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2. LITERATURÜBERSICHT

2.2 Effekte der Zugabe von BSP-A1/A2 zum nativen Ejakulat

2.2.1 Bedeutung von Seminalplasma

Das Seminalplasma ist ein Sekret der akzessorischen Geschlechtsdrüsen und besteht aus or-ganischen und anoror-ganischen Bestandteilen, die nach der Ejakulation den männlichen Geni-taltrakt verlassen. Während der Passage durch den Reproduktionstrakt durchlaufen die Sper-mien eine Reihe von Modifikationsprozessen, die vorwiegend ihre Zellmembran betreffen.

Vor allem Interaktionen mit verschiedenen Seminalplasmaproteinen sind von großer Bedeu-tung (TÖPFER-PETERSEN et al. 2005). Neben dem Verlust membrangebundener Proteine erfolgt auch die Integration neuer Proteinmoleküle, die unterschiedliche Funktionen ausüben können. Sie fungieren beispielweise als Rezeptoren für die Bindung an die Zona pellucida oder dienen dem Schutz der Spermienmembran und verhindern damit die vorzeitige Akro-somreaktion (EKHLASI-HUNDRIESER et al. 2007). Ihre Funktion steht in engem Zusam-menhang mit ihrem Bindungsverhalten an die Spermienmembran.

Proteine, die ubiquitär im männlichen Genitaltrakt von Säugertieren und dominant im Semi-nalplasma vorkommen, sind die Fibronektin Typ II (Fn2) Proteine.

2.2.1.1 Charakteristik, molekulare Struktur und Vorkommen der Fibronektin Typ II Proteine

Die Fibronektin Typ II Proteine zeichnen sich durch zwei bzw. vier tandemartig angeordnete Fn2 Typ Module mit unterschiedlichen N-terminalen Bereichen aus. Zu dieser Proteinklasse gehören BSP-A1/A2, BSP-A3 und BSP-30kDa (allgemein als BSP bezeichnet), die zwei kur-ze hintereinander angeordnete Fn2 Typ Domänen aufweisen. Dabei unterscheiden sich BSP-A1 und BSP-A2 nur im Grad der Glykosylierung. Sie weisen die gleiche Aminosäurese-quenz auf und werden auch unter dem Begriff PDC-109 (Protein with N-terminus aspartic acid, D, and carboxy terminus Cystein, having 109 amino acids) zusammengefasst (ESCH et al. 1983). BSP-A1 enthält ein Trisaccharid, BSP-A2 dagegen ein Disaccharid. Die Kohlen-hydrate werden mittels Hydroxylgruppe des Threonins gebunden (CALVETE et al. 1994, MANJUNATH u. THÉRIEN 2002). Die Molekularmassen von BSP-A1, -A2 und -A3 liegen

zwischen 15,5 und 16,5 kDa, diejenige von BSP-30 zwischen 28 und 30 kDa. Es handelt sich um saure Proteine mit einem isoelektrischen Punkt (pI) von 3,6-5,2 (DESNOYERS et al.

1994, MANJUNATH u. THÉRIEN 2002)

Der Gehalt an BSP im Seminalplasma des Rindes beträgt 30-50 mg/ml. Dies entspricht ca. 65% des Gesamtproteingehalts. Davon beträgt der Anteil des BSP-A1/A2 80%, die restli-che Menge bilden BSP-A3- und BSP-30 kDa (BERGERON u. MANJUNATH 2006). Die BSP werden in der Samenblasendrüse gebildet und binden während der Ejakulation über Fn2 Module an die Phospholipide der Spermienmembran.

Die Bindungsfähigkeit der bovinen Seminalplasmaproteine A1/A2 an Phospholipidvesikel und die Spermienmembran wurde in mehreren Studien nachgewiesen (DESNOYERS u.

MANJUNATH 1992, MÜLLER et al. 1998, GREUBE et al. 2001). Es wurde gezeigt, dass ein Proteinmolekül BSP-A1/A2 innerhalb von weniger als einer Sekunde ca. 10 Lipidmolekü-le binden kann (MÜLLER et al. 1998). Das gebundene BSP-A1/A2 erfährt eine Konformati-onsänderung und ist anschließend in der Lage, sich in den apolaren/ hydrophoben Teil der Lipiddoppelmembran einzufügen. Es kommt zur Immobilisierung der Membran und in der Folge zur Extraktion von Lipid-Proteinkomplexen, wobei die Fn2 Domänen für die selektive Bindung notwendig sind (MOREAU et al. 1998). Es werden vorwiegend Phosphatidylcholin (PC) und Cholesterin entfernt. Hohe Konzentrationen von BSP-A1/A2 können durch die Ex-traktion der Lipid-Proteinkomplexe zu einer wesentlichen Veränderung der Lipidzusammen-setzung der Membran führen.

Ein Modell für den Mechanismus der Lipid-Protein-Interaktion lieferten die röntgenkristal-lografischen Untersuchungen von WAH et al. (2002). Der BSP-A1/A2/PC-Komplex liegt als Dimer vor und die Bindung erfolgt über Phospholipid-Bindungstaschen der kurzen BSP-A1/A2. Jede Fn2 Domäne besteht aus zwei doppelsträngigen β-Faltblattabschnitten, die eine senkrechte Orientierung aufweisen und durch zwei Disulfidbrücken verbunden sind. Die Bin-dung von Phospholipiden wird über eine Kation-π-Interaktion zwischen der Aminogruppe des Cholins und Tryptophan sowie über Wasserstoffbrücken vermittelt (WAH et al. 2002).

Ähnliche Fn2 Proteine wurden bei weiteren Tierarten im Seminalplasma gefunden. Ihre Kon-zentration ist allerdings speziesabhängig. Im Seminalplasma des Hengstes wurden SP-1 und SP-2 identifiziert, die zwei Fn2 Domänen besitzen und in der Samenleiterampulle produziert

werden (EKHLASI-HUNDRIESER et al. 2005). Ein weiteres Protein (pB1) wurde im Semi-nalplasma des Schweins gefunden, aber in deutlich geringerer Menge als bei anderen Spezies (CALVETE et al. 1997). Weitere homologe Proteine mit zwei Fn2 Modulen wurden bei Zie-ge, Bison und Schafbock entdeckt (VILLEMURE et al. 2003, BOISVERT et al. 2004, BERGERON et al. 2005)

Die Vertreter der langen Proteine mit vier Fn2 Modulen sind sowohl beim Rind als auch bei Schwein und Pferd beschrieben worden. Der Hauptsyntheseort der langen Proteine liegt im Nebenhoden. Deshalb werden sie als ELSPBP1 (Epididymal sperm-binding protein 1) be-zeichnet. Ein Vergleich der Aminosäuresequenzen der ersten zwei Fn2 Module der langen und kurzen Proteine ergab das Vorliegen konservierter Aminosäuren, die in die Phospholipid-bindung einbezogen sind. Daraus lässt sich ableiten, dass die kurzen sowie die langen Protein-familien über einen vergleichbaren Mechanismus an die Spermienmembran binden können (EKHLASI-HUNDRIESER et al. 2005, 2007).

Das bovine ELSPBP1 beeinflusst die Volumenregulation der Spermien während der Neben-hodenreifung. Nach einer hypotonen Belastung kommt es bei Nebenhodenschwanzspermien zu einer Volumenvergrößerung, die durch Aktivierung von Ionenkanälen wieder abnimmt.

Dagegen sind Spermien aus dem Nebenhodenkopf nicht in der Lage das Zellvolumen nach der Schwellung zu reduzieren. Da die langen und kurzen Fn2 Proteine ähnliche strukturelle Eigenschaften besitzen, wurde in der Studie von SAHIN et al. (2009) das in großer Menge verfügbare BSP-A1/A2 eingesetzt. Nach der Zugabe von BSP-A1/A2 konnten Nebenhoden-kopfspermien ihr Zellvolumen verringern (SAHIN et al. 2009).

2.2.1.2 Biologische Bedeutung von BSP-A1/A2 für die Befruchtung

Nach der Ejakulation assoziieren BSP mit der Spermienmembran, wobei vorwiegend Choles-terin und Phospholipide entfernt werden. Obwohl eine direkte Interaktion mit CholesCholes-terin nicht bewiesen wurde, scheint es, dass diese Proteine durch Mobilitätseinschränkung des Cholesterins in der Umgebung des PCs eine vorzeitige Kapazitation der Spermien verhindern können (MÜLLER et al. 2002). Die Fähigkeit der BSP, den Lipid-Efflux zu stimulieren, hängt entscheidend von der Proteinkonzentration und der Dauer der Inkubation ab

(MANJUNATH u. THÉRIEN 2002). Das BSP-A1/A2 übt mehrere biologische Funktionen im Hinblick auf den Befruchtungsvorgang, der durch eine hohe Komplexität gekennzeichnet ist, aus.

Die Ergebnisse immunzytochemischer Untersuchungen zeigten, dass das BSP-A1/A2 eine topographische Verteilung im Bereich des Äquatorialsegmentes, des Mittelstücks und des Akrosoms aufweist (SOUZA et al. 2008). Die Analyse der Fluoreszenzintensität ergab eine deutlich intensivere Immunreaktion des anti-BSP A1/A2 am Mittelstück verglichen mit ande-ren Spermatozoenbereichen (SOUZA et al. 2008). Diese Lokalization in der Nähe der Mito-chondrien lässt vermuten, dass BSP-A1/A2 die Spermienmotilität beeinflussen kann (MOURA et al. 2007b). Obwohl bis jetzt keine spezifischen Proteinrezeptoren am Mittelstück gefunden worden sind, haben SÁNCHEZ-LUENGO et al. (2004) bewiesen, dass BSP-A1/A2 die Motilität mit Hilfe der membrangebundenen Ca2+-ATPase konzentrationsabhängig stimu-liert. Die Ca2+-ATPase ist an der Regulation der intrazellulären Kalziumkonzentration betei-ligt. Eine spezifische Antagonisierung des Enzyms führte zur Verminderung der Spermien-motilität (BREITBART et al. 1985).

Für den Erwerb der Befruchtungskompetenz durchlaufen die Spermatozoen physiologische und biochemische Modifikationen der Membran, die man als Kapazitation bezeichnet. Es handelt sich um einen Prozess, der mit einem Cholesterinverlust, einem Anstieg des intrazel-lulären Kalziumspiegels und einer Phosphorylierung von Spermienproteinen einhergeht. Das bovine Seminalplasmaprotein A1/A2 zeichnet sich durch seine spezifische Bindung an Fakto-ren, die am Kapazitationsprozess beteiligt sind, aus. Zu diesen gehören Heparin, heparinähn-liche Glykosaminoglykane (GAG) und High-Density-Lipoproteine (HDL), die in der Follikel- und Oviduktflüssigkeit vorkommen (THÉRIEN et al. 2005). Die feste Bindung der Proteine an die Spermien wird über die Membranphospholipide vermittelt, wobei eine Fn2-Domäne involviert ist. Die andere Fn2-Domäne interagiert mit HDL und Heparinmolekülen und ist an der Lipidextraktion beteiligt, die mit einem Cholesterinefflux aus der Membran einhergeht (FAN et al. 2006). Da der Cholesterinverlust mit dem Kapazitationsvorgang verbunden ist, spielen somit HDL und Heparin eine Rolle bei der Aktivierung der Spermatozoen während der Kapazitation im weiblichen Genitaltrakt (THÉRIEN et al. 2001, MANJUNATH u.

THÉRIEN 2002). Obwohl diese Veränderungen essentiell für den Befruchtungsvorgang sind,

führen sie zur Destabilisation der Plasmamembran und verkürzen die Lebensdauer der Sper-matozoen (TÖPFER-PETERSEN et al. 2002).

Durch die Wechselwirkung zwischen Spermatozoen und Eileiterepithel wird die Lebensspan-ne der männlichen Gameten verlängert und die Kapazitation bis zum Zeitpunkt der Ovulation verzögert. Somit wird das Treffen der beiden Gameten zum richtigen Zeitraum gewährleistet (TÖPFER-PETERSEN et al. 2002). Für das Überleben der Spermatozoen ist der Kontakt zum Oviduktepithel erforderlich, der durch Kohlenhydratstrukturen als Bindungspartner vermittelt wird. Als Rezeptor für die fukosehaltigen Glykane des Oviduktes wurde das BSP-A1/A2 auf nicht kapazitierten Spermien identifiziert und damit die Beteiligung des Proteins an der Bil-dung des Spermienreservoirs belegt (GWATHMEY et al. 2003). Die VollenBil-dung der Kapazi-tation führt zum Verlust dieses Proteins und damit zum Ablösen vom Oviduktepithel. Es kommt zur sogenannten Hyperaktivierung der Spermatozoen, die sich in Richtung der ovu-lierten Eizelle bewegen und anschließend an die Zona pellucida binden und die Akrosomreak-tion durchlaufen (TÖPFER-PETERSEN et al. 2002, SOUZA et al. 2008).

Ein direkter Zusammenhang zwischen spezifischen Seminalplasmaproteinen und der Fertilität wurde in mehreren Studien festgestellt (KILLIAN et al. 1993, MOURA et al. 2007a).

KILLIAN et al. (1993) haben mittels zweidimensionaler Gelelektrophorese vier fertilitätsre-levante Proteine aus dem Seminalplasma isoliert. Zwei dieser Proteine (26 kDa, pI 6,2 und 55 kDa, pI 4,5) waren bei Bullen mit hoher Fertilität zu finden, zwei andere (16 kDa, pI 4,1 und pI 6,7) hingegen waren mit niedrigerer Fertilität assoziiert. Die Autoren postulierten ei-nen positiven Einfluss von heparinbindenden Proteiei-nen auf die Fruchtbarkeit. In späteren Stu-dien wurden die Proteine mit positiver Korrelation zur Fertilität als Lipocalin-Typ Prostaglandin Synthetase (26 kDa, pI 6,2) und Osteopontin (55 kDa, pI 4,5) identifiziert (GERENA et al. 1998, MOURA et al. 2006). Bei dem von KILLIAN et al. (1993) beschrie-benen niedermolekularen Antifertilitätspeptid (16 kDa, pI 4,1 und pI 6,7) mit negativer Korre-lation handelte sich um das Spermadhäsin Z 13 und seine Isoformen (MOURA et al. 2006). In einer Studie, bei der die Fähigkeit der in vitro Penetration von zonafreien Oozyten untersucht wurde, zeigten epididymale Spermien eine höhere Penetrationsrate, wenn sie zuvor mit akzes-sorischem Sekret von hochfertilen Bullen behandelt wurden. Eine verstärkte Expression von BSP-A1/A2, BSP-A3, BSP-30kDa, Clusterin, Albumin, Osteopontin und Phospholipase A2

im akzessorischen Sekret induzierte die Kapazitation und erleichterte die Spermienpenetration (MOURA et al. 2007a).