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BARNIM-UCKERMARK

Im Dokument ORTE LEBENDIGE (Seite 90-95)

Marius Hellwig

wurde, nachdem er zuvor über Stunden misshandelt und schließlich auf bestiali-sche Art ermordet worden war . Die Werk-statt von Bernd Köhler in Templin, in die der 55-Jährige 2008 von zwei Neona-zis getrieben und dort mit Tritten gegen den Kopf malträtiert wurde, bis er starb . Oder die Straße vor dem „Hüttengast-hof“ in Eberswalde, auf der Amadeu An-tonio 1990 zum dritten Todesopfer rech-ter Gewalt nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurde .

Die Liste der Todesopfer rechter Gewalt in der Region ist sogar noch länger . Zwi-schen 1990 und 2008 wurden in Potzlow, Templin, Eberswalde, Schwedt, Anger-münde und Hohenselchow neben Marinus Schöberl, Bernd Köhler und Amadeu Anto-nio auch Falko Lüdtke, Erich Fisk, Wolfgang Auch und Gerd Himmstädt von Neonazis umgebracht . Auch wenn diese Taten in den meisten Fällen spontane und die Aus-wahl der Opfer willkürlich erscheint, lassen sich doch eindeutig rechtsextreme Mo-tive erkennen: Neben dem offenen Ras-sismus, dem Amadeu Antonio zum Opfer fiel, spielten bei den anderen Ermordeten sozialdarwinistische und antisemitische Haltungen eine Rolle . So wurden auch als

„Asoziale“ angesehene – vermeintliche – Obdachlose und Alkoholabhängige oder Jugendliche aus anderen Subkulturen wie Hip-Hopper von den Neonazis als stören-de „Anstören-dere“ wahrgenommen, abgewertet und verfolgt . Die Taten weisen weitere Gemeinsamkeiten auf: Sie fanden in eher ländlichen Regionen statt, in denen sich spätestens seit den 1990er Jahren feste rechtsextreme Strukturen etabliert haben . Neben aktiven Neonazis, die sich in

Ka-auch Jugendliche, die kein geschlossen rechtsextremes Weltbild vertraten, zu Mit-Täter_innen und Zeug_innen der Gewalt-taten . Scheinbar entstand in manchen Fällen durch Langeweile, gemeinsamen Alkoholkonsum und eine tendenzielle Ge-waltaffinität eine Dynamik, in der selbst die grausamsten Misshandlungen der Rechtsextremen akzeptiert und unter-stützt wurden .

„Rechtsextremismus? Nicht bei uns!“

Im Vorfeld der Taten wurden rechtsextre-me Strukturen vor Ort offenbar weitestge-hend übersehen oder missachtet . Nach den Morden betonten Bürgermeister_in-nen und lokale Akteur_inBürgermeister_in-nen fast einhel-lig, dass es kein Problem mit Rechtsext-remismus im Dorf geben würde . Die paar

„Glatzen“ kenne man und habe sie im Griff.

An dieser Deutung hielten manche selbst nach den schockierenden Manifestati-onen rechtsextremer Gewalt noch fest und versuchten, die Morde als „Streit un-ter Jugendlichen“ oder „jugendtypische Verfehlungen“ zu entpolitisieren und ba-gatellisieren . Ähnlich verliefen die meis-ten gerichtlichen Verfahren, in denen wie beispielsweise im Fall Amadeu Antonio ein rassistischer Hintergrund konsequent ausgeblendet und verweise auf die Ein-stellungen der Täter_innen als „Zeitver-schwendung“ abgetan wurden . Statt die rechtsextremen Motive zu berücksichti-gen, wurden oftmals Alkoholkonsum oder die „politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse“ der Wendezeit als strafmil-dernde Umstände gewertet . So trugen auch die Ermittlungsbehörden dazu bei, rechtsextreme Gewalt zu verharmlosen .

page „Todesopfer rechter Gewalt in Bran-denburg“ sind weitere 15 politische Morde von Rechtsextremen dokumentiert, dazu drei Morde von Rechten, bei denen kein politisches Tatmotiv erfasst wurde und fünf Verdachtsfälle . Einen weiteren Ver-dachtsfall nennt das Moses Mendelssohn Zentrum in Potsdam, das 2015 in einer Studie Fälle, die von der Bundesregierung nicht als rechte Morde gezählt werden, aufgearbeitet hat . Als Reaktion auf die detaillierte Studie wurden neun Fälle von der Bundesregierung neubewertet und als rechte Morde anerkannt . Nach den of-fiziellen Zahlen der Bundesregierung hat sich damit bundesweit jeder vierte rechte Mord in Brandenburg ereignet . Die Ama-deu Antonio Stiftung geht insgesamt von deutlich mehr Todesopfern rechter Gewalt aus . „Die hohe Anzahl rechtsextremer Morde in Brandenburg ist erschreckend“, findet Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung . „Nach der Wende wurde versäumt, hier frühzeitig zu intervenieren und die rechtsextremen Strukturen als Gefahr wahrzunehmen .“

Der Kampf ums Erinnern

Durch die Verharmlosung der Taten wa-ren die Opfer lange Zeit unsichtbar und wurden nicht angemessen gewürdigt . So auch in Eberswalde . Erst als die Stadt in einem langen Lernprozess akzeptiert hat, dass etwas Schlimmes passiert ist, hat sich das Blatt gewandt . Seitdem bemüht sich Eberswalde um eine aktive Erinne-rungskultur . Neben einer Gedenktafel am Tatort an der Eberswalder Straße finden zudem jährliche Gedenkveranstaltun-gen in Eberswalde statt . Gemeinsam mit

an Amadeu Antonio erinnert werden soll . Die Amadeu Antonio Stiftung hat sich im Gedenken an den ermordeten Angolaner gegründet, um rechtsextreme Einstellun-gen zu bekämpfen und die demokratische Zivilgesellschaft zu stärken, um weitere rechtsextreme Morde zu verhindern . Auch in Templin wurde in Reaktion auf den Mord an Bernd Köhler eine Stelle als Demo-kratie- und Toleranzbeauftragte geschaf-fen (siehe S . 62/63) . Im Jugendclub gibt es seitdem intensive Auseinandersetzungen mit der Bekämpfung von Rassismus . Vor der Kirche in Potzlow erinnert ein Ge-denkstein an Marinus Schöberl. Dort fin-den auch die Veranstaltungen in seinem Gedenken statt . Zudem wurde der brutale Mord von mehreren Kulturschaffenden aufgegriffen und beispielsweise im mitt-lerweile auch verfilmten Theaterstück

„Der Kick“ von Andreas Veiel behandelt . Die Dokumentation „Zur falschen Zeit am falschen Ort“ von Tamara Milosevic, die drei Jahre nach dem Mord den schwer traumatisierten besten Freund von Ma-rinus portraitiert, zeigt zudem auf be-klemmende Art, dass die Strukturen, die zu dem Mord geführt haben, ungebro-chen fortzubestehen scheinen . Durch ihre Werke können die Künstler_innen so einen Beitrag leisten, dass die Toten nicht in Vergessenheit geraten .

Längst keine Selbstverständlichkeit, wie der Blick auf andere (Tat-)Orte in Barnim-Uckermark zeigt, an denen kein Hinweis auf die Ermordeten zu finden ist und sich keine Gedenkkultur etabliert hat . Auch die Debatte um die Forderung des

afri-Generationen zur Mahnung dient und zur Auseinandersetzung mit Rechtsextremis-mus anhält. Die Anschläge auf Geflüchte-te und die Morde des NSU haben gezeigt, dass der Hass und das Gewaltpotenzial der rechtsextremen Szene immer noch vorhanden ist“, so Timo Reinfrank .

Todesopfer rechter Gewalt

Die Übersicht der Todesopfer rech-ter Gewalt seit 1990 der Amadeu An-tonio Stiftung finden Sie unter www.

opferfonds-cura .de/zahlen-und-fakten/

todesopfer-rechter-gewalt . Die Opfer-perspektive hat die Todesopfer rechter Gewalt in Brandenburg hier detailliert dokumentiert: www .todesopfer-rechter-gewalt-in-brandenburg .de .

Der Autor ist Referent für völkische Ideologie im ländlichen Raum der Amadeu Antonio Stiftung .

Auf dem Artemishof in Flieth gackern die Hühner, auf der Weide stehen Schafe . Alte Bauerngartenpflanzen haben ihren Platz auf dem Hof gefunden und überhaupt wächst Gemüse in verschiedenen Ecken . Mittendrin: Ein alter Stall, zurechtgemacht als kleiner Veranstaltungsort . Daneben lädt eine Scheune dazu ein, im Heu zu übernachten – „wie vor 100 Jahren“ . Kultur und Natur bilden die Klammer für die Veranstaltungen, die der Artemishof e . V . auf dem Hof durchführt, orientiert an einer Gemeinwohl- und Postwachstums-Ökonomie . Einen wichtigen Part spielen dabei die mehrmals im Jahr stattfinden-den Ausstellungen, die mit einem eigenen Kunstpreis prämiert werden – die Gäs-te bilden dabei die Jury . Lesungen und Vorträge ergänzen das Programm . Mo-natlich lädt der Verein zum Jour fixe ein.

Dabei steht mal das geschriebene Wort im Vordergrund – Teilnehmende sind einge-laden, eigene Texte vorzustellen und zur Diskussion zu stellen –, mal wird getanzt

oder gesungen . Immer jedoch geht es um Austausch und Begegnung und ein tole-rantes Miteinander

Der Artemishof e . V . lädt Menschen ein, sich zu treffen und ins Gespräch zu kom-men . Egal, ob sie sich mehr für Kräuter-wanderungen oder für gesellschaftliche Entwicklungen interessieren, ob sie den Garten mitgestalten möchten oder einfach nur eine Auszeit suchen und das einfache Leben auf dem Hof zu schätzen wissen .

Artemishof e . V . Dr . Ursula Macht Suckower Str . 28 17268 Flieth-Stegelitz 0179-39 44 825

ursula.macht@artemishof-flieth.de

ARTEMISHOF e. V., FLIETH

Auf dem Weg in das Café im Salon, in Vor-freude auf kulinarische Genüsse, offen-bart sich schon von weitem der Blick auf das große Gutshaus, das einst im Besitz der Familie von Arnim war . In den Som-mermonaten laden Tische und Stühle vor dem Haus zum Einkehren ein . Wer es sich an kalten Tagen drinnen gemütlich macht, wird im ehemaligen Wohnzimmer von der wohligen Wärme eines Kachel-ofens begrüßt.

Im Gutshaus werden mit viel Liebe und Leidenschaft die vielleicht besten Torten und Kuchen der Uckermark gebacken, konsequent mit Dinkel-Vollkorn . Suppen und Flammkuchen ergänzen das Ange-bot. Auch Menschen mit Allergie finden ein breites Angebot zum Schlemmen . Familie Nowatzki, die das Café betreibt, legt großen Wert auf eine gute Ernährung, daher stammen die Lebensmittel über-wiegend aus der Region, sind weitestge-hend aus biologischem Anbau . Zur Weih-nachtszeiten wird im Salon im Gutshaus

Entenbraten aufgetischt . Familien können rund um das Jahr das Kaminzimmer für ihre Feiern mieten .

Wer nach einer Wanderung gemütlich einkehren möchte, ist im Salon im Guts-haus genau an der richtigen Stelle . Für Gruppen ab sechs Personen ist eine Re-servierung nötig . Nach Voranmeldung – oder wenn die Gästezahl überschaubar ist auch spontan – bietet Herr Nowatzki gerne eine Führung durch das Gutshaus an und vermittelt einiges über die wech-selvolle Geschichte des Hauses und de-rer von Arnims .

Ein Salon ist der Ort, wo man reden kann, wo man sich wohl fühlt und austauscht. Das ist auch die Idee unseres Cafés.

— Familie Nowatzki

Öffnungszeiten: April–Juni: Fr–So und feiertags 13–19 Uhr; Juli–September: Do–So und feiertags 13–19 Uhr;

Oktober–Dezember: Fr–So und feiertags 13–19 Uhr. Nach Vereinbarung auch an anderen Tagen und Zeiten.

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