir derzeit in Leipzig und bei den Bucher Rheuma­

tagen.

Neben dem wissenschaftlichen Auf­

trag eines pharmazeutischen Her­

stellers ist die wirtschaftliche Trag­

fähigkeit solcher Projekte bei einer Bewertung zu berücksichtigen. Dies ist gerade in der momentanen Situa­

tion zwingende Realität geworden, vor der sich auch das Haus Merckle nicht verschließen kann. Dies stellt in der Konsequenz nicht die Idee der Merckle Konsensus-Initative in Frage, zwingt jedoch zu einer län­

gerfristig ausgelegten Planung.

Dokumentation Günther Buck Obere Grabenstraße 42 7315 Weilheim/Teck

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