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Die Bedeutung des Waldes

Im Dokument Der Wald in der Raumplanung (Seite 58-64)

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5 Die Bedeutung des Waldes

Allgemeine Feststellungen

In der Wertung der Wirkungen und der Stellung des Waldes können in der geschichtlichen Entwicklung wesentliche Wandlungen festgestellt werden. Dem prähistorischen Menschen lieferte er Nahrung und Kleidung, dem seßhaft gewor­

denen Siedler wurde er zum Holzlieferanten für Feuer, Bauten und Geräte; den domestizierten Tieren diente er zeitweilig oder dauernd zur Weide; als Jagd­

areal blieb er stets geschätzt. Überbeanspruchung und drohende Zerstörung des Waldes waren die Ursache zur Regelung der Nutzung, die zu den Anfängen der Waldwirtschaft führte.

Mit der Industrialisierung unseres Landes, vor allem aber mit der Einführung moderner Verkehrsmittel hat sich die Bedeutung des Waldes auffällig verlagert.

Als Energielieferant wurde er mit der Zeit durch petrochemische Produkte und Elektrizität verdrängt; geblieben ist seine Bedeutung als Rohstofflieferant für Gewerbe und Industrie. Auf der andern Seite gewinnen die Wohlfahrtswirkungen zunehmend an Bedeutung. Da sind einmal die mannigfaltigen Schutzwirkungen des Waldes für Landschaft, Siedlungen, Verkehr und Bevölkerung, gewährleistet durch seine Existenz, seine Bodenbedeckung und Stabilisierung gegen Schnee- und Was­

serkatastrophen, seine abschirmenden und abschwächenden Wirkungen gegen unerwünschte Immissionen. Der Wald weist aber auch keine Quellen von Ver­

unreinigungen auf und gibt weder Schmutz noch schädliche Stoffe ab. Im Wald, der, wie F. FISCHER es formuliert, mit einer riesigen chemischen Fabrik zu ver­

gleichen ist, werden im Gegenteil eine Reihe nützlicher organischer Verbindungen aus Gas, Wasser und Mineralstoffen aufgebaut, in einem Verfahren, das ohne Belästigung arbeitet. Die Forstdienste wenden in der Regel keine Düngemittel, Insektizide, Herbizide und Fungizide an; sie können unter Berücksichtigung der Naturgesetze auf solche Mittel verzichten, ohne die Existenz des Waldes in Frage zu stellen. Weil die Waldungen meistens größere Flächen bedecken, bewirken sie eine wesentliche Konzentrationssenkung der Verunreinigungen; die sauberen, natürlichen und bis anhin gut gepflegten grünen Inseln unserer Umgebung können dadurch erhebliche hygienische Aufgaben erfüllen. Der Wald ist auch wertvoll als ästhetisches, den Landschaftscharakter bestimmendes und gestaltendes Ele­

ment, und vor allem als Erholungsraum gewinnt er in den dicht besiedelten Ge­

bieten an Bedeutung.

Die Waldwirkungen sind heute vorwiegend qualitativ bekannt und nachgewie­

sen. Der meßtechnisc�e Nachweis jedoch ist schwierig, zeitaufwendig (lange Meß­

dauer) und teuer. Daher kann die Bedeutung des Waldes als Element unserer Landschaft und Umwelt nicht abschließend beurteilt werden. Der Komplex Wald und seine Ausstrahlungen sind heute modellmäßig nicht darstellbar, weil wesent­

liche quantitative Beziehungen fehlen. Es ist daher auch nicht möglich, verschie-59

dene Varianten der Waldverteilung oder des Waldanteils eines bestimmten Gebie­

tes modellmäßig zu erforschen und die Auswirkung von Veränderungen zu er­

mitteln. Objektive Kriterien für die Notwendigkeit des Waldes lassen sich am ehesten bei Schutzfunktionen gegen unmittelbare Gefahren erarbeiten (z. B. beim Lawinen- und Erosionsschutz). Sobald sich aber Fragen der Landschaftsgestaltung oder Erholung stellen, sind lediglich Wünsche maßgebend ; subjektive Kriterien stehen im Vordergrund.

Von jedem Wald gehen gleichzeitig ganz verschiedene Wirkungen aus; er erfüllt verschiedenste Funktionen miteinander; daher ist die treffende Umschreibung mit

«multiple use» oder Mehrfachnutzung angebracht. Je n ach der Lage eines Waldes werden einige Wirkungen besonders wichtig sein, andere weniger bedeutsam, . weniger aktuell. Es gibt ferner unmittelbar wahrgenommene und daher offensicht­

liche Wirkungen, während andere noch ungenügend bekannt sind oder als Selbst­

verständlichkeit unbeachtet bleiben ; sie würden wohl erst wieder nach dem Ver­

schwinden des Waldes bewußt, dann wäre eine Korrektur aber schwierig.

Das integrale Denken in Betrachtung des Gesamtgeschehens ist im Waldbau heute besonders gut entwickelt. Die Ursache dieses Verhaltens liegt im Walde selbst: In ihm gibt es kein abgetrenntes Einzelleben, keinen unabhängigen Einzel­

vorgang; als Teile bilden sie den Gesamtkomplex der Lebensgemeinschaft Wald.

Dem Außenstehenden mag diese Erkenntnis vorerst fremd sein ; sie ist auch in der forstlichen Lehre nur allmählich erkannt worden . Unter dem gleichen Gesichts­

punkt sind die Ausstrahlungen des Waldes zu betrachten. WINKLER (1 968) hat in dieser B eziehung eine Übereinstimmung mit der Landschaftspflege aufgezeigt. Eine Ausscheidung nach Hauptfunktionen wie Erholungs-, Wirtschafts- oder Schutz­

wald ist nicht möglich. Dagegen ist es notwendig, für jeden Wald ein konkretes Ziel zu formulieren und die Bewirtschaftung danach auszurichten ; dann können Wälder nach der Zielsetzung unterschieden werden.

Die Nutznießer der Waldwirkungen sind vielfältig:

- die Volkswirtschaft ist an der Sicherung der Rohstoffversorgung interessiert;

für den B esitzer ist der Wald eine Einkommensquelle, ein Sparhafen und ein Vermögensteil ;

- der Arbeitnehmer hat ein Interesse an der Sicherung eines guten Arbeitsplatzes ; -- viele Siedlungen und Verkehrsanlagen werden durch den Wald geschützt; weite

Gebiete unseres Landes wären sonst nicht ganzjährig bewohnbar;

- die Allgemeinheit hat wesentlichen Nutzen durch den günstigen Einfluß auf Wasser, Luft, Klima ; die Volksgesundheit wird günstig beeinflußt;

- in einem Touristenland hat die Erhaltung des landschaftlichen Charakters eine besondere B edeutung ;

- schließlich kann jeder Einzelne vom idealen Erholungsraum persönlichen Nut­

zen und Freude erfahren.

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Der Ort der Wirkungen liegt nicht immer im Bereich des Waldes selbst (Kern­

wirkungen), es entstehen auch Rand- und Fernwirkungen; diese können mittelbar oder indirekt sein. Die künftige Wertung der Wirkungen hängt wesentlich von der Lage des Waldes gegenüber den Siedlungen ab. In der Nähe von Ballungsräumen wird die Bedeutung eine andere sein als in spärlich besiedelten Gebieten.

Zusammenfassung der Funktionen des Waldes

Es gibt zahlreiche Vorschläge, wie die Waldfunktionen zusammengefaßt und bezeichnet werden könnten; die wichtigsten werden nachfolgend angeführt.

Die wirtschaftlichen, materiell erfaßbaren Wirkungen des Waldes erscheinen unter den Begriffen: Produktions-, Ertrags..,, Nutzungs-, Wertschöpfungsfunktion.

Von den materiell nur beschränkt bewertbaren Wohlfahrtsfunktionen hat die Schutzfunktion des Waldes schon im Mittelalter Beachtung gefunden und ist früh durch Gesetze verankert und unterstützt worden. Wie aus dem Nachfolgenden zu ersehen ist, erfährt diese Funktion laufend eine erweiterte Auslegung.

In der Gesetzgebung wird eine Unterteilung in Schutzwald und Nichtschutz­

wald vorgenommen. Primär wurde diese Unterscheidung nicht zur Klassierung und Ausscheidung der Wälder gemacht, sondern zur Abstufung der forstlichen Auf­

sicht. Im ersten Bundesgesetz von 1876, Artikel 4, lautet die Umschreibung:

«Unter Schutzwaldungen sind alle diejenigen Waldungen verstanden, welche vermöge ihrer bedeutenden Höhenlage oder durch ihre Lage an steilen Gebirgshängen, auf Anhöhen, Gräten, Rücken, Vorsprüngen oder in Quellgebieten, Engpässen, an Rüfen, Bach- und Flußufern oder wegen zu geringer Waldfläche einer Gegend zum Schutze gegen schädliche klimatische Einflüsse, Windschaden, Lawinen-, Stein- und Eisschläge, Erdabrutschungen, Unterwaschungen, Verrüfungen oder Überschwemmungen dienen.»

Im Bundesgesetz von 1902, Artikel 3, Absatz 2, steht:

«Schutzwaldungen sind diejenigen Waldungen, welche sich im Einzugsgebiet von Wild­

wassern befinden, sowie solche, welche vermöge ihrer Lage Schutz bieten gegen schädliche klimatische Einflüsse, gegen Lawinen, Stein- und Eisschläge, Erdabrutschungen, Ver­

rüfungen sowie gegen außerordentliche Wasserstände.»

Die Ausscheidung ist Sache der Kantone. Diese lassen sich dabei nicht nur vom Gesetzestext leiten, sondern oft auch vom Umstand, daß der Bund nur Beiträge im Schutzwaldareal entrichtet. Im Schutzwaldareal ist sodann die forstdienstliche Einflußnahme auf Grund des Bundesgesetzes bedeutend größer, was bei der Aus­

dehnung des Schutzwaldareals mitbestimmend gewesen sein dürfte. Daher sind bis 1965 im Sinne des Gesetzes 88 % des Waldareals der Schweiz als Schutzwald erklärt worden. übrigens hat die Vollziehungsverordnung vom 1. Oktober 1965 den Schutzwaldbegriff in Artiker 2, Absatz b, neu gefaßt und erweitert:

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«Es ist Sache der Kantone, auch Wälder, die für Wasserreinhaltung und die Wasserversor­

gung, die Luftreinigung, die Erholung und G esundheit der Bevölkerung sowie für den Landschaftsschutz von B edeutung sind, zu Schutzwald zu erklären. Nichtschutzwälder sind alle Wälder, die von den Kantonen nicht als Schutzwälder ausgeschieden sind.»

KREBS (1962) hat den Schutzwaldbegriff ebenfalls weiter gefaßt: «Schutzwald hieß früher, die dauernde Besiedlung der Bergtäler ermöglichen durch Schutz der Menschen und ihrer Güter gegen die übergriffe der Gebirgsnatur; Schutzwald heißt heute aber auch, die dauernde Besiedlung des ganzen Landes ermöglichen durch Sicherung der Minimalfaktoren gesundes Wasser, gesunde Luft und Ruhe, d. h. durch Schutz des Menschen vor den mannigfachen Gefahren, die er sich selbst geschaffen hat.»

In ähnlicher Weise ist in einer deutschen Quelle der Schutzwald umschrieben worden. ·zuNDEL (1 966): «Unter Schutzwaldungen werden solche Wälder verstan­

den, welche die außerhalb der Holzerzeugung liegenden Werte und Güter der Landeskultur und Volksgesundheit fördern und schützen und welche aus diesen Gründen ihrerseits eines besonderen Schutzes in jeder Hinsicht und gegebenen­

falls auch einer besonderen waldwirtschaftlichen Behandlung bedürfen.»

Die Unterteilung in Schutzwaldungen und Nichtschutzwaldungen ist heute überholt; der Begriff Nichtschutzwald ist zudem irreführend. Es besteht ferner eine enge gedankliche Verbindung zwischen Schutzwald und Gebirgs- oder Bann­

wald. Heute wird der Begriff des Schutzes viel umfassender verstanden als zur Zeit der Ausarbeitung des Bundesgesetzes von 1876, wo die unmittelbar erhaltenden Wirkungen gegen Naturgefahren im Vordergrund standen. Es besteht auch die Möglichkeit der Verbindung verschiedener Funktionen. Für die Gebirgswaldungen hat RAGAZ (1968) einen Vorschlag gemacht:

- Schutzwald mit bedeutender Wirtschaftsfunktion ; - Schutzwald mit eingeschränkter Wirtschaftsfunktion;

- Schutzwald ohne Wirtschaftsfunktion;

- Schutzwald mit gemischter Nutzung (Holzerzeugung und Weidenutzung).

Ausländische Autoren fassen die Funktionen des Waldes in anderen Aufstellun­

gen und Begriffen zusammen. Nach MANTEL (zitiert bei DÜRK, 1965) erfüllt der Wald landeskulturelle, raumpolitische, volkskulturelle, nationalwirtschaftliche, sozialpolitische, sozialökonomische, wehrwirtschaftliche und wehrtechnische Auf­

gaben. DÜRK (1965) befaßt sich mit den hygienischen Funktionen (Schutz gegen Luftverunreinigung und Lärm, klimatische Auswirkungen des Waldes und Er­

holungsmöglichkeiten im Wald). ZuNDEL ( 1966) hat folgende Unterteilung vorge­

sehen: Wasserschutzwald, Boden- und Klimaschutzwald, Immissionsschutzwald, Wald in Naturschutzgebieten, Wald in Landschaftsschutzgebieten, Naturwald, Tierschutzwald, Schutzwälder für militärische Zwecke, Schutzwälder entlang von Straßen, Erholungswald.

In diesen Aufstellungen tritt häufig die Erholungsfunktion auf, entsprechend ihrer zunehmenden Bedeutung wird sie immer wieder erwähnt. Schutz- und 62

Erholungsfunktionen können nicht scharf getrennt werden. Oft werden sie unter dem Begriff Wohlfahrtsfunktion zusammengefaßt und gelegentlich auch als Sozial­

oder Dienstleistungsfunktion und in weitester Fassung als Infrastrukturfunktion bezeichnet.

In Anlehnung an TROMP (1968) scheint folgende Einteilung und Umschreibung der Waldfunktionen zweckmäßig:

Bedeutung für die Volkswirtschaft

Unsere Volkswirtschaft wird mit dem vielseitig verwendbaren Rohstoff Holz versorgt. Der Wald ist Arbeitsstätte von Forstleuten, Waldarbeitern und weite­

ren Kreisen (Privatwaldbesitzern, Landwirten, Transportunternehmungen usw.).

Er verschafft den Waldbesitzern materielle Erträge.

Bedeutung als Schutz vor Naturgefahren

Lawinen, Erosion, Eis- und Steinschlag, Rüfen, Hochwasser und Geschiebe­

führung der Bäche werden vermindert oder gänzlich verhindert.

Bedeutung als Schutz vor Zivilisationsgef ahren

Der Wald regeneriert teilweise Wasser und Luft. Das Waldareal bewirkt eine ausgedehnte Konzentrationssenkung der Verunreinigung unserer Umwelt. Im Waldareal gibt es keine natürlichen Verunreinigungs- und Störungsquellen. Der Wald vermindert oder verhindert verschiedene Immissionen (Staub, Lärm, Licht, Dünste, Erschütterungen). Im Dispositiv der Landesverteidigung erfüllt er verschiedene wichtige Aufgaben.

Bedeutung für die Erholung der Bevölkerung

Der große, natürliche Erholungsraum ist jedermann frei zugänglich.

Bedeutung für die Fauna

Der Wald ist die bedeutendste Lebensstätte unserer Fauna.

Bedeutung für die Landscha/ t

Der Wald prägt das Aussehen unserer Landschaft und Umwelt; er hilft sie gestalten und gliedern. Er ist ein stabiles Landschaftselement. Eine Landschaft ohne Wald ist öd und leer.

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Bei der Ausscheidung der Waldungen nach einzelnen Funktionen besteht die Gefahr, daß dies flächenweise vorgenommen wird. Das ist, wie wir früher zu zeigen versuchten (ZÜRCHER, 1969), teilweise gar nicht niöglich, weil durchaus mehrere Funktionen gleichzeitig erfüllt werden können; es könnte auch zu einer falschen Beurteilung der Bedeutung von bestimmten Waldungen führen. Mehr­

fachnutzung ist im Wald ohne weiteres möglich. Es ist aber erwünscht, daß für die einzelnen Waldungen konkrete Ziele und Wünsche formuliert werden, damit bei der Waldbewirtschaftung, -gestaltung und -einrichtung darauf' Rücksicht genom­

men werden kann. Auf diese Weise wäre eine Unterteilung der Waldungen nach den aktuellen Zielen möglich.

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