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Die Argumentation der vorliegenden Studie gliedert sich in die folgenden Kapitel:

In einem ersten Schritt werden die beiden Formen der Verlagerung von Arbeit, die in dieser Stu-die im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen – „Offshore-Outsourcing“ und „Captive-Offshoring“

– näher behandelt (Kapitel 2). Es wird gezeigt, dass die beiden Verlagerungsvarianten auf die Ge-schäftsmodelle der jeweiligen Akteure zurückgeführt werden können, die wesentliche Unterschie-de hinsichtlich Unterschie-des angebotenen Produkt-, bzw. Leistungsspektrums und Unterschie-der Form Unterschie-der globalen Arbeitsteilung zwischen den beiden berücksichtigten Fallunternehmen begründen (2.1 und 2.2).

Schließlich lassen sich in den beiden Varianten spezifische Formen von Standardisierung als Grund-lage der Internationalisierung bestimmen, die – so die in diesem Abschnitt explizierte Hypothese – damit auch unterschiedliche Reorganisationsmodi bedingen (2.3).

Im zweiten Schritt werden die Eigenschaften des indischen Arbeitsmarktes für IT-Fachkräfte behandelt (Kapitel 3). In diesem Kapitel wird gezeigt, dass der durch den IT-Boom auf dem in-dischen Arbeitsmarkt herrschende Nachfrageüberhang nach IT-Fachkräften für die dort aktiven IT-Unternehmen zu Problemen geführt hat, da die Beschäftigten in die Lage versetzt wurden, für die mittlerweile in Bangalore sprichwörtlichen „few Rupees“ zu einer Konkurrenzfirma zu wech-seln (3.1 und 3.2). Für die am indischen Standort aktiven Unternehmen stellen die daraus folgenden hohen Fluktuationsraten und die damit verknüpften Erwartungen der Beschäftigten hinsichtlich Gehalt und Karriere eine entscheidende Rahmenbedingung für die Organisation ihrer Arbeitspro-zesse dar. Die in diesem Abschnitt ausgeführte Hypothese lautet, dass diese Rahmenbedingungen berücksichtigt werden müssen, wenn man die Reorganisationsbemühungen und -modi der Unter-nehmen verstehen will, die IT-Arbeit nach Indien verlagern (3.3).

Im Anschluß an die beiden Kapitel, in denen die für zentral erachteten Einflußfaktoren auf be-triebliche Reorganisationsmodi im Zuge der Internationalisierung näher ausgeführt wurden, wird im dritten Schritt ein konzeptioneller Zugriff entwickelt, der den Einfluß sowohl der beiden Verla-gerungsvarianten als auch des indischen Arbeitsmarktes auf die in den beiden Unternehmen iden-tifizierbaren Reorganisationsmodi fasst (Kapitel 4). Die variierenden Reorganisationsmodi werden dabei als unterschiedliche Strategien der Arbeitskontrolle interpretiert (4.1). Dazu greife ich auf ein Untersuchungskonzept von Andrew Friedman zurück, das auf der mittlerweile klassischen Unterscheidung von Kontrollstrategien der „direkten Kontrolle“ und „verantwortlichen Autono-mie“ beruht (4.2) und die Form der betrieblichen Kontrolle als strategische Gestaltung zentraler Aktivitätsfelder durch das Management fasst (4.3).

Auf diese konzeptionellen Überlegungen folgen die beiden in dieser Studie durchgeführten Fall-studien in je einem separaten Kapitel (Kapitel 5 und 6). Das Ziel der FallFall-studien besteht darin, den in den vorausgehenden Kapiteln in Form von Hyothesen skizzierten Zusammenhang von spezifi-schen Internationalisierungswegen, indischem Arbeitsmarkt und daraus resultierenden variieren-den Reorganisationsmodi empirisch zu belegen und näher auszuführen. Beide Fallstudien gliedern sich – nach einem jeweils kurzen Unterkapitel zur Charakteristik des Unternehmens und der Rol-le des indischen Entwicklungszentrums im globaRol-len Geschäftsmodell (5.1/5.2, bzw. 6.1/6.2) – entsprechend der im Konzeptionskapitel vorgestellten Operationalisierung des Kontrollbegriffs (5.3bzw. 6.3). Jede Fallstudie endet mit einer kurzen Zusammenfassung der Ergebnisse (5.4/6.4).

Zum Abschluß (Kapitel 7) werden die in den Fallstudien identifizierten Reorganisationsmodi noch einmal gegenübergestellt und die zentralen Befunde der Studie zugespitzt zusammengefasst (7.1 und 7.2). Die Studie schießt mit einigen Gedanken zu offenen Fragen und weiterem For-schungsbedarf (7.3).

IT-Bereich

Die zentrale Hypothese dieser Studie lautet, dass sich in der IT-Industrie weniger eine gleichför-mige Industrialisierung als vielmehr unterschiedliche Reorganisationsmodi im Zuge ihrer zuneh-menden Internationalisierung identifizieren lassen, die unterschiedliche Formen der betrieblichen Kontrolle begründen. Diese Reorganisationsmodi, so die These weiter, sind in ihrer Form durch das Wechselspiel zwischen den variierenden Internationalisierungswegen in der IT-Industrie und dem Arbeitsmarkt an den Ziel-Standorten bestimmt.

In diesem Kapitel soll gezeigt werden, dass sich mit „Offshore-Outsourcing“ und „Captive Offs-horing“ zwei unterschiedliche Varianten der Internationalisierung in der IT-Industrie identifizie-ren lassen, die sich aus einem speziellen Produkt- bzw. Leistungsspektrum und einem damit ver-knüpften Geschäftsmodell der beteiligten Unternehmen ergeben und die jeweils eine bestimmte Form der globalen Arbeitsteilung und Beziehung der miteinander in Beziehung gesetzten Stand-orte beinhalten. In diesen beiden Internationalisierungswegen lassen sich Unterschiede in der In-tensität und Form der Standardisierung und Formalisierung der zugrundeliegenden Arbeitspro-zesse festmachen, die – so die hier ausgeführte Hypothese – unterschiedliche Reorganisationsmodi in den Unternehmen begründen.

2.1 Das „Global Delivery Model“ der IT-Dienstleister

Die erste Variante der Internationalisierung in der IT-Industrie, die in diesem Kapitel in ihrer Wirkung auf den zugrundliegenden Reorganisationsmodus näher bestimmt werden soll, ist das

„Offshore-Outsourcing“. Unter Offshore-Outsourcing werden Verlagerungsprozesse verstanden, die sowohl organisationsübergreifende Aus- (Outsourcing) als auch regionale Verlagerungsprozesse (Offshoring) beinhalten (vgl. Aspray, Mayadas und Vardi 2006, S.45f.).

Die organisationsübergreifende Verlagerung besteht darin, dass von Kundenunternehmen vor-her intern durch die eigenen IT-Abteilungen erbrachte IT-Funktionen an einen auf diese Funktio-nen spezialisierten exterFunktio-nen IT-Dienstleister ausgelagert werden (Outsourcing)1.

Lange Zeit wurde dieses Outsourcing-Geschäft von den großen westlichen IT-Dienstleistungs-unternehmen (wie z.B. IBM, Accenture oder EDS) dominiert, die am selben Standort ansässig waren wie die Kundenunternehmen. Diese Form des Outsourcings beinhaltete zunächst also kaum oder nur in geringem Umfang auch eine räumliche Verlagerung der Tätigkeiten von Hoch- in Niedriglohnregionen (vgl. Boes 2004, S.92).

Diese Situation ändert sich jedoch, seit mit den indischen IT-Dienstleistern ein neuer Akteur das Geschäftsfeld betritt2. Diese – gemeint sind vor allem die „5 Großen“ der indischen IT-Industrie:

1Sicher erbringen IT-Dienstleister z.T. auch Leistungen für andere IT-Unternehmen, jedoch stellt die Verlagerung an externe Dienstleister bei reinen IT-Unternehmen eher die Ausnahme dar (vgl. Boes 2004, S.77f, Kämpf 2008, S.43)

2Zur Internationalisierung der indischen IT-Dienstleister siehe auch Niosi und Tschang (2009); sowie Fortanier und Tulder (2009).

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TCS, Infosys, Wipro, Mahindra Satyam und HCL3– kombinierten als erste systematisch das orga-nisationsübergreifende Outsourcing von IT-Leistungen mit der Nutzung von Offshore-Standorten in Niedriglohnregionen, fügten der organisatorischen also eine räumliche Verlagerung hinzu (vgl.

Dossani 2007, S. 223). Dadurch erreichen diese Unternehmen erheblich reduzierte Kosten mit de-nen sie die westlichen IT-Dienstleister unter Druck setzen und in den letzten Jahren zunehmend Marktanteile erobern konnten (vgl. in der Einschätzung z.B. auch Singh 2005, S. 811). So wurde den indischen IT-Dienstleistern bereits 2005 zugeschrieben, ein Fünftel des weltweiten Marktes für

„Custom Software“, d.h. die Anpassung oder Entwicklung von Erweiterungen auf der Basis von Standardsoftware, abgedeckt zu haben (Athreye 2005a).

In der Folge gehen auch die großen westlichen IT-Dienstleister dazu über, Offshore-Kapazitäten in ihre Wertschöpfungsketten zu integrieren, um ihre Kosten zu reduzieren. So haben alle großen Dienstleister mittlerweile Offshore-Entwicklungszentren mit teilweise erheblichen Beschäftigten-zahlen u.a. in Indien gegründet4. Doch obwohl damit auch die westlichen IT-Dienstleister das Outsourcing mit dem Offshoring kombinieren, gelten nach wie vor die indischen Dienstleister als Vorreiter und Leitbilder bei der Entwicklung dieses neuen globalen Verlagerungsmodells im Be-reich der IT-Dienstleistungen (vgl. Athreye 2005b, Boes u. a. 2007, auch Pohl und Onken 2003). Als

„early adopters“ haben sie eine Nische der zunehmend globalen IT-Industrie besetzt und sich auf dieses Branchen-Segment, die Bereitstellung von Offshore-Dienstleistungen spezialisiert (Dossani 2007, S.225). Aus diesem Grund konzentriert sich diese Arbeit zur Untersuchung der Reorganisa-tionsmodi bei „Offshore-Outsourcing“ auf einenindischenIT-Dienstleister.

Der Vorteil der indischen IT-Dienstleister war und ist, dass diese ihre indischen Entwicklungs-zentren von Anfang an5als Offshore-Komponente in ihr auf den globalen – wenn auch anfänglich fast ausschließlich amerikanischen – Markt ausgerichtetes Geschäftsmodell eingebunden haben. So entwickelten sie früh tragfähige Produktionsprozesse und -strukturen, wohingegen die etablierten großen europäischen und amerikanischen IT-Dienstleister ihre Prozesse erst an die neuen Erfor-dernisse globaler Arbeitsteilung anpassen müssen, mit allen Rigiditäten und Konflikten, die mit der Umgestaltung der internen Arbeitsabläufe einhergehen (siehe Boes u. a. 2007, S.29).

Das von den indischen Dienstleistern entwickelte – und zunehmend von den westlichen IT-Dienstleistern kopierte – Geschäftsmodell wird in der Literatur häufig als „Global Delivery Mo-del“ bezeichnet (siehe z.B. Upadhya 2009 oder auch Boes u. a. 2007). Wesentliche Eigenschaften die-ses Geschäftsmodells sind zum einen die spezielle Form der globalen Arbeitsteilung und zum ande-ren die konsequente Prozessorientierung (vgl. ebd., Lema und Hesbjerg 2003, Mayer-Ahuja 2011, Athreye 2005b), die damit auch einen ganz speziellen Modus der Organisation der Arbeitsprozesse begründen.

Das „Global Delivery Model“ verbindet Vertriebsniederlassungen am Ort des Kunden (häufig auch Frontend- genannt) mit sich offshore befindlichen Entwicklungszentren (Backend) und be-ruht somit auf einer konsequenten Trennung der kundennah und den auch aus der Entfernung zu erbringenden Leistungen (vgl. Kämpf 2008, S. 44, Boes u. a. 2007). Dies bedeutet, dass der

IT-3„Groß“ bezieht sich in diesem Zusammenhang vor allem auf die enormen Beschäftigtenzahlen jener Unternehmen:

Laut Hackmann (2010) beschäftigt TCS gegenwärtig (2010) weltweit 140.000 Beschäftigte, Infosys 115.000, Wipro 110.000, HCL 62.000 und Mahindra Satyam 29.000.

4IBM beschäftigt z.B. angeblich mittlerweile über 100.000 Angestellte in Indien, Accenture 50.000 und Capgemini 23.000 (ebd.).

5Als Anfang wird hier der Moment verstanden, als die indischen IT-Dienstleistungsunternehmen ihr Geschäftsmo-dell von dem die Anfänge der indischen IT-Industrie dominierenden Body-Shopping-MoGeschäftsmo-dell auf die Offshore-Erbringung von IT-Dienstleistungen umstellten. Ausführlichere Erläuterungen zu diesen Veräderungen finden sich bei u.a. bei Athreye 2005a,bund Dossani 2007.

Dienstleister mit einer Niederlassung am Ort des Kunden präsent ist, und von dort aus (neben Sales- und Marketing-Aktivitäten) die Tätigkeiten bearbeitet, für die enger Kundenkontakt nötig ist. So finden sich in diesen Niederlassungen vor allem die beratungs- und kommunikationsinten-siven Tätigkeiten, wie z.B. strategische Beratungsleistungen, oder – wenn es um die Entwicklung kundenspezifischer Software geht – das Design und die Anforderungsanalyse.

Komplementär zu diesen Niederlassungen am Standort des Kunden (also gegenwärtig noch schwerpunktmäßig in den westlichen Industrieländern) beinhaltet das Modell Entwicklungszen-tren in Offshore-Regionen. Liegt der Schwerpunkt der Aktivitäten der Onsite-Niederlassungen im Bereich der kommunikations- und beratungsintensiven Tätigkeiten, so entfallen auf die Offshore-Entwicklungszentren die eher personal- und arbeitsintensiven Tätigkeiten wie das Codieren und das Testing der zu entwickelnden oder zu wartenden Applikation (vgl. auch Heeks 1995, S. 371, Upadhya und Vasavi 2006, S.16).

Doch es sind nicht nur die konsequente Verknüpfung von Onsite- und Offshore-Kapazitäten und die darin begründete Form der globalen Arbeitsteilung, die das „Global Delivery Model“ aus-machen. Vielmehr betonen mehrere Autoren explizit die ausgeprägteProzessorientierungals zen-trales Merkmal der indischen IT-Dienstleister (vgl. Boes u. a. 2007, Athreye 2005b). Unter Prozes-sorientierung werden dabei stark formalisierte und standardisierte Geschäftsprozesse verstanden.

Dies beinhaltet, dass für die Erbringung der unterschiedlichen Leistungen jeweils standardisier-te Prozessbeschreibungen definiert werden. In diesen Prozessbeschreibungen sind dann die nöti-gen Schritte der Leistungserbringung detailliert vorgeschrieben. Eine Prozessbeschreibung enthält dementsprechend z.B. Informationen über die am Prozess beteiligten Rollen und deren genaue Zuständigkeiten sowie die in jedem Arbeitsschritt zu leistenden Tätigkeiten. Zudem beinhalten sie häufig klare Vorgaben für die einzelnen Tätigkeiten, wie z.B. Vorlagen für die Protokollierung von Kundengesprächen (Die Prozessbeschreibungen werden bei der späteren Falldarstellung des indischen IT-Dienstleisters noch ausführlich behandelt).

Die Prozessorientierung der IT-Dienstleister wird schon durch das von ihnen bereitgestellten Leistungsspektrum und das damit zusammenhängende Ertragsmodell gefördert (vgl. auch Fle-cker u. a. 2007, S.139). IT-Dienstleister erbringen schwerpunktmäßig Leistungen, die zuvor aus den Abläufen der Kundenunternehmen herausgelöst wurden. Ihr Leistungsspektrum reicht da-bei von Beratungsleistungen über Implementierungs- und Systemintegrations-Projekte bis hin zu Wartungs- und Hosting-Projekten. Zumeist handelt es sich dabei um relativ stark standardisier-te IT-Funktionen, die zudem häufig wiederkehren. So beinhalstandardisier-tet z.B. die firmenweistandardisier-te Installation einer neuen Windowsversion in vielen Organisationen zum größten Teil dieselben Arbeitsschrit-te, so dass diese von den IT-Dienstleistern dementsprechend leicht standardisiert und modelliert werden können. Und auch die Anpassung eines Standardproduktes, wie z.B. einer SAP-Lösung, an unterschiedliche Unternehmensumwelten hat eine überschaubare Zahl von Varianten. Für die IT-Dienstleister schafft dies eine Möglichkeit, sich auf bestimmte, standardisierte IT-Leistungen spezialisieren zu können und damit auch Skalenerträge zu erzielen. Grundlage dessen ist aber die klare Standardisierung und auch Formalisierung der zugrundeliegenden Arbeitsprozesse, die eine wiederholbare und möglichst effiziente Durchführung der jeweiligen Projekte erlaubt (vgl. auch ebd., S. 85ff.). Im Zentrum der Aufmerksamkeit der IT-Dienstleister stehen daher nicht die kon-kreten Projekte, sondern vielmehr die jeweils für ein Projekt auszuführenden Prozesse und die dazu nötigen Aufwände (Boes u. a. 2007, S.26f:). Im Endeffekt besteht ein jeweils auszuführendes Projekt damit aus dem Ablauf einer bestimmten Zahl miteinander kombinierter Prozesse.

Diese Orientierung an standardisierten Prozessen statt an jeweils unterschiedlichen konkreten Projekten, wird durch das Ertragsmodell von IT-Dienstleistern noch zusätzlich verstärkt. Die an

IT-Dienstleister ausgelagerten IT-Funktionen können aufgrund ihres standardisierten Charakters grundsätzlich von vielen Dienstleistern in vergleichbarer Qualität erbracht werden. Demnach kon-kurrieren IT-Dienstleister bei der Vergabe von Kundenaufträgen in erster Linie über die Preise und die Verlässlichkeit der Leistungserbringung.

Zur Festlegung der Preise haben sich im Bereich der IT-Dienstleistungen in den letzten Jah-ren vor allem aufwandsbezogene Ertragsmodelle in Form von sogen. „Service Level Agreements“

(SLA) herauskristallisiert (Flecker u. a. 2007; Taylor 2010). Dabei handelt es sich um vertragliche Vereinbarungen zwischen den Anbietern von Dienstleistungen und deren Kunden, in denen die Art der zu liefernden Leistung möglichst detailliert beschrieben, in unterschiedlichen Kategori-en, z.B. nach Art der TeilleistungKategori-en, gefasst und dann entsprechend auch preislich bestimmt wird.

Ferner sind in solchen Vereinbarungen häufig die Zeiträume der Bearbeitung, Qualitätsstandards, Eskalationsstufen und entsprechende Verantwortlichkeiten zwischen den Parteien geregelt.

Die SLA’s beinhalten häufig umfangreiche Regelungen bzgl. der zu liefernden Leistung und und greifen damit teilweise auch weit regelnd in die Arbeitsabläufe der Dienstleister ein, indem bestimmte Vorgehensmodelle oder Verfahren vertraglich festgelegt werden6. Ein kleines Beispiel veranschaulicht diesen Punkt:

Der in dieser Arbeit untersuchte indische IT-Dienstleister ServiceTec hatte in einem Wartungsprojekt permanent Auseinandersetzungen mit dem Kunden. Hintergrund war, dass die von ServiceTec zu wartende – aber nicht selbst entwickelte – Applikation diverse Fehler aufwies, die ein reibungsloses Funktionieren nahezu unmöglich mach-ten. Dementsprechend hoch war der Wartungsaufwand für ServiceTec. Nun wollte der Kunde die identifizierten Fehler im Rahmen des mit ServiceTec abgeschlossenen War-tungsvertrages korrigieren lassen. ServiceTec verweigerte dies jedoch mit dem Hin-weis, dass es sich bei dieser Tätigkeit um einen ganz anderen Prozess (Debugging statt Maintenance) mit anderen Tagessätzen handele. Dementsprechend sei zwar das Korri-gieren der Folgefehler der Applikation vom Wartungsvertrag abgedeckt, das Ausbes-sern der Applikation selbst aber nicht. Diese Art von Konflikt sei nach Angaben von Beschäftigten bei ServiceTec durchaus typisch für ihre Projekte.

Dieses kleine Beispiel verdeutlicht die Konsequenzen des im Bereich der IT-Dienstleistungen dominierenden Ertragsmodells. Die SLA’s forcieren die Standardisierung und Formalisierung der Arbeitsprozesse, weil die für den Kunden erbrachten Leistungen möglichst genau in einzeln ab-rechenbare Einheiten zerlegt werden müssen (vgl. auch Flecker u. a. 2007, S.97). Die von den IT-Dienstleistern implementierten Prozessmodelle mit ihren stark standardisierten und formalisier-ten Abläufen bieformalisier-ten ihnen dabei die Möglichkeit, die nötigen Arbeitsschritte der Leistungserbrin-gung für den Kunden (meist schon im voraus) detailliert auszuweisen und somit den Gesamtauf-wand leichter einschätzbar zu machen.

Dies ist auch der Grund, warum IT-Dienstleister stärker als andere IT-Firmen auf internationale Zertifizierungen der Leistungserbringungsprozesse wie CMMI, ISO9000 oder Six-Sigma – um nur einige zu nennen – setzen.

Diese Zertifikate dienen einerseits als Werbung gegenüber Kunden, denen mit der erfolgreichen Zertifizierung Qualität und Effizienz in der Projektabwicklung demonstriert werden soll. In

ei-6Vgl. Flecker u. a. 2007, ganz ähnlich ist dies auch im Bereich der Call-Center (vgl. Taylor 2010)

nigen Bereichen stellt eine erfolgreiche Zertifizierung, z.B. nach CMMI7, bereits eine notwendige Voraussetzung dar, um überhaupt an bestimmte Aufträge zu kommen, da sie von den Kunden als Qualitätsausweis der Leistungserbringung eingefordert wird. Die indischen IT-Dienstleister sind auch in dieser Hinsicht Vorreiter, denn gerade sie hatten anfänglich mit erheblichen Vor-behalten der Kunden gegenüber der von ihnen gelieferten Qualität zu kämpfen. Die indischen IT-Dienstleister versuchten diesen Zweifeln durch erfolgreiche Zertifizierungen zu begegnen. So kamen im Jahr 2003 von den 80 nach CMMI Level 5 zertifizierten Unternehmen 60 aus Indien (Deutsche Bank Research 2005, S.6).

Doch auch wenn eine wichtige Funktion der externen Zertifizierung in Kundenwerbung be-steht, unterstützt die erfolgreiche Implementierung dieser Standards auch die Standardisierung und Formalisierung der Arbeitsprozesse in den Unternehmen. Schließlich sind die Prozessmodelle, un-abhängig von dem Grund ihrer Einführung, auch real wirksam, indem sie helfen, die Arbeitspro-zesse in einzelne, einfacher zu beherrschende und abrechenbare Teilschritte zu zerlegen, und es zudem erlauben, die Befolgung der Prozesse mit integrierten Kennzahlen zu messen (für eine kriti-sche Auseinandersetzung mit den Prozessmodellen in Bezug auf die Arbeitsprozesskontrolle, siehe Prasad 1998).

Die vielfach bemerkte „Zertifizierungswut“ (ebd.) der indischen IT-Dienstleister und die starke

„Prozessorientierung“ können daher als ein integraler Bestandteil des „Global Delivery Models“

der indischen IT-Dienstleister verstanden werden – sie sind seine Voraussetzung und seine Konse-quenz zugleich.

2.2 Die Herausbildung verteilter Entwicklungsmodelle bei