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2 Schrifttum

2.3 Die Praxisassistent(inn)en

2.3.6 Praxisassistent(inn)en im Ausland: Ausgewählte Aspekte

2.3.6.3 Australien

Bemerkenswert von Seiten der „Australian Veterinary Association“ (AVA) ist, dass es besondere Bestrebungen gibt, Absolvent(inn)en der Tiermedizin mit Hilfe des „AVA New Graduate Friendly Practices (NGFP) Accreditation Program“ gut in die Praxis einzuführen. Dieses Programm, welches Praxen unter definierten Voraussetzungen als „Absolventenfreundliche Praxis“ zertifiziert, soll im Folgenden vorgestellt werden.

Hintergrund ist der enorm hohe Stellenwert für den tierärztlichen Berufsstand, insbesondere im Hinblick auf die Zukunft, der den Absolvent(inn)en in Australien eingeräumt wird. Absolvent(inn)en einzustellen verlangt zwar mehr Aufwand als die Anstellung berufserfahrener Assistent(inn)en, doch leisten sie ebenfalls einen großen Beitrag für die Praxis, z. B. durch das Einbringen neuer Impulse und aktueller Lehr-meinungen. Gute Unterstützung während der ersten „prägenden“ Berufsjahre sichert den Verbleib in diesem Berufsfeld und wirkt wiederum anziehend auf kommende Jahrgänge (www.ava.com.au).

Aus diesen Gründen wurde das Zertifikat „NGFP“ erarbeitet, dessen Logo (Abb. 6) werbewirksam eingesetzt werden kann. Teilnehmende Praxen werden veröffentlicht.

Um zertifiziert zu werden, müssen sich Praxen mit zwei „Positiv-Gutachten“ von Absolvent(inn)en bewerben. Alle drei Jahre erfolgt eine neuerliche Überprüfung der

„Zulassung“. Bis zum 15. Juni 2007 hatten 21 Tierärztinnen und -ärzte in ebenso vielen Praxen und Kliniken das Zertifikat erworben.

Abb. 6: Logo des „AVA New Graduate Friendly Practices Accreditation Program“.

Das NGFP-Programm beinhaltet folgende Richtlinien der AUSTRALIAN VETERI-NARY ASSOCIATION (o. J.) (freie Übersetzung aus dem Englischen):

Ric htlinie n f ür NG FP -ze rti fizie rte P r a x e n

Die erste Arbeitsstelle für Absolvent(inn)en kann für die weitere Laufbahn entscheidend sein („make or break“). Die folgenden Richtlinien wurden ent-wickelt, um das Bewusstsein für die Bedürfnisse von Anfangsassistent(inn)en zu wecken, und zwar von beiden Seiten, Assistent(inn)en und Arbeitgebern.

Beachte: Diese Richtlinien können auch von Praxisinhaber(inne)n, die keine Zertifizierung anstreben, als Hilfe zum Umgang mit Anfangsassistent(inn)en genutzt werden.

1. Adäquate Unterstützung durch erfahrene Kolleg(inn)en. Absolven-t(inn)en benötigen in den ersten Monaten die unmittelbare Möglichkeit, erfahrene Kollegen/Kolleginnen um Rat fragen zu können. Dieser Zeitraum variiert je nach Absolvent/in, durchschnittlich sind es drei bis sechs Monate.

Dies kann über das Telefon geschehen, doch oft ist auch die Anwesenheit der Kollegen wichtig, um Unterstützung in Diagnostik- und Behandlungsab-läufen zu gewährleisten. In kleinen Praxen mit nur einem erfahrenen Tierarzt/einer erfahrenen Tierärztin ist dies manchmal nur schwer zu realisieren. Um dieser Situation gerecht zu werden, können zur Unterstüt-zung der Assistent(inn)en adäquate Absprachen mit einer befreundeten Nachbarpraxis erfolgen.

2. Gute Arbeitsatmosphäre ist wichtig. Das gesamte Personal einschließlich der Praxisleitung sollte eine positive Grundeinstellung gegenüber der Einstellung eines Absolventen/einer Absolventin haben. Regelmäßige Meetings des Praxispersonals und Zeit für Falldiskussionen sind von Bedeutung, ebenso wie gutes Hilfspersonal und angemessene diagnos-tische Möglichkeiten. Die Arbeitgeber sollten offen für neue Ideen und bereit sein, Erfahrungen und Wissen konstruktiv zu vermitteln. Fortbildungen für das gesamte Kollegium sind zu gewährleisten.

3. „Angemessene“ Arbeitszeiten sind wichtig, diese sind sicher subjektiv, jedoch gibt es hier Orientierungswerte. Anfangsassistent(inn)en werden keine ihren Fähigkeiten entsprechenden Leistungen erbringen können, wenn zur Unerfahrenheit und Unsicherheit auch noch Erschöpfung kommt.

Über den Tag verteilte Pausen der einzelnen Mitarbeiter/innen wirken Ermüdung entgegen und ermöglichen dennoch zu „Stoßzeiten“ ausreichend Personalpräsenz. Zusätzliches Engagement des gesamten Kollegiums ist bei Bedarf in Landpraxen mit saisonal schwankendem Arbeitsanfall erforder-lich.

4. Urlaub für Fortbildungen zusätzlich zum Erholungsurlaub (ab dem 2. An-stellungsjahr) für die Dauer einer Woche soll gewährt werden.

5. Fortbildungskosten für eine Woche pro Jahr (ab dem 2. oder 3. Anstel-lungsjahr) sind zu gewähren. Es wird vorgeschlagen, dass die Höhe der übernommenen Fortbildungskosten dem wöchentlichen Mindestgehalt ent-sprechend der Erfahrung des Assistenten/der Assistentin gleichzusetzen ist.

6. Adäquater Rückhalt bei den Notdiensten sowie faire Verteilung derselben – nicht zu Ungunsten des Assistenten/der Assistentin – ist notwendig. Absol-vent(inn)en sollten in den ersten sechs bis zwölf Monaten ohne entsprechenden Rückhalt keine Notdienste leisten. Dies bedeutet unter Umständen die Anwesenheit eines Kollegen in schwierigen Fällen während des ersten Monats. In den ersten drei bis sechs Monaten sollte ein Hintergrunddienst (aus der eigenen oder einer anderen, kollegialen Praxis) telefonisch erreichbar sein, der den Absolventen/die Absolventin dann ggf.

vor Ort unterstützen kann.

7. Die Vorstellung bei (wichtigen) Kunden, insbesondere in Landpraxen, durch einen erfahrenen Kollegen/eine erfahrene Kollegin der Praxis erhöht das Vertrauen zu den Assistent(inn)en und hilft ihnen, „Teil des Ganzen“ zu werden.

8. Fertigkeiten und Erkenntnisgewinnung sollten gefördert werden. An-fangsassistent(inn)en sollten nicht ins „kalte Wasser“ geworfen werden.

Ebenso wenig dürfen sie so streng überwacht werden, dass sie im ersten Jahr keine Gelegenheit erhalten, Fertigkeiten zu entwickeln und eigene Erfahrungen zu sammeln. Die notwendige Aufsicht wird von Absolvent/in zu Absolvent/in variieren, sie sollte darauf abzielen, das Vertrauen der Assis-tent(inn)en zu stärken, damit sie stetig selbständiger in ihren Entschei-dungen und Handlungsabläufen werden.

9. Arbeitsverträge/individuelle Vereinbarungen sollten abgeschlossen werden. Sie verhindern Missverständnisse und stärken die Arbeitgeber-Arbeitnehmer/in-Beziehung.

10. Die Praxen sollten ihre Absolvent(inn)en aktiv ermutigen, der AVA beizu-treten, und die Jahresbeiträge für sie bezahlen. Der Beitritt fördert das Zugehörigkeitsgefühl der Absolvent(inn)en zum Berufsstand und hilft Kon-takte zu knüpfen. Die Übernahme der Beträge kann Steuervorteile bringen und stärkt den Fortbildungswillen. (…)

(…)

Verpflichtungen für Absolvent(inn)en

1. Die realistische Einschätzung der Berufsinteressen und -ansprüche vor Antritt der Arbeit ist wichtig. Die Wahl des „falschen“ Jobs kann durch die wachsende Unzufriedenheit den Berufsweg stark negativ beeinflussen.

2. Engagiere dich ehrlich und realistisch für deinen Anfangsassis-tentenjob. Sei bemüht, dich für diese erste Arbeitsstelle mindestens zwölf Monate zu verpflichten, es sei denn, die Situation ist unhaltbar oder unvorhergesehene Ereignisse verhindern dies. Ist deine Situation unhaltbar und die Praxis bezeichnet sich als „anfangsassistentenfreundlich“, solltest du die AVA so schnell wie möglich schriftlich in Kenntnis setzen.

3. Kenne und verstehe die Praxisgrundsätze. Du solltest gewährleisten können, dass du mit den Praxisgrundsätzen im Hinblick auf das Rech-nungswesen, die Verfahrensweise mit Schuldnern, die Behandlung von Wild- oder herrenlosen Tieren, Kleiderordnung usw. vertraut bist, sie respektierst und beachtest.

4. Beachte und respektiere das Hilfspersonal und dessen Verantwortung für die Praxis. Hilfspersonal ist enorm wertvoll für die Praxis, insbesondere als Wissens- und Erfahrungsquelle für den Anfangsassistenten/die Anfangs-assistentin.

5. Mache dir deinen Einfluss auf die Praxisrentabilität bewusst. Primär

wirst du den Profit der Praxis senken und nicht erhöhen. Deine begrenzten Fähigkeiten und die fehlende Erfahrung erfordern Beaufsichtigung, um diese Fähigkeiten entwickeln zu können. Dies ist eine Investition der Praxisleitung, die sich über den langfristigen Nutzen, Absolvent(inn)en zu unterstützen, für die Praxis und den Berufsstand im Klaren ist.

6. Nutze alle Möglichkeiten, Fertigkeiten zu entwickeln und Erfahrungen zu sammeln in dieser hilfsbereiten und abgesicherten Umgebung. Nimm dir Zeit, Fragen zu stellen, auch wenn sie scheinbar „sinnlos“ sind. Akzeptiere die Beaufsichtigung und sammle so Erfahrungen auf „sichere“ Weise.

Besprich Angelegenheiten mit deinem Arbeitgeber offen und konstruktiv.

Nutze die Möglichkeiten der Teilnahme an Besprechungen und Vorträgen und zieh daraus Nutzen für die Zukunft. Bleib so ruhig wie möglich, um dein Urteilsvermögen nicht zu beeinträchtigen. Nimm am gesellschaftlichen Leben teil (insbesondere bei der Tätigkeit in Landpraxen) und erhalte dir soziale Kontakte. Durch Ausgeglichenheit und Kenntnis deiner Grenzen kannst du ein „Burn-out-Syndrom“ verhindern.

7. Sei dir im Klaren über die konkreten Anstellungs- und Arbeitsbedin-gungen (Bezahlung, Arbeitszeit, Notdienst, Urlaub etc.) einer angebotenen Arbeitsstelle, bevor du sie annimmst.

8. Sei dir bewusst, dass die Tiermedizin kein Job ist mit einer 35-Stunden-Woche von 9 Uhr bis 17 Uhr. Es gibt viele zusätzliche Verpflichtungen.

Wenn du merkst, dass das nichts für dich ist, such dir Arbeit in anderen Bereichen.

Tiermedizin ist harte Arbeit und kann dein Privatleben völlig durcheinander bringen, aber für jene, die sich dafür entschieden haben, ist es eine erfüllende Tätigkeit.

In Australien gibt es weiterhin generelle Empfehlungen über die Mindestjahres-gehälter und den Mindeststundenlohn verschiedener Kategorien (AVA Members Advisory Service: Veterinary Surgeons Award 2001, Increase in Rates Effective 8th November 2003, freie Übersetzung aus dem Englischen):

• Kategorie 1A: Grundkategorie für Absolvent(inn)en, die während ihrer Arbeit durch einen erfahrenen „Supervisor“ beaufsichtigt werden. Das bedeutet keine ständige Anwesenheit eines erfahrenen Kollegen/einer erfahrenen Kollegin, sondern wird auch über telefonische Beratung oder auch fallbezogene Besprechungen gewährleistet. Diese Kategorie geht nach spätestens sechs Monaten über in

• Kategorie 1B: Angehörige dieser Kategorie benötigen noch gelegentlich Aufsicht während der normalen Arbeit. Kompetente Tierärztinnen/-ärzte wechseln zwei Jahre nach Beginn ihrer Tätigkeit in die nächste Kategorie.

• Kategorie 2 („Veterinary Surgeon“): Angehörige dieser Kategorie arbeiten gewissenhaft ohne „Supervision“, erhalten aber in speziellen/ungewöhnlichen Fällen Rat und Unterstützung.

• Kategorie 3 („Experienced Veterinary Surgeon“): Diese erfahrenen Tierärzte und -ärztinnen erledigen auch diese speziellen/ungewöhnlichen Fälle, die grundlegende professionelle Erfahrung erfordern.

• Kategorie 4 („Senior Veterinary Surgeon“): Diese „Senior“-Tierärzte/-ärztinnen arbeiten professionell und sind unabhängig von Weisungen. Sie sind ggf.

verantwortlich für die „Supervision“ des anderen tierärztlichen Personals oder für Managementtätigkeiten (wie Praxisplanung, Erstellung und Durchführung der Praxisgrundsätze) und/oder leiten bestimmte Praxisbereiche.

Die Mindestgehälter pro Jahr steigen mit zunehmender Kategorie (34004 $/Jahr für Kategorie 1A, 50900 $/Jahr für Kategorie 4).