• Keine Ergebnisse gefunden

3 Fragestellung und Forschungsdesign

4.2 Zusammenhänge

4.2.4 Berufliche und finanzielle Sicherheit

In den Fallanalysen hat sich gezeigt, dass der Themenkomplex berufliche und finanzielle Sicherheit einen hohen Stellenwert einnimmt. Die Bereiche Beruf und Geld sind eng über das Einkommen verknüpft, sollen hier jedoch zuerst getrennt betrachtet werden, um sie dann im Weiteren zusammen zu führen. Zunächst geht es um den Stellenwert der beruflichen Sicherheit. Berufliche Sicherheit spielt bei allen befragten Paaren eine große Rolle, wenn auch aus unterschiedlichen Perspektiven: Friedrich Mayer (Fall 3) nimmt die Fernbeziehung in Kauf, um eine neue Position anzunehmen.

Würde er diese Stelle ablehnen, bestünde die Gefahr, aus dem Unternehmen auszuscheiden. Cornelia (Fall 2) wollte ursprünglich nach dem Studium an den Wohnort ihres Freundes zurückkehren, zieht aber dann eine Anstellung in der 330 km entfernten B-Stadt vor, da sie hofft, dass diese Stelle sie schneller voranbringt. Auch ihre neue Position wird ihr das Erklimmen der nächsten Sprosse auf der Karriereleiter ermöglichen. Gaby und Heiner sehen berufliche Sicherheit darin, erst einmal überhaupt einen Beruf ausüben zu können und den Berufseinstieg zu schaffen.

Eine neue Anstellung bedeutet für die Paare auf der einen Seite die Sicherung ihrer beruflichen Perspektiven, auf der anderen Seite jedoch auch Unsicherheit. Diese Unsicherheit führt in einigen Fällen dazu, dass einer der Partner alleine den Wohnort wechselt und dadurch die Fernbeziehung als solche erst entsteht. Friedrich Mayer wollte am neuen Arbeitsort zunächst abwarten, wie sich alles entwickeln wird, erst dann solle die Familie nachkommen. Er sah sich konfrontiert mit „neuer Vorgesetzter, neue Kollegen, neue Mitarbeiter“ (Fall 3, Friedrich, Zeile 20 f.). Anna (Fall 1) folgte ihrem Verlobten nicht an dessen Studienort, da sein Studium und der darauffolgende Berufseinstieg für sie eine große Unsicherheit darstellt:

„also das war alles neu, kann ich ja nicht sagen, okay ich zieh sofort zusammen, weil man weiß ja nicht, was während dem Studium, packt man das Studium, was macht man danach und so weiter und so weiter und so fort“

(Fall 1, Anna, Zeile 1106 ff.)

Vor allem im Kontrast zu ihrer eigenen beruflichen Sicherheit als Beamtin im Tagesdienst erscheint die Zukunft von Bernd am Studienort umso unsicherer. Ebenso entscheiden sich Gaby und Heiner gegen eine gemeinsame Wohnung „irgendwie in der Mitte“ (Fall 4, Gaby, Zeile 246) zwischen ihren Arbeitsorten, weil Gaby zum einen nicht wusste, ob sie sich an ihrer neuen Stelle zurecht finden würde „weil ich mir dachte, vielleicht springste ja doch wieder ab“ (Fall 4, Gaby, Zeile 282f.), zum anderen ist diese Stelle mit einer hohen Mobilitätserwartung von Seiten des Arbeitgebers verbunden und dadurch ist es denkbar, dass Gaby in den nächsten Monaten auch an anderen Standorten des Unternehmens tätig sein könnte.

„Und dann ist unsicher, wie lange ich in E-Stadt bleib, weil das ja so ein Programm ist, wo es sein kann, dass ich ab März, also ich bin jetzt bis März auf jeden in E-Stadt, dass kanns halt auch sein, dass ich nach F-Stadt komm, nach G-Stadt, nach H-Stadt, oder so“ (Fall 4, Gaby, 240 ff.)

Ergebnisse wie diese zeigt auch die Studie von Wimbauer auf: Sicherheit und berufliche Perspektiven sind eng miteinander verknüpft, allerdings möchten Paare häufig zunächst einmal abwarten, wie sich die Situation entwickelt, bevor die Familie an den neuen Wohnort nachzieht.129 Diese Entscheidungen weisen bereits eine latente Ambivalenz auf: Auf der einen Seite wird die Stelle gewechselt, um eine größere berufliche Sicherheit erhalten zu können, auf der anderen Seite ist aber genau mit dieser Sicherheit garantierenden Stelle so viel Unsicherheit verbunden, dass man die Familie nicht sofort an den neuen Arbeitsort mitnehmen möchte.

129 Ähnliches findet sich bei Wimbauer (2003): Fall Clemens (S.185 f., 189). Hier verhält es sich ähnlich wie bei Ehepaar Mayer: Die Eigentumswohnung am Familienwohnsitz hält zunächst davon ab, dass die komplette Familie an den neuen Arbeitsort von Herrn Clemens umzieht.

Neben der beruflichen Sicherheit ist die finanzielle Sicherheit besonders bedeutsam.

Vor allem die jungen Akademiker in der Studie betonen dies. Bernd möchte zuerst einmal seine Schulden abbauen. Aus diesem Grund behält er seine jetzige Anstellung an seinem Studienort und verzichtet auf die Suche nach einer neuen Stelle am Wohnort seiner Verlobten:

„ich starte jetzt erst mal da, dass ich auf jeden Fall mal mein Geld hab und ähm meine Schulden zurückzahlen kann. Vom Studium.“ (Fall 1, Bernd, Zeile 704 f.) Gaby (Fall 4) sieht es ähnlich: Sie wollte nicht länger nach einer Anstellung am Wohnort von Heiner suchen, weil sie endlich Geld verdienen wollte.

„vom Finanziellen her wars gut, man hatte immerhin erst mal nen Job. Und gute Bezahlung“ (Fall 4, Gaby, Zeile 279 f.)

„ich freu mich wahnsinnig, dass ich jetzt Geld verdien“

(Fall 4, Gaby, Zeile 536 f.)

Ähnlich sieht dies auch für Daniel (Fall 2) aus, er überlegt, seine Diplomarbeit in einem Betrieb ca. 800 Kilometer entfernt von Cornelias neuem Arbeits- und Wohnort zu schreiben, da dieser Betrieb, anders als seine Universität, ihm ein Gehalt während dieser Zeit zahlen würde.

Die Berufstätigkeit bedeutet zum einen Partizipation am gesellschaftlichen Teilsystem der Wirtschaft, zum anderen Zugang zu finanziellen Möglichkeiten, diese wiederum ermöglichen berufliche Weiterbildung und somit berufliche Verbesserungen und mehr Einkommen.130 Akademiker sind sich dessen sehr bewusst, durch ihre berufliche Laufbahn lernen sie diese Prozesse kennen und wissen, dass berufliche und soziale Möglichkeiten eng miteinander verbunden sind. Dem folgend kann man davon ausgehen, dass gerade Akademiker automatisch überdurchschnittlich berufs- und karriereorientiert sind.131 Geld symbolisiert Wertschätzung und ist nur über den Beruf zu erhalten, der Beruf bedeutet also per se Wertschätzung. Die Erzielung von Einkommen ist wichtig für eine positive Fremd- und Selbstwahrnehmung.132 Führt also die Erfahrung starker finanzieller Belastungen und Einschränkungen zu einer verstärkten beruflichen Orientierung? Für zwei der untersuchten Paare kann dies mit Sicherheit gesagt werden: Bernd (Fall 1) hat seine finanzielle Situation immer als Belastung angesehen. Seine Stellung innerhalb der Beziehung wurde ebenfalls dadurch beeinflusst. Geld wurde bei Anna und Bernd bisher als Machtmittel eingesetzt. Ein

130 S. hierzu v.a. Bourdieu (1982).

131 Gerade die hohe Zahl kinderloser Akademikerinnen spricht in diesem Zusammenhang für sich.

Beispiel dafür ist die Urlaubsplanung: Da sie den Urlaub bezahlt oder ihm das Geld dafür vorstreckt, entscheidet mehrheitlich sie, wo die Reise hingeht. Bernd würde gerne nach Skandinavien reisen, ihn faszinieren Naturerlebnisse („Polarlichter“, Zeile 542), Anna hingegen möchte „in die Wärme“ (Zeile 473). So wurde der letzte Urlaub in der Dominikanischen Republik verbracht. Auf die Frage hin, wer die Entscheidung für das Urlaubsziel gefällt hat, antwortet das Paar:

„B: Joa, Schschon Anna. (A: ja) Joa. Ich konnte nicht entscheiden. (A lacht) I: Warum konntest Du nicht entscheiden?

B: Weil sie den Urlaub gezahlt hat, genau A: L Weil ich den gezahlt hab“

(Fall 1, Ziele 583 ff.)

Kurz gesagt bedeutet dies: Wer zahlt, bestimmt. Diese Machtlosigkeit durch fehlende finanzielle Möglichkeiten ist sicher ein Grund dafür, warum Bernd zunächst keinen Stellenwechsel anstrebt, sondern sich als aller erstes eine finanzielle Basis schaffen möchte.

Ähnlich, aber nicht so drastisch verhält es sich bei Cornelia und Daniel (Fall 2).

Cornelia finanziert die gemeinsamen Wochenenden, sie streckt ebenfalls das Geld für die Urlaube vor, Daniel hingegen gleicht dies mit mehr Hausarbeit in ihrer Wohnung aus, da er zeitlich flexibler ist und über mehr Freizeit verfügen kann. Er tut dies, obwohl er mit der Arbeitsaufteilung nicht zufrieden ist. Hier wird Geld gegen Arbeitszeit getauscht, jedoch bringt auch Daniel zum Ausdruck, dass er eine weitere Zeit der Fernbeziehung für eine bezahlte Diplomarbeit oder eine Anstellung im Ausland (zur beruflichen Weiterentwicklung) in Kauf nehmen würde. Finanzielle und berufliche Sicherheit sind eng verwoben und sind häufig ein Grund, eine Fernbeziehung einzugehen oder die Distanz zugunsten beruflicher Vorteile aufrecht zu erhalten.