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Aufnahme- und Verlegungspraxis von Schwerstkranken und Sterbenden

Sind Akuität und Heilung als zentrale Behandlungsaufträge im Krankenhaus defi-niert, ist interessant, welchen Stellenwert die Behandlung Schwerstkranker und Ster-bender in derPriorisierung von kurativen vor palliativen Patient*inneneinnimmt (vgl.

Kap. 5.3.1.), welcheAufnahmeindikationensich trotzdem für Sterbende zeigen (vgl.

Kap. 5.3.2.) und wie sich die Verlegungspraxis innerhalb der Klinik für diese Pa-tient*inngruppe darstellt (vgl. Kap. 5.3.3.). Wie sich in den Daten zeigte, werden Schwerstkranke und Sterbende von den IP als kleine, aber besonders herausfordern-de Patient*innengruppe erlebt. Dennoch zeigt sich dasParadox der Nicht-Nutzung ei-nes Palliativkonsildienstesfür ihre Behandlung (vgl. Kap. 5.3.4.).

5.3.1 Priorisierung von kurativen vor palliativen Patient*innen

Mit der Vorstellung der grundsätzlichen Heilungsverpflichtung wird von den IP die emotionale und habituelle–im Sinne einer berufsethischen–Priorisierung der ku-rativen vor der palliativen Perspektive begründet. In der Erklärung des klinischen Vorgehens in der Behandlung von Patient*innen zeigt sich zudem eine strukturelle Priorisierung von kurativen vor palliativen Patient*innen. Wie wird dieses ärztliche Vorgehen beschrieben? Die ärztliche Tätigkeit wird neben routiniertem Handeln vor Setting–Raum, Zeit, Beteiligte:

→ Konsens aller ärztlichen Behandler über abbruch nach Abklärung aller möglicher Therapieoptionen

→ Verlegungsindikation auf ITS und Reanimation bei Zustandsverschlechterung vorab geklärt

→ Entscheidung für alle nachvollziehbar dokumentiert und kommuniziert

→ Zeit für kollegialen Austausch

→ Zustimmung des Pflegeteams zur Entscheidung

→ Patient*innenwunsch (mündlich oder PV) entspricht der ärztlichen Entscheidung

→ Entscheidung von allen Angehörigen angenommen und akzeptiert

Abb. 5.5: Merkmale einer gelungenen Sterbesituation im Krankenhaus; Quelle: eigene Darstellung.

allem als Entscheidungstätigkeit festgelegt. Entscheidungen erfolgen–neben den beschriebenen vielfältigen individuellen, sozialen und strukturellen Einflüs-sen–oftmals im Sinne einer Triage. Als Triage wird die Priorisierung einer medizi-nischen Hilfeleistung bei unerwartet hohem Aufkommen an Patient*innen und ob-jektiv unzureichenden Ressourcen verstanden. Das Unterlassen medizinischer Hilfe ist formal unethisch und rechtlich strafbar, jedoch in diesen Fällen unvermeidlich.

Vor allem in der Intensivmedizin und in Rettungsstellen haben sich diese Erstein-schätzungen als Entscheidungshilfen für die Behandlungsdringlichkeit etabliert. Es gibt verschiedene Triage-Systeme, die vor allem in der Notfall- und Rettungsmedizin zum Einsatz kommen. Gemeinsam ist ihnen ein stufenweises Vorgehen mit dem Kri-terium der eingeschätzten Lebensbedrohlichkeit einer Situation und der daraus ab-zuleitenden Dringlichkeit.

In der vorliegenden Untersuchung lässt sich eine Triage-Strategie vor dem Hin-tergrund einer Ressourcenabwägung erkennen:„wenn ichein Betthabe undzwei Patienten“ (02/98–99). Hinzu kommen im Triage-Prozess Kriterien wie Prognose und Symptomlast. Beide Faktoren werden auch bei der Einordnung von Patient*in-nen auf derPalliativ-Dimensiongenutzt. Im Sinne derDringlichkeitshierarchiesteht zudem die Akuität einer Erkrankungssituation im Mittelpunkt. Der Triage-Strategie inhärent ist der beständige Fokus auf Lebensrettung und Heilung. In diesen Fokus fallen palliative oder gar als sterbend eingeschätzte Patient*innen nicht.

Eine Ärztin aus der Onkologie erklärt ihren Triage-Prozess bei der Vergabe eines Krankenhausbettes am Beispiel der Durchführung einer stationären Chemotherapie und stellt eine Entscheidungshierarchie auf. Die medizinische Intervention für eine Lebensverlängerung bei palliativen Patient*innen oder Heilung bei kurativen Pa-tient*innen ist hier in beiden Fällen eine Chemotherapie. Zunächst definiert sie die kurative oder palliative Perspektive einer Behandlung unter Bezugnahme auf statisti-sche Prognosen für die Erkrankung. Sie gäbe einem Patienten/einer Patientin mit ei-nem kurativen Behandlungsansatz den Vortritt, da es die Wahrscheinlichkeit für eine Heilung gibt. Eine Therapieverzögerung berge die Gefahr einer Verschlechterung bis hin zu einer nun palliativen Prognose und damit einem Wechsel in der Behandlung.

Zu Kollisionen im Entscheidungsprozess komme es, wenn ein weiteres Kriterium für eine Aufnahme ins Krankenhaus zu berücksichtigen sei: die Akuität bei Patient*in-nen mit Symptomlast unabhängig von der Heilungsaussicht. Hier entsteht ein Ent-scheidungsdilemma, wenn ein Behandlungsauftrag der Dringlichkeit im Sinne einer günstigeren Prognose und damit der Logik der Heilung konkurriert mit dem Behand-lungsauftrag der Dringlichkeit im Sinne der Akuität von Symptomen.

Ich muss ehrlicherweise sagen,wenn ich ein Bett habe und zwei Patienten, nehme ich den kurativen anstatt den palliativen.Also palliative Chemotherapiefortführung oder Chemothe-rapiefortführung bei einem Patienten in kurativer Therapieintention, nehme ich den kurativen.

Wenn der Patient palliativ ist, zur Chemofortführung kommt und sagt, er hat Symptome, dann ist es natürlich schwierig, das abzuwiegen, dann ist sozusagen die Aussage des Patienten ent-scheidend, wie dringlich ist denn die Aufnahme. Aber das ist sozusagen für mich die

Unter-scheidung, warum mach ich eine kurative oder palliative Unterscheidung bei einem Patienten.

Patient mit einer metastasierten Tumorerkrankung ist palliativPatient mit einem Magenkarzi-nom lokal fortgeschritten ist noch kurativ, auch wenn man die Heilungschancen mit maximal 30 % einschätzen kann, aber das istimmer noch besser von der Prognoseals ein Patient mit einem metastasierten Pankreaskarzinom, alsoeinfach Statistikund auch individueller Patient, also, das ist jetztkeine ozielle Ansage in der Klinik, dass man sagt, > Wir nehmen die kura-tiven zuerst an. < , sondern das ist sozusagen eben, die Patienten, die eine Prognose haben, dass sienicht mehr in der Therapie verzögert werden, sondern dass man das stringent durchzieht, dass man nicht nachher aufgrund einer Therapieverzögerung, weil das Bett nicht frei war oder ähnliches, dann nachher dann doch irgendwie das Gesamte verschlechtert und der Patient auch palliativ wird. (AB02/97131)

Auch in der ärztlichen Routinetätigkeit wird eine Rangfolge vorgestellt, welche kura-tive zunächst vor palliakura-tive Patient*innen stellt, die„ich mir dannals Zweites angu-cke“. Die Stationsärztin einer Intensivstation schätzt zu Beginn ihres Dienstes die Dringlichkeit einer medizinischen Intervention ein. Gerade im Intensivbereich wer-den akut lebensbedrohlich erkrankte Patient*innen mit dem Ziel der Lebensrettung bzw. Lebenserhaltung behandelt. Dies erfolgt mit maximaltherapeutischen Maßnah-men, z. B. Intubation, Reanimation, Dialyse. Einerseits werden hier Palliativpa-tient*innen in derDringlichkeitshierarchienicht an erster Stelle gesehen, andererseits beschreibt die Stationsärztin, dass die Patient*innen,„die an der Kippe sind“, am schwierigsten seien, mehr Zeit brauchen, die Betreuung„engmaschiger“sei. Hier findet sich ein wichtiger Hinweis auf das Behandlungs-Dilemma bei palliativen bis sterbenden Patient*innen im Krankenhaus, welches sich im Zusammenspiel von Res-sourcenanforderungen, einem Vorrang der Heilungs- und Akutlogik im Krankenhaus sowie der zunehmenden ärztlichen Herausforderung in ungeklärten Situationen und dem eigenen Anspruch an eine Behandlung ergibt.

Wenn ich meinen Dienst anfange und loslegen will, dann sind diePalliativen eher so, die ich mir dann als Zweites anguckeund die anderen als Erstes. Das SCHON wegen der Dringlich-keit, woBEI aber die Patienten, die ein palliatives Konzept haben oder die so an der Kippe sind, also vor allen Dingen,die so an der Kippe sind, finde ich immer am schwierigsten. Die gu-cke ich mireigentlich auch letztlich dann vielleicht manchmal ein bisschenengmaschiger an.

(AB11/317325)

In unterschiedlichen medizinischen Fachdisziplinen und in verschiedenen Funk-tionsbereichen, wie Normalstation, Therapiestation und Intensivstation, findet sich die Priorisierung von kurativ vor palliativ. Ausnahmen werden bei den Handlungs-spielräumen im Rahmen der Aufnahme- und Verlegungspraxis in Kapitel 5.5.3.1. vor-gestellt. Die vorgestellten Triage-Prozesse verweisen auf die Bedeutung der kurativ-palliativ-Logik, die zunächst von den IP als unwichtig benannt wurde für einen Be-handlungsauftrag im Krankenhaus, da alle Patient*innen schwer krank seien. Im Entscheidungsprozess knapper Ressourcen ist diese Logik jedoch ein Schlüssel zur Feststellung einer Behandlungsindikation. Interessant ist die Selbstzuschreibung der Regelbefolgung in der pointierten Ichform („gucke ichmir an“). Damit erweitern die Ärzt*innen eine reine Befolgung eines SOP-Algorithmus um den ärztlichen Blick als

diagnostisches Instrument. In diesen unidirektionalen Blick bezieht der Arzt/die Ärz-tin den Blick des Anderen, des Patienten/der PatienÄrz-tin zwar nicht ein und doch fin-det sich hier ein Hinweis auf eine Beziehungsmedizin. Klaus Dörner sieht in seinen beziehungsethischen Überlegungen in Anlehnung an Emmanuel Levinas den„Blick vom Anderen“als Grundlage für die Ärzt*in-Patient*in-Beziehung [28, S. 63ff]. In der klinischen Arbeit sei Medizin zunächst Beziehungswissenschaft und dann erst Hand-lungs- und Naturwissenschaft.

5.3.2 Aufnahmeindikationen für sterbende Menschen ins Krankenhaus

Studien zeigen, dass die meisten Menschen als Präferenz beim Sterben das eigene Zuhause als Sterbeort angeben. Die Diskrepanz von Wunsch und Wirklichkeit des Postulats von ambulant vor stationär wurde in Kapitel 2.1.2. bereits theoretisch ein-geführt. Das Aufsuchen eines Krankenhauses durch Patient*innen und Angehörige bei Verschlechterung eines Erkrankungszustandes, ob akut eingetreten oder im Ver-lauf einer langen Krankheit, kann daher als Wunsch nach einer Abwendung des To-des interpretiert werden bzw. als Ausblendung To-des ToTo-des als mögliche Konsequenz der aktuellen Erkrankungssituation. Das Verhalten von Patient*innen und Angehöri-gen ist äquivalent zum zentralen Behandlungsauftrag eines Krankenhauses: der Le-bensrettung und Heilung. Über die Motive von Patient*innen und Angehörigen kann hier nur indirekt über die Wahrnehmung der interviewten Ärzt*innen eine Aussage getroffen werden. Die Ergebnisse der Untersuchung lassen jedoch Aussagen über die institutionellen, organisatorischen und ärztlich begründeten Aufnahmeindikationen von sterbenden Menschen zu.

Die Forschungsfrage war: Welche Indikationen zur Aufnahme von Schwerstkran-ken im Sinne von„sterbenden Menschen“ins Krankenhaus gibt es? In der nachfol-genden Abb. 5.6 sind identifizierte Aufnahmeindikationen und Verlegungswege im Krankenhaus zusammengefasst.

Im Krankenhaus erfolgt die Aufnahme von Patient*innen in Notsituationen bzw.

bei nicht geplanten Aufnahmen über die Rettungsstelle bzw. Notaufnahme. Die Be-griffe Rettungsstelle und Notaufnahme werden von den Ärzt*innen äquivalent ver-wendet. Hier erfolgen dieAbklärung der Dringlichkeit im Sinne einer Triage, unter-stützt durch medizinische Diagnostik zur Ursachenforschung, erste medizinische In-terventionen sowie bei Feststellung einer stationären Aufnahmeindikation die Ver-legung in die zuständige Fachabteilung. Für eine sinnvolle Triage wird das Wissen um dieBehandlungsperspektive kurativ oder palliativals„mit DIE entscheidende Fra-ge“(AB23/147) gesehen, da sonst „im Zweifel dann natürlich“alles unternommen werden müsse,„was man unternehmen kann“, d. h. auch bei Sterbenden das Ziel der Lebensrettung verfolgt werde, z. B. mit der Verlegung auf eine ITS und einer ma-ximaltherapeutischen Behandlung.

DieVorab-Klärung undVorab-Kommunikationmit Patient*innen und Angehöri-gen über das Vorgehen im Falle eines schlechter werdenden Zustandes einer bekann-ten Erkrankung wird in der akubekann-ten Aufnahmesituation oft als ungenügend erlebt.

Das ist auch ganz häufig für uns im klinischen Alltag für mich schwierig, wenn ich Patienten aus der Rettungsstelle kriegen soll. Der ist vielleicht akut gefährdet, hat eine Infektion oder es gibt eine andere Komplikation, Herzinfarkt oder irgendwas. Und dann steht da eine Diagnose im Raum, irgendein Malignom und es nicht klar, was ist mit dem Patienten. Ist derin kurativer Intention behandeltworden oder ist der vielleicht in einer Remissionoder ist der gerade ak-tiv schwer krank, vielleicht im Progress, das istOFT nicht, wird nicht genügend kom-muniziertund dann finde ich das immer EIGENTLICH den entscheidenden Punkt. Natürlich muss man sowieso dann erstmalim Zweifel dann natürlich dann alles unternehmen,was man unternehmen kann, aber ich finde das dann immer ganz wichtig, das zügig zu klären: wo stehen wir hier eigentlich? (AB23/147163)

In der Rettungsstelle wird ärztlich eingeschätzt, welchen Behandlungsauftrag es gibt. Dazu gehört die Einschätzung der akuten Gefährdung mit der Frage:„Ist der Patient sterbend?“und der Klärung, ob dieses Sterben aufzuhalten ist (kurative In-tention) bzw. mit Blick auf den Patient*innenwillen aufgehalten werden soll. Für den Klärungsprozess werden die in Kapitel 5.2. vorgestellten Einflussfaktoren auf Be-handlungsentscheidungen relevant. Drei Arten der Aufnahmeindikationen für

ster-Wie kommen Sterbende ins Krankenhaus?

Abb. 5.6: Aufnahmeindikationen für sterbende Menschen ins Krankenhaus; Quelle: eigene Darstellung.

bende Menschenwurden von den IP beschrieben: a) eineakute Zustandsverschlechte-rung bzw. Symptome; b) einesoziale Indikationmit und ohne akute Symptome; c) ei-neelektive Aufnahme zur Therapiebeendigungbei Patient*innen mit Amyotropher La-teralsklerose (ALS)51.

a) akute Zustandsverschlechterung bzw. belastende Symptome:Die Aufnahme von Patient*innen in einer akut verschlechterten Erkrankungssituation folgt der Lo-gik der Akutmedizin. Wenn über die Rettungsstelle eine Verlegung auf die ITS er-folgt, wird zudem eine maximaltherapeutische Behandlung eingeleitet. Vielfach wer-den von wer-den IP Situationen beschrieben, in wer-denen lange im Krankenhaus behandelte und damit bekannte Patient*innen„notfallmäßig“(AB15/53) in verschlechtertem All-gemeinzustand in die Rettungsstelle kommen bzw. von Angehörigen an diesen ver-trauten (rettenden) Behandlungsort gebracht werden. Mit Fokus auf die Forschungs-frage, wie Sterbende ins Krankenhaus kommen, zeigen sich Notsituationen für Pa-tient*innen und Angehörige zu Hause, die aus einem verschlechterten Zustand des/

der Erkrankten und der daraus resultierenden belastenden sozialen Situation resul-tieren. Mit der„Hoffnung, noch gerettet zu werden“, also diese akute Verschlechte-rung zu überleben, treffen Patient*innen und Angehörige auf die ärztliche Hoffnung immedizinischen Enthusiasmus(vgl. Kap. 5.1.3.3.).

In diesem Arrangement zeigt sich bereits eine Antwort auf die Frage nach den Gründen für die Überversorgung in Krankenhäusern. Nicht nur, aber vielfach bei jün-geren bekannten Patient*innen, bei unbekannten nicht ansprechbaren Patient*innen (vgl. Kap. 5.1.5.2.2.) und bei Druck von Angehörigen aus Sorge, dass der Patient/die Patientin sonst stirbt (vgl. Kap. 5.2.5.3.), die von den IP in Rettungsstellen erlebt wer-den, verstärkt sich das Arrangement zum Dilemma für die Ärzt*innen: Viele Merkma-le für eine belastende und potentiell konflikthafte Behandlungsentscheidung treffen aufeinander (vgl. Kap. 5.2.7.).

Vor allem jüngerePatientinnen, wo es irgendwie dannzu Hause gar nicht mehr geht, dann kommen sie her oftin der Honung, noch gerettet zu werden, und kachektisch im End-zustand. (AB15/6871)

b) soziale Indikation–vor allem bei bekannten Patient*innen:Für alle unter-suchten medizinischen Fachdisziplinen, den intensivmedizinischen Bereich aus-genommen, berichten mehrere IP in fast gleichlautenden Formulierungen von Pa-tient*innen, dievon zu Hause zum Sterben ins Krankenhaus, oftmals direkt auf eine durch vorherige Behandlungen bekannte Station, kommen.

51 Die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine seltene, nicht heilbare neurodegenerative Erkran-kung, die durch einen progredienten Verlauf gekennzeichnet ist. Sie ergreift im Verlauf die gesamte Körpermuskulatur mit Verlust des Schluckvermögens und Lähmung der Atemmuskulatur.

Alsoviele kommen zum Sterben auf die Stationsozusagen,von zu Hause, notfallmäßig ein-geliefert, sozusagen, wenn es zu Hause nicht mehr geht. (AB15/5254)

Aus der Darstellungen der interviewten Ärzt*innen wird nicht deutlich, inwieweit es sich dabei um ein offen (mit)geteiltes Wissen aller Beteiligten handelt, um ein indi-rektes Wissen bei Patient*innen und/oder Angehörigen oder um eine einseitig ärzt-liche Einschätzung eines (beginnenden) Sterbeprozesses. Die Formulierungen in den Interviews wirken zunächst wie eine willentliche Entscheidung von Patient*innen und/oder Angehörigen: kommen zum Sterben auf die Station. Die vergleichende Analyse mit dem vorherigen Zitat, welches zeigt, dass die IP vor allem Patient*innen und/oder Angehörige erleben, die mit der Hoffnung, noch gerettet zu werden, in die Rettungsstelle kommen, legt eine einseitig ärztliche Einschätzung über einen aktuel-len Sterbeprozess nahe bzw. kein offen geteiltes Wissen.

Wie in Abb. 5.6 gezeigt und in der Darstellung der Verlegungspraxis noch weiter ausgeführt wird, bedarf es im Kontext der Akutlogik einer ärztlichen Entscheidung über ein Sterbendürfen, um nicht intensivmedizinisch betreut zu werden oder mit ei-ner akuten Symptomatik auf eiei-ner Normalstation zu verbleiben (vgl. Kap. 5.3.3.).

Wird diese Entscheidung getroffen, dann sehen die IP vor allem für bekannte Pa-tient*innen, die bereits in der Abteilung behandelt worden sind, es als„irgendwie unsere Pflicht“(AB19/148), diese auch„in der Finalphase“(AB24/19) aufzunehmen.

Mit der Pflicht zur Aufnahme wird ein Beziehungsethos als ärztliches Ethos pro-pagiert. Für zwei Fachabteilungen wird zudem eine übergreifende Abteilungsphi-losophie skizziert, die eine klare Verantwortung für initial behandelte Patient*innen festlegt. Mit derPhilosophie der Abteilungeiner Behandlung und Verantwortlichkeit von Anfang bis Ende im Krankenhaus zeigt sich ein starkes Versorgungsideal mit dem Motiv eines Krankenhauses als„Zufluchtsstation“. Zudem zeigt sich in der Kritik am„Hin- und Herschieben“von Patient*innen, wie es für manche Abteilungen der Klinik beschrieben wird, eine Kritik an fehlender ärztlicher Beziehung. Anders for-muliert: Eine Beziehungsmedizin für den stationären Akutbereich wird eingefordert.

Die Auswirkungen dieser starken Bindung für eine Überleitung in den ambulanten Bereich bzw. eine Vorausplanung thematisiere ich in den nachfolgenden Kapiteln zur Verlegung sterbender Patient*innen.

Ehemalige strahlentherapeutische Patienten, [] viele auchin der Finalphase dann einfach zu uns kommen,weil es einfach zu Hause nicht mehr GEHToder woanders nicht mehr geht.

Also, bis JETZT war unserePhilosophie der Abteilungso, unsere Patienten würden wir auch immer wieder aufnehmen, wenn der mal bei uns Patient war, weil die ja einfacheine Zu-fluchtsstation brauchenund das ist ja oft so, manche Abteilungen wollen die dann nicht mehr haben und damit dienicht so hin- und hergeschobenwerden, haben wir immer gesagt,wenn das unser Patient ist, dann nehmen wir die auch wieder auf und begleiten den dann FINAL. (AB24/1636)

Neben der Bekanntheit und der damit einhergehenden ärztlichen Verantwortung be-nennen die IP als weiteren Aufnahmegrund für als sterbend eingeschätzte Pa-tient*innen die Situation von Angehörigen:„bei Angehörigen VIEL Unsicherheit

und auch Überforderungmit der Situation“(AB16/526–527). DieÜberforderung der Angehörigenmit einem akuten verschlechterten Zustand des Erkrankten führt sie in die Rettungsstelle. Dort angekommen, erleben die IP nicht mehr nur überforderte, sondern inzwischen verzweifelte Angehörige, da sie die Sterbesituation nicht erkannt hatten. Im Bewusstwerden sind sie konfrontiert mit einer Behandlungssituation, die so nicht gewollt war. Nun, einmal in der Klinik angekommen, wird eine (Rück)Ver-legung nach Hause aufgrund des schlechten Zustandes schwierig. Fehlende Struktu-ren, vor allem im ländlichen Raum, zur Versorgung schwer kranker pflegebedürftiger Menschen benennen die Ärzt*innen als Hauptgrund. In der Vorstellung des palliativ-medizinischen Wissens in Kapitel 5.1.4. wurde deutlich, dass es nicht nur mangelhaf-te ambulanmangelhaf-te Strukturen, sondern auch fehlende Kenntnisse der IP über palliativme-dizinische Versorgungsstrukturen sowie eine fehlende ärztliche Aufklärung und/

oder fehlende Vorausplanung einer Akut- und Durchlaufmedizin im Krankenhaus sind, die eine Verlegung verhindern.

Wir haben doch auch einige, die wir lange onkologisch betreuen, sei es interventionsmäßig, vie-le Galvie-lenwegstumore, die dann die externen Galvie-lengangsdrainagen brauchen, die dann schvie-lecht werden unddie dann in die Rettungsstelle geschickt werden.Also, die werden schlecht, weil die Patienten präfinal sind, und die kommen dann zu uns.Angehörige kommen, > der Patient wollte doch eigentlich zu Hause versterben < , was machen wir denn jetzt? Ja, der istzu schlecht, um jetzt nach Hause zu gehen, die Angehörigen sind überfordert, aber das sind leider die Strukturen, die halt vor allem auf dem Land fehlen und die wir halt dann auangen müssen leider. (AB30/945956)

Sowohl für denAufnahmegrund einer akuten Zustandsverschlechterung (a) als auch bei einersozialen Indikation als Aufnahmegrundfür Sterbende (b) zeigen sich weitere Hinweise auf eine fehlende Vorausplanung für eine potentiell schlechter werdende Erkrankungs- bzw. Versorgungssituation. Wie schon bei den ärztlichen Aufklärungs-stilen (vgl. Kap. 5.2.4.), dem zentralen Behandlungsauftrag der Heilung im

Sowohl für denAufnahmegrund einer akuten Zustandsverschlechterung (a) als auch bei einersozialen Indikation als Aufnahmegrundfür Sterbende (b) zeigen sich weitere Hinweise auf eine fehlende Vorausplanung für eine potentiell schlechter werdende Erkrankungs- bzw. Versorgungssituation. Wie schon bei den ärztlichen Aufklärungs-stilen (vgl. Kap. 5.2.4.), dem zentralen Behandlungsauftrag der Heilung im