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Im Dokument Unternehmerin Kommune: (Seite 45-49)

Die andere Gesellschaft

Vor gut drei Jahren habe ich im Dezemberheft des Jahr-ganges 2012 das erste Buch von Heinz Buchkowsky rezensiert. Zu diesem Zeitpunkt war gerade die 7.

Auflage von „Neukölln ist überall“ erschienen.

Meine damalige Rezension hatte ich mit den folgenden Sätzen des Bezirksbürgermeisters

eingeleitet: „Ein beliebter Spruch aus dem Buch der Unverbindlichkeiten lautet: Über den Erfolg der Integration wird vor Ort in den Städten entschieden. Aber dann muss man die örtliche Ebene auch machen lassen. In Berlin kann kein Bezirksbürgermeister über Klassengrößen, Lehrerseinstellungen, Kitagruppengröße, Kita-Pflicht, Fachpersonal an Schulen, Einrichtung von Ganztagsschulen usw. entscheiden. Da müssen dann schon die Herrschaften des Landes- und Bundesebene ran. Wenn die sich Nachrichten / Bücher

„Wir setzen auf unsere Vertriebs-stärke und auf einheitliche Prozesse.

Mit unserer Geschäftsstrategie 2020 haben wir einen zukunftsweisenden Weg eingeschlagen. Wir können und wollen auch künftig die Kundenwünsche befriedigen“, so Ermrich.

Beispielhaft verwies Ermrich auf die Versorgung der Kunden in der Fläche.

„Nur noch 25 Prozent der Kunden erledigen ihre Bankgeschäfte alleine in der Sparkassenfiliale. 75 Prozent nutzen vermehrt die Internetfiliale und die Sparkassen-Apps.“ Dennoch blieben Filialen erhalten. „Unser Ziel ist es, Kundenwünsche zu jeder Zeit und an jedem Ort mit der gleichen Qualität zu erfüllen. Neben dem klassischen Filialbesuch bekommen individuelle Termine zu Hause, Bargeldagenturen oder Sparkassenbusse mehr Bedeutung. Modell-haft sei nach wie vor das Projekt Große Emma/

Regio-LAB.“

Die Kreditnachfrage boomt weiter. 2015 ver-gaben die Sparkassen neue Kredite in Höhe von 10,2 Milliarden Euro (+ 23,5 Prozent), davon 4,9 Milliarden für Unternehmen und Selbständige

(+ 21,2 Prozent) und 4,2 Milliarden Euro an

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Dr. Michael Ermrich

Privatpersonen (+ 25,3 Prozent). Wie in den Vor-jahren waren Wohnungsbaufinanzierungen gefragt.

Hier bewilligten die Sparkassen neue Kredite in Höhe von 4,8 Milliarden Euro (+ 29,2 Prozent).

Die Einlagen der Sparkassenkunden stiegen 2015 erneut und zwar um 3,5 Prozent auf 93 Milliarden Euro, das gesamte Geldvermögen bei den Sparkassen auf über 119,8 Milliarden

Euro. Damit verzeichneten die OSV-Sparkassen zum neunten Mal in Folge ein Einlagenwachstum. Besonders gefragt waren bei den Sparern 2015 Sichteinlagen mit einem Volumen von 45,9 Milliarden Euro (+10 Prozent).

Rückläufig war die Nachfrage nach Termingeldern (-30,8 Prozent) und Eigenemissionen (-25,6 Prozent).

Erneut erreichten die ostdeutschen Sparkassen mit 1,15 Prozent der durch-schnittlichen Bilanzsumme (1.263 Mrd.

Euro) ein hervorragendes Betriebsergeb-nis vor Bewertung und nahmen damit einen Spitzenplatz in der Sparkassen-organisation ein. Der Vorjahreswert lag bei 1,17 Prozent.

Die Cost-Income-Ratio lag 2015 bei 59,7 Prozent und war damit etwas besser als im Vorjahr. Der vergleichbare Wert der großen deutschen Privatbanken lag deutlich über 80 Prozent. Zugleich zahlten die Sparkassen 356 Millionen Steuern an den deutschen Staat, etwa 46 Millionen Euro mehr als 2014.

www.osv-online.de

dann hinter der Kommunalpolitik verstecken, wird es einfach nur peinlich.“

„Die andere Gesellschaft“ erschien 2014.

Geschrieben hat es Buschkowsky noch als Stadt-oberer des Berliner Problembezirkes. Und er formuliert einleitend: „Die Frage, ob unsere Integrationspolitik im letzten halben Jahr-hundert klug oder dumm war, ist diesmal nicht mein Thema. Mich bewegen stattdessen die Gedanken, wohin dieser Tanker, den wir Gesell-schaft nennen, steuert. Ich gebe zu, dass mir die Entwicklung Sorgen bereitet. Ich bin nicht schmerzbefreit. Das Bild, das ich male, ist nicht fröhlich“ (S. 14).

Natürlich liegt diesem traurigen Befund auch eine weitgehend erfolglose Integrationspolitik zugrunde. Diesen Aspekt kann Buschkowsky ja real gar nicht ausblenden. Denn er lebt weiter in Neukölln und wird jeden Tag mit den fatalen

„Ergebnissen“ konfrontiert. Weil er schon vor Jahren Klartext zu Parallelgesellschaften zu Papier gebracht hat, weil er uns über „No-Go-Areas“

berichtete, in die sich nicht einmal Polizisten, geschweige denn Mitarbeiter von Ordnungs- oder Jugendämtern trauen, wurde er als „Rechter“

diffamiert.

Seinen pessimistischen Befund „ein Buch später“ können wir nur wie folgt interpretieren:

Offenbar waren unter den vielen 100.000 Lesern von „Neukölln ist überall“ nicht jene, die mit falschen politischen Entscheidungen die Ver-antwortung für die gescheiterte Integration tragen. Deshalb konnte das Buch leider nicht bewirken, wozu es praktisch alle Argumente und Handlungsempfehlungen lieferte: zur Formulierung und unverzüglichen Umsetzung wirksamer Integrationskonzepte.

Buschkowsky hat seine ernüchternde Aus-sage über den Kurs unserer Gesellschaft zu einem Zeitpunkt getroffen, als die aktuelle Flücht-lingssituation für die meisten außerhalb jeder Vorstellungskraft war. Das mag man für Otto-Normalverbraucher akzeptieren. Aber doch nicht für die politischen Entscheider im Bund und in den Ländern. Hätten sie 2012 Buschkowsky gelesen, hätten sie wachen Auges verfolgt, wie sich Konflikte gerade im Nahen und Mittleren Osten immer mehr ausbreiten und die ökonomische Ungerechtigkeit immer skandalösere Formen annimmt, dann hätten sie 2012 vernünftige Konzepte für jene Migranten und Flüchtlinge entwickelt, die schon da sind. Die Erprobung und Feinjustierung dieser Ideen wäre heute Geschichte, und wir hätten einen tragfähigen Plan dafür, wie wir eine siebenstellige Zahl neuer Migranten und Flüchtlinge integrieren können.

Aber es ist nichts passiert, und das fällt uns heute auf die Füße. Denn die Großstadtkieze, wo die Nicht-Integrierten von gestern und vor-gestern konzentriert sind – und hier reden wir

von deutlich über einer Millionen Menschen – sind die Sehnsuchtsorte derjenigen, die 2015 kamen und 2016 weiter kommen. Das ist mehr als plausibel. Man geht dorthin, wo man sich heimisch fühlt, schon deshalb, weil man dort die eigene Sprache spricht………

Dies zum Nachdenken unter der Über-schrift, „wie gut ginge es jetzt, hätte die Politik auf Buschkowsky gehört“.

Ich kehre zurück zu seinem Buch „Die andere Gesellschaft“. Buschkowsy bekennt sich im Vor-wort zur diesmaligen Methode: „Nicht objektiv, nicht empirisch, nicht wissenschaftlich, vielleicht sogar noch nicht einmal sehr intelligent“ (S. 15).

Diese Attribute darf man nicht falsch verstehen.

Buschkowsky weist nur der guten Ordnung halber darauf hin, dass er das Material für sein neues Buch aus hunderten von Einzelgesprächen bezogen hat. Die hat er alle selbst geführt und

auf 1.500 Seiten Rohmanuskript dokumentiert.

Ich behaupte: auch wenn die Auswahl nicht nach allen strengen Methoden der Sozialwissen-schaften vorgenommen wurde, so ist der Garant für Repräsentativität und Objektivität der Autor selbst. Er hat von 1991 bis 2015 sein Neukölln erlebt. Tag für Tag, zumeist als Bezirksbürger-meister, immer aber als Kommunalpolitiker vor Ort. Er kann mit der allergrößten Sachkunde werten, was ihm gesagt wurde. Und ich bin sicher, er hat das aussortiert, was nicht exemplarisch, repräsentativ oder typisch ist.

Das, was ihm die Leute gesagt haben, macht den Hauptteil des Buches aus. Das ist interessant, aber hat jedenfalls mir nicht besonders viele neue Erkenntnisse gebracht.

Aber zwischen diesen referierenden Passagen

treffen wir Buschkowsky wie wir ihn kennen und lieben: „Die Linkspolitik in Berlin formulierte die politische Forderung, dass jeder Flüchtling, der das Land erreicht, ein sofortiges Bleiberecht und innerhalb von drei Tagen eine Wohnung erhält und natürlich auch gleich eine Erwerbstätigkeit aufnehmen kann. Da kann ich dann nur sagen: Ihr Mühseligen und Beladenen dieser Welt, schaut auf dieses Land, sucht euch einen Schlepper und der Weg ist gefunden.

Das wäre eine Art Konjunkturprogramm für die organisierte Kriminalität“ (S. 168).

Liebe Leser, diese Sätze wurden 2013/2014 zu Papier gebracht. Wieviel mehr treffen sie für die aktuelle Lage zu. Was hat der Mann für ana-lytische Fähigkeiten und fast seherische Gaben!

Respekt und nochmals Respekt. Auch dies hätte man präventiv zur Kenntnis nehmen können.

Dann hätte Politik eine Willkommenskultur im Einklang mit den Realitäten formulieren und kommunizieren können. Und zwar ohne Verzicht auf Empathie und mit allem Respekt vor dem schlimmen Schicksal Verfolgter und Vertriebener.

Wenn Sie bis hierher gelesen haben, dann kennen Sie schon mein Urteil zum neuen Buschkowsky: Die Erkenntnisse aus seinen Gesprächen sind wichtig, sind wertvoll. Wenn er diese referiert, darf er nicht pointieren. An diese Regel hält sich der Autor. Aber ergänzend dazu hat er noch etliche Seiten mit jener auch rhetorischen Leidenschaft zu Papier gebracht, die man braucht um die Ignoranten aus ihrem Phlegma zu wecken, indem man ihnen Feuer unterm Arsch macht. Der Versuch ist es weiter wert. Skepsis aber ebenso angesagt.

Alles in allem ist das ein gelungenes Buch, und um Ihnen Lust auf alles zu machen, am Schluss noch einige Kostproben. Wetten, Sie bekommen Lust, die 19,99 Euro für den neuen Buschkowsky auszugeben. Das sind sieben kleine Pils in einer Berliner Eckkneipe. Vom Buch haben Sie entschieden mehr. Das garantiert Ihnen ein passionierter Biertrinker. Und hier kommen die Fundstücke:

„Es gibt drei Prinzipien, die bei uns in Deutschland liebend gerne angewendet werden, um Unbequemes nicht zuzulassen und mit einem gesellschaftlichen Bann zu belegen. Erstens ist das die Political Correctness, zweitens die Rassismus-keule und drittens der Kulturrelativismus“ (S. 194).

Und hier die begründete und scharfsinnige Anmerkung zum dritten Prinzip: „Der Kultur-relativismus dient dem Multikulturalismus als wesentliches Fundament. Kulturelle Phänomene können danach nur in ihrem eigenen Kontext verstanden werden. Jede Kritik an ihnen ist, Sie ahnen es schon, Kulturrassismus, weil beispiels-weise die Menschenrechte ein Produkt der west-lichen Kultur sind und daher für Muslime nicht gelten. Jedenfalls nicht in der geläufigen Form.

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UNTERNEHMERIN KOMMUNE • AUSGABE 01 / MÄRZ 2016 47

INSPIRATIONEN/INFORMATIONEN

Wie wir wissen, gibt es Menschenrechte nach chinesischer Lesart, auch nach islamischer und wahrscheinlich auch nach indischer“ (S. 198).

Natürlich begründet Buschkowsky mit harten Fakten seine Bewertung einer gescheiterten Integrationspolitik. Hier nur ein Beispiel: „In Neukölln sind im ganzen Bezirk zwei Drittel, und im Norden sogar 80 Prozent der Einwanderernachkommen unter 25 Jahren Kunden des Jobcenters. Selbstbestimmtes Leben geht anders“ (S. 266).

Abschließend empfehle ich Ihnen die Forderungen Buschkowskys – acht an der Zahl – zu einer wirklich grundlegenden Reform des Bildungswesens zur dringendsten Lektüre.

Die schreibe ich aber jetzt nicht mehr in die Rezension. Sie kaufen ja das Buch, und dort können Sie alles auf den Seiten 283 und 284 nachlesen. Ich unterschreibe jedes Komma, und wäre bei der Massendemo zum Kanzleramt mit der Forderung nach einer schnellstmöglichen politischen Umsetzung auf jeden Fall dabei.

Rezensent: Michael Schäfer Bewertung: *****

Heinz Buschkowsky:

Die andere Gesellschaft Ullstein Buchverlage Berlin 1. Auflage 2014

ISBN 978-3-550-08050-0 www.ullstein.de

Legitimation durch Beteiligung Bürgerbeteiligung ist auch für Kommunalunter-nehmen ein wichtiges Thema. Der Berliner Politikwissenschaftler Carsten Herzberg hat sich unter dieser Überschrift mit vier deutschen kommunalen Unternehmen und im Vergleich dazu mit den Pariser Wasserbetrieben beschäftigt.

Seine These lautet, dass eine Einbeziehung der Bürgerschaft zu einem zusätzlichen Rückhalt führen kann, was Herzberg als „Throughput-Legitimation“ bezeichnet.

Er konstatiert, dass die Bürger zunehmend mehr Transparenz und Mitsprache einfordern würden. Dem stünden aber, so Herzberg, häufig GmbH-Regelungen und eine Verschwiegenheits-pflicht entgegen. Für Herzberg scheinen die Pariser Wasserbetriebe eine Art Modell dafür zu sein, wie man in einem kommunalen Unternehmen eine umfassende Beteiligung der Bürger gewährleisten kann. Dies werde in erster Linie über einen Beirat realisiert, der über weitreichende Mitwirkungs-möglichkeiten verfüge. Die ehemalige Präsidentin der Pariser Wasserbetriebe, Anne Le Strat, hat dazu ein aufschlussreiches Vorwort geschrieben.

Der Rezensent teilt deren Auffassung, dass es für den Bereich der Daseinsvorsorge das Erforder-nis gibt, die repräsentative Interessenvertretung der Eigentümer (letztendlich sind das die Bürger) stärker mit Elementen der direkten Beteiligung und Mitwirkung zu verbinden. Dazu hat er aus-führliche Argumentationen in seinem 2014 bei SpringerGabler erschienenen Buch „Kommunal-wirtschaft. Eine gesellschaftspolitische und volks-wirtschaftliche Analyse“, dem ersten Standardwerk zu diesem Gegenstand in Deutschland, dar-gelegt. Dies kann hier im Detail nicht zitiert, wohl aber nachgelesen werden. Dieser Hinweis darf keinesfalls als Nabelschau eines eitlen Autors missverstanden werden, der das Werk eines Kollegen quasi nur als Stichwort (miss)braucht, eigenes Gedankengut zu präsentieren und mit-hin Marketing für das eigene Schrifttum zu betreiben. Vielmehr geht es um die grundsätzliche Anmerkung, dass er von den Erfordernissen und den Funktionalitäten direkter Bürgerpartizipation in der Daseinsvorsorgewirtschaft ein deutlich anderes Verständnis hat als Carsten Herzberg. Eine Rezension bietet leider nicht den Raum, um dies mit der gebotenen wissenschaftlichen Objektivi-tät und auch Ausführlichkeit zu belegen. Deshalb muss sich der Rezensent im folgende auf wenige Anmerkungen beschränken.

• Kommunalwirtschaft – das ist in erster Linie Daseinsvorsorgewirtschaft – ist in einem übergreifenden gesellschaftspolitischen Sinne Eigentum der Bürger der jeweiligen kommunalen Gebietskörperschaft. Das ist die Begründung für deren Mitwirkung an der strategischen Führung der Unternehmen, und zwar unabhängig davon, ob diese Mit-wirkung auf rein repräsentativer Ebene – also durch Mandatsträger in den direkt gewählten

kommunalen Gremien bzw. nachgeordneten Aufsichtsgremien – oder in einer Symbiose mit direkter Bürgermitwirkung stattfindet.

• Primat hat also die Frage, wie der Eigentümer seine Verantwortung für die kommunalwirt-schaftliche Betätigung wahrnehmen will. Das ist natürlich unabhängig von der Rechtsform, in der dies geschieht. Insofern halte ich die These für falsch, die Herzberg in seinem Buch formuliert, wonach die „demokratische Kontrolle als Allein-stellungsmerkmal öffentlicher Unternehmen“

verschwinde. Und zwar deshalb, weil kommunal-wirtschaftliche Betätigung zunehmend nicht mehr in Eigen- und Regiebetrieben, sondern im Zuge einer umfassenden „Organisations-privatisierung“ in GmbH und AG stattfinde, zu deren Kontrollgremien „nur noch ein kleiner Kreis von Mandatsträgern Zugang“ (vgl. S. 14) habe. Aus dieser aus meiner Sicht falschen Aussage (und die ist leider nicht als Hypothese, sondern im Stile einer absoluten Wahrheit formuliert) entwickelt Herzberg eine „Treppe des Kontroll-verlustes“. Seine Aussage, hier sehr verknappt zusammengefasst, lautet: es gäbe eine stufenweise Autonomisierung öffentlicher Unternehmen und in Korrelation dazu reduziere sich die demo-kratische Kontrolle. Laut Herzberg gibt es nur in der Kernverwaltung keinen Kontrollverlust.

Für ihn beginnt er auf kleiner Stufe beim Eigen-betrieb, wird größer bei Zweckverbänden und Anstalten öffentlichen Rechts , steigt noch weiter bei GmbH und AG, erreicht seinen Höhepunkt im öffentlichen Bereich bei gemischtwirtschaft-lichen Unternehmen und hat seinen Nullpunkt bei der Privatwirtschaft (vgl. S. 31).

• Eine solche Entwicklung ist aber doch nicht zwingend: ich könnte etliche Gegenbeweise antreten: intransparente und bürgerferne Ver-waltungen einerseits, kommunale GmbH mit einem hohen Maß an Bürgerpartizipation andererseits. Es ist mitnichten die Rechts-form, sondern – siehe oben – entscheidend ist der Eigentümerwille. Für weit über 90 Pro-zent aller kommunalen GmbH’s besteht keine Pflicht zur Implementierung von Aufsichts-gremien. Gleichwohl gibt es sie in den aller-meisten Fällen, und sie können, da fakultativ, mit Bezug auf Artikel 28, Absatz 2 normierte kommunale Organisationshoheit nach Belieben ausgestalten. Es ist die Entscheidung der Eigentümer, ob alle oder nur die großen Stadtratsfraktionen Vertreter in den Auf-sichtsrat entsenden, oder ob der Stadtrat im Sinne einer durchgängigen demokratischen Legimitationskette weisungsberechtigt ist, um nur zwei Optionen zu nennen.

• Ich halte die Aussage von Herzberg auch in einem weiteren Sinne für falsch. Und zwar indem sie impliziert, dass die private Rechts-form per se weniger demokratisch sei. Wenn Nachrichten / Bücher

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man das konsequent und als aufrechter Demokrat zu Ende denkt, müsste man sich hurtig ans Werk machen und die heute überwiegenden kommunalen GmbH’s (und wenigen AG’s) schnellstmöglich unter die Dächer der kommunalen Kernverwaltungen zurückzuführen. Eine geradezu absurde Vor-stellung. Die private Rechtsform ist doch nicht deshalb entstanden, damit ein Klüngel aus autonomiesüchtigen, an Kontrollphobien leidenden Managern in unheiliger Allianz mit einer Handvoll privilegierter Mandatsträger aus den Herrschaftsfraktionen des Rates ungestört schalten und walten kann. Auch ein Politologe sollte zur Kenntnis nehmen, dass es handfeste ökonomische Gründe gab und gibt, moderne Daseinsvorsorge in privat-rechtlichen Strukturen zu gewährleisten.

Mehr Effizienz, das ist nicht in erster Linie mehr Gewinn, sondern das ist mehr und bessere Daseinsvorsorge unter sich objektiv verschlechternden Rahmenbedingungen.

Wettbewerb und Markt auch für Daseins-vorsorge – das ist doch nicht die Erfindung der Kommunen, sondern eine Normierung schon auf Ebene der EU.

Glücklicherweise haben die kommunalen Eigentümer darauf klug und innovativ reagiert und kommunalwirtschaftliche Strukturen etabliert, die das Kunst-stück schaffen, sich auf den Märkten zu behaupten, sich zugleich aber auch bürgernah, transparent und demo-kratisch mandatiert zu präsentieren. Das scheint im allgemeinen Bewusstsein der Bürger geradezu zementiert zu sein, denn soviel Zustimmung und Vertrauen zur Kommunalwirtschaft – das belegt die am 17. Februar 2016 präsentierte repräsentative Forsa-Befragung – gab es noch nie.

• Wenn Herzberg über das „Pendeln öffentlicher Unternehmen zwischen demo-kratischer Kontrolle und ökonomischen Logiken“ schreibt und den Befund trifft, dass „derzeit eine ökonomische Ausrichtung im Vordergrund“ stehe, (vgl. S. 43) so hat das mit der Wirklichkeit herzlich wenig zu tun. Es gibt doch keinen objektiven Gegen-satz zwischen ökonomischer Effizienz und Demokratie. Wenn dem so wäre, dann wäre der Preis für ein hohes Maß an demo-kratischer Partizipation eine geringere Wirtschaftlichkeit. Jeder Bürger, der dies in seiner Brieftasche in Gestalt höherer Preise und Gebühren spüren würde, würde das zu Recht als schlechtes Geschäft bezeichnen.

• Falsches wird auch dadurch nicht wahrer, dass sich der Autor einmal mehr auf den Flughafen Berlin-Brandenburg bezieht:

„Die zu 100 Prozent im öffentlichen Besitz

befindliche Flughafen GmbH war nicht in der Lage, die Baukosten zu kontrollieren. Ein Oppositionsführer brachte es auf den Punkt, als er sagte, dass hier die private Rechts-form bewusst genutzt worden sei, um die Öffentlichkeit außen vor zu halten“ (vgl. S.

14). Sehr geehrter Herr Herzberg, angesichts solcher „Bestandsaufnahmen“ muss einem Rezensenten auch ein wenig Polemik erlaubt sein: Glauben Sie im Ernst, dass es besser – ökonomisch wie demokratisch – gelaufen wäre, wenn das BER-Projekt aus der Senats-verwaltung Verkehr, dem Brandenburger Verkehrsministerium und dem analogen Bundesressort vorangetrieben worden wäre?

• Wenn man wie Herzberg Bestandsaufnahmen für „Stadt- und Wasserwerke in Deutschland und Frankreich“ – so steht es im Buchtitel – vornimmt, so sollte man zumindest für Deutschland wissen, dass wir es hier mit der eigenständigen Gattung Kommunal-wirtschaft zu tun haben. Natürlich Teil der öffentlichen Wirtschaft, aber eben nicht damit gleichzusetzen (alles weitere kann man in der Definition zur Kommunalwirt-schaft im Gabler WirtKommunalwirt-schaftslexikon nach-lesen). Und insofern muss man auch in dieser Differenzierung konsequent sein. Denn die Berliner Flughafen GmbH ist eben kein kommunales, sondern ein staatliches Unter-nehmen. Und dafür wiederum müssen auch unter dem Aspekt Demokratie ganz andere Umstände berücksichtigt werden als auf der kommunalen Ebene.

• Herzberg „belegt“ seine Theorie von der indirekten Proportionalität zwischen dem Grad der Autonomisierung und dem Niveau der demokratischen Mitwirkung an vier deutschen Unternehmen (die Pariser Wasser-betriebe) lasse ich hier bewusst weg. Ich weiß nicht, nach welchen Kriterien der Autor diese Auswahl vorgenommen hat. Jedenfalls freuen wir uns mit ihm, dass damit der schöne Effekt des „quod erat demonstrandum“ eingetreten ist: denn natürlich, beim Eigenbetrieb, den Stadtwerken Norderstedt unter der Ägide des Amts 81, geht’s am demokratischsten zu, etwas schlechter schon bei der Stadtwerke Münster GmbH und dann mit zunehmend negativer Tendenz die Energie und Wasser Potsdam gefolgt von den Berliner Wasser-betrieben. Ich kann auf diese Beispiele, ins-besondere auf die vor meiner Haustür, also Potsdam und Berlin, leider nicht im Detail eingehen.

Grundsätzlich muss ich aber dem Befund deutlich widersprechen. Ich sehe bei beiden Unternehmen das von Herzberg eingangs erwähnte Alleinstellungsmerkmal der demokratischen Kontrolle nicht einmal

ansatzweise gefährdet. Dabei muss man auch hier differenzieren. Energie und Wasser Potsdam ist ein kommunales Unternehmen, die Berliner Wasserbetriebe sind sowohl ein kommunales, als auch ein staatliches – und für beide gelten mithin auch unterschied-liche Prämissen. Eine solitäre Anmerkung sei mir aber gestattet. Auf Seite 82 stellt der Autor Folgendes fest: „Dass die Mandats-träger/-innen des Berliner Abgeordneten-hauses keine Vertretung im Aufsichtsrat (der Wasserbetriebe – Anm. d.A.) fordern, ist höchst erstaunlich – gehört dies doch zu den wichtigsten Kontrollmöglichkeiten gewählter Repräsentantinnen/Repräsentanten.“

Auf die Spekulationen Herzbergs zu den Gründen gehe ich besser nicht ein, denn auch dies ginge nicht ohne Polemik. Aber zur generellen Erläuterung folgendes: es gibt politischen Konsens im Abgeordnetenhaus darüber, dass kein Mandatsträger Mitglied in irgendeinem Aufsichtsrat einer städtischen Beteiligung sein soll. Das wird konsequent eingehalten.

Gleichwohl findet aber über die dazu bestehenden Ausschüsse eine intensive Kontrolle der Berliner Unternehmen statt.

Entscheidungsträger aus diesen Unternehmen sagen – natürlich ohne inhaltliche Aspekte zu nennen – dass es dabei sachkundig, konsequent, ja streng zugehe. Ob diese Auf-sichtsratsabstinenz der Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses richtig oder falsch ist, dazu ist ein inhaltlicher Diskurs aus meiner Sicht geboten. Gerade im Sinne einer durch-gehenden demokratischen Legimitationskette spricht m.E. einiges dafür, sich über diese sehr grundsätzliche Frage zu verständigen.

Auch wenn ich zu den Aussagen von Carsten Herzberg eine Reihe von grundsätzlichen Einwänden formuliert habe – weitere, die als Randnotizen das Rezensionsexemplar „zieren“, musste ich hier leider weglassen – bin ich ihm sehr dankbar, dass er das Thema bearbeitet hat.

Wir brauchen eine deutliche Qualifizierung der bürgerschaftlichen Partizipation in der Kommunalwirtschaft. Da bin ich mit Herz-berg im Konsens. Die Lektüre brachte mir dazu wichtige Impulse. So häufig kommt das bei Büchern, gerade bei denen, die ich aus fachlicher Pflicht meine lesen zu müssen, nicht vor. Und sie produzierte jede Menge Fragen. Drei für mich ganz wichtige nenne ich am Schluss.

Erstens, wie sinnhaft ist es, derart komplexe Fragen in Schemata und Strukturen zu pressen, und müssen wir es bei einem so bodenständigen und bürgernahen Konstrukt wie kommunalen Unternehmen mit nur schwer verständlichen Termini tun?

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Im Dokument Unternehmerin Kommune: (Seite 45-49)