5.3 Weiterentwicklung der Bestandsbeobachtung
2.2.1 Bürotypen
2.2.1.1 Anforderungen aus Sicht von Betrieben und Beschäftigten
Arbeitsorganisation
Büroflächen sind Produktionsfaktoren für Bürobetriebe. Sie stellen den „räumlichen Rahmen“ für die unterschiedlichen Arbeitsverfahren bereit, die in diesen Betrieben zum Einsatz kommen. Aus der Arbeitsweise der Bürobetriebe folgen also bestimmte Anfor-derungen an ihren Produktionsfaktor Bürofläche, umgekehrt wirkt die Ausgestaltung von Büroflächen positiv oder negativ auf die Arbeitsverfahren von Bürobetrieben zu-rück.
Dementsprechend stehen bei der Konzipierung von Büroflächen zunächst eben diese Arbeitsverfahren im Mittelpunkt des Interesses. Ein Betrieb, in dem vornehmlich kon-zentrierte Einzelarbeit verrichtet wird, stellt andere Anforderungen an seine Büroflä-chen als stark kommunikationsorientierte Betriebe, in denen Gruppenarbeiten oder Kundenverkehr im Vordergrund stehen. Die Arbeitsverfahren variieren von Betrieb zu Betrieb und unterliegen einem stetigen Wandel. Dementsprechend verändern sich auch die Anforderungen von Bürobetrieben an ihre Büroflächen im Laufe der Zeit.
109 Vgl. Lange 1989, S. 34; siehe auch Abschnitt 2.1.2, S. 9 ff.
110 Im Gegensatz dazu sind für Gad Bürobetriebe „Betriebsstätten“, vgl. Gad 1968, S. 60, zit. nach Lan-ge 1989, S. 23
Im Folgenden sind beispielhaft die Ergebnisse einer Betriebsbefragung zusammenge-stellt, in der Anforderungen an Büroflächen aus Sicht der Unternehmen und der Be-schäftigten ermittelt wurden.
„Zielvorstellungen Unternehmen (Reihenfolge ohne Wertung)
Umsetzung der Unternehmensstrategie/Managementkonzeption und Organisationskonzeption
Zukunftsorientiertes Nutzungskonzept
Effektive Raumplanung, Raumprogramm, Funktion Optimale Flächen- und Raumnutzung, Raumqualität Multifunktional, reversibel
Raumflexibilität – Variabilität
Attraktives, motivierendes Büroumfeld, Nutzerakzeptanz Flexibel für organisatorische Entwicklungen
Flexibel für technologische Entwicklungen Flexibel für wirtschaftliche Entwicklungen Rationalisierungspotential
Facility Management – kostenbewußt, wirtschaftlich Umwelt- und energiebewußt
Innovative Organisation und Bürotechnologie Mitarbeitermotivation, Produktivität, Effizienz Kommunikation, Gruppeninteraktion
Identity-Culture, Identity-Design, Corporate-Identity-Communication
Image, Selbstdarstellung, Erscheinungsbild
Arbeitszufriedenheit, Wohlbefinden, Gesundheitsförderung, Ergo-nomie
Design, Ästhetik, Ambiente, Umfeld
Flexible und variable Büro- und Einrichtungskonzepte Flexible Arbeitsplätze
Zielvorstellungen der Mitarbeiter zum Büroumfeld (Reihenfolge ohne Wertung):
Mitbestimmung bei der Büroplanung und -gestaltung Ergonomische Büromöbel
Ausreichender Flächenbedarf als Arbeitsraum
Natürliche Belichtung und Belüftung, gutes Raumklima Tageslicht, optimale Belichtung bzw. Beleuchtung
Eigensteuerung von Licht, Klima, Heizung, Sonnenschutz Raum zur Konzentration und Kommunikation
Attraktives Büroumfeld, Abschirmungsmöglichkeit – visuell, akus-tisch
Privatsphäre, Wohnlichkeit, Rückzugsmöglichkeit Individuelle Spielräume, Improvisation
Soziales Umfeld, Interaktion, Kommunikation, Kooperation, Grup-penkontakt
Optimale Organisationskonzeption, Funktionalität Unternehmenskultur, Identifikationsfördernd Ästhetik, Design, Ambiente
Natürliche, giftfreie, haptisch angenehme Materialien
Räume zur Entspannung und Regeneration – Cafeteria etc., Um-feld
Technologie/Technik und Geräte auf dem neuesten Stand
Selbstverantwortliches Handeln und ein hohes Maß an Selbstor-ganisation
Maximum an Handlungs- und Entscheidungsspielraum Flexible Arbeitsplatzgestaltung“ 111
Diese Zusammenstellung macht deutlich, dass aus Sicht der Bürobetriebe die Flexibili-tät der Arbeitsumgebung bedeutend ist. Flexible Organisationsstrukturen entwickeln sich zunehmend zum Wettbewerbsfaktor, d. h. jene Unternehmen sind erfolgreich, die ihre Organisation möglichst schnell und ohne „Reibungsverluste“ an veränderte Rah-menbedingungen anpassen können. Dies setzt zum einen das Vorhalten einer techni-schen Infrastruktur voraus, die solche Veränderungen in der Arbeitsorganisation zeit- und kostenoptimal ermöglicht, zum anderen müssen auch die Raumsysteme ohne großen Aufwand veränderbar sein.112
Ein anderer wichtiger Aspekt ist die effiziente Nutzung der Flächen, d. h. die Arbeits-prozesse müssen möglichst optimal angeordnet werden können, ohne dabei ver-schwenderisch mit Raum umzugehen. Auch die technische Ausstattung und die Re-präsentativität der Büroflächen sind bedeutsam.
Aus Sicht der Beschäftigten steht die individuelle Gestaltbarkeit des eigenen Arbeits-platzes im Vordergrund. Die Regulierung von Heizung, Belüftung und Belichtung nach individuellen Vorstellungen zählt genauso dazu wie die Verfügbarkeit von Rückzugs-räumen oder die Möglichkeit der Abschirmung von anderen Mitarbeitern. Auch aus Sicht der Beschäftigten ist die technische Ausstattung und die Gestaltung des Büroum-feldes ein wesentlicher Aspekt.
111 Knirsch 1996, S. 48 ff.
112 Vgl. GIM 1999, S. 33
Attraktivität und Repräsentation
Anforderungen an Büroflächen erwachsen nicht nur aus direkt funktionalen Aspekten, sondern bei ihrer Planung und Realisierung stehen auch Fragen der Arbeitsplatzquali-tät und der Repräsentation im Vordergrund.
Mit der Entwicklung der Büroarbeit, insbesondere im Zuge der extensiven Nutzung von IuK-Technologien, hat sich auch das Bild vom Mitarbeiter verändert, der diese Arbeit verrichtet. „Es ist der mitdenkende, fachlich ausgebildete Sachbearbeiter oder Spezia-list, der direkten Zugriff auf Datenbanken und Informationssysteme benötigt und in Gruppen und Abteilungen arbeitend sein Aufgabengebiet selbständig abdeckt. In die-sem Sinne qualifizierte Mitarbeiter … beanspruchen für sich eine hohe Arbeitsplatzqua-lität und ein angenehmes Arbeitsklima.“113
Dementsprechend nimmt die Bedeutung des Modells hierarchischer Arbeitsorganisati-on ab. „An seine Stelle tritt der weitgehend selbständige Sachbearbeiter, der in Grup-pen (Matrixorganisation, Projektmanagement) mit anderen Mitarbeitern und mit der Außenwelt in Kontakt tritt.“114 Nun wird dieses Anforderungsprofil unterschiedlich stark ausgeprägt sein, die „Vorreiterrolle“ spielen hier üblicherweise die großen Dienstleis-tungszentren. Derartige Mitarbeiter sind jedoch überall ein knappes Gut. Büroflächen sind also für die Betriebe wichtige Faktoren im Wettbewerb um die besten Köpfe. Da-bei geht es nicht nur um Führungskräfte, sondern auch und gerade um gute Leute auf der Sachbearbeiterebene.115
Der beschriebene Mitarbeitertypus stellt an seine Arbeitsumgebung hohe Anforderun-gen. „Das Bürogebäude soll eine angenehme, eigene Welt bilden, einen Mikrokosmos, in dem sich die Mitarbeiter des Unternehmens als ‚Familie’ wohl fühlen (‚corporate i-dentity’).“116 Davon profitieren nicht nur die Beschäftigten, sondern auch die Unterneh-men, „die sich in ihren Verwaltungsgebäuden (‚Regierungssitzen’) szenisch darstellen und deren Architektur darauf ausgerichtet ist, den Besucher, Kunden oder Verhand-lungspartner zu beeindrucken.“117
Büroflächen haben also vielfältigen Ansprüchen zu genügen. Sie müssen möglichst optimale Arbeitsabläufe gewährleisten, den Mitarbeitern attraktive Arbeitsbedingungen eröffnen und dem Repräsentationsbedürfnis der Unternehmen dienen.