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Ausbildung im zünftischen Handwerk

Im Dokument in der Frühen Neuzeit (Seite 84-87)

Etymologische und terminologische Annäherung an den Untersuchungsgegenstand

2.2.3 Ausbildung im zünftischen Handwerk

Da eine Ausbildung im zünftischen Bauhandwerk zu den häufigsten Wegen in den Ent-werferberuf zählte, sollen die wichtigsten Kenntnisse darüber hier vorgestellt werden.

Die Methodik der ›Geschichte von unten‹ stößt in diesem Bereich allerdings an ihre Grenzen, da nach Abtrennung der Architekten vom Handwerk die Erforschung der Ge-schichte und die Weiterentwicklung des Steinmetz-, Maurer- und Zimmerhandwerks vernachlässigt wurden. Dabei gäbe es in den Zunftordnungen reiches Quellenmaterial für die Erforschung dieser Handwerke. Eine Edition der Zunftordnungen, wie sie für Maler bis um 1800 in Angriff genommen wurde,325 gibt es für Bauhandwerker nicht.

Der Schwerpunkt liegt im Folgenden auf den Berufen der Steinmetze, Maurer und Zim-merleute, da diese unter den Handwerksberufen die meisten Architekten stellten.326

Die Dauer der Lehrzeit blieb bei den meisten Handwerksberufen im Verlauf der Frü-hen Neuzeit konstant. In der Regensburger Ordnung 1559/60 für Maurer war sie auf drei Jahre, in der Speyrer Ordnung 1464 für Steinmetze auf fünf Jahre festgesetzt, bei Zim-merleuten betrug sie ebenfalls zwei bis fünf, meist jedoch drei Jahre.327 Ausnahmen bil-deten die Möglichkeit zur Verlängerung, wenn der Lehrling das Lehrgeld nicht aufbrin-gen konnte, oder zur Verkürzung bei Meistersöhnen und Landmeistern oder geldlicher Ableistung.328 Während die Steinmetze das ganze Jahr über bei ihrem Meister lebten, blieben die Maurerlehrlinge vielerorts im arbeitslosen Winter zu Hause.329 Lehrinhalte sind so gut wie von keinem Handwerk überliefert, auch nicht vom Baugewerbe.330 Es gab keinen Lehrplan, die Lehrjungen lernten durch Nachahmung.331 Von den

Stein-325 https://www.uni-trier.de/index.php?id=39016. Letzter Zugriff: 03.08.2017.

326 Vgl. Tab. 6.

327 Moser 1973, 85; Gerner 1999, 42; Fleischmann 1985, 247. Im Mittelalter hatte die Lehre der Maurer noch ein bis drei Jahre gedauert. Die Steinmetzlehre folgte erst im Anschluss und dauerte so insgesamt vier bis fünf Jahre (Booz 1956, 18).

328 Kluge 2007, 157.

329 Ebd., 158; Moser 1973, 86.

330 Kluge 2007, 161.

331 Fleischmann 1985, 247.

metzen weiß die Forschung immerhin, dass sie in den ersten drei Jahren parallel mit den Maurern ausgebildet wurden und dann ihr spezielles Steinmetzhandwerk erlernten, allerdings ohne Theorie.332 Über den als Maurer und Stuckator ausgebildeten Johann David Steingruber ist bekannt, dass er die Lateinschule besucht und anschließend in der Lehre bei seinem Vater schon zeichnen gelernt hatte.333 Gesellenprüfungen wurden erst nach 1839 eingeführt334 und auch der Aufbau eines Schul- und Ausbildungssystems für das Bauwesen erfolgte verstärkt erst seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts.335

Da im Bauhandwerk schon im Spätmittelalter Großbetriebe notwendig und üblich waren, erhielten Meister und Gesellen einen annähernd gleichen Lohn.336 Dies war not-wendig, damit sich die Gesellen selbst versorgen konnten. Anders als sonst im Hand-werk vorgesehen, konnte in den Großbetrieben nämlich eine große Zahl der Gesellen nicht im Haus des Meisters leben. Verheiratete Gesellen waren deshalb im Bauhand-werk viel üblicher als in anderen HandBauhand-werken.337 Die Zünfte versuchten diese Praxis zu begrenzen, da verheiratete Gesellen keine Meister mehr werden konnten.338 Das Walz-alter betrug in der Regel 18 bis 22 Jahre, selten waren bis zu 34 Jährige anzutreffen.339 Franz Munggenast wanderte allerdings höchstens eineinhalb Jahre, studierte in dieser Zeit an der Wiener Akademie und war dann bereits im Alter von 18 Jahren gezwungen, als Meister den Betrieb seines Vaters zu übernehmen.340 Dagegen war der Mergent-heimer Maurergeselle Andreas Pinder zehn Jahre auf Wanderschaft gewesen, bevor er sich als Hofbaumeister bewarb, und Philipp Jakob Zwerger konnte vor Antritt der Münchner Hofmaurerpolierstelle eine achtjährige Wanderschaft absolvieren, in der er sich in der Bauführung und »im Reißen perfectioniert[e]«.341 Eine ein- bis zweijährige Arbeitszeit als Polier wurde teilweise verlangt, sonst konnte sie, musste aber nicht die Ausgangsbasis für die Meisterwürde sein.342

332 Moser 1973, 86. Diese Praxis bestand unverändert seit dem Mittelalter. Siehe Anm. 327.

333 Steingruber 1987, 15. Zur Schulbildung siehe auch Kap. 2.2.4 und 2.5.5.

334 Kluge 2007, 163; Fleischmann 1985, 247. Lediglich in Augsburg wurde schon im 17. Jh. als Gesellen-stück der Zimmerleute verlangt, dass sie eine Tür anfertigen, ein 40 Schuh langes Holz ins Winkelmaß bringen sowie ein Eckband anfertigen sollten (StadtA Augsburg, Reichsstadt, Zünfte, Nr. 280).

335 Schimek 2005, 137. Die berufliche Ausbildung im Bauhandwerk änderte sich erst ab dieser Zeit grund-legend: Die traditionell vermittelten Erfahrungswerte reichten nicht mehr für eine adäquate Lösung der sich stark wandelnden Bauaufgaben aus. Daher wurde zu dieser Zeit mit einer starken Anreiche-rung theoretischer Wissensteile im Unterricht der Baugewerksschulen begonnen (ebd. 153).

336 Kluge 2007, 165.

337 Moser 1973, 102.

338 Ebd., 89: Eine Ehefrau konnte weder auf die für die Meisterwürde nötige Wanderschaft mitgenommen noch auf unbestimmte Zeit allein zurückgelassen werden, vgl. Kap. 2.2.1.

339 Elkar 1984, 270. Schon im Mittelalter hatte die Wanderzeit mindestens ein Jahr zu dauern (Booz 1956, 19 f.).

340 Güthlein 1973, 17.

341 Zit. nach Lieb 1941, 69.

342 Vgl. diesen Abschnitt unten, die Übersichten über die Zunftordnungen sowie Moser 1973, 99.

Während die Florentiner Zünfte keine klare Abgrenzung zwischen Lehrling, Geselle und Meister nach Ausbildungsstand und auch keine Prüfungen kannten, (ein Meister war der Inhaber einer Werkstatt, die er gründen konnte, wenn er das dazu notwendige Kapi-tal, die Klientel und die Erfahrung hatte),343 wurden im Heiligen Römischen Reich schon ab 1300 in manchen Zünften Meisterstücke gefordert.344 In Nürnberg wurden sie für die Steinmetze und Zimmerleute 1507 eingeführt.345 In Graz wurden für die Maurer 1647346, in Hamburg dagegen erst 1767 Meisterstücke verpflichtend.347 Die Meisterprüfung (mit oder ohne Meisterstück) kam ab 1500 auf und war ab 1600 überall üblich.348 Fronsberger setzte allerdings schon 1564 ein Meisterstück für Maurer und Zimmerer voraus.349 Um Betrug vorzubeugen, durfte in Nürnberg ab 1579 und in Brandenburg ab 1734 das Meis-terstück der Steinmetze und Zimmerleute nur noch im Haus eines Geschworenen, also eines prüfenden Zunftmeisters, angefertigt werden.350 Im Folgenden werden Angaben zu Meisterprüfungen und Meisterstücken tabellarisch aufgearbeitet (Übersicht 5 bis 7). Dies erfolgt ohne Anspruch auf eine systematische Auswahl oder Vollständigkeit der Quellen, da sich die Notwendigkeit der Aufarbeitung erst im Verlauf der Arbeit an diesem Projekt zeigte. Die Zunftordnungen sind chronologisch aufgelistet. Prag wurde in die Liste aufge-nommen, da dort beispielsweise die Dientzenhofer ihre Meisterwürde erlangt hatten.351

Bei allen drei Handwerken finden sich deutliche Unterschiede in den Anforderun-gen, abnehmend von Reichsstadt, Residenzstadt, Landstadt hin zum dörflichen Bereich.

Dies erklärt, warum sich Architekten für ihre Ausbildung in ein größeres städtisches Zentrum begaben. Die Ausbildung wies dort in der Regel ein deutlich höheres Niveau auf. Die mündliche Prüfung der Bewerber war die niedrigste Hürde (neben der Zahlung einer Gebühr) und wurde sehr bald zumindest durch eine praktische Prüfung oder ein Mutjahr, häufig auch schon durch ein Meisterstück ersetzt, das bald das Anfertigen von Rissen und Modellen beinhaltete. Folglich wurden für die Erlangung der Meisterwürde zunehmend theoretisches Wissen und die Fähigkeit zur Abstraktion verlangt. Mitte des

343 Günther 2009, 257.

344 Kluge 2007, 237.

345 Fleischmann 1985, 190.

346 Kohlbach 1961, 118.

347 Heckmann 1990, 184–186. Noch Mitte des 18. Jhs. konnten einige Maurermeister weder lesen noch schreiben. Die Hamburger Verhältnisse scheinen deutlich unterdurchschnittlich gewesen zu sein.

Unter diesen Umständen war eine theoretische Ausbildung kaum möglich, für den einfachen Woh-nungsbau reichte die Ausbildung jedoch. Das neu eingeführte Meisterstück bestand lediglich aus einer Zeichnung, wofür die Bewerber ab 1766 wöchentlich dreimal eine Stunde Zeichenunterricht bei einem städtisch bestellten Maurerpolier nehmen konnten.

348 Moser 1973, 105. Beispielsweise in der Prager Neustadt 1586, auf der Prager Kleinseite 1644 (Horyna 2009, 91).

349 Fronsberger 1564, XCIIr f, CIv.

350 Fleischmann 1985, 201; GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 9, E 21 und JJ 11.

351 Franz 1991, 12 (Wolfgang), 15 (Christoph), 37 (Johann).

Ordnung Wartezeitena Kosten

Mündliche Prüfung Meisterstück praktisch Meisterstück planerisch Kosten- anschlag

Breslau

1460/75b Eine steigende Reihung an

einem Gewölbe; eine Form an einem Fenster dreimal verjüngt; ein Gewölbe aus einem halben Zirkelschlag Innsbruck

um 1500c W J Dorische Säule mit

Posta-ment und Kapitell, Archi-trav, Fries, Hauptgesims Nürnberg 1507d 18. Jahrhundert: Stück

eines Pfeilers und werden; ab 1629 nur noch Zeichnung ohne

Prag 1586f Portal mit Fries und Giebel;

Geschäftsfenster;

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