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Bedeutung des GIFTNOTRUFs im Gefahrenfall

Die Dokumentation der vorliegenden, vor allem schweren und mittelschweren Vergiftungen oder Verdachtsfälle zeigt, dass das Giftnotrufzentrum in Erfurt eine wichtige Bedeutung im akuten Gefah-renfall hat. Bei den Anfragen in Bezug auf die Noxe handelt es sich oft um sehr spezielle Fragestellun-gen. In der telefonischen Beratungen benötigen die Anrufer, zumeist die erstbehandelnden Ärzte, eine Antwort auf die Fragen: Liegt eine Vergiftung vor? Welche Therapie ist erforderlich?

Dazu ist eine Analyse folgender Detailfragen erforderlich:

• Um welche Noxe handelt es sich? Welcher Stoff oder Bestandteil wirkt toxisch (Produktidenti-fizierung und Zusammensetzung)?

• Welche Dosis wurde wie und wann aufgenommen?

• Wie zuverlässig sind die Angaben?

• Ist theoretisch ein Zusammenhang zwischen Noxe und Symptomen möglich?

• Welche Therapieempfehlung und Erfahrungen in gleichartigen Fällen gibt es?

• Wie riskant ist eine mögliche Therapie?

• Mit welchem Verlauf (Komplikationen) ist zu rechnen?

Werden diese Fragen in sehr kurzer Zeit, möglichst umfassend beantwortet, kann (falls erforderlich) eine optimale Therapie eingeleitet werden, wovon der Geschädigte profitiert. Dabei ist die Aussage, dass eine Vergiftung unwahrscheinlich ist (z. B. wegen des fehlenden Zusammenhangs zwischen Exposition und Symptomen) genauso wichtig wie die Bestätigung, dass eine schwere Vergiftung vorliegt.

Um aus den Erfahrungen des Vergiftungsgeschehens diese Informationen zu jeder Zeit schnell, um-fassend und aktuell liefern zu können, müssen alle Giftinformationszentren die erfassten Vergiftungs-fälle ständig analysieren. Denn gerade durch die UnVergiftungs-fälle, also eine (unbeabsichtigte) Exposition gegenüber einer Noxe oder einem Noxengemisch werden wertvolle Erkenntnisse zu deren Wirkung

gewonnen. Diese sind (bzgl. Expositionsart, Aufnahmeweg, Dosis, Metabolismus, Wirkung und Aus-scheidung) oft aussagekräftiger als Ergebnisse, die aus Tierversuchen oder entsprechenden Alterna-tivmethoden stammen, da Menschen in einer realistischen Gefahrensituation den gefährlichen Stoff aufgenommen haben. Auch der Therapieverlauf muss beobachtet und bewertet werden. Dies erfor-dert eine gezielte zuverlässige Zusammenarbeit aller Beteiligten. Die Hilfe aus dem GGIZ ist offensich-tlich im Akutfall sehr wichtig und nützlich, allerdings wird nur in seltenen Einzelfällen über den Ausgang berichtet. Informationen zu Symptomen, Krankheitsverlauf und die Effektivität der Therapie könnten durch entsprechende Dokumentation und Datenaufbereitung (z. B. im GGIZ) den Wissens-schatz vergrößern. Dies würde dann die Beratungsmöglichkeiten erweitern bzw. durch die Praxiserfah-rung Aussagen absichern. Dazu beitragen kann ein besserer Informationsaustausch mit den behandelnden Ärzten.

Für weitere Analysen der Anfragen im GGIZ ist es wichtig auf eine möglichst konkrete, eindeutige Noxenangabe zu achten. Möglicherweise ist auch dies nur durch nochmalige Rücksprache im Nach-gang zur Beratung im Gefahrenfall erreichbar. Oft ist die Bestimmung der Noxe als Produkt- bzw.

Chemikalienangabe (möglichst noch mit Konzentration) die wichtigste Beratungsaufgabe. Ein wichti-ges Hilfsmittel ist dabei die Giftinformationsdatenbank (Produktdatenbank), die den Giftinformations-zentren vom BfR zur Verfügung gestellt wird.

Die Bedeutung des Giftnotrufs zeigt sich nicht nur in der Vielzahl der durchgeführten Beratungen im Gefahrenfall. Besonders wichtig ist auch die Fähigkeit, in sehr spezifischen Fällen (z. B. mit seltenen Noxen) einen Vergiftungsfall analysieren zu können um daraus die richtigen Behandlungsmaßnahmen abzuleiten. Hier stellen die Giftinformationszentren eine wesentliche Unterstützung für die Ärzte im Noteinsatz dar.

7 Zusammenfassung

In der vorliegenden Arbeit wurden retrospektiv Anfragezahlen des Giftnotrufzentrums Erfurt und der zentralen Erfassungsstelle für Vergiftungen beim BfR vergleichend ausgewertet. Die dabei gefundenen ähnlichen Schwerpunkte beschreiben nicht umfassend oder allgemeingültig die Gefahrensituation am Arbeitsplatz beim Umgang mit Chemikalien oder chemischen Produkten. Sie zeigen jedoch Noxengruppen auf, die durch ihre Häufigkeit oder ihre hohe Toxizität das Vergiftungsgeschehen prägen. Dies sind z. B. Säuren, Halogene und halogenierte Kohlenwasserstoffe als Grundsubstanzen;

Insektizide in Form von Pyrethroiden und Phosphorsäureestern; saure und alkalische Reinigungsmittel, Schweißrauch und Baustoffe als Vertreter chemischer Produkte. Um künftig für einen Rückgang der Vergiftungen am Arbeitsplatz zu sorgen, ist eine ständige Datenanalyse mit anschließender Bewertung erforderlich. Diese sollte in Zusammenarbeit der Giftinformationszentren, der Zentralen Erfassungs-stelle für Vergiftungen des BfR und den Berufsgenossenschaften erfolgen.

8 Literatur

8 Literatur

[1] Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) vom 7. August 1996 (BGBl. I S. 1246), zuletzt geändert durch Artikel 227 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407).

[2] Chemikaliengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Juni 2002 (BGBl. I S.2090), zuletzt geändert durch Artikel 231 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. IS. 2407).

[3] Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen (Gefahrstoffverordnung - GefStoffV) vom 23. Dezem-ber 2004 (BGBl. I S 3758), zuletzt geändert durch Artikel 2 der Verordnung vom 12. OktoDezem-ber 2007 (BGBl. I S 2382).

[4] Richtlinie 98/8/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 über das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten, Biozid-Richtlinie.

[5] Das Technische Regelwerk zur Gefahrstoffverordnung Allgemeines - Aufbau - Übersicht - Beach-tung der Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS 001), Ausgabe 2006.

[6] bgvv-Pressestelle (Hrsg.): Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen, jährliche Ausgabe 1996-2001.

[7] 5BfR-Pressestelle (Hrsg.): Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen, jährliche Ausgabe 2002-2006.

[8] Meyer-HAAKE Medical Innovations: Sicherheitsdatenblatt EPIGLU®; Cyanoacrylat-Klebstoff vom 08.01.2004.

[9] hebro-chemie GmbH: Sicherheitsdatenblatt Antox 71 E®, vom 17.08.2004.

[10] Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften (Hrsg.): Berufsgenossenschaftliche Regeln für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit. BG-Regel Schweißrauche BGR 220, Januar 2006.

[11] Marquardt, Hans / Schäfer, Siegfried (Hrsg.): Lehrbuch der Toxikologie. 2., neu bearb. Auflage.

Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, 2004.

[12] Eisenbrand, G. / Metzler, M./ Hennecke, F.: Toxikologie für Naturwissenschaftler und Mediziner.

3., aktualisierte Auflage. Weinheim: WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, 2005.

[13] Hahn, Axel: Vergiftungen und Unfälle. Unterlagen für Studierende im Postgradualstudium Toxi-kologie Leipzig. Version 12/06.

[14] Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen: Daten für Auswertung der BfR-Meldungen zu Vergiftun-gen am Arbeitsplatz: ÄMV 1990-1999 Abschnitt 3.3; ÄMV 2000 Abschnitt 2.3; ÄMV 2001 Ab-schnitt 2.3.1; ÄMV 2002-2005 AbAb-schnitt 2.2; ÄMV 2006 AbAb-schnitt 3.2.

[15] Gemeinsames Giftinformationszentrum der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sach-sen-Anhalt und Thüringen in Erfurt: http://www.ggiz-erfurt.de/wirueberuns/ (03.11.2008).

[16] Bundesinstitut für Risikobewertung: http://www.bfr.bund.de/cd/240 (02.12.2008).

[17] Institut für Arbeitsschutz der Deutschen gesetzlichen Unfallversicherung: Gefahrstoffdatenbank.

http://www.dguv.de/bgia/de/gestis/index.html (25.01.2009).

[18] Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin:

http://www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Gefahrstoffe/Gefahrstoffe.html (15.11.2008).

[19] Landwirtschaftliche BG:

http://lbg.bc-verlag.de/lbg/fachinfo/info_ges/gefahrstoffe/4_7.htm?qu=gefahrstoffe (05.01.2009).

[20] Institut für Arbeitsschutz der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung:

http://www.dguv.de/bgia/de/fac/index.html (15.10.2008).

9 Anhang