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B ERLIN -N IEDERSCHÖNHAUSEN , S CHLOSS S CHÖNHAUSEN

Bauforschung – Ergebnisse zur Bauentwicklung von Garten- und Festsaal

ELGINVON GAISBERG

TECHNISCHE UNIVERSITÄT BERLIN, FAKULTÄT VI, INSTITUTFÜR BAUGESCHICHTE, ARCHITEKTURTHEORIEUND DENKMALPFLEGE UNIV.-PROF. DR.-ING. DOROTHÉE SACK, FACHGEBIET HISTORISCHE BAUFORSCHUNG, MASTERSTUDIUM DENKMALPFLEGE, STRASSEDES 17. JUNI 152, SEKR. A 58, 10623 BERLIN, TEL. +493031479611, MAIL: msd@tu-berlin.de

ZUSAMMENARBEITMIT STIFTUNG PREUßISCHE SCHLÖSSERUND GÄRTEN

und die Decke zum 1. OG entfernt, so dass hier ein mehr als 13 m hoher Saal entstehen konnte.

Dieser neue Saal erstreckte sich nun über alle drei Geschosse des Gebäudes, war aber ausschließlich an die Räume im EG angebunden.

Den Abschluss bildete weiterhin die Voutendecke des ersten Saales.

Sichtbar wurde diese bauliche Veränderung auch an der Fassade: Analog zu den Rundbogenfenstern im OG erhielt nun auch das EG Rundbogenöffnungen, ausgeführt als Fenstertüren zum Park. Der jetzt nicht mehr vorhandene Balkon im OG wurde entfernt.

Als Rekonstruktionsgrundlagen des zweiten Bauzustandes dienen vor allem Archivalien wie ein Inventar von 1709 und eine bildliche Überlieferung, entstanden zwischen 1711 und 1717 (D. Petzold), die das Schloss von Osten zeigt.

Der 3. Saalzustand um 1730

Einige Zeit nach dem Tod Friedrichs I. wurde der repräsentative dreigeschossige Saal wieder in der Höhe reduziert - nun durch eine Zwischendecke in Höhe der Fußbodenebene des 2. OG. So nahm der Saal nur noch das EG und 1.OG ein und schloss mit einer geraden Decke ab.

Diese war offenbar eingezogen worden, um im verbleibenden Luftraum unterhalb der Voutendecke zwei zusätzliche Gemächer einrichten zu können. Grundlegend für die Rekonstruktion dieses Bauzustandes ist das Inventar von 1740.

Darin sind im 2. OG zwei zusätzliche Gemächer erwähnt, die nebeneinander liegen, jeweils mit einem Fenster, einem Kamin und einer Tür ausgestattet sind und deren gemeinsame Decke gewölbt und stuckiert ist. Letzteres dient als entscheidender Hinweis für die Verortung der beiden Gemächer im Saalbereich, denn innerhalb des Inventares bleibt dies die einzige Stuckdecke, die überhaupt erwähnt wird. Bestätigt wird dieser dritte Saalzustand schließlich durch den Baubefund, denn im Mauerwerk der Wand zwischen Flur und Saal traten im 2. OG zwei zugesetzte Türöffnungen zutage. Nach ihrer Lage handelt es sich bei diesen zweifellos um die im Inventar beschrieben Türöffnungen zu den zwei Gemächern.

Entstanden ist dieser Einbau vermutlich um 1730, in einer Phase, in der das Schloss von mehreren Mitgliedern des Hofes gleichzeitig genutzt wurde und zusätzlicher Wohnraum geschaffen werden musste.

Der 4. Saalzustand nach 1763/64

Der letzte Umbau im Saalbereich fand mit der umfassenden Erweiterung des Schlosses 1763/64 zur Zeit Königin Elisabeth Christines statt, die das Schloss seit 1740 bewohnte. Indem nun die Zwi-schendecke des 2. OG wieder entfernt und statt-dessen eine neue über dem EG eingezogen wur-de, entstanden die noch heute bestehenden zwei Säle übereinander: der niedrigere eingeschossige Gartensaal im EG und der Festsaal, der sich wie schon der erste Saal des 17. Jh.s über das 1. und 2. OG erstreckt und wie dieser von der Voutende-cke der ersten Bauphase abgeschlossen wird.

Diese Neuaufteilung des Saalbereiches brachte allerdings eine grundlegende und nennenswerte Veränderung für das gesamte Schloss mit sich, die 2008 nach Freilegen der Deckenbalken sichtbar wurde: Bei Einbringen der neuen Zwischendecke Das Forschungsprojekt

Zwischen 2005 und 2008 erforschte das Fachgebiet Historische Bauforschung der TU Berlin unter Leitung von Dorothée Sack im Auftrag der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) die Baugeschichte von Schloss Schönhausen. Es galt, die verschiedenen Bauphasen und -zustände des Gebäudes herauszufinden, aus der vorhandenen Bausubstanz herauszuschälen und zu erklären. Die Arbeiten, die zunächst bauvorbereitend und seit 2006 baubegleitend im Rahmen der „Sanierung und Restaurierung zum Schlossmuseum“ durchgeführt wurden, fanden im ständigen Austausch mit den forschenden Kunsthistorikern der SPSG D.

Fuchs, A. Hagemann und den Restauratoren T. Tapp, J. Hochsieder statt - eine fruchtbare Zusammenarbeit, die sich in den Ergebnissen niedergeschlagen hat.1

Die Baugeschichte des Saalbereiches Die heutige Struktur der beiden übereinander liegenden Säle im EG (Gartensaal) und 1./2. OG (Festsaal) zeigt nur einen Ausschnitt der wechselhaften „Saalgeschichte“ des Schlosses. In der Entwicklung zur heute sichtbaren Saalstruktur lassen sich nun erstmals vier unterschiedliche Bauzustände zwischen 1684 und 1763/64 unterscheiden und rekonstruieren. Im Einzelfall erklären sie sogar andere Veränderungen im Schloss als unmittelbar abhängige Maßnahmen und nicht zuletzt spiegeln sie auch die unterschiedlichen Repräsentationswünsche der verschiedenen Nutzer wider.1

Der 1. Saalzustand nach 1685 bis um 1700 Mit dem Neubau des damaligen Herrenhauses (Kernbau) nach 1685, zunächst im Auftrag von Oberhofmarschall J. E. v. Grumbkow, seit 1691 von Kurfürst Friedrich III. fortgeführt, entstand die erste Saalform, die bis um 1700 bestehen blieb. Sie lässt sich anhand von Baubefunden, aber auch durch zeitgenössische Darstellungen um 1695 und um 1700 (Ch. Pitzler und J. B. Broebes) als hoher zweigeschossiger Saal rekonstruieren, der sich über das 1. und 2. OG erstreckte. Belichtet wurde dieser Saal durch drei große Rundbogenöffnungen, die äußeren als Fenster und die mittlere als Fenstertür zu einem davor liegenden Balkon konzipiert. Im EG war der darunter liegende Bereich in dieser ersten Bauphase weniger repräsentativ in einen mittleren Durchgang und zwei nördlich und südlich anschließende Kammern aufgeteilt. Nachweisen lässt sich zudem, dass die Decken im gesamten Erdgeschoss des Herrenhauses um ca. 40 cm niedriger lagen.

Von diesem ersten Bauzustand blieben die Umfassungswände mit dem Korbbogen des Mittelganges im EG und die Konstruktion der Voutendecke2 über dem Saal im OG erhalten.

Der 2. Saalzustand nach 1704 bis 1709 Zwischen 1704 und 1709, wenige Jahre nach der Krönung des Kurfürsten zum König Friedrich I. in Preußen, entstand mit dem Anbau dreiachsiger, eingeschossiger Pavillons an der Ost- und Westseite des Kernbaues der zweite Bauzustand:

Im EG wurde der Bereich unter dem Saal entkernt Bauentwicklung im Saalbereich von Schloss Schönhausen, TU Berlin 2009 (Aufmaß: ASD 2006), hellgrau: Bauentwicklung Schloss, dunkelgrau: Bauentwicklung Saalbereich.

im Saal wurde nicht die bestehende Geschosshöhe im EG übernommen, sondern die gesamten dort vorhandenen Deckenbalken, die nachweislich vor 1690 (d) eingebaut worden waren, um ca. 40 cm höher gelegt.Mit dieser aufwendigen Maßnahme gab man dem neuen Saal im EG eine erträgliche Raumhöhe und wertete gleichzeitig die bis dahin vergleichsweise niedrigen Räume im EG auf.3

Anmerkungen

1 Die Ergebnisse der Bauforschung sind veröffentlicht in:

Schönhausen, Rokoko und Kalter Krieg. Die bewegte Geschichte eines Schlosses und seines Gartens, hrsg. v. d. Generaldirektion d. Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, redakt. bearb. v.

Detlef Fuchs, Alfred Hagemann und Alexandra Schmöger, Berlin 2009; siehe dazu auch die Ausstellung im 2. OG des von Schloss Schönhausen sowie in: Jahrbuch MSD 2005-07, 26f.

und Jahrbuch MSD 2007-09, 40.

2 Nach den dendrochronologischen Untersuchungen, durchgeführt im März 2007 von Tilo Schöfbeck und Karl-Uwe Heußner, kann die Konstruktion der Voutendecke auf 1689 datiert werden.

3 Zur Saalbaugeschichte siehe ausführlicher in: E. v. Gaisberg, Die Entwicklung des Garten- und Festsaals, in: Schönhausen, Rokoko und Kalter Krieg, 2009 (s. Anm. 1), 102-107.

4. Bauzustand 1763/64 3. Bauzustand um 1730 2. Bauzustand 1704-09 1. Bauzustand 1685-89 Längsschnitt A-A

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B ERLIN -N IEDERSCHÖNHAUSEN , S CHLOSS S CHÖNHAUSEN

Austellungskonzeption

Alfred Hagemann, SPSG

STIFTUNG PREUßISCHE SCHLÖSSERUND GÄRTEN BERLIN-BRANDENBURG

POSTFACH 60 14 62, 14414 POTSDAM, TEL. ++49 - 33 - 96 94-0 (ZENTRALE), mail: a.hagemann@spsg.de Abb. 1. Vorkammer nach Rückführung des Inventars im Zustand um 1795 (SPSG, Foto: Schneider) .

Abb. 3 Das große Treppenhaus von 1764 in der Fassung von 1964 (SPSG, Foto: Schneider).

Die Erforschung der Geschichte von Schloss Schönhausen erfolgte in enger Verschränkung von Bauforschung, Quellenrecherche und Inven-tarrekonstruktion. Dabei wurde deutlich, wie sehr die für Berlin einzigartige Dichte von Baubefunden des 17. bis zum späten 20. Jahrhunderts und die kontrastreiche Nutzungsgeschichte zwischen kö-niglicher Sommerresidenz des 18. Jahrhunderts und Staatsgästehaus der DDR den Charakter des Bauwerkes bestimmen. Daher konnte es nicht Ziel der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG) sein, eine einzelne Bau- oder Nutzungs-phase in den Vordergrund zu stellen. Vielmehr musste die Ausstellungskonzeption darauf abzie-len, die Vielfalt des Hauses einerseits zu bewahren und dem Besucher zu erschließen und anderer-seits dennoch eine Ordnung zu etablieren, die klare Schwerpunkte setzt. Erfreulicherweise ka-men die Struktur des Hauses und die Ergebnisse der Forschung dieser Absicht entgegen, was am Beispiel von zwei Ausstellungsbereichen deutlich wird:

Ein umfassender Bestand von baufesten Aus-stattungselementen des 18. Jahrhunderts ist in der gartenseitigen Enfilade des Erdgeschosses erhalten. Bei der Recherche nach dem lange zer-streuten Inventar aus der Zeit der Königin ergab es sich glücklicherweise, dass der Grossteil der identifizierbaren Objekte aus den Räumen im Erdgeschoss stammt. Zudem konnte durch die Erforschung der Nutzungsgeschichte geklärt wer-den, dass es diese Räume waren, die von Elisa-beth Christine alltäglich genutzt wurden. Aus die-sen Tatsachen ergab es sich einleuchtend, diese Raumfolge Elisabeth Christine zu widmen. Hier konnten viele Kunstwerke an ihren authentischen Ort zurückkehren und im Fall der Vorkammer sogar ein Raum annährend in den Zustand von 1795 zurückversetzt werden, da hier neben Mö-beln und Supraporten sogar die Papiertapete wieder aufgefunden wurde (Abb. 1).

Diese Konzentration auf das 18. Jahrhundert hatte allerdings zur Folge, dass – mit Ausnahme der Fußböden – die Oberflächen aus der Zeit der DDR-Nutzung des Schlosses in diesen Räumen aufgegeben und die Ausstattung – Möbel, Tape-ten und Beleuchtungskörper – deponiert wurden.

Die Situation im Obergeschoss stellte sich ähnlich

günstig für die Planung des Museumsrundganges dar. Vom Festsaal abgesehen, waren die Räume des Obergeschosses im 18. Jahrhundert Gäste-zimmer, aus denen sich fast keine Ausstattung er-halten hat. Dahingegen ist die Möblierung dieser Räume aus den Einrichtungsphasen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als die DDR-Regie-rung diesen Bereich für die zentralen Funktionen des Schlosses nutzte, in großer Vollständigkeit überkommen. Das ermöglichte eine authentische Wiedereinrichtung wichtiger Räume, die die jewei-ligen politischen und kunstpolitischen Gegeben-heiten in einzigartiger Weise auf engstem Raum vor Augen führen (Abb. 2 ). Allerdings bedeutet dies, dass die erhaltenen Elemente der Ausstat-tung des 18. Jahrhunderts wie Spiegel, Kamine und Stuckdecken in der Fassung beibehalten wur-den, die dem Zeitgeschmack des 20. Jahrhun-derts entspricht.

Trotz dieser verschiedenen Fokussierungen in den Ausstellungsbereichen blieben in allen Tei-len des Schlosses die verschiedenen Phasen der

Schlossgeschichte präsent und wurden sowohl durch historische Fotos oder Erklärungen zur Baugeschichte in die Didaktik integriert. Ein be-sonders symptomatischer Raum stellt in diesem Zusammenhang das Haupttreppenhaus dar. In seinen Dimensionen und dem charakteristischen Schwung der Treppenkonstruktion entspricht der Raum im Kern dem Entwurf von 1764. Die höl-zerne Konstruktion wurde dann in den 1930er Jahren durch den Einbau von Unterzügen und den Windfang verändert. Die heutige Gestaltung der Oberflächen hingegen mit rotem Teppich, großen weißen Wandflächen und unterschiedlichen Be-leuchtungskörpern entstand 1964 beim Umbau zum Staatsgästehaus der DDR. So umfängt den Besucher schon beim Eintreten die ganze Vielfäl-tigkeit von Schönhausen (Abb. 3).

Abb. 2. Aufgrund dieses Fotos des Amtszimmers von Wilhelm Pieck (um 1955) konnte der Raum authentisch wieder eingerichtet werden (Bundesarchiv, SAPMO-Barch,Y 10-948_00).

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Masterstudium Denkmalpflege

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50 JAHRBUCH MSD 2009-11

Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum (BLDAM)

Seit über ein Dezennium währt nun schon die enge und für beide Seiten ergiebige Zusammenarbeit zwischen dem Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologischen Landesmuseum des Landes Brandenburg und dem Masterstudiengang Denkmalpflege des Fachgebiets Historische Bauforschung der Technischen Universität Berlin. Mit dem bezeichneten Studiengang reagiert der universitäre Bereich auf die unabdingbare Bauforschung vor Ort. Sie hat ihren Stellenwert als unverzichtbarer Bestandteil im Rahmen der Bauanalyse und beim praktischen Umgang mit dem Denkmalbestand mehrfach und überzeugend bewiesen – mehr noch, die erzielten Ergebnisse bereichern in zunehmendem Maße die Erkenntnisse aus den archivarischen Recherchen. So konkretisieren sie nicht nur die Genese des Bauwerks, sondern befördern auch wirksam die Inventarisierung als gewichtige Grundlage für den auszuweisenden Denkmalwert. Und für die Studierenden eröffnet sich die Möglichkeit einer praxisbezogenen Beschäftigung mit den Denkmalen.

Natürlich sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meines Hauses sehr an eine enge Zusammenarbeit mit den Lehrenden und Studierenden interessiert. Sie begleiten die Studierenden durch Vorlesungen, in Seminaren, bei den Beleg- und Abschlussarbeiten und ebenso durch vielfältige Erörterungen vor Ort, also in der untrüglichen Praxis. Dabei sind wir bemüht, nicht nur bauhistorisch interessante Gebäude auszuwählen.

Mit den beigestellten Aufgabenstellungen und durch die Bereitstellung von Unterlagen orientieren wir auf eine praxisnahe Bearbeitung. Gleichwohl stehen wir auch als Partner bei der Interpretation von Befunden am Objekt zur Verfügung.

Froh bin ich, dass wir unsere Zusammenarbeit mit den Denkmalpflege-Studiengängen an den brandenburgischen Universitäten und Hochschulen in Cottbus, Frankfurt (O) und Potsdam aber auch über die Landesgrenze nach Berlin seit langem erweitern konnten. Darin dokumentiert sich die zwingend gebotene Verbindung zwischen Lehre, Forschung und Praxis auch oder vielleicht gerade in der Denkmalpflege – nun doch schon ein bewährtes Kontinuum.

Die Studierenden setzen sich dabei immer wieder intensiv mit den Denkmalen im Land Brandenburg, also quasi vor der Haustür auseinander. Nicht selten widmen sie sich dabei auf Vorschlag meines Hauses oder der Unteren Denkmalschutzbehörden den „Sorgenkindern“, bei denen ein langer Leerstand und eine zunehmende Verschlechterung des Zustands zu beklagen sind. Wir verstehen uns auch als Vermittler zwischen den Studierenden und den Denkmal-Eigentümern und sind behilflich bei der Suche nach Partnern vor Ort, die das Vorhaben auf vielfältige Art unterstützen können.

Allein die Tatsache, dass sich die Studenten so lange am und im denkmalgeschützten Gebäude aufhalten, bewirkt ein verstärktes Interesse in der Öffentlichkeit. So haben wir durchaus auch den glücklichen Umstand zu verzeichnen, dass nach der öffentlichen Präsentation der studentischen Arbeiten über gefährdete Objekte die Eigentümer angeregt wurden oder sich neue Interessenten fanden, um das Gebäude denkmalgerecht zu sanieren oder zumindest vor dem weiteren Verfall zu bewahren.

Immer wieder beobachten wir, dass es für die Kommilitonen überaus motivierend ist, Unterlagen zu erarbeiten, die für die praktische Arbeit und die Rettung des Denkmals dringend benötigt werden.

Besonders im Aufbau- bzw. Masterstudiengang Denkmalpflege entstanden als Jahrgangsprojekte oder in den Masterarbeiten Bestandszeichnungen von beispielhafter Qualität. Die Erkenntnisse aus methodisch fundierten bauhistorischen Untersuchungen verschaffen so den Denkmalbehörden nicht nur den dringend gebotenen Wissensvorlauf, sondern gepaart mit den Ergebnissen aus den Schadensanalysen können und werden Nutzungskonzepte entwickelt, die für die Erhaltung des Denkmals eine Perspektive aufzeigen.

Ich hoffe sehr, dass sich die konstruktive Zusammenarbeit von Lehrenden, Studierenden an der TU Berlin und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern insbesondere aus den Dezernaten Praktische Denkmalpflege und Bestandsforschung des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege im Rahmen des Masterstudiums Denkmalpflege fortsetzen lässt und sich das Interesse an der Denkmallandschaft des Landes Brandenburg unter den Studierenden noch weiter verstärkt. Wir setzen uns darüber hinaus auch weiterhin dafür ein, die Betreuung aller Bewerberinnen und Bewerber für ein studienbegleitendes Praktikum, natürlich nicht nur aus der TU Berlin, bei uns zu garantieren. Ich danke allen Beteiligten für dieses so fruchtbringende Miteinander.

Prof. Dr. Detlef Karg Landeskonservator

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51 JAHRBUCH MSD 2009-11

Zossen, Berliner Straße 9, Lage des Oberlaubenstalls (Google-Earth, Aufnahmedatum: 25. August 2005).

Zossen, Oberlaubenstall Berliner Straße 9

Das Jahrgangsprojekt führte die Studierenden des Jahrgangs 2009-11 dieses Mal in die süd-lich von Berlin gelegene Stadt Zossen. Verbor-gen hinter der geschlossenen Vorderhausbebau-ung einer Hauptverkehrsstraße befindet sich hier ein so genannter Oberlaubenstall. Erst vor we-nigen Jahren wurde dieses Stallgebäude durch die Untere Denkmalschutzbehörde entdeckt und steht zusammen mit dem wahrscheinlich im Kern aus dem 18. Jahrhundert stammenden Vorder-haus seit 2002 auf der Denkmalliste des Landes Brandenburg.

Gebäudetyp Oberlaubenstall

Bei einem Oberlaubenstall handelt es sich um ein meist vollständig in Fachwerk errichtetes zweistöckiges Stallgebäude, dessen Oberge-schoss zusammen mit dem DachgeOberge-schoss auf einer Längsseite über das Erdgeschoss auskragt.

Der auskragende Bereich bildet einen den Obergeschossräumen vorgelagerten Gang, der gewöhnlich nur im Brüstungsbereich geschlos-sen ist. Sowohl im ländlichen als auch im klein-städtischen Zusammenhang ist das Gebäude in der Regel Bestandteil eines Mehrseithofs. Im Erdgeschoss war das Vieh untergebracht, das Obergeschoss diente zur Lagerung von

Futter-mitteln und anderen landwirtschaftlichen Pro-dukten. Fast immer befindet sich in der Mitte der Brüstung des Obergeschosses eine Öffnung, durch die die Stapelwaren leichter eingebracht werden konnten. Durch das auskragende Obgeschoss, die namengebende Oberlaube, er-gibt sich im Erdgeschoss ein vor direktem Regen geschützter (Arbeits-)Bereich, im Obergeschoss bedeutet der vorgelagerte Gang einen Zuge-winn von Nutzfläche und dient der Erschließung der dahinter liegenden Räume. Das Oberge-schoss wird durch eine – bei sehr großen Ge-bäuden mitunter auch zwei – außen liegende Treppen erschlossen. Dieser Stalltyp ist seit dem 17. Jahrhundert in der Mark Brandenburg nach-weisbar und erfuhr seine größte Verbreitung im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der in Fachwerk errichtete Oberlaubenstall zuneh-mend durch in Massivbauweise errichtete Stall-gebäude verdrängt. Im heutigen Bundesland Brandenburg finden sich die meisten bekannten Oberlaubenställe in den Landkreisen Teltow-Fläming und Elbe-Elster. Der Oberlaubenstall in Zossen gehört mit Ställen in Potsdam und Mi-chendorf zu den nördlichsten Vertretern inner-halb des Verbreitungsgebiets.

Berlinerstr. 9

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52 JAHRBUCH MSD 2009-11

Der Oberlaubenstall von Südwest, 2010.

Durch die seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhun-derts radikal veränderten Produktionsabläufe in der Landwirtschaft, den modernen Anforderungen an die Viehhaltung und dem Rückgang der häus-lichen Landwirtschaft, haben die meisten Ober-laubenställe ihre ursprüngliche Nutzung verloren.

Viele sind abgerissen oder vom Abriss bedroht, sei es, weil sie durch ein neues, besser nutzbares Ge-bäude ersetzt werden sollen oder weil ihre Bau-substanz durch die mangelnde Instandhaltung in einem äußerst schlechten Zustand ist. Oberlau-benställe stellen somit eine sehr bedrohte Denk-malgattung dar.

Der Oberlaubenstall in Zossen:

Jahrgangsobjekt für den MSD

Das Fachgebiet Historische Bauforschung wurde durch den in Zossen tätigen Archäologen Ulrich Wiegmann auf den kleinen Oberlaubenstall in der Berliner Straße 9 aufmerksam gemacht. Nach einer ersten Besichtigung zusammen mit dem Ei-gentümer des Grundstücks Herrn Thomas Kosicki war schnell klar, dass sowohl das Objekt selbst als auch die organisatorischen Bedingungen die viel-fältigen Anforderungen, die an ein Jahrgangspro-jekt des MSD gestellt werden, erfüllen konnten.

Zossen ist, wenn auch bereits jenseits des C-Be-reiches der S-Bahn gelegen, durch den Bahn-anschluss innerhalb einer Stunde von Berlin aus zu erreichen. Da der Oberlaubenstall selbst leer steht, bzw. nur als Abstellfläche von den Bewoh-nern der umliegenden Gebäudeteile genutzt wur-de, stellte es kein Problem dar, über zwei Semester verteilt insgesamt sechs Bauaufnahmewochen am Objekt direkt durchzuführen. Der Stall selbst ist of-fensichtlich das Resultat mehrerer Bauphasen, un-terschiedliche Baumaterialien und -konstruktionen waren angewendet worden, auch stellte der Bau-typ Oberlaubenstall ein lohnendes Forschungsfeld dar, da kaum aktuelle Fachliteratur zur Verfügung steht. Auch für die Aufgabenstellung des zweiten Semesters, die Material- und Schadenskartierung und die daraus zu entwickelnden Instandsetzungs-maßnahmen waren dringender Bedarf gegeben, befindet sich das Gebäude doch offensichtlich in einem sehr schlechten baulichen Zustand. Au-ßerdem hatte der Eigentümer an den die Seme-steraufgaben abschließenden Nutzungs- und Ent-wurfskonzepten ein großes Interesse, weiß er doch auch nicht so recht, wie er mit diesem etwas sprö-den Denkmal umgehen soll. Ebenso stießen wir mit unserem Vorhaben, den Oberlaubenstall in Zossen zum Jahrgangsobjekt des Masterstudien-ganges Denkmalpflege zu machen, bei Frau Hil-trud Preuß von der Unteren

Denkmalschutzbehör-de Teltow-Fläming und Denkmalschutzbehör-dem BranDenkmalschutzbehör-denburgischen Landesamt für Denkmalpflege, hier vertreten durch Frau Stefanie Wagner von der Abteilung Bauforschung, auf breite Zustimmung. Die hohe Relevanz, die dem Oberlaubenstall als bedrohte Denkmalgattung zugesprochen wird, führte auch dazu, dass ein Teil der entstehenden Kosten durch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz übernom-men werden konnte.

Über den Oberlaubenstall hinaus fand sich auch für das Seminar ‚Gartendenkmalpflege‘ von Ca-roline Rolka in Zossen ein lohnendes Betätigungs-feld. Unmittelbar westlich an den Garten des Grundstücks Berliner Straße 9 schließt sich der Stadtpark von Zossen an. Dieser Park wurde in den 1950er Jahren angelegt und umfasst auch das archäologisch sehr interessante Areal der ehemaligen Burg von Zossen und somit auch die ältesten Siedlungsbereiche der Stadt (vgl. hierzu die Beiträge von Marcus Cante/Christoph Kraus-kopf und Ulrich Wiegmann in diesem Heft). Die Studierenden erarbeiteten im Rahmen des Semi-nars eine Bestandsaufnahme des Bereichs, der in den 1950er Jahren neu angelegt worden war.

Es konnte festgestellt werden, dass viele Gestal-tungselemente aus dieser Zeit noch vorhanden sind und dass es sich um ein wichtiges Beispiel für die Gestaltung eines sozialistischen Volksparks handelt.

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