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6.1 Generische Methodik zur Entwicklung einer galvanischen

6.1.2 Aufbau

Aus den Kerngedanken im vorherigen Abschnitt wurde die in Abbildung 6.1 dargestellte generische Methodik entwickelt. Nachfolgend werden anhand der Phasen der Aufbau und die möglichen Entwicklungsinhalte / Schwerpunkte für ein galvanisches Produktions-system näher beschrieben.

Startphase

Wie in Abbildung 6.1 dargestellt folgt in der erstellten Methodik auf den ersten Schritt (Klärung von Zielsetzung, Anforderungen und Randbedingungen, wie aus vielen anderen Entwicklungsmodellen bekannt) bereits eine erste Auswahl der grundlegen Technologie auf Basis des Stands der Technik bzw. den Aspekten der Galvanotechnik. Dies ist dadurch begründet, dass die Entwicklungskernpunkte für die unterschiedlichen Anlagentechnolo-gien wie Trommel- oder Gestellanlage, aber auch Rolle-zu-Rolle (Bandbeschichtung) und Spezialanlagen gegebenenfalls unterschiedliche Schwerpunkte erfordern. Wenn eine An-lagentechnologie nicht eindeutig auswählbar ist, sollte diese Technologieentscheidung

anhand der Anforderungen und Randbedingungen das Ziel in einer ersten Entwicklungs-stufe sein.

Planungsphase

Die Planungsphase wird in zwei Abschnitte unterteilt. Im ersten Schritt wird aufbauend auf der Startphase mit Recherchen und Anforderungen der Entwicklungsbedarf ermittelt.

Bei bekanntem Entwicklungsbedarf wird auch die Anzahl der Entwicklungsstufen festge-legt, analog z. B. zum V-Modell der Mechatronik kann die Methodik mehrfach durchlau-fen werden und wie in 6.1.1 beschrieben mehrstufig beispielsweise zuerst eine Proto-typanlage und in der zweiten Stufe dann eine hochskalierte Produktionsanlage entwickelt werden.

Für die Bearbeitung der technischen Herausforderungen werden diese in einzelne Seg-mente unterteilt. Die Anzahl der SegSeg-mente sowie deren Inhalte werden an den Entwick-lungsbedarf (ggfs. unter Berücksichtigung des Ziels der Entwicklungsstufe) angepasst, eine Unterteilung kann nach den beteiligten technischen Disziplinen (Verfahrenstechnik / Chemie, Maschinenbau / Konstruktion usw.), Entwicklungsrisiko (z. B. unklares Lösungs-prinzip), Anzahl der Schnittstellen, betroffener Ebenen im Produktionssystem (Logistik- / Fertigungsplanung, Gesamtfabrik, Arbeitsstation) o. ä. erfolgen. Im Rahmen der Einbin-dung einer galvanischen Anlage in eine Gesamtproduktion ist neben der EinbinEinbin-dung der Anlage in die Gesamtfertigung (Layout, Gebäudesituation, Logistik) insbesondere die Be-trachtung des eigentlichen Beschichtungsraums (Behälter mit Einbauten und Verfahrens-technik), der Bauteilaufnahme (Gestelle, Trommeln, Einzelaufnahme), der Komponenten der Gesamtanlage (z. B. Transportsystem, Gesamtbehälteraufbau, Be- und Entstückung als Schnittstelle zu vor- und nachgelagerten Prozessen) und der zugehörigen Peripherie (Abluft, Abwasser und Energie- / Medienversorgung) sinnvoll. Beschichtungsraum und Aufnahme der Ware / Bauteile sind dabei als qualitätskritische Aspekte aufzunehmen auf jeden Fall zu betrachten und werden in der Instanziierung näher ausgeführt. Auf Fabrik-ebene ist vorrangig die Genehmigungssituation mit den rechtlichen Rahmenbedingungen zur Chemikalienverwendung zu nennen, diese können sich durch umfassende Arbeits- und Umweltschutzanforderungen (z. B. Löschwasserrückhaltung, Lagerung) weit über den eigentlichen Anlagenbereich auswirken.

Die Aufteilung in Segmente erlaubt die Auswahl unterschiedlicher Methoden und Vorge-hensweisen für die jeweiligen Entwicklungsaufgaben, was insbesondere bei der stark in-terdisziplinären Galvanotechnik mit Elementen aus (Elektro-) Chemie / Verfahrenstechnik, Maschinenbau, Physik und auch IT bzw. Steuerungstechnik vorteilhaft ist. So können für die jeweiligen Segmente unterschiedliche Methoden und Vorgehensweisen gewählt wer-den. Diese individuellen Gestaltung kann auf Basis bekannter Ansätze (Literaturrecherche, Stand der Technik) für die jeweilige Problemstellung erfolgen, beispielsweise statistische Versuchsplanung (Design of Experiments, DOE) für experimentelle Untersuchungen, Lö-sungsfindungsmethoden für konstruktive Problemstellungen (siehe 4.1.3) oder Modellbil-dung bzw. Simulation bei mathematisch beschreibbaren Zusammenhängen.

Abbildung 6.1: Im Rahmen der Arbeit erstellte allgemeine Entwicklungsmethodik

Segment 1: Segmentspez. Bearbeitung, iterativ Seg. n:

...

Als wichtiger Bestandteil wurde als zweiter Schritt der Planungsphase eine gemeinsame Planung für die einzelnen Segmente erachtet. Für jedes Segment wird in der entwickelten Methodik eine Vorgehensweise definiert und Möglichkeiten zur Bewertung von Entwick-lungsergebnissen werden ermittelt – jedoch in konsequenter Abstimmung mit allen Ent-wicklungssegmenten. Durch die Abstimmung wird sichergestellt, dass auch Abhängigkei-ten erkannt und in der Gesamtplanung berücksichtigt werden können. Bei unklarer Da-tenlage für einzelne Segmente können entsprechende realistische Annahmen getroffen werden, um die Bearbeitung nicht zu verzögern. Diese Annahmen werden im Lauf der Segmententwicklungen zu belastbaren Daten ausgearbeitet.

Die Möglichkeiten zur Bewertung während der Entwicklung sind vielfältig und werden einzelfallabhängig gewählt. Neben qualitativen Bewertungsmethoden nach Stand der Technik (z. B. Nutzwertanalyse, paarweiser Vergleich) werden für quantitative Bewertun-gen auch Berechnungs- und Simulationsmodelle Bewertun-genutzt. Sind keine ausreichenden the-oretischen Kenntnisse bzw. Grundlagen vorhanden oder ergibt eine qualitative Bewer-tung kein eindeutiges Bild, kann eine experimentelle Überprüfung vorgesehen werden (experimentelle Versuche, Muster, Prototyp).

Segmententwicklung

Nach der Planungsphase folgt nach der erarbeiteten Methodik die eigentliche Entwick-lungsarbeit. In iterativen Zyklen wird jedes Segment bearbeitet. Eine Abstimmung zwi-schen den Segmenten erfolgt vorzugweise kontinuierlich, mindestens jedoch regelmäßig am Ende eines Iterationszyklus. Nach und nach werden die Segmente bis zur erforderli-chen Reife detailliert. Ein Iterationszyklus (bzw. nachfolgend auch Schleife genannt) ist dabei die Abfolge von mindestens vier Schritten: Der Definition der Teilaufgabe für die Bearbeitung (ggfs. in Abstimmung mit allen Segmenten), der inhaltlichen Bearbeitung, einer Bewertung der inhaltlichen Ergebnisse und einer Entscheidung zum weiteren Vor-gehen (d. h. notwendige weitere Arbeiten, fehlende Lösungen, notwendige Abhängig-keiten).

Bei der Zielsetzung für eine Schleife werden die Abhängigkeiten und Schnittstellen zu den anderen Segmenten und aufgetretene Unklarheiten / zusätzliche Entwicklungsbedarfe

berücksichtigt. Die Bearbeitung und Bewertung erfolgt an die Aufgabenstellung ange-passt. Im Review erfolgt sowohl eine Bewertung der in der Schleife durchgeführten Ar-beiten und erzeugten Ergebnisse als auch ein Abgleich mit der übergeordneten Zielset-zung. Als optionaler fünfter Schritt kann innerhalb eines Segments die Bewertung mit einer Vorabvalidierung ergänzt werden, sofern dies inhaltlich sinnvoll und vernünftig machbar ist (z. B. Prüfung eines Funktionsmusters einer technischen Detaillösung oder der Verfahrenstechnik in kleinerem Maßstab in einer bestehenden Versuchsanlage).

Gesamtsystementwicklung

Sobald für die einzelnen Segmente eine ausreichende Reife erreicht haben, wird die Ent-wicklung der Segmente im Kontext des Gesamtsystems weitergeführt. Dies wurde in der Methodik dieser Arbeit so früh wie möglich vorgesehen, d. h. der Wechsel zum Gesamt-system sollte während bzw. spätestens nachdem die Konzepte für einzelne Lösungen ge-wählt sind erfolgen. Die Schleifen werden analog zur Segmententwicklung durchgeführt, die Bewertung der Ergebnisse erfolgt jedoch konsequent bezogen auf das Gesamtsystem.

Auf diese Weise können die Wechselwirkungen, welche in der Galvanotechnik speziell zwischen Vorrichtungen, Gesamtanlage und Verfahrenstechnik auftreten, frühzeitig be-rücksichtigt und bewertet werden.

Umsetzungs- und Validierungsphase

Im Anschluss an die Gesamtsystementwicklung erfolgt die Validierung nach der Umset-zung der Entwicklungsstufe. Auf Basis der Validierung erfolgt die Beurteilung der Zieler-reichung, sofern die Anforderungen noch nicht vollständig erreicht werden, wird nach einer Analyse der Ursachen der Änderungsbedarf definiert und ggfs. Schritte der Segmen-tentwicklung oder Gesamtsystementwicklung erneut durchlaufen. Die Nutzung dieser Schleife zwischen Validierung und erneuter Entwicklung ist insbesondere im Fall von Pro-totypen oder Funktionsmustern sinnvoll, da dies auch für die Optimierung bestehender physischer Systeme genutzt werden kann. Im Fall einer neuen Entwicklungsstufe wird ein Review der durchgeführten Entwicklung aus methodischer Sicht durchgeführt und evtl.

eine Anpassung vorgenommen. Hier können beispielsweise die Segmentdefinitionen ver-ändert werden, wenn sich die Entwicklungsschwerpunkte verschieben oder neue Seg-mente benötigt werden.

Sofern in der Validierung kein signifikanter Änderungsbedarf ermittelt wurde und auch keine weitere Entwicklungsstufe vorliegt, erfolgt die Finalisierung und der Abschluss des Entwicklungsprojekts. Dabei wird die endgültige Dokumentation mit allen im Rahmen der Umsetzung und Validierung vorgenommenen Änderungen erstellt und ein Review des Gesamtprojekts durchgeführt. Das Review beinhaltet dabei sowohl die entwickelten tech-nischen Anlagen und Lösungen als auch den Entwicklungsprozess an sich.