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8 Stellenwert der Bildung für eine gesundheitsförderliche Lebensweise

8.3 Bedeutung der Bildung für das Gesundheitsverhalten

Sozialepidemiologische Studien belegen einen engen Zusammenhang zwischen der Bildung und dem Gesundheitsverhalten (Mielck 2000; Helmert 2003). Neben gesundheitsbezogenen Einstellungen, Wahrnehmungen und Überzeugungen dürften dabei auch das Gesundheitswis-sen und die Bereitschaft, in die eigene Gesundheit zu investieren, eine Rolle spielen. Die

Bedeutung der Bildung für das Gesundheitsverhalten wird zunächst im Hinblick auf das Rauchen, die sportliche Aktivität und Übergewicht, als einem auch vom Verhalten abhängi-gen physiologischen Risikofaktor, betrachtet, bevor im anschließenden Abschnitt auf die Nutzung von Gesundheitsinformationen und die Inanspruchnahme von Präventionsangeboten eingegangen wird.

Aktuelle Daten zum Rauchen werden durch den Epidemiologischen Suchtsurvey 2003 bereitgestellt. Demnach rauchen in Deutschland 36,1% der 18- bis 59-jährigen Männer und 29,9% der gleichaltrigen Frauen. Am stärksten ist das Rauchen bei Männern im jungen Erwachsenenalter verbreitet mit Prävalenzen über 40%. Im Altersgang ist bei Männern wie Frauen ein sukzessiver Rückgang des Rauchens zu beobachten.

Abbildung 8.6

Rauchprävalenzen bei Männern nach der Anzahl der täglich gerauchten Zigaretten, Schulbildung und Alter

Datenbasis: Epidemiologischer Suchtsurvey 2003 (eigene Auswertungen)

0 10 20 30 40 50 60 70

VS/HS MR Abitur VS/HS MR Abitur VS/HS MR Abitur VS/HS MR Abitur

Prozent

20+ Zig./Tag bis 20 Zig./Tag

18-29 Jahre 30-39 Jahre 40-49 Jahre 50-59 Jahre

Abbildung 8.6 gibt für Männer die Verbreitung des Rauchens nach Schulbildung und Alter wieder und macht zugleich den Anteil der starken Raucher kenntlich. In allen Altersgruppen zeigt sich ein ähnliches Verteilungsmuster mit höheren Raucheranteilen in der unteren und auch in der mittleren im Vergleich zur höchsten Bildungsgruppe. Männer mit Volks- oder Hauptschulbildung konsumieren zudem überproportional häufig 20 oder mehr Zigaretten am

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Tag – dies gilt insbesondere für die Altersspanne 18 bis 49 Jahre. Bei Kontrolle des Altersein-flusses ergibt sich bei Männern mit Volks- oder Hauptschulabschluss und mit mittlerer Reife eine etwa um etwa den Faktor 2 erhöhte Chance zur Gruppe der Raucher zu gehören (OR:

2,06; 95%-KI: 1,74-2,44 bzw. OR: 1,87; 95%-KI: 1,60-2,18).

Abbildung 8.7

Rauchprävalenzen bei Frauen nach Anzahl der täglich gerauchten Zigaretten, Schulbildung und Alter Datenbasis: Epidemiologischer Suchtsurvey 2003 (eigene Auswertungen)

0 10 20 30 40 50 60 70

VS/HS MR Abitur VS/HS MR Abitur VS/HS MR Abitur VS/HS MR Abitur

Prozent

20+ Zig./Tag bis 20 Zig./Tag

18-29 Jahre 30-39 Jahre 40-49 Jahre 50-59 Jahre

Bei Frauen findet der Bildungsgradient im Rauchverhalten einen ebenso deutlichen Ausdruck, auch im Hinblick auf den Anteil der starken Raucherinnen. Außerdem zeigen sich bei ihnen anders als bei Männern auch nach dem 50. Lebensjahr noch deutliche Unterschiede zu Ungunsten von Frauen mit Volks- oder Hauptschulabschluss (Abbildung 8.7). Die Chance, zu rauchen, ist bei Frauen der niedrigsten Bildungsgruppe nach Kontrolle des Altereffektes um den Faktor 2,4 (OR: 2,38; 95%-KI: 1,95-2,91) und bei Frauen der mittleren Bildungsgruppe um den Faktor 1,5 (OR: 1,48; 95%-KI: 1,25-1,74) erhöht.

Im Epidemiologischen Suchtsurvey 2003 wurde zudem der Fagerström-Test (FTND) eingesetzt, so dass Aussagen über die Nikotinabhängigkeit möglich sind (Fagerström 1978;

Kraus, Augustin 2005). Neben der Anzahl der täglich gerauchten Zigaretten umfasst der FTND eine Reihe weiterer Items, die sich indirekt auf die Vermeidung von Entzugserschei-nungen beziehen, z.B. die Zeitspanne bis zur ersten Zigarette am Tag oder die Bereitschaft,

Rauchverbote einzuhalten. Auf der Basis der Testergebnisse lässt sich ein Summenscore berechnen, der zwischen 0 und 10 Punkten betragen kann. Bei einem Score von 4 oder mehr Punkten ist von einer Nikotinabhängigkeit auszugehen (Augustin et al. 2005).

Tabelle 8.3

Anteil der nikotinabhängigen Männer und Frauen an allen Rauchern bzw. Raucherinnen nach Schulbildung und Alter (in %)

Datenbasis: Epidemiologischer Suchtsurvey 2003 (eigene Auswertungen)

Männer Frauen Volks-/

Haupt-schule

Mittlere

Reife Abitur

Volks-/

Haupt-schule

Mittlere

Reife Abitur

18-29 Jahre 38,2 37,4 20,7 35,6 26,9 15,9

30-39 Jahre 46,3 33,1 35,1 59,3 32,5 21,6

40-49 Jahre 54,7 34,1 31,9 56,4 25,0 25,4

50-59 Jahre 38,1 47,6 26,8 42,9 24,1 25,0

Gesamt 45,2 36,5 28,9 48,6 27,9 20,3

OR 1,97 1,42 Ref. 3,54 1,50 Ref.

95%-KI 1,47-2,62 1,08-1,87 -- 2,45-5,12 1,07-2,10 --

OR=odds ratios nach Adjustierung für Alter; 95%-KI=Konfidenzintervalle zu den odds ratio; Ref.=Referenzgruppe

Legt man diesen Cut-Off-Wert zugrunde, dann sind 40,0% der Raucher und 31,9% der Raucherinnen als nikotinabhängig einzustufen, wobei die Nikotinabhängigkeit bis ins mittlere Erwachsenenalter sukzessive zunimmt, was auf Gewöhnungseffekte zurückgeführt werden kann. Dass der Anteil der Nikotinabhängigen im höheren Alter wieder abnimmt, ist im Zusammenhang mit dem höheren Krankheits- und Sterberisiko von starken Rauchern und Raucherinnen zu sehen. Männer und Frauen mit niedrigem Bildungsniveau sind weitaus häufiger nikotinabhängig als diejenigen mit mittlerer oder höherer Bildung, was sich in fast allen Altersgruppen zeigt (Tabelle 8.3).

Neben dem Rauchen stellt die körperliche Aktivität ein wichtiges Handlungsfeld für Präventi-on und Gesundheitsförderung dar. Durch regelmäßige körperliche Aktivität lässt sich in jedem Alter ein Beitrag zur Krankheitsvermeidung und Aufrechterhaltung der Gesundheit erzielen (Mensink 2003). Dem Sport ist dabei ein hoher Stellenwert beizumessen, weil sich über Freizeit, Vereine, Schulen oder Betriebe zahlreiche Ansatzpunkte für bewegungsför-dernde Angebote eröffnen. Im telefonischen Gesundheitssurvey 2003 gaben insgesamt 37,4%

der Männer und 38,4% der Frauen an, in den letzten drei Monaten keinen Sport ausgeübt zu haben. 20,9% der Männer und 28,4% der Frauen haben sich bis zu zwei Stunden in der

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Woche sportlich betätigt und 41,7% der Männer sowie 33,2% der Frauen waren mehr als zwei Stunden in der Woche aktiv (Lampert et al. 2005a).

Abbildung 8.8

Anteil der sportlich aktiven Männer nach Schulbildung und Alter

Datenbasis: Telefonischer Gesundheitssurvey 2003 (eigene Auswertungen)

0 20 40 60 80 100

18-29 30-39 40-49 50-59 60-69 70+

Alter

Prozent

Volks-/Hauptschule Mittlere Reife Abitur

Die Sportbeteiligung variiert mit dem Bildungsniveau: Männer mit Volks- oder Hauptschul-abschluss sind zu 52,3% sportlich aktiv im Vergleich zu 61,9% der Männer mit mittlerer Reife und 71,4% der Männer mit Abitur. Bei Frauen betragen die entsprechenden Werte 50,7%, 63,5% und 71,2%. Abbildungen 8.8 und 8.9 verdeutlichen, dass der Bildungsgradient in allen Altersgruppen stark ausgeprägt ist, mit Ausnahme der ältesten Gruppe, in der die Sportbeteiligung bei Frauen und Männern mit mittlerem Bildungsniveau am höchsten ist.

Kontrolliert man den Alterseffekt, dann treiben Männer der höchsten Bildungsgruppe 2-mal (OR=2,01; 95%-KI=1,70-2,36) und Männer der mittleren Bildungsgruppe 1,6-mal (OR=1,57;

95%-KI=1,33-1,85) häufiger Sport als diejenigen aus der niedrigsten Bildungsgruppe. Bei Frauen stellen sich die Chancenverhältnisse ganz ähnlich dar (OR: 2,03; 95%-KI=1,71-2,42 bzw. OR: 1,37; 95%-KI=1,16-1,61).

Abbildung 8.9

Anteil der sportlich aktiven Frauen nach Schulbildung und Alter

Datenbasis: Telefonischer Gesundheitssurvey 2003 (eigene Auswertungen)

0 20 40 60 80 100

18-29 30-39 40-49 50-59 60-69 70+

Alter

Prozent

Volks-/Hauptschule Mittlere Reife Abitur

In den letzten Jahren wird aus Public Health-Sicht zunehmend auf die starke Verbreitung von Übergewicht und Adipositas hingewiesen. Ein zu hohes Körpergewicht begünstigt die Entwicklung von chronischen, die Lebensqualität mindernden Krankheiten und Gesundheits-störungen wie Hypertonie, koronare Herzkrankheit, Schlaganfall, Diabetes mellitus, Gallen-blasenerkrankungen, Gicht und bei Männern und Frauen unterschiedlich zu lokalisierende bösartige Neubildungen. Außerdem kann ein zu hohes Körpergewicht zu orthopädischen Komplikationen führen und insbesondere im höheren Lebensalter die Gehmobilität und damit eine selbstständige Lebensführung einschränken (RKI 2003b). Im telefonischen Gesundheits-survey 2003 wurden das Körpergewicht und die Körpergröße erfragt, so dass sich der Body-Mass-Index (BMI) bestimmen lässt. Zur Abgrenzung von Übergewicht und Adipositas wird gemäß der international gebräuchlichen Einteilung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von einem BMI > 25 bzw. von einem BMI > 30 ausgegangen.

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Tabelle 8.4

Prävalenzen von Übergewicht und Adipositas bei Männern nach Schulbildung und Alter (in %) Datenbasis: Telefonischer Gesundheitssurvey 2003 (eigene Auswertungen)

Schulbildung Alter BMI Volks-/

Haupt-schule Mittlere Reife Abitur 18-29 Jahre 25 - < 30 34,7 32,0 25,9

> 30 5,1 4,8 3,2

30-39 Jahre 25 - < 30 50,3 46,8 43,4

> 30 18,3 14,0 10,8

40-49 Jahre 25 - < 30 49,5 52,4 55,8

> 30 29,4 21,5 12,7

50-59 Jahre 25 - < 30 52,0 51,4 56,1

> 30 31,7 25,7 17,3

60-69 Jahre 25 - < 30 60,1 65,7 64,6

> 30 25,8 19,6 17,7

70+ Jahre 25 - < 30 53,1 58,1 66,9

> 30 25,8 24,3 15,3

Gesamt 25 - < 30 51,7 48,8 48,9

> 30 24,3 16,7 11,9

In der 18-jährigen und älteren Bevölkerung Deutschlands sind 49,2% der Männer und 34,4%

der Frauen übergewichtig, weitere 17,3% bzw. 19,7% sind adipös. Die höchsten Prävalenzen finden sich im höheren Alter, aber auch im jungen und mittleren Erwachsenenalter stellen sie ein Problem dar (vgl. Mensink et al. 2005). Männer mit Volks- oder Hauptschulabschluss sind zu drei Vierteln von Übergewicht und Adipositas betroffen. Bei Männern mit mittlerer Reife oder Abitur stellt sich die Situation etwas günstiger dar, was sich vor allem an einem geringe-ren Auftreten von Adipositas festmachen lässt (Tabelle 8.4). Bei Frauen sind die Unterschiede noch stärker ausgeprägt als bei Männern: In jedem Alter ist der Anteil der übergewichtigen und insbesondere der adipösen Frauen in der niedrigsten Bildungsgruppe erhöht. Insgesamt sind von den Frauen mit niedrigem Volks- oder Hauptschulbildung 31,4% adipös im Ver-gleich zu 17,3% der Frauen mit mittlerer Reife und 10,1% der Frauen mit Abitur (Tabelle 8.5).

Tabelle 8.5

Prävalenzen von Übergewicht und Adipositas bei Frauen nach Alter und Schulbildung (in %) Datenbasis: Telefonischer Gesundheitssurvey 2003 (eigene Auswertungen)

Schulbildung Alter BMI Volks-/

Haupt-schule Mittlere Reife Abitur 18-29 Jahre 25 - < 30 27,6 19,3 10,9

> 30 7,9 6,0 1,9

30-39 Jahre 25 - < 30 27,7 26,6 24,9

> 30 17,7 13,4 5,5

40-49 Jahre 25 - < 30 35,1 34,7 25,8

> 30 18,7 15,5 11,6

50-59 Jahre 25 - < 30 39,1 44,3 45,3

> 30 34,3 22,4 16,2

60-69 Jahre 25 - < 30 46,5 49,5 37,6

> 30 40,1 25,0 24,7

70+ Jahre 25 - < 30 46,4 39,7 49,6

> 30 36,8 31,1 18,9

Gesamt 25 - < 30 40,9 34,2 28,1

> 30 31,4 17,3 10,1

8.4 Bildungsunterschiede in der Inanspruchnahme von Informationsangeboten und