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2.2 Beschichtung von rotationssymmetrischen Präzisionsbauteilen am Beispiel von

2.2.2 Beschichtungen

In einer Studie des Vereins Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken (VDW) wurde die Be-schichtung von Lagern durch verschiedene Techniken (CVD-/ PVD-Verfahren, thermisches Spritzen, Galvanisieren) untersucht. Die beiden Hauptaufgaben einer Beschichtung, die Minimierung von Reibung und Verschleiß, wurden von keiner Schicht gleichzeitig erfüllt.

(Weck et al. 1989, S. 7)

Die Anforderungen an Beschichtungen lassen sich unter den Überbegriffen Haftfestigkeit (kein Abplatzen unter Beanspruchung), Zähigkeit, chemische Verträglichkeit (Schicht und Zwischenstoff), Fertigungstechnik (beherrschbar, reproduzierbar) und Wirtschaftlichkeit gliedern. Wirtschaftlich sind nach Weck und Steinert Beschichtungen bei niedrigen Tem-peraturen unter der Anlasstemperatur des Wälzlagerstahls vorteilhaft, da dann auf eine thermische Nachbehandlung verzichtet werden kann. (Weck et al. 1989, S. 20–22)

Als Fazit der Studie wurde die Haftung als vorrangige Anforderung ermittelt, welcher ggfs.

Reibungs- und Verschleißeigenschaften untergeordnet werden sollen. Aussagen bezüg-lich einer optimalen Schicht können nicht allgemeingültig getroffen werden, sondern sind immer im Kontext der speziellen Anwendung zu sehen. (Weck et al. 1989, S. 49–51) In dieser Arbeit sind nur galvanisch aufgebrachte Schichten relevant, daher werden im weiteren Verlauf nur solche Beschichtungen näher betrachtet. In der Literatur wird als elektrochemisches Verfahren die Dünnschichtverchromung als Option einer harten Schicht genannt. Abgeleitet von der Hartverchromung werden ca. 3 µm Schichtdicke ab-geschieden, bei sehr guter Haftfestigkeit können hohe Belastungen ertragen werden.

(Kleinlein 1998, S. 137–138)

Patente für galvanische Beschichtungen von Wälzlager-ringen

Im Gebrauchsmuster G9116756.6 werden als Ansprüche mehrere Kombinationen aus Oberflächenrauheit und Schichtdicke geltend gemacht. Entweder ist die Oberflächenrau-heit größer als die Schichtdicke (Rz 0,3-9,0) oder die Schichtdicke ist bei geschliffenen Lagern 0,1 µm - 3,0 µm dick. Auch die Laufbahn wird mitbeschichtet, es wird jedoch keine Vorrichtung zur Beschichtung beschrieben oder eine Aussage zur kompletten Be-schichtung gemacht. Die Härte der Schicht muss mindestens 650 HV betragen. (Ge-brauchsmuster G 91 16 756.6 1991)

Im Patent DE102009023818 werden Wälzlager mit einer galvanisch oder außenstromlos abgeschiedenen dünnen Nickel-Legierungsschicht beschrieben. Die geringe Schichtdicke von 2 µm oder weniger verändert die Toleranzklasse des Lagers nicht. Vorzugsweise wer-den die Schichten außenstromlos / chemisch aufgebracht, d. h. ohne externe Stromquelle.

Bei einer elektrischen Kontaktierung würde an den Kontaktstellen keine Schicht abge-schieden, „eine vollständige Schutzschicht wäre so nicht erzeugbar“. (Patentschrift DE102009023818 A1 2009) In der Offenlegungsschrift DE102010031439 wird ein Lager ähnlich zum zuvor genannten Patent beschrieben. Die Beschichtung besteht jedoch aus einer außenstromlos abgeschiedenen Nickel-Phosphor-Schicht. (Patentschrift DE102010031439 A1 2010)

DE102011075497 beansprucht die Ausführung eines Wälzlagers, bei dem diverse Funk-tionsflächen mit einer Sonderbeschichtung versehen sind, welche auch aus einer elektro-lytischen Beschichtung bestehen kann. Über die genaue Zusammensetzung und Applika-tion dieser Schicht über Vorrichtungen sind keine Angaben vorhanden. Da bei einer Ab-stimmung der Schicht auf die Anforderungen der Wälzkörperlaufbahn die Korrosions-schutzwirkung nicht zufriedenstellend ist, werden vorrangig die Flächenabschnitte zur Aufnahme eines Dichtrings geschützt. (Patentschrift DE102011075497 A1 2011)

Im Schutzrecht DE102014206701 werden Lagerringe beansprucht, welche auf einem Teilbereich mit verschiedenen galvanischen Schichten wie beispielsweise Nickel, Zink-Eisen, Nickel o. ä. und auf einem zweiten Teilbereich mit einer Brünierschicht versehen sind. Nach Abschluss aller Beschichtungen verläuft keine Schicht vollflächig über alle La-gerringflächen. (Patentschrift DE102014206701 A1 2014)

Über die verwendete Anlagentechnik liegen im Regelfall bei der Beschreibung von Schich-ten und Schichtsystemen keine Angaben vor. Bei nicht vollflächigen SchichSchich-ten können auch herkömmliche Gestelltechniken eingesetzt werden, oder es werden Trommeltechni-ken oder Umlaufgestelle ohne elektrische Kontaktierung verwendet (genauere Beschrei-bung galvanischer Techniken / Gestelle folgt in Kapitel 3).

Allein in DE19839479 wird eine Vorrichtungstechnik für die Beschichtung von Großlagern in chemischen / galvanischen Bädern mittels einer geeigneten Haltevorrichtung beschrie-ben. Dabei wird der Lagerring nur teilweise in den Elektrolyt eingetaucht und konstant rotiert (Abbildung 2.3).

Abbildung 2.3: Fig. 1 und Fig. 2 des Schutzrechts DE19839479 (Patentschrift DE19839479 A1 1998, S. 6)

Die Halterung erfolgt entweder über eine sternförmige Spannvorrichtung auf einem In-nendurchmesser oder über mindestens drei Rollen, welche den Ring über den Innen- und Außendurchmesser abstützen. Bei beiden Varianten kann über die Vorrichtung auch Strom übertragen werden. (Patentschrift DE19839479 A1 1998) Das in Abbildung 2.3 rechts (Fig. 2) gezeigte Konzept weist statische Befestigungspunkte auf und erzeugt damit zwangsweise Bereiche ohne ausreichende Beschichtung. Im Fall der Rollentechnik sind keine stationären Kontaktstellen vorgesehen, hier ist eine vollflächige Beschichtung mög-lich. Es sind jedoch keine Daten zu den Schichteigenschaften verfügbar. Beispielsweise ist durch das teilweise Eintauchen ein Effekt bei der Schichtausbildung möglich (eine Art Multilayer-Schicht), dessen Auswirkungen auf die Schichteigenschaften verschiedener Werkstoffe oder Legierungen variieren können, jedoch auch die Gefahr einer Delamina-tion der einzelnen Schichten aufweisen können. Es ist auch fraglich, ob alle Prozesse mit einem teilweisen Eintauchen realisierbar sind, oder ob ungünstige Einflüsse durch Passi-vierung im Bereich mit Luftkontakt oder vorrichtungstechnische Probleme durch Antrock-nen oder Kristallisation des Elektrolyten entstehen könAntrock-nen. Insbesondere bei größeren Bauteilen wäre einem Antrocknen bzw. der Kristallisation des Elektrolyten durch eine hohe Bauteildrehzahl entgegenzuwirken, dies stellt durch die große bewegte Masse auch potenziell ein Sicherheitsrisiko im Fall einer Fehlfunktion dar. Inwiefern die Summe der

entstehenden Effekte einen Einfluss auf die Schichtstabilität, Gefügestruktur und Störstel-lenfreiheit ausübt, ist unbekannt und abhängig der jeweiligen Verfahrenstechnik. Diese Thematik kann jedoch potenziell kritisch sein. Die Beschichtungszeiten werden bei glei-cher Stromdichte durch die Benetzung nur eines Segments höher als bei einer voll einge-tauchten Technik ausfallen. Eine Eignung für alle Verfahren ist daher unklar, insbesondere unter Berücksichtigung der tribokorrosiven Anforderungen, welche zur Vermeidung von Korrosion eine schnelle Passivierung der Schicht erfordern können (siehe Abschnitt 2.1.2).

2.2.3 Ableitung von Anforderungen an diese Arbeit

Die Beschichtung eines Präzisionsbauteils stellt hohe Anforderungen an die Genauigkeit.

Eine galvanische Beschichtung erfolgt bisher, wie die Patentsituation zeigt, mit der Ab-scheidung geringer Schichtdicken, welche keine signifikanten Toleranzänderungen erzeu-gen. Bei für einen effektiven Korrosionsschutz notwendigen höheren Schichtdicken ist eine Veränderung der Bauteiltoleranzen möglich. Die Kombination aus Geometrie- und Korrosionsanforderungen erzeugt daher Herausforderung an diese Arbeit.

 Die Anwendung der Beschichtung soll auf einem Wälzlager (Präzisionsbauteil mit engen Toleranzen) erfolgen. Eine Nachbearbeitung soll aus wirtschaftlichen Grün-den minimiert / vermieGrün-den werGrün-den.

► Inhaltliche Anforderung: Möglichst homogene, konturtreue und endmaß-nahe Beschichtung [Anforderung IF2 für diese Arbeit]

 Eine Produktionstechnik, welche für alle Verfahren sicher funktioniert, konnte nicht identifiziert werden. Eine neue Lösung muss daher entwickelt werden. Zur Sicherstellung einer strukturierten, nachvollziehbaren Entwicklung ist hierfür eine Methodik notwendig.

► Übergeordnete Anforderung: Entwicklung einer allgemeinen Methodik zur Entwicklung einer geeigneten Produktionstechnik für die galvanische Be-schichtung von Wälzlagerringen bzw. rotationssymmetrischen Präzisions-bauteilen. Bei der galvanischen Produktionstechnik handelt es sich um eine

interdisziplinäre bzw. multidisziplinäre Problemstellung durch das Zusam-menspiel von Elektrochemie, physikalischen Effekten und maschinenbauli-chen Komponenten, eine Methodik muss daher diese Interdisziplinarität ab-bilden können. [Methodische Anforderung MF1 für diese Arbeit]

► Detaillierte Anforderung: Entwicklung einer Methodik zur Ermittlung einer geeigneten Beschichtungstechnik für die vollflächige, kontaktstellenfreie Abscheidung einer galvanischen Schicht [Inhaltliche Anforderung IF3 für diese Arbeit]

► Detaillierte Anforderung: Entwicklung einer Methodik zur Optimierung der Schichtdickenverteilung mit dem Ziel einer endmaßnahen Beschichtung [In-haltliche Anforderung IF4 für diese Arbeit]

► Da für die Problemstellung der inhaltlichen Anforderungen IF3 und IF4 keine direkte technische Lösung bekannt ist, muss die Methodik die Gene-rierung neuer Lösungen ermöglichen. Eine Methodik muss daher eine in-novative Lösungsfindung für technische Probleme beinhalten können bzw.

bereitstellen [Methodische Anforderung MF2 für diese Arbeit]

► IF3 und IF4 sind zwei Aspekte innerhalb einer Gesamtentwicklung. Für eine erfolgreiche und zeitlich akzeptable Entwicklung müssen die verschiedenen Anforderungen parallel bearbeitet werden können. Die maschinenbauliche Umsetzung der Beschichtungstechnik, die Schichtdickenverteilung und die Gesamtanlagentechnik (siehe 3.3) sind dabei technisch sehr unterschiedli-che Aufgabenstellungen, welunterschiedli-che sich jedoch gegenseitig beeinflussen. Eine Methodik muss eine parallele, iterative Entwicklung sehr unterschiedlicher technischer Aspekte ermöglichen [Methodische Anforderung MF3 für diese Arbeit]. Die Notwendigkeit einer iterativen Entwicklung wird in Abschnitt 3.3.3 näher beschrieben.

Die sich aus der Galvanotechnik ergebenden Anforderungen an die Produktionstechnik und die Beschichtungsgenauigkeit werden im nächsten Kapitel detaillierter dargestellt.

3 Galvanotechnik und galvanische Pro-duktionstechnik

Nachfolgend werden die relevanten galvanotechnischen Grundlagen (d. h. insbesondere bezüglich der Schichtdickenverteilung) beschrieben und um die Anlagen- bzw. Produkti-onstechnik ergänzt.