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ÖKODORF BRODOWIN e. V

Im Dokument ORTE LEBENDIGE (Seite 37-40)

ÖKODORF BRODOWIN e. V.

Auf dem Gotteswerder, einer markanten Halbinsel im Brodowinsee, ist man dem Alltag schnell entrückt und spürt haut-nah, warum ein guter Umgang mit der Umwelt wichtig ist . Der hier ansässige Ökodorf-Verein gründete sich zu Beginn der 1990er Jahre, um die Landschaft und das Dorf lebendig zu halten .

Neben dem Umwelt- und Landschafts-schutz ging es von Anfang an auch da-rum, die Dorfkultur unter ökologischen und nachhaltigen Gesichtspunkten zu entwickeln .

Der Verein lädt zu Informations- und Bildungsveranstaltungen ein, wenn es darum geht neue Erkenntnisse aus der Wissenschaft vorzustellen und mit inter-essierten Brodowiner_innen zu diskutie-ren . Die Mitglieder begleiten Planungen und Vorhaben in der Gemeinde und füh-ren Naturschutzmaßnahmen durch. Sie selbst besitzen einige wertvolle Biotope, die gepflegt werden wollen. Die Sense

zu schwingen oder Müll zu sammeln sind nicht nur gut für die Natur, sondern auch für die Menschen, die in netter Gesell-schaft an der frischen Luft gemeinsam etwas schaffen.

Die Vereinsmitglieder bieten, offen für alle, Führungen und Wanderungen zu ver-schiedenen Themen an . Die Vogelwelt hat dabei ebenso einen festen Platz im Ver-anstaltungskalender wie die bekannten Bauerngärten im Ort .

Über die Gesellschaft reden, sie ana-lysieren und kritisieren, aber selbst nicht Teil einer lebendigen Gesell-schaft zu sein, passt für mich über-haupt nicht zusammen. Gesellschaft im Dorf ist etwas, was man nur durch das tägliche Miteinander gestalten kann.

— Susanne Winter

Ökodorf Brodowin e . V . c/o Susanne Winter Brodowiner Dorfstraße 60 16230 Chorin

033362-70 123

kontakt@oekodorfverein-brodowin .de www .oekodorfverein-brodowin .de

Rechtsextremismus ist im Osten und Westen der Republik verbreitet . Was ist das Spezifische in den neuen Bundesländern?

Im Unterschied zum Westen gab es in Ostdeutschland seit 1933 keine demo-kratische Tradition . Damit hatte der west-deutsche Widerstand der Zivilgesellschaft gegen rechtsextreme Tendenzen bessere Voraussetzungen, weil man an Protest-bewegungen und Demokratisierungsbe-strebungen anknüpfen konnte, zumin-dest seit den 1960er Jahren . Im Osten hat es Formen der demokratischen Selbstre-gierung auch nach 1949 kaum gegeben . Immerhin existierte hier die Bürgerbewe-gung, die ein wichtiger Markstein für die Entwicklung demokratischen Bewusst-seins war . Das Problem war allerdings, dass Rechtsextremismus von vielen in Ostdeutschland zunächst als Reaktion auf die Vereinigung gedeutet wurde . Es hat dann fast zehn Jahre gedauert, bis diese vorherrschende Deutung überwun-den war und deutlich wurde, dass die Ent-stehung des Rechtsextremismus gerade auch in den autoritären Traditionen Ost-deutschlands ihre Wurzel hat . Dennoch ist festzuhalten, dass der Protest gegen das DDR-Regime und nachher auch ge-gen rechtsextreme Entwicklunge-gen mit einem viel größeren Risiko und viel höhe-rem Ausmaß an Mut verbunden war als anderswo . Der Widerstand verdient daher den vollsten Respekt, weil die Bedingun-gen ungleich schwieriger waren als in Westdeutschland .

Wie stellt sich in ländlichen Gegenden das Verhältnis der Bevölkerung zum Staat dar?

Die Bevölkerung war zu DDR-Zeiten schon staatsabhängig, so dass es vie-len so vorkommt, als seien sie von einer Abhängigkeit in die nächste gewechselt . Heute erscheint vielen der Staat als so-zialpolitischer Disziplinarstaat, der eine starke Kontrolle ausübt . Gleichzeitig wird die DDR verklärt, indem man ihr nach-sagt, sie habe die sozial Schwächeren wie selbstverständlich mitgezogen . Tatsache ist: Zu DDR-Zeiten wurden diese Grup-pen nicht bedrängt, man hat ihnen ihre Einstellungen, ihre Weltsicht belassen . So war unter der Decke des Internationalis-mus ein gewisses Maß an NationalisInternationalis-mus selbstverständlich, den etwa auch die polnischen Nachbar_innen zu spüren be-kommen haben . Diese Einstellungen und Deutungsmuster haben sich von einer Generation zur anderen übertragen . Sie wirken bis heute nach – paradoxerweise auch in jenen, die die DDR gar nicht mehr aktiv erlebt haben .

Oft bricht sich gerade in ländlichen Regionen der Lokalismus Bahn:

Alles Böse kommt von außen . Was steckt dahinter?

Das ist eine weit verbreitete Einstel-lung, die in allen eher geschlossenen Gruppierungen auf der ganzen Welt zu beobachten ist . Im ländlichen Raum ist sie jedoch besonders ausgeprägt . In der ostdeutschen

Transformationsgeschich-te wurde der WesTransformationsgeschich-ten dafür verantwort-lich gemacht, von außen alles Schlech-te eingeschleppt zu haben . Obwohl die deutsche Vereinigung die Lebensqualität verbessert und Freiheit gebracht hat, hat sie infolge der De-Industrialisierung auch Verlierergruppen produziert . Be-troffen sind geringer Qualifizierte und ältere Jahrgänge, die eine lange Zeit der Beschäftigungslosigkeit und Scheinbe-schäftigung in Qualifizierungsmaßnah-men durchzustehen hatten . In diesen Gruppen entstand ein gehöriges Maß an Groll, eine Art gehemmte Wut – gerade in den kleineren Städten, die nicht in dem Maße von der Öffnung profitierten wie das in Leipzig oder Dresden der Fall war . Was ist im Umgang mit rechtsextremen Tendenzen notwendig?

Es müssen kontinuierlich demokratische Positionen bezogen werden . Der Staat ist gefragt, Recht und Gesetz umzusetzen, um keine rechtsfreien Räume entstehen zu lassen . Es bedarf der Festigkeit und Beharrlichkeit und der klaren Entschlos-senheit – etwa von Gerichten, Lehrerin-nen und Lehrern und Polizei, Rassismus und Demokratiefeindlichkeit entschlos-sen zu begegnen . Wo andere Gruppen angegriffen werden, muss man repres-siv tätig sein – ohne Wenn und Aber . Für die Zivilgesellschaft gilt: Der Widerstand gegen solche Tendenzen muss in der Öffentlichkeit sichtbar gemacht werden und darf sich aus dem lokalen Raum nicht verdrängen lassen . Oft werden jene,

die das Problem des Rechtsextremismus benennen, von den Verantwortlichen in den Kommunen zu „Nestbeschmutzern“

erklärt, das eigentliche Nazi-Problem wird verleugnet . Wenn es auf der lokalen Ebene keine Unterstützung gibt, müssen übergeordnete Stellen, die Kreise oder die Länder um Hilfe gebeten werden . Vor allem auch die demokratischen Parteien . Politische Funktionsträger sollen demo-kratischen Grundsätzen verpflichtet sein.

Entsprechend müssen wir die demokra-tischen Parteien in die Pflicht nehmen, um den Prinzipien unseres Rechtsstaa-tes Rechnung zu tragen .

Dieses Interview ist eine gekürzte Fassung aus „Region in Aktion. Wie im ländlichen Raum  demokratische  Kultur  geschaffen  werden kann“, herausgegeben von der Amadeu Antonio Stiftung, Berlin 2013.

Der Interviewpartner ist Professor für Gesellschaftsanalyse und Sozialen Wandel an der Universität Hamburg .

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